Wir hatten schon lange drüber geredet, einmal eine Nachtwanderung bei Vollmond zu machen und ich hatte mir eigentlich vorgestellt, wir würden das im Winter machen, wenn der Schnee das Licht des Mondes (das wiederum eine Reflektion des Lichtes der Sonne ist) reflektiert und die Gegend in eine fast unwirkliche Helligkeit taucht. Wir sind ja im Winter das eine oder andere Mal bei Spaziergängen am Abend von der Dunkelheit überrascht worden und waren immer wieder erstaunt, wie hell es war. Sogar die Wege im Wald waren so hell beleuchtet, daß man kein Licht brauchte. Nachts ist es noch dazu so ruhig wie sonst eigentlich nie, und das macht die Sache noch schöner.
Mir ist ja Bewegung in der Natur, auch nachts, nicht grade fremd. Schon als Jugendliche haben wir uns auch nachts im Wald herumgetrieben und vor allem beim Militär ist der Schutz der Dunkelheit bei manchen Unternehmungen ein entscheidender Faktor. Nacht hat für mich nichts unheimliches, bedrohliches, wie das für andere zu sein scheint. Nacht macht Bewegung in der Natur intensiver, aber auch in gewisser Weise gefährlicher. Vor allem wäre das so, wenn man die Gegend, in der man sich bewegt, nicht kennt. Um den Faktor Gefahr so klein wie möglich zu halten. hab ich für unsere erste gemeinsame Nachtwanderung ein Ziel gewählt, daß keine objektiven Gefahren über das normale Maß hinaus birgt, nämlich die Gemeindealpe vom Zellerain aus. Wir sind diese Strecke schon dreimal zusammen gegangen und von früher kannte ich die Gegend fast wie meine Hosentasche. Irgendwie ist diese Idee, nachts zu wandern, in letzter Zeit in Vergessenheit geraten. Vielleicht, weil es endlich Frühling ist, die Wärme die Kälte abgelöst hat und die Tage wieder länger sind. Was weiß ich. Auf jeden Fall war es Sonja, die die Idee wieder belebte.
“Was ist mit einer Nachtwanderung bei Vollmond?” “Wann ist den Vollmond?” frug ich und schau dann im weltweiten Web. Vollmond wäre in der Nacht vom 17. auf den 18. Mai, aber genau da ist schlechtes Wetter angesagt. Am 15. und 16. hingegen ist schönes Wetter unter Tags und sogar sternenklarer Himmel nachts angesagt, ergo müssten wir unsere Vollmondwanderung auf einen Tag vor Vollmond vorverlegen. Ich seh da kein Problem dabei, weil ich glaub, daß der Unterschied so minimal ist wie der Vollrausch eines Maurer (oder setzen Sie den Beruf ihrer Wahl ein) von 23 oder von 24 Flaschen Bier. Wurscht. Macht keinen Unterschied. “Wann gehen wir los?”.
Aufstehen (mit Mühe und nach nur zweieinhalb Stunden Schlaf) um viertel nach Mitternacht, Treffen kurz vor 1 Uhr und Abmarsch vom Parkplatz (des leider offenbar für immer geschlossenen Gasthauses) am Zellerain (1121m Seehöhe) um 1:43 Uhr. Der Himmel war fast wolkenlos, die Temperatur schätze ich auf zwischen 5°C und 10°C herum. Ich hab nicht geschaut.
Wir folgen der Forststraße gleich neben dem Gasthof bis zum Höchbauer (Hof nicht mehr bewirtschaftet) und steigen dann über eine steile Leiten zum Waldrand hoch. Bei diesem Aufstieg ist die Schwierigkeit, die sich nachts bietet, daß man den Hohlweg, der durch den Wald zur Brunnsteinalm führt, finden muß. Das blöde dabei ist, daß ich diesen Weg bei sommerlichen Bedingungen, also ohne Schnee, letztmals vor ungefähr 16 Jahren gegangen bin. Unsere letzten Aufstiege waren alle im Winter, wenn haufenweise Schnee alles bedeckt. So war mir der ausgetretene Steig zum Waldrand nicht geläufig und wir folgten einfach der Nase und dem Gefühl. Sicherheitshalber hatte ich neben der Stirnlampe meine Monster-Maglite im Rucksack, die dich in Notfällen Gott spielen lässt. “Es werde Licht!” Die hat mit ihrer LED Lampe und den vier dicken Batterien eine Leuchtkraft, daß man sich keine dummen Spielchen erlauben sollte, weil ernsthafte Gefahr für die Sehkraft bestünde. Also aus kurzer Entfernung damit jemanden “spaßhalber” in die Augen leuchten könnte im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge gehen. Wir haben diese Lichtkanone gar nicht gebraucht. Erstens war es, trotz Nordlage, hier nicht wirklich stockdunkel und zweitens …………..
