Genau eine Woche nach der Rückkehr von unserer Pässetour 2024 wollten wir eigentlich zu einer Wanderung aufbrechen. Weil das Wetter aber am nächsten Tag schon wieder schlechter werden sollte, disponierten wir schlagartig um. “Weißt du was?” sag ich zu Sonja am Mittwoch Abend, “fahren wir morgen eine schöne Motorradtour!” Am leuchten ihrer Augen sah ich, es war gut so. Wir fahren halt beide irrsinnig gerne Motorrad. Weil ich die XJR nach der Tour so schön geputzt hatte und weil ich die YZF1000R Thunderace heuer eh kaum bewegt hab, beschloss ich, mit meinem alten, aber treuen und tourenbewährten Tausender Supersportler zu fahren. Technisch ist sie in einem einwandfreien Zustand, der Ölstand ist kontrolliert, es kann losgehen. Und damit wir auch nach der Tour noch wissen, wo wir überall waren – wer weiß, ob wir uns für ausgiebige Fotostop überhaupt die Zeit nehmen – hab ich das Wandernavi in den Tankrucksack gesteckt, damit es die Tour aufzeichnet.
Strecke: Amstetten Tankstelle Weißes Kreuz-B121-Kreisverkehr nach Kröllendorf-L6202-Allhartsberg-Güterweg Hofstetten bis St.Leonhard im Wald-Ötscherblickstraße-Putzmühle-Urltalstraße-Güterweg Hubberg-Ybbsitz-B22-L6186 bis Maria Seesal-Reiterstube Groß Theuretzberg-Kleinprolling-L98-Große Kripp 698m-St.Georgen am Reith-B31-Kogelsbach-Meisserleithen-Kogelsbach-B31 bis Göstling-B25-Lassing-Palfau-Gams bei Hieflau-Mooslandl-Lainbach-B115-Eisenerz-B115a-Leoben-B116-Nicklasdorf-Bruck an der Mur-Kapfenberg-B20-Thörl-Seewiesen-Gollrad-Gußwerk-Rasing-B71-Zellerain-Grubberg-B25-Gaming-L92-Brettl-Gresten-B22-Grestner Höhe-Güterweg Schadneramt-Franzenreith-Urltalstraße-Putzmühle-St.Leonhard am Wald-L92 Hiesbach-L2123-Neuhofen an der Ybbs-Ulmerfeld/Hausmening-Tankstelle Weißes Kreuz
Streckenlänge: 305km
Zeitaufwand: 7 Stunden
Höhenunterschiede: Mehr als 4500Hm
Karte mapy.cz 3D mit GPS-Track
Austria Maps (Ausgabe 1980) mit GPS-Track.
Wir hatten keinen echten Plan, wo wir hinfahren. An der Tankstelle tanken und dann losfahren war unser einziger Plan. An der Tankstelle hab ich dann mein erstes blaues Wunder erlebt. Ich hatte mir wirklich eingebildet, ich wäre mir der Ace vor der Pässetour zur Tankstelle gefahren und hätte sie vollgetankt. Heute, bei der Abfahrt, zeigte der Tageskilometerzähler, der mir die Fahrstrecke einer Tankfüllung anzeigt (der ist noch analog und daher der einzige neben dem normalen Kilometerzähler) 198km an. Heißt, wenn ich nicht bald nach der Abfahrt wieder irgendwo eine Tankstelle suchen will, sollte ich am besten gleich bei unserer nächsten Tankstelle tanken, und das ist das Weiße Kreuz. Ich fahr zur Zapfsäule, Handschuhe aus, Helm ab, Tankrucksack zur Seite geschoben (Magnetrucksack) und Deckel auf. Ohne in den Tank zu schauen geh ich ums Motorrad, nehm die Zapfpistole für den Super 95 und hänge den Rüssel in die Tanköffnung. Uaaaah! Blöd, nein, saublöd schau ich in den Tank. Der ist randvoll! “Ich hab es ja gewusst. Ich war vor der Pässetour mit der Ace tanken! Nur hab ich damals vergessen, den Kilometerzähler wieder auf Null zu stellen. Also Zapfhahn wieder eingehängt und rein. “Erich, blablabla……”. “Ja, ist schon gut” und grinst. Wir trinken schnell noch einen Kaffee und fahren dann los.
Zuerst einmal in Richtung Kematen an der Ybbs, im Kreisverkehr beim Autohändler mit den vielen Porsche abbiegen nach Kröllendorf und von dort weiter über die Höhenstraße bis St.Leonhard im Wald. Dann runter ins Urltal und zur Putzmühle und auf der anderen Seite über Hubberg rüber nach Ybbsitz.
