Der Plan:
Wir hatten vor, den Dürrensteigkamm von der Ennser Hütte bis zur Bodenwies zu begehen. Dieser Dürrensteigkamm, dessen Namensherkunft mir bisher niemand erklären konnte und der sich vom Katzenhirn an der Enns im Norden bis zur Bodenwies einige Kilometer weiter südlich dahin zieht und dazwischen einige schöne, ja sogar bemerkenswerte kleine Gipfel beinhaltet, der interessiert mich schon längere Zeit. Durch seine geographische Lage müsste man wunderbare Ausblicke sowohl ins Reichraminger Hintergebirge, in die Ennstaler Alpen, ins Gesäuse, zum Toten Gebirge wie auch zur Haller Mauer haben, und weil dieser Höhenzug genau deshalb auch bekannt und beliebt (aber relativ wenig begangen) wird, haben wir beschlossen, diese Tour nun endlich auch zu starten. Die Kondition sollten wir haben, an Unternehmungslust mangelt es ebenfalls nicht, also könnte es schon bald los gehen.
Es war auch gar kein Unternehmen ins Blaue. Die Bodenwies haben wir zweimal besucht. Einmal mit Ausgangspunkt Nigel Alm und einmal aus Schönau an der Enns über den Borsee. Auch am Almkogel waren wir zweimal. Der erste Besuch führte uns über die Schotterstraße zum Übergang und von dort zum Gipfel, als Rückweg wählten wir den Weg über das Brunnbacheck, den kleinen Almkogel und den Burgspitz zur Stallburgalm. Die zweite Besteigung des Almkogel war eigentlich das Nebenprodukt eines Ausfluges zum Brunnbacher Gamsstein. Wir wollten den Gamsstein besteigen und dabei den Ausblick zum Dürrensteigkamm genießen, aber als wir den Weg zur Blaulucke entdeckten, den wir vorher nicht kannten, folgten wir dem Weg bis zur Ennser Hütte (die wir bis dahin ebenfalls noch nie gesehen hatten) und stiegen dann logischerweise auch dem Almkogel aufs Dach. Das sind ja nur mehr etwas über 200 Höhenmeter.
Besonders durch die beiden Besteigungen des Almkogel, bei denen wir jedes Mal sehr gutes Wetter und gute Sicht (zumindest vom Almkogel aus) vorfanden, war uns eine Überschreitung des Dürrensteigkamm sozusagen ans Herz gewachsen. Es ist nicht so, daß wir jetzt unbedingt auf extrem machen müssen und nur eine Überschreitung vom Katzenhirn über alle Mugel rüber zur Bodenwies zählt. Ob ich das in einem einzigen Gang oder stückweise mache, ist mir ehrlich gesagt eigentlich egal. Unsere Unternehmungen sind so ausgelegt, das sie (zumindest) einen Tag in der Natur bedeuten und nicht irgend eine Leistung. Es spielt keine Rolle, ob das Ziel des Tages ein bekanntes oder unbekanntes ist oder wie schwierig die Tour sein wird. Das zählt alles nicht. Das Einzige, was überhaupt zählt ist, daß es uns gefällt und das keinem was passiert. Und wir dürfen nie vergessen, daß unser schwächstes Glied Eddie, mein süßer Yorkie, ist. Dem darf unter keinen Umständen was passieren. Vor allem nicht durch meine Schuld. Aber der kleine Kerl ist inzwischen so fit und hat soviel gelernt (er ist schon ein richtiger Klettermaxi), daß diese Überschreitung, vielleicht mit etwas Hilfe von uns, kein Problem sein sollte. Notfalls kommt er in den Rucksack und wird getragen. War bisher aber nie nötig.
Natürlich hatte ich, wir leben im Zeitalter des weltweiten Web, vorab auch Infos über diese Tour eingeholt. Die Infos sind zwar nicht besonders zahlreich, aber recht brauchbar. Besonders hat mich die Langlackenmauer interessiert. Ich wollte Bilder sehen, um mir ein Urteil bilden zu können, wie schwierig das für Eddie werden würde, worauf wir da besonders achten müssten. Die Langlackenmauer schien mir der einzige Abschnitt, in dem es für Eddie Schwierigkeiten geben könnte. Der Rest ist bestenfalls mühsames, erdiges Gelände, aber keine unüberwindliche Herausforderung. Was nicht ganz zutreffend war, denn den Brennnesseln, den Disteln und dem Unkraut hatte ich ehrlich gesagt zu wenig Bedeutung beigemessen. Wir haben inzwischen Juli und es regnete häufig, das fördert das Wachstum!