….. hatte Sonja schon von weiter unten dieses Schilder bemerkt, das am Waldrand steht, wo der Hohlweg beginnt.
2:07 Uhr auf rund 1250m Seehöhe. Wenn man sich hier am Waldrand bei Tageslicht umdreht, hat man schon einen wunderschönen Ausblick auf die umliegenden Berge. Nachts, vor allem bei Vollmond, ist die Aussicht nicht weniger beeindruckend, haben wir festgestellt. Das Bild kommt der Wirklichkeit leider nicht annähernd nahe! Unglaublich, wie hell es hier war und ebenfalls unglaublich, wie groß der Mond zu sein schien.
2:16 Uhr. Flott sind wir durch den Wald durch und haben die Brunnsteinalm (verfallen) auf knapp 1400m erreicht. Hier ist es noch heller als unten beim Höchbauer. Man kann die Stirnlampe auf die schwächste Stufe stellen oder teilweise ganz abdrehen. Wir müssen jetzt hier über diese Almwiese etwas linkshaltend, um die Zubringerstraße zur Brachalm zu erreichen und der folgen wir dann bis rauf zum eisernen Herrgott und zur Brachhütte.
Unser weiterer Weg zur Gemeindealpe (rot) und über die Breimauer zurück zur Brunnsteinalm (blau)
Im Verlauf der Schotterstraße zur Brachhütte bieten sich immer wieder wunderschöne Ausblicke. Es ist ganz ruhig hier, die Bedingungen sind ideal. An ein paar Stellen ist die Straße noch vom Schnee verschüttet, aber der ist so hart gefroren, daß er uns herrlich trägt und so kein Problem darstellt.
2:42 Uhr. Nach genau einer Stunde haben wir die Brachhütte beim Eisernen Herrgott (1468m) erreicht. Wir gehen aber nicht gleich weiter, sondern schauen noch an der Geländekante oberhalb der Hütte, wie die Aussicht hier nachts ausschaut.
Blickrichtung Süden an der Hütte vorbei zu den Zellerhüten und geradewegs zum Vollmond. Richtung Norden, wo der Ötscher steht und nach Osten ist der Ausblick zwar ebenfalls wunderschön, aber dort ist es so dunkel, daß jeder Versuch eines Fotos scheitert. Der mächtige Klotz des Ötscher ist auch nachts ein recht imposanter Eindruck.
Wir stiefeln am Eisernen Herrgott in der Brach vorbei und mache uns dann an der Abstieg in die vom Mondlicht gut beleuchtete Senke, die wir zum am Weg zum Hauptkamm überwinden müssen. Der Weg in dieser Senke liegt südseitig, ergo kein Schnee hier. Es ist ein Wahnsinn, wie sich dieser Übergang zwischen Winter und Sommer verändert. Im Winter sind wir immer nur ein Stück in diese Senke abgestiegen, um dann sofort wieder auf den schneeverwehten Kamm hoch zu steigen. Das ist jetzt ohne Schnee nicht möglich, weil dieser Kamm in Wirklichkeit mit Latschen und Stauden verwachsen ist, die im Winter unter einer dicken Schneedecke versteckt sind. Der Abstieg ist ein Stück weit relativ steil, aber auch bei Dunkelheit problemlos zu begehen. Selbst für Kinder wäre das hier nachts nicht gefährlich. Ich glaub, diese Nachtwanderung müsste auch für Kinder ein wunderbares Erlebnis sein.
Wir haben den Gipfelaufbau der Gemeindealpe erreicht. In einigen Kehren wird der rund 150m hohe Ameisenhaufen unschwierig bezwungen. Wieder fällt uns der große Unterschied zwischen Winter und Frühling/Sommer auf. Bis auf wenige Restschneefelder ist hier alles schneelos und damit ganz anders als im Winter. Im Winter kann man hier einfach weglos und teilweise relativ steil schnurgrade rauf latschen, was jetzt ohne Schnee wegen der Latschen, die im Weg stehen, nicht möglich ist.
Diese Namensschilder für die Kehren waren uns auch neu. Das kann noch nicht lange hier stehen, weil die Schilder recht neu ausschauen.
