“Nobody who rode the Exup returned without a smile. A big, Cheshire car-sized smile”. So beginnt der schöne Artikel von Trevor Franklin über die Yamaha FZR1000 Exup. Und genau so empfinde ich die 29 Jahre, die ich bisher mit meiner Yamaha FZR1000 Exup verbrachte. Ich kehre nie ohne einem großen Grinsen im Gesicht von einer Tour zurück. So war es auch diese Woche wieder.
Jetzt haben wir Mitte September, der Winter rückt unaufhaltsam näher. Als Motorradfahrer fragt man sich dann, “wie lange werde ich wohl noch fahren können?”
Nun ja. Mit der XJR und auch mit meiner Guzzi wird das noch eine Weile gehen. Mit der blauen Elise fahr ich auch an einem schönen Tag im Winter, wenn die Straßen schneefrei sind und nicht zu viel Salz liegt. Mit meinen FZRs schaut das anders aus. Feuchter Dreck auf der Straße genügt, und meine Schätzchen bleiben zugedeckt in der Garage. Das Risiko eines Ausrutschers ist zu groß, und Teile, vor allem Verkleidungsteile, gibt es von Jahr zu Jahr weniger für diese Motorräder.
Ich fahr ja ohnehin nicht mehr so viel damit. Ein paar schöne Runden im Jahr, und den Motor nicht zu hoch drehen, damit sich der Verschleiß in Grenzen hält, das war es dann auch schon. Ich fahr aber sehr gerne damit. Es macht mir nach all den Jahren noch unglaubliche Freude, diese alten Damen auszuführen. Sie sind nicht mehr die stärksten oder schnellsten, aber es sind ehrliche Motorräder. Technisch sind sie einwandfrei, das Fahrverhalten ist über jeden Zweifel erhaben, sie sind halt Kinder ihrer Zeit. Traktionskontrolle oder ABS gibt es nicht. Man kann mit diesen Motorrädern alles machen, aber wenn du etwas falsch machst, dann tust du dir weh. Einfach ehrlich. Es gibt keine Ausreden. Und weil der Winter immer näher rückt und wir grade wieder ein paar schöne Tage haben, nützte ich die Gelegenheit und fuhr am Dienstag, dem 11. und am Donnerstag, dem 13. September mit Mariechen und Foxi eine Runde.
Strecke: Amstetten – Böhlerwerk – L88 – Konradsheim – Feuerwehrdepot Moosgraben – B121 – Weyer – B115 – Großreifling – L714 Palfau – B25 – B24 Hochschwabbundesstraße – Mariazell – Erlaufsee – Zellerain – Grubberg – Gaming – Gresten – Hockkogel – Amstetten
Streckenlänge Mariechen: 220km
Streckenlänge Foxi mit Umweg ab Altenmarkt über Buchauersattel, Admont und Gesäuse: 260km
Beim Starten geht’s halt noch ein wenig altmodisch zur Sache. Zündschlüssel umdrehen, horchen, ob die Benzinpumpe läuft und wann sie abschaltet, dann Zündschlüssel nochmals auf aus und wieder ein, dann läuft die Benzinpumpe nochmals, Choke ziehen und Startknopf drücken. Dann wird der Motor einige Male durchgedreht und springt, hoffentlich an. Was nicht immer gleich der Fall sein muß. Die Dinger haben keine Einspritzung, sondern Vergaser, und die sind nach längerer Standzeit eben trocken. Wenn das Ding allerdings läuft, ist zu einem modernen Motorrad kaum mehr ein Unterschied.
Beide FZR, Mariechen und Foxi, brauchen den Choke nur wenn sie kalt sind und nur zum Starten. Sobald sich die Drehzahl erhöht, kann man die Starthilfe wieder ausschalten. Da stirbt nichts mehr ab. Der Zufall will es so haben, daß beide Motorräder etwas die gleiche Laufleistung hinter sich haben. Mariechen hab ich 1990 neu gekauft. Mit ihr bin ich bis jetzt etwa 74 000km gefahren. Bei rund 50 000km hab ich sie mehr oder weniger generalüberholt, ohne den Motor zu öffnen. Das war nicht notwendig. Das Fahrwerk inklusive sämtlicher Lagerstellen wurden neu gemacht, Bremsanlage generalüberholt und Verschleißteile erneuert wie überhaupt alles, was unter Verschleiß litt, erneuert wurde.