Abfahrt von St.Leonhard in den Urlgraben, aufgenommen beim Hof Greillöd
Kapelle an der Güterstraße Hubberg
Hier angekommen, hatten wir die ersten dreißig Kilometer abgespult. Aus Ybbsitz jetzt weiter in Richtung Grestner Höhe, aber bevor man die Bergstrecke erreicht, rechts abbiegen in Richtung Maria Seesal, einem kleinen Ort mit einer Wallfahrtskirche. Bei der Fahrt in Richtung Wallfahrtskirche fällt mir was ein. Da sind wir doch erst vor kurzem, also irgendwann im Juni, auch gefahren, sind aber von der anderen Seite gekommen. Von wo sind wir da gekommen? Ich überleg und dann fällt mir der Pferdehof ein und ein Name. “Pferdehof Gut Theuretzbach”, und bevor wir zur Wallfahrtskirche abbiegen, seh ich das Hinweisschild. “Pferderast” oder sowas steht drauf. “Ja, da gehts lang. Da sind wir heraus gekommen!” Wir folgen der schmalen Straße, die bald von Asphalt in Schotter übergeht und erreichen in Kürze ein Tal und besagten Pferdehof.
Ankunft beim Pferdehof Gut Theuretzbach
So geht’s nach dem Pferdehof weiter.
Wir tuckern gemütlich am Pferdehof vorbei und ich überleg, ob mir nicht einfällt, wohin diese Straße führt? Ich kann mich erinnern, daß wir hier in Richtung Ybbsitz fuhren, ich kann mich aber nicht erinnern, von wo wir hierher kamen! Ein paar Kilometer weiter fällt es mir wie Schuppen aus dem Haar, äh, von den Augen. Wir kommen auf der Straße von Ybbsitz zur Kleinen Kripp raus. Ach, jetzt weiß ich genau, wo wir sind und wie wir weiter fahren. Wir fahren also über die Kleinen Kripp zur Großen Kripp und erreichen so die Bundesstraße 31 nach Göstling. Bei Kogelsbach bilde ich mir ein, ich wäre schon einmal durch ein Hochtal von Lunz hierher gegangen, daher fahren wir nach Kogelsbach und weiter auf Güterwegen so weit, bis wir anstehen. Ich frag dort eine junge Dame, die einen Briefzustellerwagen der Post fährt, ob man da irgendwo durchfahren könne, aber die antwortet, “Tut mir leid, ich hab mich selber grade verfahren!” Früher kannten Briefträger jeden Grashalm in ihrem Revier, heute kennen die gar nix mehr.
Bei unseren Irrfahrten auf den Güterwegen um Kogelsbach.
Blick von einer Straße bei Meisserleithen zum Oisberg
Genau in Göstling bin ich den achzigtausendsten Kilometer auf die Ace gefahren.
Als wir, nach einiger Herumkurverei, wieder in Kogelsbach zurück waren, fuhren wir am schnellsten Weg über Göstling, Palfau und Gams nach Mooslandl und von dort zur Bundesstraße 115, auf der wir Eisenerz und den Präbichl erreichten. Aber nicht ohne kleinen Umweg. Gleich nach dem Ortsende von Mooslandl zweigt eine schmale Straße in Richtung Lainbach ab. Ich kenn diesen Namen von meinen Fahrten aus der Steiermark nach Amstetten. Wenn man von Süden kommt, zweigt gleich nach der langen 70er Beschränkung oberhalb von Hieflau nach der Brücke beim Autohändler eine schale Straße nach rechts ab und ein Wegweiser weist den Weg nach Lainbach. Ich war dort nie, hatte mir aber vorgenommen, irgendwann einmal dort abzubiegen und mir anzuschauen, wie es dort ausschaut. Jetzt war die Gelegenheit dazu.
Blick von Mooslandl in Richtung Kirchenlandl
Blick von Mooslandl zum Lugauer (Bildmitte) und zur Almmauer (rechter Bildrand)
Lainbach ist ein kleines Nest, in einem Graben zwischen Mooslandl und Hieflau, das nur mehr wenige Einwohner hat.
Der Zugang zum Gasthof ist schon verwachsen, der ….
… ehemalige Gastgarten schaut zwar noch heute einladend aus, ist aber nicht mehr in Betrieb. Ich könnte mir gut vorstellen, daß es hier einmal recht gemütlich war. Ich kann mir allerdings auch vorstellen, daß hier schon sehr lange niemand mehr gesessen ist. Ich kann mir auch vorstellen, daß man als wohlstandsverwahrloster Mensch von heute diesen Gastgarten schlicht und einfach nur mehr primitiv finden würden.
Türen, durch die schon lange niemand mehr ging
Fenster, durch die schon lange niemand mehr schaute
Ein Geschäft, in dem es schon lange nichts mehr zu kaufen gibt.
