Es ist ja komisch. Ich wurde vor vielen Jahrzehnten im Krankenhaus Amstetten geboren und ich lebe seit vielen Jahrzehnten in Amstetten (allerdings nicht in der Stadt), aber ungefähr meine ersten beiden oder sogar zweieinhalb Lebensjahre wohnte ich mit meinen Eltern in Neuhofen an der Ybbs. Beide im Waldviertel geboren und aufgewachsen, zogen sie zusammen im Laufe der Jahre immer weiter gen Südwesten, bis sie so um die Mitte der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts (oder Jahrtausends) mit Neuhofen ihren südlichsten Punkt der Wanderbewegung erreicht hatten. Dort hatte mein Vater Arbeit und gleich dazu eine Wohnung gefunden und konnte sich auf sein Vorhaben konzentrieren, das der Hauptgrund für die Wanderung war: Arbeit zu haben und ein Häuschen oder ein Grundstück zu kaufen und ein Häuschen bauen. Und genau das haben meine Eltern dann getan, und da inzwischen ich auch noch zu den beiden gestoßen war und das eine richtige Familie ergab, zogen die Beiden so um 1962 oder Anfang 63 herum mit Sack und Pack, und mit mir natürlich, ins neue, aber bei weitem noch nicht fertige Häuschen ein paar Kilometer weiter nordwestlich von Neuhofen an der Ybbs. Und seit damals, also ungefähr seit 60 Jahren, hab ich praktisch jeglichen Bezug zu Neuhofen verloren.
Ja, klar. Ich war dort in der einen oder anderen Gaststätte einmal zum Essen oder einen Kaffee trinken, wie man halt so herum kommt. Ich bin mit meinem ersten Hund (vor ungefähr 7 oder 8 Jahren) sogar in Neuhofen einmal spazieren gegangen und hab die Firma und das Haus, in dem wir damals wohnten, gesucht und auch gefunden. Die Schlosserei und die (damals) dazugehörige Tankstelle gibt’s seit Jahrzehnten nicht mehr, das Haus, in dem wir wohnten, steht allerdings noch ziemlich genau so da, wie es gegen Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre da stand und ich glaub, ich hab sogar das Fenster oberhalb der ehemaligen Tankstelle gefunden, unser damaliges Küchenfenster, auf dessen Fensterbrett ich laut Erzählung meiner Mutter eines Tages saß und bei offenem Fenster zu meiner Mutter rief “Mama, da gehen die Suppenhühner!” Sie lief damals, so schnell sie konnte, zu mir, um mich vom Fenster zu entfernen und die alten Damen, die unten vorbei spazierten, hoben die Köpfe, um nach dem Flegel zu suchen, der sie Suppenhühner genannt hatte. Mutter sagte, den Spruch mit den alten Suppenhühnern müsse ich wohl von meinem Vater, Gott hab ihn selig, aufgeschnappt haben, weil der diesen Spruch immer etwas verächtlich gebrauchte. Na ja, das wird wohl meine letzte Schandtat in Neuhofen gewesen sein, bevor wir in unser neues Haus zogen. Die letzten Male, die ich durch Neuhofen nicht einfach nur durchgefahren bin, sondern etwas länger zu tun hatte, waren die traurigen Anlässe der Verabschiedungen meiner Eltern im März und September 2019 beim örtlichen Bestattungsunternehmen. Seitdem ist Neuhofen wieder genau so fern und fremd wie vorher.
Na ja, nicht ganz. Die Sonja hat das nun etwas geändert. Ich hab ja leider im Moment ein etwas verbogenes Auto und bin deshalb vorübergehend Fußgänger. Wenn man sich blöd anstellt und dann auch noch etwas Pech dazu kommt………..
”Gehst du mit? Laufen wir etwas in Neuhofen herum?” fragte sie. “Ja, klar. Warum den nicht?” Sie hat was davon gesagt, daß wir nach Hochpyhra gehen und deshalb nahm ich neben brauchbaren Schuhen (nicht die Bergschuhe) und etwas Kleidung zum Wetterschutz natürlich auch den Rucksack mit. Brauch ja auch etwas zu trinken für mich und Eddie und Fressen sollte auch nicht fehlen. Schlumpfhund wird beim Wandern hungrig. Wir gehen ja nur ein wenig im Raum Neuhofen herum, dachte ich mir.
