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8. Juni 2015

Uhren aus Chistopol – Vostok Dessert Shield

Filed under: СДЕЛАНО В CCCР - Made in USSR — Benzin @ 11:45

Die Geburtsstunde der Uhrenfabrik in Chistopol, einer Stadt am Kama Fluß in Tartastan, war 1942, als ein Teil der 1. Moskauer Uhrenfabrik wegen der anrückenden Deutschen Wehrmacht nach Osten verlegt wurde. Im Laufe der Zeit wurden in Chistopol Uhren der Marken Kama, Tschaika, Saturn, Wolna und Sputnik erzeugt, seit Beginn der 60er Jahre trägt die Firma den Namen VOSTOK, Kyrillisch BOCTOK geschrieben, was zu deutsch Osten bedeutet. Bei Exportmodellen kann statt Vostok auch Wostok drauf stehen. Den Namen dürfte die Firma allerdings nicht tragen, weil sie nun weiter im Osten liegt, sondern aufgrund des Sowjetischen bemannten Raumfahrtprogramms, in dessen Verlauf Juri Gagarin mit einer Wostok Rakete als erster Mensch die Erde umkreiste.

Das war’s meinerseits auch schon mit der Firmengeschichte. Es gibt im Internet so viele Informationen drüber, die der Wirklichkeit mehr oder weniger nahe kommen, daß ich mir nicht auch noch ein paar Fakten aus den Fingern saugen muß. Ich weiß nicht mehr, als ich gelesen hab, und diese Infos sind für alle Interessierte leicht auffindbar. Das Problem an der Sache ist und bleibt halt, daß in der UdSSR ziemlich alles geheim war, was nur entfernt mit Konstruktion und Produktion zu tun hatte. Und genau so traurig schaut es auch mit der Modellgeschichte aus. Offenbar weiß kein Mensch, welche Modelle und wie viele Stück davon je gebaut wurden. Nur aus ein paar alten Katalogen, die von Fanatikern (gottlob gibt es die!) im Internet bereitgestellt werden, kann man erahnen, welche Modelle Vostok und all die anderen Hersteller bauten. Der Spekulation ist in weiten Bereichen Tür und Tor geöffnet. Aber vielleicht ist auch das ein Reiz der Beschäftigung mit Sowjetischen Uhren.

 Meine Uhren der Marke Vostok

Vostok erzeugte und erzeugt – ja, diese Fabrik gibt es immer noch – eine ganze Reihe unterschiedlicher Uhren. Martialisch wirkende Komandirskie Modelle, Taucheruhren namens Amphibia und Albatross sowie eine Reihe anderer Uhren, die sich nicht so einfach irgendwo einordnen lassen. Ganz normale Uhren eben, die die Zeit anzeigen. Und es gibt ein paar Märchen, die gerne über Uhren von Vostok erzählt werden. Dazu mehr im Verlauf des Beitrages.

my_ruskie_blog_018Eines dieser Märchen wäre zum Beispiel, daß Vostok Uhren, vor allem die Komandirskie Modelle, Militäruhren seien. Dieser Unsinn entstand vermutlich durch die Bezeichnung „3AKA3 mo cccp“, die man auf verschiedenen Komandirskies findet. „3AKA3 mo cccp“ ist kyrillisch und steht dafür, daß diese Uhren vom Verteidigungsministerium geordert wurden, und daraus schließen verschiedene Leute offenbar immer wieder, daß diese Uhren an die Soldaten der Sowjetischen Armee ausgegeben wurden. Nur stimmen tut’s nicht. Es stimmt zwar, daß diese Uhren vom Verteidigungsministerium geordert wurden, nur wurden die nicht an die Soldaten ausgegeben, sondern in eigenen Geschäften verkauft. Genau das sagt die Bezeichnung 3AKA3 mo cccp im Grunde. Daß diese Uhren nur über eigene Geschäfte vertrieben werden. Wobei man genau baugleiche Uhren ohne 3AKA3 ebenfalls kaufen konnte. Welchen Sinn das in einer Planwirtschaft macht, weiß ich nicht. Vielleicht hatte das damit zu tun, weil die angeblich klassenlose kommunistische Gesellschaft in Wahrheit alles war, nur nicht klassenlos?
Die Quelle dieser Aussage findet sich HIER

Wieso beginne ich mit diesen Uhren, sind sie doch für Sowjetische Uhren eher untypisch. Eine Uhr aus der Sowjetunion mit der Flagge der USA? Nach dem zweiten Weltkrieg, als der „Kalte Krieg“ zwischen den Supermächten entbrannte, wenn man das so sagen will, wäre man unter Stalin für so einen Affront mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erschossen worden oder in einem Gulag für immer verschwunden. Aber die Zeiten änderten sich im Laufe der Jahrzehnte, und es geschah sowas wie ein Wunder.