Eine ganz besondere Hilfe und wirklich aufschlußreich waren die Bilder von “www.wizis-und-brandis-bergwelt.com”. Dem alles entscheidenden Hinweis in diesem Beitrag hatte ich leider kaum Aufmerksamkeit gewidmet. “ACHTUNG! Der Weg ist nur im Frühsommer zu empfehlen, da sonst der Wegverlauf mit Brenneseln, Disteln und Unkraut völlig zugewachsen ist!!” Wie sich Brennnesseln, Disteln und Unkraut auf des Fortkommen und vor allem auf das Wohlbefinden von Mensch und Tier auswirken können, hatten wir doch erst vor wenigen Tagen, am 4. Juli am Kappenkogel bei Gaming genossen, um es freundlich auszudrücken, aber ich war halt der Meinung, daß, vielleicht grade wegen Corona, der Dürrensteigkamm heute wieder häufiger begangen wäre und Brennnesseln, Disteln und Unkraut nicht mehr die große Rolle spielen würden.
Auch “www.paulis-tourenbuch.at” hat gute Infos geliefert.
Der Wetterbericht für Montag und Dienstag war passabel. Am Montag eher durchwachsen, auch mit gelegentlich Regen, am Dienstag wesentlich besser mit Sonne und wenig Wolken. Höhere Berge im Dunst oder Nebel, hieß es. Kein Problem. Auf höheren Bergen waren wir nicht unterwegs. Unser höchster Punkt, der Almkogel, liegt auf 1513m, also von höheren Bergen oder gar hoch kann da gar keine Rede sein.
Earthview Übersicht Schmollengruber – Pkplz. Bamacher – Ennserhütte – Almkogel
So stand unser Unternehmen. Ich hatte bei der Ennser Hütte für die Nacht vom 11. auf den 12. Juli ein Zweibettzimmer gebucht, weil im Zimmer auch Hunde übernachten können, und am Dienstag hatten wir vor, zeitig in der Früh zum Almkogel hoch zu steigen, dann gemütlich zum begrasten Wieser wandern, den steinigen Abschnitt der Langlackenmauer zu meistern, notfalls mit Eddie unterm Arm, und dann kam noch der Rest, egal wie der auch beschaffen sein mag, bis zum Gipfel der Bodenwies. Und notfalls könnten wir die auch auslassen, wenn die Strapazen zu groß wären. Die Entfernung sollten nach allem, was ich so in Erfahrung gebracht hatte, zwischen 12 und 15 Kilometer betragen, die Höhenunterschiede etwas über eintausend Meter, also nichts weltbewegendes. Der Plan war soweit gefasst, die nötige Ausrüstung gepackt, wir waren bereit. Dürrensteigkamm, wir kommen!
Montag, 11. Juli 2022
14:06 Uhr Parkplatz Bamacher. Wir hatten mein Auto zur Nigelalm gestellt und sind dann über Großraming hierher gefahren. Rucksäcke sind am Rücken, Hund an der Leine, es kann los gehen.
Wir gehen ganz gemütlich los und haben alle Zeit der Welt. Nichts treibt uns.
Der Weg zur Hütte ist nicht lange. Je nach Infoquelle sollte der Aufstieg zwischen einer und eineinhalb Stunden dauern, wobei ein Höhenunterschied von rund 550 Meter zu überwinden ist. Der Steig führt durchwegs durch halbwegs steilen Wald und hat keinerlei Schwierigkeiten zu bieten.
Zweimal quert man beim Aufstieg den Oberplaißabach, der hier allerdings erst ein schmales, kleines Rinnsal ist, das man jedoch zur Erfrischung nützen kann. Diesen Abschnitt hier mit den Wurzeln halte ich persönlich für den schönsten der ganzen Strecke. Irgendwie hat mich das an die Alien Filme erinnert.