Es ist ja nicht so, daß ich mich dort überhaupt nicht auskenne. Die Hauptverkehrswege kenn ich. Ja, ich kenn sogar ein paar kleine Dörfer in der Gegend, weil ich ab und zu mit einem meiner Motorräder (oder mit dem dicken Bär) einfach auf kleinen und kleinsten Nebenstraßen durch die Gegend gurke und mir dabei Siedlungen, Höfe, Anwesen auffallen, die ich nie zuvor gesehen hab und nie gesehen hätte, wenn ich nicht absichtlich abseits der größeren (wirklich große gibt’s dort ja gar nicht) Straßen herumgefahren wäre. Aber recht viel Ahnung hab ich nicht von der Gegend.
Kurz nach halb acht waren wir am Parkplatz der Freizeitanlage, zogen die Schuhe um, hängten uns die Rücksäcke um und ich nahm Eddie an die Leine. Um 7:40 Uhr ging’s los und um 14:50 Uhr waren wir wieder zurück. Pffffff………….
Da hing dann nicht nur die Zunge heraus, sondern auch die Ohren runter, so müde war ich. Dafür hab ich Gegenden gesehen, die mir bisher mehr oder wenig unbekannt waren. Ich hab sie aus Perspektiven gesehen, die mir vollkommen fremd waren und ich hab eine ganze Menge über die nächste Umgebung meiner Heimat dazugelernt.
Ich hab am Schluß ein Foto der topographischen Karte der Tour angefügt, in der ich Zahlen einkopiert hab, die sich auf Bilder beziehen, von denen ich noch weiß, wo ich sie aufgenommen hab. So kann man sich dann anschauen, wo das aufgenommen wurde und wie das wirklich ausschaut. Zum Vergrößern wie immer auf die Bilder klicken.
7:40 Uhr. Wenn ich mir das Bild so im Nachhinein anschaue, dann hat sie sich hier sicher gedacht, “Na warte, du lachst nicht mehr über Neuhofen!”
Gleich am Ortsrand, bevor man in den Wald geht, steht dieses Wegkreuz. Vier Jahre war ich alt, als das Kreuz hier aufgestellt wurde.
1. Irgendwie hab ich es mit so Marterl, Kapellen und Wegkreuze. Sie sind in guten Karten praktisch immer eingezeichnet und dienen so der Navigationshilfe bzw. zur Bestätigung der Richtigkeit. Sie gefallen mir und ich würde zu gerne wissen, warum jedes Einzelne aufgestellt wurde. Manche sind weit über 100 Jahre alt.
2. Kornberg
3. Grade vor uns hinter St. Leonhard am Wald (das ist am Berg oben) leuchtet die Sonne durch den Nebel.
Holzschnitzerei bei einem Bauernhof. Das ist durch Glas vor der Witterung geschützt.
4. Diesen Bewaldeten Mugel links der Bildmitte werden wir dann gleich wild, ohne Steig, durch den Wald besteigen. Sonja kennt dort offenbar jeden Baum.
5. Wir sind ungefähr am Fuß des bewaldeten Mugel und schauen zurück Richtung Kornberg.
Ein Stück lang glaub ich, wir folgen jetzt einem Pfad auf diesen Mugel, aber dann biegen wir plötzlich einfach mitten in den Wald ab.
Diese Bäume, zwei total verschiedene Sorten, die eng zusammen aufgewachsen sind, dienen Sonja als Orientierungshilfe für den Aufstieg. Die nächste Hilfe ist ein Hochstand.
Pffff, keuch, schnauf………….
6. Da ist ein aus Ästen gebastelter Verschlag, bevor wir freies Gelände erreichen. Keine Ahnung, wozu das dient.
Diesem Specht möchte ich auch nicht begegnen.
7. Wir sind jetzt am äußersten Ende dieses Kogel, der hier rund 600m hoch ist. Die Witterung und die Bedingungen haben sich dramatisch geändert. Es ist eisig kalt, aber märchenhaft schön hier! Von hier wandern wir dem breiten Kamm des Kogel entlang immer höher, bis wir die höchste Stelle bei Hochpyhra auf über 700m erreichen, was etwa der Höhe des Sonntagberges entspricht.
7. Rückblick vom Kogel ohne Name auf 690m
Zu diesem Wäldchen da vorne geht’s jetzt weiter.
Kunst aus Eis
Kunst aus Holz und Eis
Fröhlich wie ein Kind tobt sie im Schnee herum.
