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15. Januar 2016

Uhren aus Peking – BWAF/Beijing Watch Factory

Filed under: صنع في الصين - anihC ni edaM — Benzin @ 13:05

Die Geschichte der Beijing Watch Factory  oder chinesisch 北京手表厂,so der offizielle und international bekannte Name dieser Firma – reicht bis ins Gründungsjahr 1958 zurück. Damit gehört sie zu den ältesten Uhrenfabriken Chinas. Tiān’ānmén – das Tor des Himmlischen Friedens, der Haupteingang zur Verbotenen Stadt in Peking, ist das Markenzeichen.  Aus der anfangs 21 Mann starken Besatzung wurden inzwischen rund 600 Beschäftigte. Die Firma, seit 2004 in Privatbesitz, sieht sich zwar auch als Zulieferer mechanischer Uhrwerke für andere Uhrenhersteller, betätigt sich allerdings hauptsächlich als Hersteller hochwertiger mechanischer Uhren für den heimischen Markt und hofft auf Kundschaft aus der immer zahlreicher werdenden Schar wohlhabender Chinesen der Mittel- und Oberschicht, die langsam, aber doch, wieder einheimische, qualitativ hochwertige Produkte schätzen lernt. Chinesische Mentalität ist, wie in vielen anderen Ländern auch, dass ausländische Produkte, speziell Japanische oder Schweizer Uhren, wesentlich mehr geschätzt werden, als heimische. Was nicht an deren besserer Qualität liegt. Die Qualität der großen, heimischen Uhrenhersteller wie BWAF, Tianjin Sea-Gull oder Shanghai kann sich ohne weiteres mit jedem Uhrenhersteller dieser Welt messen. Es ist der Reiz des Fremden. Wie chinesisches Porzellan, chinesische Seide oder französische Mode für uns. Die BWAF erzeugt keine Quarz-Uhrwerke mehr. Der Quarzmarkt ist unattraktiv geworden, man kann damit nur mehr schwer Geld verdienen. 2 Bilder unten: Beijing SB5 18 000BPM produziert von 1967 – 74

my_chinese_watchblog_beijing_sb5_001Momentan verdienen sich die Schweizer Luxusuhrenhersteller, bedingt durch den Aufschwung der chinesischen Wirtschaft, in China eine goldene Nase. Mit einer Einwohnerzahl jenseits von (wahrscheinlich, genau weiß das keiner) 1.5 Milliarden ist das Potential enorm und der vorhandene Kuchen, von dem man sich ein Stück abschneiden kann, riesengroß. In absehbarer Zeit hat die BWAF jedenfalls nicht vor, zu exportieren, alleine schon aus Kapazitätsgründen, sondern will sich ausschließlich auf den heimischen Markt konzentrieren. Auch deshalb, weil man die Misserfolge der chinesischen Konkurrenz im Ausland vor Augen hat. Das Management lenkt den Betrieb sehr vorsichtig in die Zukunft.my_chinese_watchblog_beijing_sb5_002

Als Uhrenhersteller kann die BWAF durchaus auf großartige Leistungen zurückblicken. Nicht nur, dass die Uhren auch zu Maos Zeit (sofern die politischen Wirren nicht all zu groß waren) ausgesprochen gute Qualität besaßen, entwickelte die BWAF 1995 unter der Leitung des alten Uhrmachermeisters Xu Yaonan den Prototyp ihres ersten, eigenständigen Tourbillon Werkes, womit sie auch die erste chinesische Firma war, die solche hochkomplexen Uhrwerke herstellen konnte.