Nach dem Überqueren (bei einer Jagdhütte, die hier unter uns liegt) einer Forststraße kommt man erstmals an einen Stelle, an der man mehr sieht als den Wald.
Und auch über uns ist erstmals was zu sehen. Das müsste ein Blick zum Burgspitz sein oder zumindest in seine Umgebung.
15:22 Uhr. Hütte in Sicht. Irgendwie kam mir vor, als wäre alles, was ich im Rucksack eingepackt hab, heute zweimal so schwer wie sonst. Ich schwitze wie Sau. Gut, ich hab vier Liter Wasser mit. Drei für mich und einen für Eddie. Das Wasser ist für morgen gedacht. Sicherheitshalber hab ich den Rucksack auf keine Waage gestellt. Ich wollte es gar nicht wissen. Offenbar war aber nicht nur meiner so schwer, weil auch Sonja ordentlich ins Schwitzen kam. Die hat ja immer haufenweise Hundefutter für Eddie eingepackt.
Diesen Schiegermuttersitz kannten wir schon vom 3. Mai
Der Himmel ist zwar bedeckt, aber es ist warm und trocken.
Ennser Hütte auf 1293m. Wir sind da. Jetzt einmal den Wirtsleuten unsere Ankunft melden, den Papierkram erledigen und dann Zimmer beziehen. Auf unser Zimmer war ich wirklich schon sehr gespannt. Als ich bei dem ganzen Prozedere einmal erwähne, daß wir zur Bodenwies hinüber gehen wollen, meint die Kellnerin (Wirtin?), diesen Weg würde sie um diese Jahreszeit keinem empfehlen und auf die Frage, warum, meinte sie, wegen der ……….. Brennnesseln, Dornen und dem Unkraut, daß jetzt Brusthoch steht. Es hat ja die ganze Zeit geregnet, das Zeug steht sicher recht hoch und der Dreck wird auch nicht ohne sein, weil mehr als +5°C hatte es auch schon lange nicht mehr. Wie sollte es denn da trocken sein? Das Wetter heute sei eher die Ausnahme als die Regel in letzter Zeit. Ja, toll. Das war genau das, was wir hören wollten. Man soll sich aber der Wirklichkeit nicht verschließen und außerdem hatten wir für einige Fälle (für solche, um genau zu sein) einen Notfallplan.
Also unser Zimmer kann sich sehen lassen. Wir haben das Dreibettzimmer bekommen, weil die beiden Zweibettzimmer unter den vier Damen aufgeteilt wurde, die ziemlich zeitgleich mit uns aufgestiegen sind.
Eddie bezieht gleich Position, bei wem er zu schlagen gedenkt.
Dann erkunden wir die Umgebung der Hütte und den Ausblick.
Genau gegenüber von uns (ein wenig südwestlich) der Brunnbacher Gamsstein 1275m.
Blickrichtung Norden. Da vorne unten liegt irgendwo Großraming, rechts ist der nördliche Verlauf des Dürrensteigkamm, der zum Katzenhirn 1159m führt, zu sehen.
Unbeschwert von jeglicher Last haben wir einmal die Hütte umrundet und sind dann, weil grade Zeit war, ein Stück Richtung Almkogel rauf gestiegen. Es war ziemlich genau halb sechs und um halb sieben, hatten wir ausgemacht, wollten wir unser Abendessen einnehmen. Kaspressdings und Blunzengröstl. Also war noch eine runde Stunde Zeit für Unfug.
Man quert hinter und oberhalb der Hütte nochmals den Versorgungsweg und steigt dann gleich direkt forsch im Wald hoch zu einer lange Querung. Der Brunnbacher Gamsstein gibt mit seiner Lage Auskunft, wo man sich im Gelände befindet.
Wir hatten den Wald rasch durcheilt, sind bei der Querung sogar etwas gelaufen und schon standen wir hier kurz unterm Kamm vorm Almkogel. Verdammt, es ist 17:46 Uhr. Was mach ma jetzt? Rauf zum Almkogel? Aber da gehen wir eh morgen hin. Zuerst einmal weiter zum Sattel. Das Gipfelkreuz da oben schaut zum Greifen nah aus!