3:34 Uhr. Gipfel Gemeindealpe 1626m
Wie die Aufbauten eines Flugzeugträgers wirken hier die Sender, die Bergstation der Liftanlage und das Terzerhaus.
Es ist ziemlich frisch hier, um nicht zu sagen kalt. Nachdem wir die Leibchen gewechselt haben, zog ich mir dann über meine GoreTex Fleece Jacke auch noch die Gore Überjacke an und selbst dann war mir noch kalt. Pullover und Handschuhe hab ich aber schlauerweise daheim gelassen. “Wir zittern nicht, weil es kalt ist, sondern vor Wut, weil es nicht kälter ist!” Für Eddie gibt’s jetzt einmal was zu fressen.
Nach einer halben Stunde beginnt sich im Osten am Horizont ein rötliches Band zu bilden, das immer heller leuchtet.
4:21 Uhr. Wir sind jetzt fast eine Stunde hier und haben miterlebt, wie es immer heller wurde und wie sich dabei die Stimmung und Fernsicht verändert.
Der Mond wird immer stärker von Dunst eingehüllt.
Auch der Ötscher gegenüber von uns schält sich langsam aus der Dunkelheit.
Halb fünf, es ist Zeit zu gehen.
Links Mitterbach, rechts Mariazell und ein Stück vom Erlaufsee unter uns.
Rechts hinten der Dürrenstein, links neben der Bildmitte Fadenkamp und Hochstadl und am linken Bildrand ist noch der große Zellerhut zu sehen. Rechts unterm Mond ist die Brunnsteinalm.
Unser Abstiegsweg ist nicht zu übersehen. Im Winter sind wir hier auf hartem Firn voll Freude runter gelaufen. Jetzt, ohne Schnee, ist das nicht mehr möglich.
Die steile, abweisende Südseite des Ötscher.
Kaum sind wir aufgebrochen, sind wir schon wieder so weit weg.
Der Weg durch die Senke zurück zur Brachalm.
5:20 Uhr Blick von der Brachalm nach Osten.
Die Schönheit des Augenblickes ist auf Bildern kaum festzuhalten.
Pause. In so einer Umgebung schmeckt das Fressen gleich noch besser. Blick zum Ötscher.
Im Osten tut sich wieder was. Die Sonne steigt aus dem Dunstband empor.
Die Beleuchtung ist ein Wahnsinn, wenn die Sonne aufgeht.
Selbst Eddie scheint begeistert.
Aber es nützt ja nix, wir gehen weiter und schauen zur Brachhütte. Im Winter hat die Tischplatte da vorne grade noch aus dem Schnee geschaut und ich stand drauf.
Erst jetzt, bei Tageslicht, sehen wir, wie viele Schneerosen hier noch stehen. Schöne Schneerosen, keine verblühten. An manchen Stellen stehen die nicht in Quadratmeter, sondern in Hektar herum. Tausende!
Wir haben plötzlich beschlossen, daß wir nicht gradewegs zur Brunnstein gehen und zum Zellerain absteigen, sondern der Feldwiesalm einen Besuch abstatten. Dann müssten wir halt ein schönes Stück auf der Hauptstraße aus Taschelbach zurück zum Zellerain gehen, aber das macht nix. Wir haben ja Zeit.
Irgendwo auf einem steinigen Hügel gibt es sogar noch einen zweiten eisernen Herrgott, aber ohne Karte (die hab ich daheim gelassen) finden wir den nicht und drum halten wir uns Richtung Feldwiesalm.
Immer wieder finden wir Markierungen, die psychologisch unterstürzen
Wir bewegen uns hier in einer recht steinigen und unübersichtlichen, aber schönen Landschaft……
… aber irgendwie haben wir den markierten Weg verloren.
Wir wissen zwar nicht genau, wo wir sind, aber anhand der Bergln in der Umgebung kann ich schon feststellen, wo wir hin müssen. Vor uns, oder eigentlich etwas rechts (östlich) von uns ist eine begraste Erhebung, die mich an etwas erinnert. “Das scheint die Breimauer zu sein”, sag ich. “Gehen wir rauf?” “Klar” sagt Sonja und wir gehen.
Mondlandschaft mit Baumstümpfen
Je höher wir wieder kommen, desto schöner wird wieder die Aussicht. Es ist nur ein leicht bewaldeter Wiesenhang, den wir hoch steigen. Am Anfang gibt es sogar noch die Überreste eines Ziehweges, der sich dann im Gelände verliert. Aber die Orientierung ist hier einfach. Rauf bis zum Kamm und dem dann bis zum höchsten Punkt folgen.