Um diese Uhr ranken sich Legenden. Sie zeigt die US-Flagge, eine Palme, gekreuzte Schwerter und trägt die Aufschrift „Operation Desert Shield“. Die Legende erzählt, sie wäre vom US-Verteidigungsministerium geordert worden, um sie an die Soldaten dieser Militäroperation zu verteilen. In Würdigung ihrer Leistungen, als Erinnerung für diesen Dienst an der Menschheit oder was weiß ich. Da gibt’s die unterschiedlichsten Auffassungen. Sie sind alle falsch. Weder hat das Pentagon diese Uhren je verteilt noch bestellt. So gute Freunde war man trotz Glasnost, Perestroika und Entspannungspolitik nun auch wieder nicht, daß das Verteidigungsministerium in der Sowjetunion Uhren zur Auszeichnung oder was auch immer amerikanischer Soldaten bestellt hätte. Die Wahrheit ist recht simpel und man kann sie in amerikanischen Zeitungen nachlesen.

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Links ein automatisches Werk Kaliber 2416B im Genaralskie Gehäuse, in der Mitte ein Amphibia Gehäuse mit dem Handaufzugskaliber 2414 mit Datum, ganz rechts  das Kaliber 2409 ohne Datum im kleinen „Mini Cadet“ oder Damengehäuse. Alle drei tragen die Aufschrift „Made in USSR“, wurden also rund um 1991 gebaut. Es gibt sie auch ohne diese Aufschrift, was wohl drauf hinweist, daß sie nach dem Untergang der SU gebaut wurden und auch keine alten Zifferblätter mehr vorhanden waren.

Die Wahrheit ist, daß diese Uhr von einer Amerikanischen Firma in Auftrag gegeben wurde, weil sie sich damit ein gutes Geschäft erhoffte. 200 000 Stück sollen in Auftrag gegeben worden sein. Es soll sich dabei um Vostok Automatikwerke des Kaliber 2416B mit 21 Lagersteinen in einem Amphibia Gehäuse gehandelt haben, deren Stückpreis für Militärpersonal $99.- und für Zivilpersonen $149.- betrug. Ein paar hundert Stück sollen, ich sag wieder „angeblich“, an US-Soldaten für besondere Verdienste verteilt worden sein. Es soll sogar ein Schreiben eines „Maj.Gen. Thomas Stones, commanding officer of the U.S. Army Reserve headquarter at Hansom Air Force Base“ geben, der sich für die Zurverfügungstellung dieser Uhren bedankt. Ob das stimmte oder Teil einer Werbekampagne war, weiß ich nicht. Lesen kann man jedenfalls auch die Aussage eines gewissen Mr. Erikson der Firma Timepeace Russian Watches Inc., und die lautet:
„Erikson says, the United States imports 210 million watches worth about $1 billion (die Zahl ist in der Zeitungskopie leider unleserlich, es handelt sich aber um einen Betrag von einer Milliarde Dollar oder mehr!) each year“. „It’s a big pie“ Erikson says of the imported watch industry. „So you only need a small piece to have a succsessful business“.

Sich ein Stück vom großen wirtschaftlichen Kuchen abschneiden zu wollen, ist natürlich legitim, nur mit patriotischem Quatsch hat das nichts zu tun. Wenn diese 300 verschenkten Uhren, sofern das überhaupt stimmt, auch nur irgend eine Wirkung hatten, und sei es nur das Dankesschreiben irgend eines Genaralmajors, also etwas zum Herzeigen, dann war das einer der preisgünstigsten Werbegags der Wirtschaftsgeschichte.

Wie schon oben erwähnt, soll es sich bei der Originalausgabe um das Vostok Kaliber 2416B mit 21 Lagersteinen im Amphibia Gehäuse gehandelt haben. Ob der Vertrag in späterer Folge dann aufgestockt wurde, oder ob die Sowjets beziehungsweise später die Russen diese Uhr einfach im selben Design weiter bauten, weiß ich nicht. Jedenfalls existiert diese Uhr in den unterschiedlichsten Gehäusen mit den unterschiedlichsten Uhrwerken, und es gibt sogar unterschiedliche Aufschriften. Einmal steht nur „Operation Desert Shield“ drauf, dann wieder „Desert Shield – Desert Storm“, wobei letztere Aufschrift offenbar nur auf Zifferblättern in kleinen Gehäusen, die als „Mini Cadet“ oder Damenuhren bekannt sind, anzutreffen ist.

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Bei dieser Uhr handelt es sich um eine Sonderausgabe mit (vermutlich) Kaliber 2409 anläßlich des Ungarnbesuches Papst Johannes Paul II im August 1991 Es gibt auch noch andere Ausführungen, die anläßlich anderer Reisen des Pontifex produziert wurden. Johannes Paul II war ja ein sehr reisefreudiger Papst. Wer die Uhren in Auftrag gab oder ob die Sowjets beziehungsweise später die Russen selber auf die Idee kamen, diese Reisefreudigkeit auszuschlachten, das weiß ich nicht.

Fortsetzung folgt…………….

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