Der Brunnbacher Gamsstein wird unter uns immer kleiner.
Wir sind am Kamm und beschließen, wir lassen den Almkogel heute in Ruh und gehen schnell noch das Stück zum Brunnbacheck hoch. Das sind nur wenige hundert Meter. Mit etwas mehr Zeit könnten wir noch zum Burgspitz laufen, aber die Kaspressdingsda und das Blunzengröstl………
Jetzt können wir auch auf der anderen Seite runter schauen. Blick zwischen Katzenhirn und Ennsberg runter nach Kastenreith und zur Enns.
Eine unbeschreibliche Blumenpracht erwartet uns hier heroben. Die Beleuchtung, die Farben, die Luft, die Stimmung, das alles kann das beste Foto nicht einfangen, das muß man erlebt haben.
Das Brunnbacheck ist nur ein unscheinbarer Mugel im Kammverlauf und liegt auf 1472m, sagt die Karte von “freytag & berndt”. Auf manchen Karten sind diese kleinen Zwischenmugel eingezeichnet, auf anderen wieder nicht, auf manchen sind die Höhenangaben dabei, auf anderen nicht. Angeblich stimmten nicht einmal die Höhenangaben verschiedener Karten überein oder die Namen des einen oder anderen Mugel……….blablabla. Das alles interessiert uns nicht wirklich. Wir sind hier und genießen es. Dieses kleine Kreuz war im letzten Jahr noch nicht hier. Dahinter der Ennsberg mit dem Hühnerkogel 1474m als höchsten Punkt.
Hier waren wir auch im vorigen Jahr und genau hier war innerhalb weniger Minuten alles voll Nebel und nichts mehr zu sehen. Wir sind dann trotzdem zum Kleinen Almkogel (der Mugel genau vor uns) und zum Burgspitz 1429m (der nächste Mugel dahinter) gen Norgen gegangen und dann zur Stallburgalm abgestiegen. Es war trotz Nebel damals wunderschön, aber nochmals müsste ich das im Nebel nicht haben. Spätestens bei der zweiten Tour will ich dann schon sehen, wie es da ausschaut, wo ich bin.
Blick über den Übergang zum Kuhberg 1415m. Jetzt wissen wir auch schon, wie es da drüben ausschaut und vor allem, wie es ist, wenn man von dort drüben hier herüber schaut. Das ist es, was mich immer besonders fasziniert. Raufgehen auf einen Berg und schauen, wie die Welt von dort oben ausschaut, und dann auf den nächsten Berg gehen, und das mit dem vergleichen, was man vom anderen Berg aus gesehen hat. So fügt sich über die Zeit hinweg ein Bild der Welt zusammen, daß ganz anders ausschaut als das, was man immer nur von unten sieht. So ist das mit fast allem, Man soll sich seinen Blickwinkel nicht selber begrenzen. In keiner Hinsicht.
Blick zurück nach Süden zum Almkogel 1513m und rechts im Hintergrund zur felsigen, abweisend wirkenden Langlackenmauer 1482m, bis zu der wir morgen unbedingt gehen wollen. Wir wollen unbedingt wissen, wie es dort wirklich ausschaut. Wie steil ist das, wie schaut das Gelände aus? Wie schaut das in Wirklichkeit aus, wo das Seil hängt? Wir könnten ja die Rucksäcke gegebenenfalls unter der Langlackenmauer liegen lassen und einfach schnell einmal nachschauen gehen. Ohne Rucksack kann man sehr schnell und beweglich sein und wir wissen auch gleich, wie das für Eddie geeignet ist. Wir haben keine Ahnung, daß das (für diese Tour) der letzte Blick zur Langlackenmauer ist.
Wir sind schon wieder im Abstieg und der Brunnbacher Gamsstein zeigt uns unsere Position während unserer langen Querung an.
18:18 Uhr. 13 Minuten vom Kamm bis hier her. Mein Blunzengröstl wird nicht kalt.
Bei fast 15°C ist es angenehm warm.
Einen schöneren Speisesaal gibt es weit und breit nicht.
20:20 Uhr. Der Tag neigt sich dem Ende zu.