СДЕЛАНО В CCCР – Made in USSR
CCCP – Союз Советских Социалистических Республик, oder „UdSSR“, wie es im deutschsprachigen Raum hieß, Union der sozialistischen Sowjetrepubliken, stand für ein Reich, das in dieser Form nicht mehr existiert. Diese Kürzel standen als Synonym für ein Experiment, das mit Wladimir Iljitsch Lenin und der Oktoberrevolution 1917 seinen Anfang nahm, sich mit der Staatsgründung am 30. Dezember 1922 verfestigte und 1991 unter Michail Sergejewitsch Gorbatschow ihr mehr oder weniger undramatisches Ende fand. Am 21. Dezember 1991 wurde die UdSSR mit der Unterzeichnung der Alma Ata Deklaration auflöste. Das Ziel, daß am Ende im Arbeiter und Bauernstaat alle Menschen gleich sind, wurde nie auch nur annähernd erreicht, dafür hatte man am Schluß in einem Punkt mit der USA gleichgezogen. Für Rubel bekam man so gut wie nichts mehr, für Dollar konnte man so gut wie alles kaufen.
Am Anfang stand Blutvergießen, nach dem Ende stand wieder Blutvergießen, die Zeit dazwischen war geprägt von Terror, Unterdrückung, Bespitzelung, Angst und schlußendlich immer wieder von Reformversuchen, aber auch von ganz normalem Leben. Es wurde gefeiert, gesungen und getanzt wie in jeder anderen Gesellschaft auch, und es wurden Waren produziert, genau so wie beim Klassenfeind im kapitalistischen Westen.
Na ja. Nicht genau so wie beim Klassenfeind, den in der östlichen Hemisphäre ging alles nach Plan. Planwirtschaft hieß das Zauberwort. Alles wird von oben, zentral gesteuert, so gut wie nichts wird den einzelnen Betrieben überlassen. So was wie Konkurrenzkampf und Wettbewerb gab es nicht. Und genau unter diesen Bedingungen wurden auch Uhren in der Sowjetunion produziert. Nicht als luxuriöse Konsumgüter wurden diese produziert um maximalen Profit zu erwirtschaften, sondern weil eine moderne Gesellschaft ohne Uhren nicht auskommt, nicht sinnvoll organisiert werden kann. Auch keine kommunistische Gesellschaft.
Unter sozialistischer Planwirtschaft konnte sich allerdings kein Betrieb aussuchen, was er oder wie er etwas produzieren wollte. Alles geschah nach Vorgabe. Auch Material wurde zugeteilt. Und da es keinerlei Konkurrenz gab, besaß abseits militärischer Normen auch Qualität bei weitem nicht den Stellenwert wie im Westen. Zumindest nicht bei Konsumgütern, denn erstens gab es keine bessere Alternative, und zweitens mußte man froh sein, überhaupt etwas zu bekommen. Planwirtschaft heißt auch Mangelwirtschaft. Es wird nicht so viel produziert, wie es der Markt erfordert oder erlaubt, es wird nur ein Plansoll erfüllt. Unter diesem Aspekt muß man die gesamte zivile Güterproduktion, also auch die Uhrenproduktion, in der ehemaligen Sowjetunion sehen, sonst zieht man falsche Schlüsse. Die Frage beispielsweise, ob Poljot, Raketa, Slava oder Vostok bessere Uhren baute, stellt sich somit nicht.
Wie kommt man auf die Idee, eine Uhr, oder gar mehrere, aus der ehemaligen Sowjetunion zu kaufen? Ist nicht die Schweiz das Land der Uhren?