Hochpyhra 727m
Gipfelfoto Hochpyhra 727m. Ich hab hier unterm Hut auch noch das Stirnband drauf, weil es so kalt ist, sonst frieren die Ohren ab.
Jetzt gehen wir zur Mostviertler Höhenstraße runter und folgen ihr bis zum Abzweig nach Schliefau und Pauxberg, dann steigen wir dem Hochkogel aufs Dach.
9. Wir sind beim Marterl an der Höhenstraße angekommen. Hier bin ich schon vor über 20 Jahren öfters mit dem Motorrad stehen geblieben, hab mich auf die Bank vor dem Marterl gesetzt, eine Zigarette angezündet und die Gegend bewundert. Inzwischen rauch ich schon lange nicht mehr, aber diese Stelle gefällt mir trotzdem noch immer recht gut.
10. Wegmarke
11. Die nächste Wegmarke
12. Und noch eine kleine Kapelle bei einem Bauernhof. Es wimmelt hier vor Kapellen, Wegkreuzen und auch Bildbäumen. Ein Paradies für Heimatkundler und andere Spinner.
13. Nicht mehr weit, dann sind wir beim Hochkogel. Der Runde Mugel rechts der Bildmitte, der Neuhofner Hochkogel mit 711m ist unser letztes Ziel, bevor wir den Rückweg antreten.
14. Marterl am Weg zum Hochkogel
15. Gipfel Hockkogel in Sicht.
11:40 Uhr. Gipfel Hochkogel 711m. Es ist stark windig und eiskalt, und weil wir noch einen langen Rückweg haben, bleiben wir nur ganz kurz und steigen dann wieder ab.
16. Es ist 12:32 Uhr, wir sind ohne Pausen unterwegs und der Hochkogel ist nur mehr ein kleiner Mugel hinter uns.
Blick nach Süden zum Ötscher, der sich grade noch aus dem Dunst hervorhebt.
Blick nach Norden. Auch hier ist es duster. Wir steigen einen Weg ab, der so nicht geplant war und dessen Einstieg Sonja auch nicht kannte. Wir queren vor Hochpyhra rechts in die Wiese bis zum Waldrand, wo man eine Viehtränke oder sowas sieht, steigen dann in den Wald (den eventuell vorhandenen und in der Karte eingezeichneten Ziehweg sehen wird durch den Schnee nicht) und queren über zwei Rinnen, bis wir zu einem deutlich sichtbaren Weg kommen, der zu einer Forststraße mit Hochstand in einer Kehre führt, den wir schon von heroben sahen. Da muß man einfach ein wenig mit Gefühl arbeiten, wie weit man schon gegangen ist und wo man dann durch den Wald runter muß. Der Wald ist mit zahlreichen Gräben durchzogen. Und uns hat dann ein im Wald verborgene Weg geholfen. Zur Not hätte ich eine recht gute Karte im Maßstab 1:25 000 und einen Kompass mit dabei gehabt. So hilflos wären wir also hier nicht gewesen, aber Sonja kennt sich eh recht gut aus.
Waldorf & Statler
17. Da ist der angesprochene Hochstand genau bei der Kehre.
Rawuzel
Grade noch, daß die Sonne hier an dieser Stelle in unsere eiskalte Welt des Waldes eindringt.
18. Wir sind wieder draußen aus dem Wald. Am Hügel drüben genau vor uns liegt Kornberg. Da müssen wir wieder hin.
Rechts auf diesen Mugel sind wir beim Hinweg raufgestiegen bis zum Schnee, den man ganz hinten links der Bildmitte sehen kann. Wir stehen hier in der Sonne, es ist nicht mehr kalt, und staunen, wie weit das alles ausschaut, wo wie heute schon überall waren.
Wenn man den blauen Himmel und die Sonne sieht, glaubt man gar nicht, wie kalt es heute schon einmal war.
19. Wegkreuz vor Kornberg
Letzter Abstieg durch den Wald und noch ungefähr 15 Minuten zum Ausgangspunkt unserer Wanderung.
14.46 Uhr. Wir sind zurück in Neuhofen. Ich bin wirklich müde, aber es war wunderschön. Vor allem hab ich eine Menge über eine Gegend gelernt, die gar nicht so weit von mir daheim entfernt ist und die in ferner Vergangenheit etwas mit meinen Eltern und mit mir zu tun hatte.
Karte zur Tour