Foxi kaufte ich am 7. März 2010. Sie war in einem hervorragendem Zustand und hatte, soweit ich mich erinnere, um die 45 bis 50 000km am Tacho und wurde 1994 und 1995 gebaut. Meine ist Bj. 1994. Keine Kratzer. Nicht einmal die Nippel an den Fußrasten oder der Auspuff waren angeschliffen. Die wurde nie hart gefahren! Trotzdem hab ich mich sofort nach dem Kauf an die Arbeit gemacht und ihr neben einem neuen Kettensatz mit Supersprox Kettenrädern auch gleich hinten eine neue Bremsscheibe, die mit der von Mariechen identisch ist, gekauft. Auch ein neues Federbei von Wilbers, ebenfalls mit dem von Mariechen identisch, verpasste ich ihr. Lenkkopf- wie Schwingenlager wurden kontrolliert und geschmiert, die Originalfußrasten gegen eloxiertes Alu, ebenfalls wie bei Mariechen, allerdings in blau, getauscht, und ab ging die Post. Das heißt, das Fahrwerk an Mariechen und Foxi haben die gleiche Laufleistung hinter sich, und das macht sie gut vergleichbar. Eine verschlissene Karre mit einer neu aufgebauten wäre ja unfair zu vergleichen. Und was sagt der Vergleich?
Nach dem Kauf der Foxi bin ich beide auch voll gefahren und stellte fest, die Unterschiede sind nicht gravierend und liegen nur in kleinen Details. Wenn man sie unmittelbar hintereinander fährt, ist die Bedienung der linken Lenkerarmatur am gewöhnungsbedürftigsten. Die Lage des Blinkerschalters ist bei der Foxi ein wenig höher angeordnet als bei Mariechen. Das liegt einfach daran, daß, offenbar schon ab dem Baujahr 1991, mit der Umstellung auf die Kayaba USD Gabel, andere Lenkerarmaturen zum Einsatz kamen. Aber daran gewöhnt man sich schnell. Die Gabel der Foxi ist keine Kayaba, sondern eine Öhlins. Wenn ich mich recht erinnere, die erste USD Gabel von Öhlins (Yamaha war von 1986 bis 2007 Miteigentümer dieser Firma), die jemals in ein Großserienfahrzeug eingebaut wurde.
Diese Gabel und die Sechskolben-Bremszange an der Foxi (“Fox-Eye” wegen der Form der Scheinwerfer) machen auch den größten Unterschied zwischen diesen beiden Motorrädern überhaupt aus. Bedingt durch den größeren Klammdurchmesser an der USD Gabel ist der Abstand der Lenkerenden an der Foxi (mit dem Maßband gemessen) mit 76cm um 3cm größer als beim 1990er Modell. Das scheint auf den ersten Blick nicht viel zu sein, ist aber deutlich spürbar! Die Hebelwirkung ist anders. Die Foxi ist bei gleichem Tempo mit etwas geringerem Kraftaufwand zu fahren. Wobei meine persönliche Ansicht ist, daß die Yamaha FZR1000 Exup generell ein sehr kurvenwilliges Motorrad ist. Was sie braucht, um wirklich schnell zu sein, ist neben einer guten Fahrtechnik des Fahrers auch Körpereinsatz und Kraft. Dann ist sie, selbst heute noch, ein sehr schnelles Motorrad im kurvigen Geläuf. Bevor ich es vergesse, die herkömmliche Gabel der 90er FZR spricht feiner an. Das Losbrechmoment der Öhlins ist höher. Das ist aber nur eine Feinheit und kein Problem. Daß jemand die höhere Biegesteifigkeit der USD Gabel im öffentlichen Straßenverkehr nützen kann, bezweifle ich.
Ich bin ja nie eine Yamaha FZR750R OW01 gefahren, aber im “A Brooklands Road Test Protfolio” (einer Sammlung von Testberichten aus Europa und den USA) der FZR steht, sie wäre sogar wesentlich kurvenfreudiger als die OW01. Die war immerhin ein Motorrad, das extra für die Superbike WM gebaut wurde! Der Autor des Artikels “The 750 myth exploded” schreibt sogar begeistert vom besten tausend Kubikzentimeter Motorrad, daß er je gefahren hätte und insgesamt würde die FZR jedem anderen Motorrad die Wurst vom Brot ziehen. Vor allem dem ewigen Erzrivalen Suzuki GSXR1100.
Ja gut. Das waren die 90er Jahre. Die Zeit ist nicht stehen geblieben. Die ist aber nicht nur für die Motorräder nicht stehengeblieben, sondern auch für mich nicht. Als ich Mariechen kaufte, war ich dreißig.Heute bin ich in Pension. Also was soll’s.
