Wenn ich meine Touren der letzten Jahre mit den Touren von heuer vergleiche, fallen mir gewaltige Unterschiede auf. Mit der XJR oder auch mit der Ace war ich regelmäßig auf Gewalttouren aus. Nicht, dass ich jemanden etwas beweisen wollte. Nicht einmal mir selber wollte ich etwas beweisen. Es war halt immer so, dass ich mir, sobald ich frei hatte, ein Tagesziel aussuchte, intuitiv, nicht von langer Hand geplant, und dann los fuhr. Und meistens hängte ich dann auch noch ein paar Sachen an, die ich eigentlich gar nicht im Sinn hatte. So wie zum Beispiel eine Tour zum Glockner, und weil’s nicht gar so einen großen Unterschied macht, wo ich zurück fahre, häng ich gleich die Nockalm dran, was am Tagesende über 700km Landstraßenfahrt ausmachte. Dann war ich zwar oft müde, aber ich fand das irgendwie geil. Und wenn’s der Teufel haben wollte, hängte ich gleich am nächsten Tag noch so eine Tour an. Beispielsweise Glockner/Nockalm an einem Tag und Waldviertel, Krumlov, Budweis, Böhmerwald am nächsten Tag. Und wenn Tags darauf schönes Wetter war, fuhr ich noch ein wenig, damit mir nicht langweilig wird, mit einer meiner FZR spazieren. Auch so 150 – 250km. Dann hatte ich wieder für eine Woche genug und dachte nach, wo ich in den nächsten freien Tagen hinfahren könnte. Das war bis vor zwei Jahren so.
Letztes Jahr war das ja anders. Wegen dem Biss einer Zecke hätte mich fast der Teufel geholt. Oder der Herr zu sich gerufen. Das ist Ansichtssache. Da mich aber offenbar keiner der beiden haben wollte, oder noch nicht haben wollte, vielleicht war da oben und unten ja auch eine Völkerwanderung im Gange, hatte ich im letzten Herbst sogar noch etwas Gelegenheit, Motorrad zu fahren. Es war nicht mehr viel Zeit dazu, aber grade noch so viel Zeit, dass mir klar wurde, wie schön es ist, am Leben zu sein, wieder gesund zu sein und mit einem Motorrad sinnlos durch die Gegend zu fahren. Wobei es eigentlich gar nicht sinnlos ist, mit einem Motorrad durch die Gegend zu fahren. Wenn man es schön findet, hat es einen Sinn. Es macht glücklich und zufrieden. Ich war jedenfalls dem Klabautermann oder wem auch immer von der Schippe gehüpft und fuhr wieder.
Auch heuer im Frühling konnte ich es kaum mehr erwarten, wieder Motorrad zu fahren. Die erste Ausfahrt, oder eine der ersten, genau weiß ich das gar nicht mehr, war mit der schwarzen FZR. Nicht nur, weil ich damit letztes Jahr kaum zum Fahren kam, sondern auch, weil ich mit diesem Motorrad unheimlich gerne fahre. Heuer im Juni waren es 25 Jahre, dass ich sie hab. Das muß sowas wie Liebe sein. Ich hab jede einzelne Fahrt genossen, wenn diese Fahrten auch relativ kurz waren. Schnell einmal zum Zellerain, einen Kaffee trinken, schnell einmal über Wildalpen nach Mariazell und über den Josefsberg und die Ötscher Panorama Straße wieder Heim, oder einfach schnell einmal über die Höhenstraße nach Seitenstetten. Es waren keine sonderlich lange Touren, aber jede einzelne dieser Fahrten empfand ich wunderschön.
Ganz genau so ging es mir mit der XJR. Keine großen Touren, keine schwachsinnigen Kilometer an einem Tag. Wenn ich die Pässetour ausklammere, war keine Tour länger als um die 250km. Sehr oft weniger. Sehr oft sogar viel weniger. Juni, Juli und August waren heuer ja glühend heiß, an Motorrad fahren wollte ich da tagsüber gar nicht denken. Aber um halb fünf oder fünf Uhr Morgens, wenn mein kleiner Wau Wau noch schlief und ich frei hatte, dann stand ich auf, ging in die Garage und wählte ein Motorrad. “Schwarze FZR, Foxi oder XJR?”, war die Frage. Und wenn ich gewählt hatte, ging ich wieder ins Haus, zog mir das passende Leder und die passenden Stiefel an und fuhr los. Eigentlich hatte ich nie ein Ziel. Immer nur der Nase nach. Oft die selbe Strecke wie die Woche davor, oft auch eine Andere. Und meistens war ich nur eineinhalb oder zwei Stunden unterwegs. Dann stellte ich das Motorrad wieder ein, zog mich um, weckte den Hund und ging mit Wauzi spazieren. Das war schön, erholsam und mir hat nie was gefehlt.