Heute, nachdem man Tourbillons verschiedenster Machart zu produzieren imstande ist, ist man auch stolz darauf, diese hochkomplexen Uhrwerke NICHT an andere Uhrenbauer zu verkaufen. Diese Uhrwerke werden ausschließlich für Uhren aus dem eigenen Haus verwendet. Mit Fug und Recht kann sich die Pekinger Uhrenfabrik als “Manufaktur” bezeichnen, die alle Komponenten im eigenen Haus baut. Womit sie zu einer, selbst global gesehen, kleinen Uhrmacher-Elite zählen. 2008 brachte die BWAF zum 50. Geburtstag eine limitierte Auflage der BeiHai mit dem dekorierten Handaufzugskaliber SB18 als “Limited Edition 1958 – 2008” auf den Markt, die auch schnell bei ausländischen Käufern ihre Fan-Gemeinde fand. Die vorgesehenen 2008 Stück wurden nicht auf einmal produziert, sondern es werden jährlich kleine Stückzahlen hergestellt, wobei auch immer wieder neueste technische Verbesserungen mit einfließen. Mit dem neuen, verbesserten Kaliber B18 ist diese Uhr nach wie vor zu kaufen. Das ist eine Vorgangsweise, wie sie sich nur eine Manufaktur leisten kann. Da an alte Uhren der BWAF nicht so leicht ran zu kommen ist, aber gerade von dieser Firma sehr viele wunderschöne neue und auch leistbare Uhren zu haben sind, hab ich mich bei der Beijing Watch Factory hauptsächlich auf neue Modelle spezialisiert, was heißt, ich kauf die nicht unbedingt zu Sammlerzwecken, sondern weil sie mir außergewöhnlich gut gefallen und ich sie gerne trage. Vielleicht sind das ja in 30 Jahren begehrte Sammlerstücke. Ich wäre dann ja erst 86. Die “Oldtimer” trag ich schon aus Vorsichtsgründen nicht gerne im Alltag. Eine alte, kaputtgegangene Uhr ist unter Umständen nicht mehr ersetzbar, und dabei spielt es für mich keine Rolle, was sie rein materiell Wert ist.

Meine momentan älteste Uhr der BWAF ist die oben gezeigte Beijing SB5, die von 1967 – 74 erzeugt wurde. In den 70er und 80er Jahren exportierte dieser Hersteller auch noch in den asiatischen Raum, zum Teil auch nach außerhalb Asiens. Uhren für den asiatischen Raum trugen den Namen “Shuangling”, genau die gleichen Uhren, die außerhalb Asiens verkauft wurden, trugen zwar das selbe Markenzeichen, wurden aber “Double Rhomb” genannt, zu deutsch “Doppelte Raute”. Genau das war auch das Markenzeichen dieser Exportuhren, eine doppelte Raute.

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Die damals noch verstaatlichte Beijing Watch Factory war eine der Fabriken, die an der Entwicklung der chinesischen Standard-Uhr teilnahmen, die im Falle dieser Fabrik ab 1972 das 17 Steinige ZB-1 beherbergten. Aus diesem Uhrwerk ging zwei Jahre später das mit 20 Lagersteinen ausgestattete ZB-1 hervor, das sich in den Uhren oben und unten befindet. Die Uhr unten besitzt nicht nur eine Datums-, sondern auch eine Tagesanzeige, wie sich das für eine chinesische Uhr gehört, in chinesischer Sprache. Damit gehört sie natürlich zu meinen Lieblingsstücken.

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Eine weitere Version des ursprünglichen 17 Steinígen ZB-1 war das 40 Steinige Automatikuhrwerk SZB-1C, zugleich auch das erste Standard-Uhrwerk mit Automatikaufzug Chinas, und ist unten zu sehen.

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Und nun zu meiner kleinen Ansammlung moderner Uhren der Beijing Watch Factory

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Beijing Beihai 1958 – 2008 Limited Edition mit dekoriertem Handaufzugskaliber B18
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Beijing Zhufeng II „Everest“, ebenfalls mit dekoriertem Handaufzugskaliber B18 und mit Datum
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Beijing Hong Ru Automatik mit Datum
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Beijing Zunda Automatik mit Gangreserve Anzeige und Datum
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Beijing Zungu-6 Automatik

In manchen Uhrenforen, ehrlich gesagt hauptsächlich in deutschsprachigen, liest man manchmal die Frage „Ich will mir eine chinesische Uhr kaufen, sie soll €25.- kosten. Ist das nicht etwas teuer?“ Nein. Kein Witz! Diese Frage war Ernst gemeint. Leider. Ja, stimmt. Es gibt im Internet Uhren, auch aus China, die kosten keine 10 Euro. Sogar mechanische. Wenn man Glück hat, läuft die sogar eine ganze Weile, und wenn sie kaputt ist, wirft man sie weg. Hat ja eh so gut wie nix gekostet. Das ist schon in Ordnung. Wenn jemand sowas kaufen will, dann soll er. Wenn das Ding aber nach kurzer Zeit kaputt ist, bitte nicht alles in einen Topf werfen und über den billigen Dreck aus China schimpfen. Es ist ein großer Unterschied, ob Gegenstände wie eine Uhr in China preisgünstig hergestellt werden, oder ob etwas in China billigst zusammengeschustert wird, weil Arbeitskräfte nichts kosten. Welcher Unterschied da besteht?