Nun, aus westlichem und oberflächlichem Standpunkt aus betrachtet mag das so gewesen sein und wirklich prestigeträchtige Zeitmesser stammen noch heute fast ausschließlich aus der Schweiz. Fakt ist, dass die Sowjetunion hinter der Schweiz der zweitgrößte Uhrenproduzent der Welt war. Der Bedarf an Uhren war enorm, der Ausstoß der Fabriken stieg von Jahr zu Jahr, trotzdem konnte der Bedarf nie gesättigt werden. Viele Uhrwerke sind auch direkte Nachkommen, wenn man so sagen will, Schweizer Uhrwerke, die entweder sofort oder im Laufe ihrer Produktionszeit ständig verbessert wurden und sich so immer mehr vom Stammvater entfernten. Deswegen kann man den Sowjets allerdings nicht Kopiererei vorwerfen, wie man das den Japanern im Motorradbau immer und immer wieder, bis zum Erbrechen, vorgeworfen hatte.
Weder hat Rolex die Uhr noch BMW oder Horex das Motorrad erfunden. Die müßte man alle der Kopiererei bezichtigen. Die Sowjetischen Uhrenfabriken bauten ihre Uhren teils nicht nur mit von Schweizer Uhren abstammenden Uhrwerken, sie produzierten diese teilweise sogar mit den originalen Maschinen aus der Schweiz, die sie dort gekauft hatten. Mit den gekauften Maschinen – was heißt Maschinen, ganze Produktionsanlagen wurden gekauft – sollen über 100 Schweizer Techniker mit in die UdSSR gereist sein, um beim Aufstellen derselben und bei der Einschulung des Personals behilflich zu sein. Von Nachbauten oder gar Raubkopien konnte da keine Rede sein. Manche Dinge lassen sich eben nur in einer begrenzten Bandbreite auf sinnvolle Art konstruieren. Michelin hat auch nicht unbedingt das Rad erfunden, trotzdem sind deren Reifen alle rund. Man hat nie versucht, einen eigenständigen Weg zu gehen.
Also ja, wieso Uhren aus der Sowjetunion?
Ich hab keine Ahnung, welche Beweggründe für andere entscheidend waren oder sind, weswegen sie Sowjetische Uhren sammeln. Vielleicht, weil sie, noch, relativ preisgünstig sind. Zumindest, wenn man die Preise in Relation zu hochwertigen, oder sagen wir der Einfachheit halber, teuren Schweizer Uhren setzt. Wobei da wieder entscheidend ist, was man als teuer empfindet und was man sammeln will. Es gibt auch Sowjetische Uhren, für die man ein paar Tausender auf den Tisch legen muß. Euro oder Dollar, nicht Rubel.
Ich bin eigentlich durch einen komischen Zufall zu diesem Hobby gekommen. Aus „Russen Uhren“ hab ich mir nie was gemacht. Ich hatte auch keine Ahnung davon. Weder kannte ich die Hersteller, noch die Produkte selber. Ich hatte nie eine „Russenuhr“ in der Hand und nur selten eine gesehen. Was eine „Komandirskie“ ist, wusste ich. Oder ich dachte, ich wüßte es. Einer, nur so als Beispiel, Gold plattierten Vostok Komandirskie der ersten Serien mit 2234 Uhrwerk wäre ich genau so ratlos gegenüber gestanden wie mein kleiner Hund einer Yamaha FZR1000 Exup mit Öhlins USD Gabel und Sechskolbenbremse. Bei Kama dachte ich vermutlich auch eher in Richtung Kamasutra als an eine Uhr, aber wie es der Teufel haben wollte, war eine Kama meine erste Sowjetische Uhr. Sachen gibt’s!