Irgendwann gegen Ende September saß ich letztmals am Motorrad. Seitdem hat das Wetter nicht mehr so wirklich mitgespielt, wenn ich frei hatte. Es ist mir ehrlich gesagt auch ohne Motorrad nichts abgegangen. Ich weiß ja, wo sie stehen, meine zweirädrigen Schlümpfe. Gewaschen und zugedeckt in der Garage. Gestern ging ich am frühen Morgen mit Hundi spazieren, und weils grade wieder einmal, sagen wir, gar nicht so kalt war, dachte ich, ich könnte mit der XJR eine Runde drehen. Nicht mit einer FZR, weil die wäre nachher dreckig. Es hatte die letzten Tage ja geregnet. Der XJR macht das nichts. Wenn die dreckig wird, ist sie schnell wieder gewaschen. Hat ja keine Verkleidung, in der sich der Dreck verstecken kann. Nach dem Spaziergang zog ich mir das Leder an, ging in die Garage und fuhr mit der XJR los. Ich kam nicht weit. Vielleicht waren es 300m oder so, dann begann es zu regnen. Ich war echt sauer. Aber ich fuhr auch nicht weiter, sondern drehte nur eine kleine Runde, sechs oder sieben Kilometer, grade so weit, dass der Motor wieder einmal warm wurde, aber doch so wenig weit, dass ich nicht naß wurde. Dann stellte ich die Lisl wieder in die Garage und zog mich um. Merde! Das war nix.
Heute fuhr ich mit Hundi zum Bachlerhof, trank einen Kaffee, drehte dann mit Hundi zu Fuß eine kleine Runde, und wurde nervös. Am Morgen war es noch naß, aber es trocknete schnell ab. Die Wolken verzogen sich, der Himmel wurde blau. Es wurde warm! Zurück zum Auto, Hundi rein, Heim fahren, umziehen, in die Garage, XJR starten und los ging’s. Ich war wieder einmal unterwegs, und es war schön.
Zuerst zum Bachlerhof, einen Kaffee trinken. Ja, da war ich grad vorhin mit Hundi. Aber jetzt war Hundi daheim, jetzt stand die XJR draußen, und ich hatte das Leder an. Ich war wieder mit dem Motorrad unterwegs! Nach dem Kaffee Richtung Biberbach, dann links den Berg hoch zur Höhenstraße und der folgend nach St. Georgen an der Klaus. Dort eine Rauchpause eingelegt und ins Ybbstal geschaut, dann weiter rüber zur Wieser Höhe und rauf zur Most-Höhenstraße und bis St.Michael am Bruckbach. Dann runter ins Dobratal und auf der anderen Seite wieder rauf nach Kürnberg. Von dort führt die Straße dem Hügelkamm entlang bis nach Behamberg. Überall schöne, weite Aussicht, überall Sonnenschein. Nur in den engen Tälern, in die man immer wieder runter muß, um am Gegenhang wieder hoch zu fahren, ist es schattig und kühl. Nein, nicht kühl. Ehrlich gesagt, kalt. Ich hatte ständig die Griffheizung eingeschaltet. Ohne Griffheizung wäre diese Tour wesentlich unlustiger geworden. Ich hab auf der XJR aber eine Griffheizung, und darum war’s nicht unlustig.