Wir fahren weiter zum Präbichl und frischen Erinnerungen an schöne Bergtouren auf.
Weiter geht unsere Fahrt nach Vordernberg, wo wir bei der letzten Tour am 1. Mai die schönen Oldtimer gesehen haben. Ganz besonders gut ist mir der BMW 3.0 CSL in Erinnerung. Ein Traum von einem Auto. In Leoben hab ich angesichts einer Baustelle kurz überlegt, wie wir jetzt weiterfahren sollen, dann bin ich draufgekommen, daß die B115a, die als Umleitung deklariert war, eh genau die Straße ist, auf der wir nach Nicklasdorf fahren wollen. Ich bin früher oft hier gewesen, aber meine Spazierfahrten in der Steiermark sind auch schon rar geworden. Ich bin eh so auch noch genug beschäftigt und der Tag hat halt nicht mehr als 24 Stunden.
Überraschend kamen wir ohne Stau von Leoben bis Bruck an der Mur und Kapfenberg. Das war nicht immer so. Hauptsächlich ist das der S6 zu verdanken, die seit ihrer Fertigstellung (ist eh schon lange her) den Durchzugsverkehr von den Bundesstraßen abzieht. Wie bei uns gibt es auch hier seit der Fertigstellung der S6 für den Schwerverkehr weitläufige Durchfahrtsverbote auf den Bundesstraßen. Es kann ja wohl nicht sein, daß man die Bevölkerung durch den Bau großzügig angelegter Fernverkehrsstraßen entlasten will und die Frächter dann die Bundesstraßen für die Einsparung der Mautgebühr nützen wollen. Nicklasdorf war noch vor 20 Jahren eine absolute Katastrophe für die Einwohner! Das war Amstetten allerdings auch, bevor ein vernünftiges Verkehrskonzept erstellt und verwirklicht wurde. Heute ist das, was früher die Hölle war, das Paradies. Na, sagen wir fast. Die Grünen (unter tatkräftiger Mitwirkung von schwarz und rot) wollen es ohnehin wieder zur Hölle machen. Was anderes können die ja nicht.
Von Kapfenberg über Aflenz nach Seewiesen ging es heute recht zügig voran. Kaum Verkehr. Dafür sind wir bei den großen Parabolspiegeln der Erdefunkstation in Graßnitz vorbeigefahren, ohne ihnen einen Besuch abzustatten. Bisher war ich fast jedesmal dort, wenn wir hier vorbei kamen. Heute wollte ich eigentlich mehr fahren als schauen. Dafür ist der Blick von Seewiesen zum Hochschwab immer wieder ein Genuß, den wir uns auch heute nicht entgehen ließen.
Ich möchte gerne einmal von hier aus den Hochschwab besteigen.
Rasch haben wir den Seeberg bewältigt und ebenso rasch erreichten wir Gußwerk kurz vor Mariazell. Da war mir schon etwas komisch zumute. Die Ace hat keinen Reservehahn. Ich glaub, keines der heutigen, modernen Motorräder hat einen Reservehahn am Benzintank. Die YZF1000R ist zwar nicht modern, sie hat allerdings ebenfalls keinen Reservehahn. Dafür leuchtete die Tankanzeige schon längere Zeit orange. Ich fahr in den letzten paar Jahren zu selten mit der Ace, um genau im Gefühl zu haben, was sie verbraucht, wie weit ich komme. Die XJR kenn ich in und auswendig, die Ace schon weniger. In Rasing bin ich sofort zur Tankstelle abgebogen und hab voll getankt, damit ich bedenkenlos bis nach hause komme. Na ja, so knapp war das gar nicht. Vierzehn Liter hatten Platz, ergo waren noch gut sechs Liter im Tank. Damit wäre ich locker bis Heim gekommen. Ohne stehenbleiben vielleicht, aber auch ohne Magengeschwür? Mit vollem Tank war mir dann jedenfalls leichter.
Über den Zellerain haben wir dann wohlgemut den Grubberg erreicht und kauften uns, wie könnte es anders sein, unten in Gaming an der Tankstelle einen Kaffee. Anschließend fuhren wir über Brettl nach Gresten und entschieden uns dort, noch über die Höhenstraße den Heimweg anzutreten.
Auffahrt Höhenstraße von der Grestner Höhe mit Blick ins Grestner Land
Bilder von der Ötscherblickstraße
16:33 Uhr kurz vor Ulmerfeld. Nach fast sieben Stunden und etwas mehr als dreihundert Kilometern neigt sich unsere Tour dem Ende entgegen. Nur mehr wenige Kilometer, dann sind wir wieder daheim. Also dann, prüat Gott únd bis zum nächsten Mal.