Im heutigen China gibt es viele Millionäre. Es gibt auch zahlreiche Milliardäre in China. Die sind nicht einmal durch den Staat oder durch Korruption so reich geworden. Das sind Geschäftsleute, die ihr Geschäft verstehen und China wirtschaftlich auf die Sprünge halfen und helfen. China ist ein immens großes Land mit immens großen Möglichkeiten. Auch die wohlhabende Mittelschicht wird immer größer. Man verdient heute auch als Arbeiter nicht mehr unbedingt so schlecht in China. Aber es gibt auch heute noch viele Leute, die selbst für chinesische Verhältnisse wenig verdienen und wirklich arm sind. Auch für diese Leute werden im China von heute Uhren hergestellt. Die Beijing Watch Factory, vor allem aber die staatlich kontrollierten Shanghai Watch Factory und die Tianjin Sea-Gull Watch Group erzeugen für den Inlandsmarkt wirklich preisgünstige, aber nichts desto trotz recht gute Uhren, die sich auch wenig verdienende leisten können. Mit dem sogenannten „Billigen Schrott“ haben diese Uhren nichts zu tun.

Der billige Schrott wird in keinen großen, bekannten Fabriken hergestellt, ist hauptsächlich für den Export gedacht, zum Beispiel für die unbedarften Langnasen, die denken, Chinesen leben grundsätzlich noch von einer Hand voll Reis am Tag. Und nicht selten stecken hinter diesen Billigstuhren Europäer. Zahlreich sind die Uhren, die mit europäisch oder englisch klingenden Namen verkauft werden, in denen billige und billigste Uhrwerke in billigsten Gehäusen werkeln, die unter den unmöglichsten Umständen hergestellt werden. Die Uhrwerke kommen oft sogar von großen Herstellern wie Sea-Gull oder Shanghai, aber auch von Anderen, die solche Uhrwerke zu Millionen bauen.

Was nichtasiatische Kunden nicht wissen ist, dass es diese Uhrwerke in den unterschiedlichsten Spezifikationen gibt, ja, sie werden sogar nach speziellen Angaben gefertigt. Tianjin Sea-Gull erzeugt für Kunden Uhrwerke, die würden sie selber nie in eigene Uhren einbauen. Darum sind in Tianjin Sea-Gull Uhren auch nur Werke mit der höchsten Qualitätsstufe verbaut, und darum verkauft die Beijing Watch Factory ihre Tourbillon Uhrwerke an keine anderen Uhrenhersteller. Sie wollen sich ihren guten Ruf nicht ruinieren lassen!

Wer für minderwertige Uhrwerke bezahlt, wer sie in Auftrag gibt, der bekommt sie allerdings auch geliefert. Was dann damit passiert, liegt nicht mehr im Einflussbereich des Herstellers. Selbst die ETA-Gruppe engt heute ihren Kundenkreis immer weiter ein, vielleicht auch deshalb, weil auch Schrott aus Europa nicht mehr selten ist. Man kann sich nicht mehr sicher sein, was der Kunde mit den Uhrwerken treibt, unter welchen Umständen diese zusammen- und eingebaut werden, ob es Kundendienst und Garantie gibt, und das schädigt schlussendlich den Ruf. Also bitte aufpassen. Es ist ein großer Unterschied, ob eine Uhr von einer chinesischen Uhrenfabrik hergestellt wurde, oder ob eine Uhr nur billigst in China zusammengeschustert wurde. Wer für eine Uhrenmarke keine Herstelleradresse findet, oder wer gar liest, ein Journalist hätte 13 Monate gebraucht und auch noch Geld investiert, um hinter den Produktionsstandort eines „bekannten“ chinesischen Herstellers zu kommen, der sollte sich etwas dabei denken. Die Adressen und Telefonnummern der Beijing Watch Factory oder der Tianjin Sea-Gull Watch Group finden sich in wenigen Sekunden und mit etwas Glück ist dann auch sofort jemand am Telefon – sofern die Uhrzeit (wegen der Zeitverschiebung) keine Unverschämtheit ist. Aber Mythen haben offenbar auch ihren Reiz.

