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15. November 2015

Uhren aus Moskau – MakTime Chronograph Kaliber 3133

Filed under: СДЕЛАНО В CCCР - Made in USSR — Benzin @ 11:40

Jetzt ist es passiert. Ich hab mir nach vielen Jahren wieder eine Stoppuhr gekauft. Na ja. Noch eine, meine ich. Im Moment sind es zwei, und erfahrungsgemäß vermehren die sich gerne, diese Russenuhren. Ist auch irgendwie kein Wunder. Nachdem ich mich schon eine Weile mit sowjetischen Uhren beschäftige und diese lieben und schätzen lernte, war es fast ein natürlicher Schritt, auch einen Chronograph zu kaufen. OKEAH, ШТУРМАНСКИЕ, АВИАТОР , БУРАН,  СТРЕЛА, das sind schon Namen, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, oder? Welcher Russenliebhaber hat noch nie davon geträumt, eine Strela, OKEAH (Ozean) oder Aviator in seine Sammlung einzufügen? Wieso kauft man sich dann eine MakTime? Ist die nicht aus den USA? Klingt irgendwie nach McDonalds. Oder nach Mack Truck.

my_ruskie_blog_maktime_3133_01_2Ich war ehrlich gesagt knapp dran, mir die Neuauflage der OKEAH zu kaufen. Für mich der Inbegriff der sowjetischen Stoppuhr schlechthin. Das Original wurde ab den 70er Jahren von der ersten Moskauer Uhrenfabrik Poljot gebaut und war anfangs für Zivilpersonen nicht erhältlich. Wobei ich mir sicher bin, dass Breschnew eine bekommen hätte, hätte er eine gewollt. Auch wenn alle gleich sind, ein paar sind immer gleicher. Es war eine reine Militäruhr für die Kriegsmarine. Erst in den 80er Jahren gab es zivile Versionen, die zwar wie die OKEAH aussah, aber полёт hieß. Heute kann man diese Uhr sogar wieder neu kaufen und sie heißt sogar wieder OKEAH. Es gibt sie wieder. Oder schon wieder. Oder schon wieder, schon wieder. Und genau das hat mich schlussendlich vom Kauf dieser Neuauflage abgehalten.

Die OKEAH und die zivilen Poljot sind ja, wie die Strela, eine geradezu mit einem Mythos behaftete Uhr. Mythen und Sowjetunion passen einfach gut zusammen. Mythos. Nicht genau wissen. Im Nebel verschwommen. Das hat was. Im Nebel verschwommen ist heute auch die Originalität der alten, orignalen Original Uhren. Was man da alles angeboten bekommt, schlägt teilweise dem Faß den Boden aus. Caveat Emtor! Kunde, sei wachsam! Du sollst wissen, was du kaufen willst! Gehäuse und Ziffernblätter aus China, Uhrwerke aus den unterschiedlichsten Leichen zusammengeschustert, alles wird angeboten, weil die Nachfrage und damit auch die Preise hoch sind. Mir ist das ehrlich gesagt zu heiß. Ich kenn mich zu wenig aus damit. Aber wie gesagt, man kann sich ja eine Neuauflage kaufen und hat diese Sorgen nicht. Dafür andere.

Zuerst wurde die OKEAH gegen Ende 2011 auf Wunsch und Vorschlag von HdR, einem spanischen Uhrenforum, als “Final Edition 1978 – 2011” in einer limitierten Stückzahl von 300 neu aufgelegt. Gebaut wurde sie von Volmax in Moskau. Der Hintergrund für diese Auflage war die Ankündigung der Firma MakTime, die Produktion des Poljot Kaliber 3133 mit Jahresende einzustellen. MakTime war die einzige Firma, die dieses Kaliber baute, was heißt, das Ende einer Ära zeichnete sich ab. Wer keine klassische, alte OKEAH kaufen wollte, weil er Angst vor den zahlreichen Fälschungen oder Bastelwastel hatte, hatte hier nochmals die Gelegenheit, ein “Original” zu kaufen. Na ja. Es war halt die einzige und letzte, und originalste Gelegenheit, sich nochmals eine OKEAH zuzulegen, seine Sammlung zu komplettieren. Bevorzugt wurden klarerweise Forumsmitglieder, was heißt, viele der Interessenten schauten durch die Finger und waren traurig. Die, die Gelegenheit hatten, so eine Uhr zu kaufen, freuten sich einen Ast. Sie hatten das Glück, besaßen eine der Letzten ihrer Art. Lange dauerte diese Freude nicht an. Volmax ist eine Profit orientierte Firma und arbeitet mir Profit orientierten Geschäftsleuten zusammen. Willkommen im Kapitalismus.

Im Spätherbst 2012 ging ein Aufschrei durch die Uhrenforen. Sie war wieder da, die OKEAH. Wieder in limitierter Auflage von 300 Stück, diesmal von keinem Forum in Auftrag gegeben, sondern von Volmax auf den Markt geschmissen. Genau die gleiche Uhr! Das war irgendwie irritierend. War die “Final Edition” doch nicht so final? Eine Kopie der Final Edition? Gabs jetzt insgesamt 600 limitierte „Finale Edition“ Uhren? 300 Final und 300 Final final? Aber es kam noch besser! Es gibt sie nämlich inzwischen schon wieder, die “Final Edition”. Das ist Kapitalismus pur. Der Markt will befriedigt werden! Und natürlich war jede folgende Final Edition teurer als die vorhergehende. Jetzt wurde nicht mehr nur diskutiert, ob das die “Final Final” Edition war, oder die “Last Final Edition” oder nur die “2. Final Edition” oder gar die “Very last final Edition”, jetzt waren die Käufer der ersten “Final Edition”, vor allem die, die diese Uhr als limitierte Edition in Auftrag gaben, so richtig angefressen. Und für mich war spätestens das der Punkt, wo ich dachte, “Habt’s mich gern!”