Komandirskie. Immer wieder lese ich oder las ich, „mit einer Komandirskie hat alles begonnen!“ Irgendwie hat auch bei mir alles mit einer Komandirskie begonnen. Oder eigentlich nur mit dem Namen, nicht mit der Uhr selber. „Komandirskie“, ging mir irgendwann durch den Kopf, als ich auf die Uhr schaute. Das war eine Schweizer Uhr. Komandirskie? Das ist doch dieser Russenkracher? Klar. Russenkracher! Das war ungefähr genau so abfällig gemeint, wie es sich liest. China-Kracher, Russen-Kracher, Schrott aus Kommunistien. Da kam ja nur Schrott her, oder etwa nicht? Lada? Moskwitsch? Kalaschnikow? Ach so. Ja. Das ist aber peinlich. Die Kalaschnikow soll ja angeblich das beste Sturmgewehr der Welt sein. Aber trotzdem! Ein Lada war sicher nie das beste Auto der Welt, da können die mir erzählen, was sie wollen! Andererseits sollen die MiG 29, Su27 und andere Flieger auch ganz toll sein. Sogar im internationalen Vergleich. Und die MIR war sicher besser als alles, was die Amis je in den Himmel geschossen haben. Die soll öfters als einmal gebrannt haben, aber geflogen und funktioniert hat sie bis zum Schluß, bis das Geld alle war und man sie, welch eine Schande, abstürzen lassen mußte. Aber so eine Ural ist doch eine Schrottkarre, oder etwas nicht? Das ist doch kein Motorrad! Sagen die, die nie eine hatten. Die, die eine haben, sind ganz vernarrt in diese Kisten. Ich selber hab mir dann, weil ich es wissen wollte, so einen „Russenkracher“ gekauft. Im Moment hab ich etwas über hundert und hab eine große Freude damit. Nicht mit jeder, aber mit den allermeisten schon. Also wie jetzt? Ist doch nicht alles Schrott, was aus der UdSSR kam? Eine Uhr zum Beispiel? Ich würde ganz klar mit jein antworten.
Es kommt drauf an, wie alt sie ist. Nicht, weil alte Uhren unzuverlässiger sind, sondern weil gegen Ende der Sowjetunion wirklich an allen Ecken und Enden Mangel herrschte. Da konnte in der Tat passieren, daß das Material und die Verarbeitung mangelhaft waren. Und es kommt auch sehr drauf an, wie mit so einer Uhr im Laufe ihres langen Lebens umgegangen wurde. Die jüngste sowjetische Uhr ist heute gut 24 Jahre alt! Kauft man da eine Armbanduhr mit deutlichen Gebrauchsspuren, weil die noch günstiger ist als eine wirklich schön erhaltene, könnte sich diese Uhr als die eines Straßen- oder Bauarbeiters herausstellen, der stundenlang mit dem Rüttler werkelte und dabei die Uhr nicht abnahm. Die ist mit Garantie nicht im selben Zustand wie die des Apparatschik, der vielleicht sogar zwei hatte und die schönere, die man gekauft hat, nur am Sonntag trug.
Grundsätzlich würde ich sagen, daß sowjetische Uhren aus den 50er, 60er und 70er Jahren nicht wirklich schlechter waren als Schweizer Uhren gleichen Baujahres. Ich hab das Gefühl, die sowjetischen Uhrenbauer waren auf ihre Erzeugnisse genau so stolz wie ihre Schweizer Kollegen und setzten genau so alles daran, gute, zuverlässige, hochwertige Produkte zu erzeugen wie die Eidgenossen. Und das mit allen Nachteilen einer Planwirtschaft und ohne große Aussicht auf höheren Verdienst bei den nächsten Lohnverhandlungen, wenn der Profit passt. Profit war die Geißel des kapitalistischen Klassenfeindes, der half, die werktätige Bevölkerung zu verknechten. Irgendwie fällt mir da immer ein alter Kalauer ein. Was ist der Unterschied zwischen Kapitalismus und Kommunismus? Im Kapitalismus wird der Mensch vom Menschen ausgebeutet, im Kommunismus ist es genau umgekehrt.