Zu den Bremsanlagen. Vier Kolben pro Zange an der 90er FZR, sechs Kolben pro Zange an der 94er FZR. Macht sich das irgendwie bemerkbar? Ja. Beim Kauf der Bremsbeläge. Die der Sechskolben-Anlage passen nicht in die der Vierkolben-Anlage, und umgekehrt. Die Bremswirkung ist die selbe. Mir ist die Vierkolben-Bremse der 90er allerdings lieber. Ich kann nicht wirklich sagen, warum. Rein vom Gefühl her ist die Bremse auf diesem Motorrad die beste Bremse, die ich jemals auf einem Motorrad erlebt hab, inklusive aller Motorräder neueren und neuesten Baujahres, und da Motorradfahren viel mit Gefühl und weniger mit theoretischen technischen Daten zu tun hat, ist das für mich halt so. Die neuesten Geräte haben übrigens wieder durchwegs Vierkolben-Zangen. Wird wohl nicht wirklich viel bringen. Aber die Optik ist spektakulär, keine Frage.
Sonst gibt es, was Unterschiede betrifft, nicht viel zu erzählen. Da ein Schalter etwas anders, dort eine Leuchte, der Windschutz der Foxi-Verkleidung sowie die Sicht in den Spiegeln sind besser, aber sonst sind das, bis auf die erwähnten Ausnahmen, die gleichen Motorräder. Ja, was ich vergessen hab. Es gibt auch ein paar unsichtbare Unterschiede. Die Zahnräder des Getriebe an der Foxi sind schrägverzahnt, die von Mariechen grade verzahnt, und der Wasserkühler ist bei der Foxi anders. Ölkühler hat sie auch keinen.
Was mich an der FZR1000 Exup, neben der (in meinen Augen) wunderbaren Motorcharakteristik, immer wieder beeindruckt, ist das Fahrgefühl. Ich kenne durch meine Mitgliedschaft im FZR-Forum.de doch eine ganze Menge FZR-Fahrer und weiß von einigen, die überzeugt sind, die FZR wäre ein kurvenunwilliger, störrischer Brocken. Sagte ich ja bereits weiter oben. Ist sie nicht. Das liegt an der Fahrtechnik und am Verständnis des Fahrers fürs Motorrad. Die FZR ist nicht störrisch, sie ist stabil. Nein, das ist jetzt keine blöde Ausrede. Dieses Gefühl der Stabilität ist einfach unbeschreiblich. Wir reden hier von einem Motorrad, das, wie die Foxi, fünfundzwanzig Jahre alt ist oder wie bei Mariechen, neunundzwanzig Jahre! Diese Kisten geben mir ein Gefühl von Stabilität und Sicherheit, mehr kann mir ein neues Motorrad nicht bieten! Die FZR war mit Sicherheit die Revolution im Fahrwerksbau. Wendig, aber trotzdem in schnellen Kurven unheimlich stabil. Und egal, ob man sich auf topfebenen Fahrbahnoberflächen oder auf Buckelpisten wie der Hochschwab-Bundesstraße (das war noch vor ein paar Jahren wesentlich schlimmer, als heute!) bewegt, man kann der FZR immer und bei jeder Geschwindigkeit absolut und blind vertrauen. Das ist einer der Gründe, warum ich die FZR dermaßen ins Herz geschlossen hab. Ein Motorrad, dem man in jeder Lage absolut vertrauen kann.
Vielleicht noch etwas zur Bereifung. Nach meiner Erfahrung reagiert die FZR empfindlich auf die Bereifung. Es hat wenig (oder gar keinen) Sinn, jetzt die Reifen aufzuzählen, mit denen ich nicht zufrieden war. Die Meisten werden ohnehin nicht mehr gebaut. Am Anfang war ich mit keinen der erhältlichen (was halt so die Reifenhändler verkauften) Reifen wirklich zufrieden. Die 17” Felgen mit den Breiten 3.5 und 5.5 Zoll waren 1990 nicht so gängig wie heute, es gab wenige Erfahrungswerte. Irgendwie hatten die erhältlichen Reifen (für den Straßenverkehr) alle keinen Grip, weil sie bei meiner Fahrweise viel zu heiß wurden. Erst ein Mitarbeiter meines Reifenhändlers, der auf Rennstrecken fuhr, gab mir den Tipp, ich solle doch Michelin Pilot Race probieren. Die sollten, sofern ich mit denen klar käme, meinen Wünschen entsprechen. Genau das taten sie. Die Kaltlaufeigenschaften waren zwar miserabel, warmgefahren waren sie eine Wucht, und wie man die warm fährt, hatte ich schnell gelernt. An einem guten Tag war ich sogar im Regen schneller als andere mit normalen Reifen. Mit diesen Reifen hab ich gelernt, die FZR so quasi ballistisch zu fahren.