Nachdem ich mich mit der Firmengeschichte von MakTime näher auseinandergesetzt hatte, war klar, ich kaufte mir eine MakTime, weil die für mich das einzige wahre Original eines Poljot Chronograph Kaliber 3133 ist, das man nach dem Bankrott von Poljot noch kaufen kann. Und vor allem steht da nicht nur MakTime drauf, da ist auch MakTime drinnen. Das einzige neu erhältliche Original! Darum hab ich auch gleich zwei genommen. Selbst vier Jahre nach Ende der Produktion ist ein Ende der Erfolgsgeschichte nicht absehbar. Uhren mit dem Kaliber 3133 gibt es noch immer zu kaufen. Auch neu. Händler mit Mut und Geld hatten Lagerbestände an Uhren und Uhrwerken zuhauf aufgekauft, die Werke werden neu eingeschalt und Stück für Stück verkauft. Wie lange noch, bleibt abzuwarten. Vor allem wird’s nicht billiger. Die Preise steigen stetig. Übrigens, die „Final Edition“ wurde von Spöttern inzwischen „Oblivion Edition“ getauft.

MakTime und seine Geschichte.

MakTime wurde 1996 von den Brüdern Alexander und Vjacheslav Makarov gegründet. Alexander, der kaufmännisch Ausgebildete und Vjacheslav, der Entwicklungsingenieur, träumten den Traum von unternehmerischer Unabhängigkeit. Ursprünglich fertigten sie nur Gehäuse, die sie mit zugekauften Uhrwerken ausstatteten. Ursprünglich waren MakTime Uhren auch nur für den inländischen Markt gedacht, was sich aber bald ändern sollte. Die Geschäfte gingen offenbar gut, den 2003 kaufte MakTime die stillgelegte Zarja Uhrenfabrik in Pensa und kurbelte die Produktion wieder an. 2005 gelang ein großer Cup, so schien es. Die Makarovs kauften von der Pleite gegangenen ersten Moskauer Uhrenfabrik die komplette Produktionslinie für das Chronographen Kaliber 3133 und verlegten das mitsamt der Belegschaft in den Süden Moskaus. Im gleichen Jahr kaufte MakTime auch Anteile an der zweiten Moskauer Uhrenfabrik, Slava. Dort wurde die Produktion zwar nicht wieder aufgenommen, aber ein Teil der Belegschaft fand entweder bei MakTime in Moskau oder bei Zarja in Pensa Arbeit. MakTime Uhren wurden zwar noch immer hauptsächlich im Inland verkauft, Uhrwerke fanden aber auch im Ausland Absatz, vor allem das Kaliber 3133, das für zahlreiche Chronographen mit russischen oder nicht gar so russischen Namen verwendet wurde und noch heute wird.my_ruskie_blog_maktime_aviator3133_02_2

Das Kaliber Poljot 3133 soll ja so entstanden sein, dass die erste Moskauer Uhrenfabrik, also Poljot, die Fertigungsanlagen des Schweizer Kaliber Valjoux 7734 nach Einstellung der Produktion mitsamt der Lizenz zum Weiterbau dieser Werke kaufte und dann, wie in den sowjetischen Werken üblich, über kurz oder lang diese Uhrwerke nach eigenen Gutdünken verbesserten und sie mit eigenen Kaliber Bezeichnungen versahen, in diesem Fall Poljot 3133. Wie? Ein Schweizer Uhrwerk verbessern? Von den Sowjets? Na, so technisch unbedarft waren die Sowjets auch wieder nicht. Wir erinnern uns vielleicht, der erste Mensch, der die Erde in einer Erdumlaufbahn umrundete, war mit Juri Gagarin ein sowjetischer Staatsbürger, und kein Schweizer. Die Sowjets begannen nur halt immer mehr und mehr unter ihrem politischen und wirtschaftlichen System zu leiden und waren dadurch auf den Zukauf von ausländischen Produktionsanlagen angewiesen, um den Bedarf wenigstens annähernd zu decken.

Neben dem 3133 Kaliber wurden auch noch die Kaliber 31682 mit 24 Stunden Anzeige und 31679 mit Anzeige der Mondphase gebaut, MakTime war sogar dabei, aus dem Handaufzugs-Kaliber 3133 ähnlich dem Valjoux 7750 ein Automatikwerk zu entwickeln. Ganz besonders widmete man sich dem Kerngeschäft, dem Bau von Gehäusen. Auf modernsten CNC Maschinen wurden Uhrengehäuse nicht nur aus Rostfreiem Stahl, sondern auch aus Gold, Silber und Titan gefertigt und teilweise mit Edelsteinen verziert, wodurch man Preise bis um die 70 000 US Dollar erzielt hätte können.

Dann kam die Weltwirtschaftskrise, unter deren Folgen wir noch heute leiden, und daraus wurde nichts. Leider nicht nur das. Die genauen Hintergründe sind mir ungekannt, aber mit Ende 2011 wurde der Bau des Chronographen Kaliber 3133 komplett eingestellt, womit eine Ära zu Ende ging. MakTime war nach Poljot (Poljot aus der Sowjet Zeit!) der einzige und auch letzte Hersteller von Stoppuhren des Kaliber 3133, die komplett in Russland und im eigenen Haus gefertigt wurden.

MakTime factory report

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