Im großen und ganzen würde ich sagen, eine mit Vorsicht und Rücksicht getragene Uhr aus dem oben genannten Zeitraum, selbst wenn sie vor dem Kauf nie ein Service erlebt hat, kann nach einer gründlichen, fachgerechten Reinigung und Schmierung des Uhrwerkes noch genau so fit sein wie eine gleichaltrige Schweizer Uhr unter den gleichen Bedingungen. Meine ältesten Uhren sind ein paar Kama und zwei Uran Damenuhren aus den 50er Jahren. Sie wurden in der selben Fabrik in Chistopol/Tartastan, am Kama Fluß gelegen, gebaut wie die heutigen Vostok (russisch Boctok) Uhren. Ich würde ohne nachzudenken sofort mit jeder dieser Uhren in Urlaub fahren, ohne einen Gedanken an die Zuverlässigkeit oder Präzision zu verschwenden. Sie sind so präzise, wie so eine alte Uhr nur sein kann, wenn sie gut reguliert ist, und sie sind genau so zuverlässig wie eine gleichaltrige Uhr, wo „Swiss Made“ drauf steht, da hab ich überhaupt keinen Zweifel. Brechen kann immer was, egal woher die Uhr kommt. Mein zertifizierter Tag Heuer 6000 Chronometer, um 1995 neu gekauft, war schon drei Mal wegen eines Defekt in der Werkstatt. Einmal davon, gleich nach ein paar Jahren, ist die Aufzugsfeder abgerissen. Einfach so. Bei einer Automatik! War eh ein Service fällig, kann man sich da trösten. Na also. Wovon reden wir? In einem Uhrenforum findet man die verzweifelte Klage eines A.P. Royal Oak Besitzers, dessen Prachtstück am Uhrenbeweger läuft und läuft und läuft, wie der sprichwörtliche VW Käfer. Sobald er sie auf den Arm nimmt, wird er von der Uhr auf den Arm genommen. Sie bleibt stehen. Selbst das Werk war nicht in der Lage, den Fehler zu finden. Wie gesagt, wovon reden wir? Alles kann kaputt werden. Auch eine Uhr aus der Sowjetunion.
Ich werd‘ hier in lockerer Folge meine Uhren vorstellen und vielleicht ein bißchen was dazu schreiben. Was mir halt so einfällt. Zum Beispiel wie leicht sich die Bänder wechseln oder einstellen lassen, oder worauf man bei diesem oder jenem Typ vielleicht besonders aufpassen sollte, oder ob die Uhr, die ich da zeige, vielleicht gar ein irrtümlich gekaufter Frankenstein ist. So in der Art. Ein paar Schwänke aus dem wirklichen Leben halt. Eine hab ich zum Beispiel, die geht pro Minute um 15 Sekunden falsch. Und eine Raketa ist dabei, die steckt jeden Schweizer Chronometer in den Sack. Die werd ich auch zeigen.
Zum Aufwärmen hab ich hier für den Anfang eine kleine Auswahl bereitgestellt. Es soll bei Gott kein Leitfaden werden, dazu fühle ich mich absolut nicht berufen. Ich kauf meine Uhren vielleicht auch aus ganz anderen Beweggründen als andere und hab auch keine Scheu, restaurierte Uhren zu kaufen, auch überrestaurierte, wenn sie mir gefallen. Ich bin sicher kein Sammler im herkömmlichen Sinne und ich empfinde mich auch nicht als Sammler. Sie werden halt immer mehr. Aber ich mag meine „Ruskie“ inzwischen genau so gerne wie meine Motorräder, und darum red ich auch gerne drüber. Oder nein. Ich mag sie nicht so wie meine Motorräder, ich liebe sie inzwischen so, wie ich meine Motorräder liebe, und wie das Motorradfahren an sich. Das ist Grund genug, um drüber auch zu schreiben, denke ich. Vielleicht interessiert’s ja sogar jemand. Und wenn nicht, auch gut. Wie viele sind zu erwarten? Schwer zu sagen. Die vermehren sich wie die Kaninchen.
Übrigens, das ganz erste Bild oben links zeigt Teile eines Modells meines allerersten Motorrades, einer Honda CB750 Four, die ich mir im Herbst 1978 gekauft hab, und die Uhr, die man da sieht, ist die allererste Uhr aus der Sowjetunion, die ich mir kaufte. Ist zwar nicht ganz Original, weil restauriert, und ob es diese Farbe je wirklich gab, weiß ich auch nicht, aber das macht in diesem Fall nix. Jeder Anfang ist schwer, und alleine deswegen hab ich das Ding in mein Herz geschlossen.