Vor Behamberg blieb ich für ein Foto stehen, paffte ein Zigarettchen, und schaute mir die Schilder an, die an der Weggabelung genau gegenüber der Posthaltestelle angebracht waren, an der ich stand. “Kleinraming” las ich da auf einem der Schilder. Es waren keine großen Wegweiser, sondern kleine Schilder, die Radstrecken beschildern. Ich befand mich ja nicht auf Hauptverkehrsstraßen, sondern auf drittrangigen Gemeindestraßen oder Güterwegen. “Oha”, dachte ich, “das passt”. Die Straße bei Kleinraming führt auch ungefähr nach Großraming. Das sind keine zwei Dörfer, die nebeneinander liegen, wie man vom Namen her meinen könnte, da sind schon einige Kilometer dazwischen. Über 20km glaub ich. Aber vorher mußte ich noch ins Tal hinunter. Also ausgeraucht und ab ins Tal.
Da fährt man also so dahin, Hügel rauf, Hügel runter, im Tal entlang, Hügel rauf und wieder runter, legt 80 oder 90km zurück, und ist dabei praktisch nie weiter als eine halbe Stunde von daheim entfernt. Genau so eine Tour war das heute, und genau solche Touren fuhr ich heuer am liebsten. Am besten, so auch heute, das Navi mitgenommen, und dann ungefähr der Nase nach. Und wenn mir unterwegs was einfällt, was schön sein könnte, dann werf ich das Navi an – obwohl ich die Strecken eigentlich kennen müsste wie meine Hosentaschen – und geb das nächste Ziel ein. Und immer wieder passiert es, dass mich das Navi, Dank “Kurvenreiche Strecken” Modus, auf Nebensträsschen leitet, die ich sonst nie im Leben gefahren wäre. So wie vor kurzem die Strecke vom Hengstpaß nach Spital am Pyhrn. Nie im Leben wäre ich auf die Idee gekommen, dieser schmalen Straße, diesem schmalen Weg muß man eigentlich sagen, auf den Hügel und in den Wald zu folgen. Und genau dieser schmale Pfad brachte mich über Hügel, die mir absolut fremd waren, direkt nach Spital am Pyhrn. Das war grandios.
Heute fuhr ich in einem Graben, den ich eigentlich gut zu kennen glaubte, ebenfalls dem Navi nach. Bei einer Kreuzung folgte ich der Navi-Ansage scharf nach rechts einer Straße, einem Weg, von dem ich dachte, der führt höchstens zu einem Bauernhof oder in den Wald, und sonst nirgends hin. Denkste! Dieser Pfad führte mich über mehrere Hügel und Gräben von hinten herum nach Großraming. Eine Streckenführung, an die ich nicht im Traum gedacht hatte. Nicht denken konnte, weil ich nicht wusste, wo der Rechtsabzweig hin führt, dem ich heute, nach Navi Vorgabe, folgte. Nun kenn ich wieder ein Stück meiner Heimat etwas besser. Und weil’s so schön war, folgte ich dem Navi auch gleich bis Losenstein. Wieder irgendwie hinten rum, wieder keine Ahnung gehabt, dass es diese Strecke gibt. Das war echt ein Hammer.
In Losenstein hatte ich dann aber genug. Fast drei Stunden war ich jetzt unterwegs, hatte rund 130km hinter mir, die Wolken wurden wieder dichter und es wurde kalt. Ungefähr 50km trennten mich noch von daheim. Ich folgte einfach der Hauptstraße bis Steyr, bog am Wachtberg nach Seitenstetten ab und fuhr fast direkt Heim. Fast deshalb, weil ich nochmals beim Bachlerhof einkehrte und einen Kaffee trank. Wer weiß, wie’s Wetter wird. Vielleicht war das ja die letzte Tour des Jahres?
Mit dem Navi das ist schon geil. Ich hab‘ mir angewöhnt, immer „Autobahnen vermeiden, Motorrad, schön“ bei Navigon anzuklicken… und das funktioniert. Sogar zur Begeisterung von Mitfahrern. 😉
Kommentar by Rocco — 17. Oktober 2015 @ 19:59
Rocco, die Begeisterung meiner eventuellen Mitfahrer hält sich meist in Grenzen, wenn ich auf diese Art mit dem Navi herum fahre. Im Gegensatz zu mir scheinen die immer keine Zeit zu haben. Du kennst das vielleicht ja. „Hast du Zeit? Ich kenn eine Abkürzung!“ Wenn dann am Navi „Unbefestigte Straßen meiden – JA oder NEIN“ steht, klick ich immer auf NEIN. Das kann schon ziemlich holprig werden. LOL
Kommentar by Benzin — 18. Oktober 2015 @ 2:00