Ps.: Es gibt manchmal wirklich fehlerhafte Uhrwerke auch namhafter Hersteller aus China. Die Qualitätskontrolle wird allerdings immer besser und besser. Den größte Schaden, den ich selber mit einer Uhr je hatte, war eine gerissene Feder einer Automatik drei Jahr nach dem Neukauf. Es war jedoch keine chinesische Uhr, sondern ein Schweizer Chronometer, der damals 24 990.- Österreichische Schillinge kostete. Was ich damit sagen will: Jedem Hersteller kann etwas passieren. Niemand ist davor gefeit. Weder Chinesen, noch Schweizer. Überall arbeiten nur Menschen.

Einen schönen Tag noch………..

2 Comments »

  1. Leider geniessen chinnesische Uhren heutiger Produktion immer noch den „Schrottruf“. Ich kann das als ehemals langjähriger Chinareisender nicht bestätigen. Bestimmt mangelte es noch in den 90er Jahren an Qualität. In den letzten Jahren aber hat die chinesische Uhrenindustrie gewaltig aufgeholt. Die Qualität hat sich immens verbessert. Ich selbst besitze 3 Uhren aus chinesischer Produktion der 2010er Jahre. Ich merke, was die Gangleistung betrifft, keinen Unterschied zu mittelpreisigen schweizer Uhren. Sicher könnte die Feinbearbeitung der einzelnen Teile hier und da noch verbessert werden, auch die Fertigungstoleranz hat noch etwas Raum nach oben. Das ist aber nur eine Frage der Zeit. Eines muss man aber auch deutlich sagen: desto besser chinesische Uhren werden, desto teurer werden sie auch. Gute Qualität hat überall ihren Preis, nicht nur bei uns!
    Ich finde es geradezu menschenverachtend, wenn man einem chinesischen Facharbeiter nicht auch für seine qualitativ gute Arbeit einen entsprechend guten Lohn zugesteht. Ich weiß, daß z.B. die BWAF ihre gut ausgebildeten Arbeiter auch gut entlohnt. Da kostete mich dann eine Beihei 5.0 mit wirklich guten Gangleistungen, immerhin thermisch gebläuten Schrauben und Zeigern, einer voll funktionsfähigen Schwanenhalsfeinreglage knappe 500 Euro! Das vergleichbare Werk schweizer Produktion in einem Gehäuse eines deutschen Herstellers mit eben diesen Merkmalen kostete mich etwas mehr als das doppelte. Und auf der Zeitwaage sehen beide Werke gleich aus.
    All diejenigen, die meinen, eine chinesische Uhr ist generell billiger Massenschrott und darf nicht mehr als 25 Euro kosten, die sind einfach nur dumm und haben von Uhren sowieso keine Ahnung.

    Kommentar by watchhans — 14. Februar 2016 @ 12:14

  2. Danke für den Kommentar, wenn er sich auch auf eine ältere Version des Beitrages bezieht.
    Ich hab zwar den Text überarbeitet, der Sinn blieb aber bestehen. Ich hoffe, das ist so in Ordnung.

    Was die Feinarbeit an den Uhren betrifft, die besser sein könnte. Vielleicht ist das so. Wenn ich aber selbst auf Makro-Aufnahmen keine Fehler mehr erkennen kann, weiß ich nicht recht, was ich an der Verarbeitung kritisieren sollte. Und dass man etwas anders machen könnte, vielleicht andere Methoden anwenden, um einen Effekt zu erziehlen, ist auch möglich. Beispielsweise wird von manchen die Verzierung des SB18 oder B18 kritisiert. Meiner Meinung nach ist das alles nicht mehr als Geschmackssache und Jammern auf hohem Niveau. Die Handaufzugskaliber SB18 oder B18 kosten heute um die 400 – 550 Dollar, je nach dem. Wieviel bezahlt man für ein Schweizer Uhrwerk ähnlicher Verarbeitung?
    Ich persönlich hatte auch noch nie Pech mit einer chinesischen Uhr – auf Holz klopf. Aber wenn die Chinesen ihre Qualitätskontrolle so in den Griff bekommen, wie die alteingesessenen Schweizer Hersteller sie offenbar haben, und ich zweifle nicht, dass sie das schaffen werden, dann frag ich mich wirklich nur mehr, womit rechtfertigen die Schweizer wirklich noch ihre Preise? Wann bricht diese Blase zusammen? Wir werden sehen.

    Schöne Grüße Hannes

    Kommentar by Benzin — 14. März 2016 @ 16:33

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