Deppen, die bei einem Kamm nicht wissen, wo oben ist, werden hier sogar mittels Stacheldrahtzaun am Absturz auf der steilen, anderen (nordöstlichen) Seite gehindert.
Kleiner Ötscher und Ötscher hinter der Breimauer.
Nachdem wir keine Karte haben, müssen wir uns jetzt auf unsere Nase verlassen und den Weg nach Taschelbach oder zum Zellerain finden. Ob das über die Feldwiesalm ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
In dieser Gegend gibt es zahlreiche Dolinen
Da unten ist eine Straße zu sehen. Könnte die sein, die zur Feldwiesalm führt. Wir gehen einfach einmal nachschauen.
So seltsam kann ein Platz gar nicht sein, daß nicht etwas drauf wächst.
Das ist die Forststraße, die wir von oben gesehen haben. Ungefähr zwei Meter hoch Schnee liegen hier noch drauf. Da kann man sich vielleicht ein wenig vorstellen, wie hoch hier im Winter der Schnee liegt. Dieses Gebiet und die Breimauer sind beliebte Ausflugziele für Schneeschuhwanderer. Wir beschließen, nicht über den Schnee zu krabbeln, um zur Feldwiesalm weiter zu wandern, sondern wir folgen der Straße in südlicher Richtung. Irgendwie müssen wir hier zurück zur Brunnsteinalm kommen.
“Toll, wenn man eine Markierung hat”, sagt Sonja. “Und was hab ich von der Markierung, wenn ich keine Karte hab und somit keine Ahnung, wo die hin führt?” sag ich. Auf meiner AEV Karte 1:25 000 ist dieser Weg 06 sogar eingezeichnet. Die liegt allerdings daheim. Nur einen Kompass hab ich mit. Das ist im Notfall schon einmal besser als gar nix.
Ein Stück der Straße ist nochmals verschüttet, aber leicht passierbar.
Wieder eine Weggabelung, wieder Markierungen, aber diesmal mit Schildern, die das Ziel benennen. Das ist hilfreich. Wir folgen einem verschneiten Weg……
….. und bald danach einem schmäleren Weg, der leicht bergauf führt…..
…. und diesem schmalen Weg, der ständig leicht bergauf führt und der rechts über die ganze Länge von einem Stacheldrahtzaun begleitet wird, führt uns ………….
… zurück zur Brunnsteinalm. Jetzt brauchen wir keine Karte mehr.
Bei unserer Ankunft auf der Brunnsteinalm ist es 7:30 Uhr, und weil wir erstens Zeit genug haben und es hier wunderschön ist, beschließen wir, hier die Gegend zu erkunden und dann zu rasten, bevor wir zurück zum Zellerain absteigen.
Hier stehen mehrere Hektar Schneerosen herum.
Wunder der Natur und Überbleibsel aus der letzten Eiszeit. Als das Eis, das den (nördlichen Teil des) europäischen Kontinent kilometerdick mit Eis bedeckte, vor tausenden von Jahren abzuschmelzen begann (wegen des von den zahllosen Autos produzierten CO2), blieben diese Steine, die zuvor von den Eismassen vor sich hergeschoben wurden, zufällig auf einem Brett liegen, das wiederum zufällig auf diesem Baumstumpf zu liegen kam. Der große Gasförmige selber hätte sich keinen besseren Scherz einfallen lassen können wie die Natur. (Hust)
Auch Feen und Elfen sollen sich hier herumtreiben. Und Hexen.
Grabung nach Wurzeln für den Zaubertrank. Schnepfenbein und Hühnerdreck, huch, ich muß jetzt ganz schnell weg…….
Teufel. Das war schon die ganze Zeit im Rucksack und ich weiß nix davon!
8:36 Uhr. Wir machen uns auf den Weg……
Auch im Hohlweg nach unten liegt stellenweise noch Schnee.
Ein paar Minuten später sind wir schon wieder am Waldrand überm Höchbauern.
Noch einmal den schönen Ausblick genießen. Links großer Zellerhut, rechts hinten Fadenkamp und Hochstadel.
9:13 Uhr. Nach siebeneinhalb Stunden sind wir von unserer Vollmond-Nachtwanderung wieder zurück. In Gaming kaufen wir uns an der Tankstelle noch einen Kaffee, damit der Brauch nicht abkommt, dann fahren wir Heim.
Fundstücke für meine Sammlung. Rechts ein besonders schönes Exemplar. Zum Vergrößern auf die Bilder klicken.