Als der Dunlop D208RR auf den Markt kam, wechselte ich auf diese, den Nerven zuliebe. Die Michelin gingen mir aufgrund ihrer miserablen Kaltlaufeigenschaften, die sich auch beim Nachfolgetyp H2 wenig geändert hatten, irgendwie auf die Nerven. Längere Ortsdurchfahrten ließen die Reifen zu stark auskühlen, Gedankenlosigkeit verursachte immer wieder horrende Situationen. Ich hatte da einfach keinen Bock mehr drauf. Man kann doch nicht immer nur volles Rohr fahren, und jünger wird man ja auch nicht. Die Lebensdauer dieser Reifen hielt sich mit 900 bis 1200km auch sehr in Grenzen. Das war grade fünfmal meine Hausstrecke über die Hochschwabbundesstraße nach Mariazell.
Die D208RR waren geil. Sofort brauchbare Haftung, auf der Geraden etwas kippelig, in Schräglage eine Wucht. Die fühlten sich an, als hätte man in Schräglage unendlich viel Gummi zur Verfügung. Vor allem veränderte sich ihr Verhalten mit zunehmendem Verschleiß nicht dramatisch. Der QualifierRR war nicht viel anders, nur etwas weniger aggressiv, das heißt, das Abkippgefühl war etwas zahmer. Der Nachfolger fühlte sich noch etwas gewöhnlicher an und ich dachte schon, “irgendwie entwickeln die in die verkehrte Richtung”. Ich weiß nicht, was es genau war, aber diese Reifen fühlten sich zu Tourig an für meinen Geschmack. Die Haftfähigkeit war allerdings wirklich gut.
Dann kam der Sportsmart und sein letzter Nachfolger bisher, der Sportsmart2 Max. Den hab ich auf der Foxi montiert. Vom Gefühl her dem D208RR wieder recht ähnlich. Sofern man sich nach so langer Zeit auf sein Gedächtnis, was Gefühl anbelangt, verlassen kann. Der ist wieder genau der Reifentyp, der mich anspricht. Er fühlt sich einfach richtig an, verbindet mich wieder unmittelbar mit der Fahrbahn und verhilft der FZR zu einer Wendigkeit, die andere Reifen meines Erachtens nicht bringen. Ich will damit nicht Werbung für Dunlop machen. Es ist nur so, daß ich auf meinem ersten Motorrad, der Honda CB750 Four, auch schon Dunlop fuhr. Zuerst den TT100 und dann den Red Arrow. Na ja, später, auf anderen Motorrädern, fuhr ich andere Reifen. Hat sich so ergeben. Mit der FZR hab ich allerdings offenbar wieder den Weg nach Hause gefunden. Aber wer weiß, was die Zukunft noch alles zu bieten hat?
Sowohl mit Mariechen wie mit der Foxi fuhr ich gegen 7 Uhr los und war gegen 11 Uhr wieder zurück. Die eine oder andere Kaffee Pause, oder einfach nur stehenbleiben, eine rauchen und dabei das Motorrad anschauen. So wie am Dienstag beim kleinen Rastplatz in der Kurve nach dem Eingang ins Brunntal. Ich mußte wirklich selber lachen. Ich blieb stehen, zog die Handschuhe aus und nahm den Helm ab, dann zündete ich mir einen Tschick an, setzte mich auf die Kante des Holztisches und schaute die FZR an. Und wie ich mir mein Mariechen so anschaute, dachte ich mir, “Unglaublich. Vor fast 30 Jahren hab ich mir dieses Motorrad gekauft. Es war das erste neue Motorrad meines Lebens. Es war damals eines der beiden geilsten Motorräder, die man sich für Geld kaufen konnte, und ich hab sie, mein Mariechen, noch immer. Und das witzige dran ist, wenn ich sie heute, nach so langer Zeit anschaue, dann freu ich mich genau so wie damals, als sie noch funkelnagelneu war und überall im Rampenlicht stand. Immer wieder denke ich mir dann, “Mein Gott, bist du schön!” Und die Foxi, ihre jüngere Schwester, die hab ich auch ins Herz geschlossen.
Ps.: Übrigens, ich hab noch eine FZR1000 Exup. Die mit dem anderen Farbschema von 1990. Die, die damals jeder hatte, mit der weiß/rot, blauen Lackierung.
Wird Zeit, daß ich auch mit ihr wieder einmal eine Runde drehe.
Schönen Tag noch……………….