Im vorigen Jahr hab ich erstmals in meiner Karriere als Motorradfahrer über den Winter das Kennzeichen zurückgelegt und auch Sonja dazu verführt. Ich hatte mir gedacht, “wird eh alles teurer, warum soll ich Steuer und Versicherung bezahlen, obwohl ich die meiste Zeit der Wintersaison gar nicht fahre?” Wir hatten Glück. Der letzte Winter war in unserer Region kein Spaß, von Motorradfahren konnte man nicht einmal träumen. In den Wintern davor wäre das Glück weniger auf unserer Seite gewesen, weil da gab es immer wieder wenigstens einen Tag, an dem man fahren hätte können, und das taten wir dann auch. Egal, wie das Wetter vorher war, drei oder vier schöne Tage, an denen die Straße auftrocknet, und schon war es möglich, eine kleinere oder sogar größere Runde zu drehen. Klar, das muß nicht sein, aber es macht unglaublichen Spaß. Und weil das so viel Spaß machen kann, haben wir, meine Maus und ich, heuer beschlossen, die Motorräder wieder angemeldet zu lassen.
Auch wenn ich nichts drüber geschrieben hab, wir drehten heuer im Spätherbst schon einige Runden. Die Letzte beispielsweise vorgestern, ohne Maus allerdings.
Heute sind wir am Vormittag (mit dem Auto) in die Stadt gefahren. Maus braucht von der Gebietskrankenkasse einen Auszug für den Arbeitsgeber. Am Weg durch die Stadt begegnet uns eine blaue R3. Fahrerkleidung und Motorrad spiegelblank geputzt, alles schaut aus wie neu und der Fahrer war sichtlich stolz und voll Begeisterung. Welcher Motorradfahrer kennt dieses Gefühl nicht, wenn du auf deinem neuen Gerät deine Runden drehst, egal, wie das Wetter ist. “Schau dir das an!” sag ich, “keine Gummikuh kommt uns heute entgegen, sondern eine R3!” Ich war hellauf begeistert. Das Wetter war bewölkt, die Straßen trocken, die Temperatur bei ungefähr 3°C, also tadelloses Wetter für eine Rundefahrt. “Was sagst du?” frag ich. “Wir holen jetzt das Zeug, das du brauchst, drehen noch eine Runde im Einkaufszentrum und dann fahren wir Heim, ziehen uns um und fahren selber eine Runde”. Sonja grinst über’s ganze Gesicht. “Ja, machen wir”.
Kurz vor zwölf sind wir daheim. Das Thermostat vor der Haustür zeigt 2°C. Also warm anziehen. Lange Thermo-Unterhose, ein kurzärmeliges Merino Leibchen, einen langärmeligen, eher dünnen Toryer und einen flauschigen, dickeren drüber. Alles vom Ebner 1. So angezogen, aber nur die Unterkleidung, passt natürlich meine Lederkombi niemals drüber, also Textilkleidung. Hose Sahara vom Wintex und Jacke Berik Torino haben sich auch auf größeren Touren bewährt, passen perfekt und geben uns trotz dicker Unterwäsche die Bewegungsfreiheit, die man zum sicheren Fahren eines Motorrades braucht. Jetzt noch meine alten, treuen, schweren Daytona mit Innenschuh und die Skihandschuhe mit GTX, dann sind wir fertig ausgerüstet. Was noch nützlich ist, ist ein Pinlock-Visier, damit auch bei großen Temperaturuntschieden eine freie Sicht gewährleistet ist.
Wo fahren wir hin? Zuerst einmal tanken, die Luft kontrollieren und einen Kaffee trinken.
12:20 Uhr. Wir sind angezogen und abfahrbereit.
An der Tankstelle. Ich hab ja vorgestern nach einer kleinen Runde getankt, kann mir das also heute ersparen. Auch die Luft hab ich kontrolliert. Sonja ist grade dabei und ich hole uns einen warmen Kaffee vom Automat. Wir halten uns allerdings nicht lange auf und sind bald wieder unterwegs. Man muß jetzt wirklich jede Minute nützen, denn um rund 15:30 Uhr wird es wahrscheinlich wieder saukalt. Also, wo fahren wir hin? Nicht so wichtig. Das wird sich von selber ergeben. Aber hinterher weiß man ja, wo man war.
Strecke: Tankstelle-Neuhofen-Perbersdorf-Schindau-Matzendorf-B1 bis nach Blindenmarkt-L97 in Richtung Steinakirchen am Forst-Wolfpassing-L96 bis Wieselburg-Holzingerberg-Oberegging-Ybbs an der Donau Zentrum-Bäckerei Weinberger vor der Donaubrücke-B3 über Grein nach Mauthausen-Mauthausen Lebzelterhaus-Donaubrücke-Pyburg-B123a über Klein Erla zur B1-B1 bis Strengberg-L80 bis Haag-Haag Zentrum mit Kirche und Weihnachtskrippe-Über Holzleiten zur L6267 und auf dieser nach Wolfsbach-Krenstetten-Prastrum-Biberbach-Adersdorf-Gleiß-Rosenau-Sonntagberg zur Basilika 716m-Baichberg-Gleiß-B121-Amstetten
Streckenlänge: 178km
Wetter: Stark bewölkt bei 2°C bis 5°C
Karte Opentopomap zur Tour mit Track (rekonstruiert nach der Tour)
Karte zur Tour mapy.cz_3D als Übersicht. Süden ist oben und Westen ist rechts.
Karte von 1960 zu unserer Tour.
Von der Tankstelle nach Neuhofen und zur B1 bei Blindenmarkt fuhren wir praktisch nur Landstraßen ohne großen Verkehr. Am 23. Dezember sind die Leute nicht einfach so unterwegs, die drängen sich in den Einkaufszentren zusammen, daß die Balken bersten. Die Straßen sind weitgehend trocken und frei von Rollsplitt. Einen Wintereinbruch mit Schneefall hatten wir schon, der liegt allerdings schon wieder ein paar Wochen zurück. Sonst haben wir zwar Temperaturen um den Gefrierpunt, Neuschnee war in tiefen Lagen keiner mehr dabei. der Schnee beginnt ab etwas 800m Seehöhe. Wenn die Straße weiß ist, dann ist das kein Schnee, sondern Salz. Das ist leider so.
Irgendwo vor Blindenmarkt hab ich meine Maus einmal gefragt, ob ihr kalt ist. “Nein”, sagt sie, “nur in den Fingern”. Ich geb ihr meine warmen Skihandschuhe und sie gibt mir ihre, die ich vor Jahren extra für Winterfahrten mit dem Motorrad kaufte. Wie meine Skihandschuhe haben die eine GTX-Ausstattung, halten also den kalten Fahrtwind ab und die Finger warm. Sollte man meinen. Meine Maus ist allerdings recht erfroren, was Hände und Füße betrifft. Der Rest des Körpers übersteht tiefste Temperaturen, aber Hände und Füße sind selbst im Sommer kalt. Jetzt, um diese Jahreszeit natürlich eiskalt .Sie gibt mir ihre Handschuhe ich ich glaub, ich spinne! An der Handflächen, also die Fläche am Handschuh, die am Lenkerende liegt, ist das Obermaterial total zerfetzt. Ja, richtig gelesen. An einem Handschuh ist an der Innenseite dieses Handschuh das Obermaterial total zerfetzt. Das ist mir bisher nie aufgefallen. Aber komisch, als ich sie dann angezogen hatte und damit fuhr, stellte ich fest, das Obermaterial mag perdü sein, das GTX-Material ist in einem perfekten Zustand. Für den Rest dieser Tour hatte ich diese Handschuhe an und Dank Griffheizung (wir haben beide eine montiert) war mir nie kalt. Und bei Sonja? Die hatte trotz meiner tollen, gut isolierten Handschuhe und trotz Griffheizung auf höchster Stufe (also Grillen) kalte Hände. Was soll man dazu sagen? Ich glaub, da gibt es keine Abhilfe. Da ist Hopfen und Malz verloren.
Bäckerei Weinberger vor der Donaubrücke
Nachdem wir im Zentrum von Ybbs einen kurzen Halt einlegten, fuhren wir bis zur Bäckerei vor der Donaubrücke weiter und tranken dort einen Kaffee zum Aufwärmen. Soviel Zeit muß sein. Dann haben wir kurz überlegt, wo wir weiter fahren könnten. “Fahren wir weiter über Grein bis Saxen und dann über die Kraftwerkbrücke nach Wallsee?” frug ich und Maus stimmte sofort zu. Es wurde dann aber doch anders, weil sich das Wetter gut zu halten schien.
Kurzer Halt bei der Schiffsanlegestelle in Grein an der Donau.
Die Weiterfahrt bis Mauthausen war absolut unspektakulär, das Lebzelterhaus dort ist allerdings nicht zu verachten. Wir haben uns das alles von außen ein wenig angeschaut und Infos gesammelt.
Die schmalste Gasse Mauthausens. Engste Stelle 70cm
Bevor wir Mauthausen verließen stellte sich ein dringendes Problem bei mir ein. Ich mußte dringend den Fuß heben (würde mein Eddie sagen, und der kennt sich da als Hund wirklich aus). Wir fuhren ein Stück weiter in Richtung Linz und fanden am linken Fahrbahnrand zwischen Bundesstraße und Donau einen Parkplatz, auf dem ich kurz hinter einem Baum verschwand. Bei der Rückkehr ergab sich dieses Bild für mich.
Nachdem der innere Druck von mir gewichen war, drehten wir um und fuhren über die Donaubrücke nach Pyburg und auf uns gut bekannten Straßen bis kurz vor Strengberg. Dort bogen wir nach rechts in Richtung Steyr ab und folgten der Landstraße bis Haag. Ich weiß von anderen Weihnachtsfahren, daß es in Haag zu dieser Zeit normal immer eine Weihnachtskrippe vor der Kirche gibt, also wollte ich heute wissen, wie das heute ausschaut. Ich war mir nicht sicher, wann die Krippe aufgestellt wird, den bisher fuhr ich, wenn ich fuhr, am 24. Dezember nach Haag. Nach einer kurzen Herumirrung im Zentrum mit Fahrt gegen die Einbahn (Verkehrsberuhigte Zone und kein Verkehr, also problemlos) erreichten wir dann tatsächlich besagte Kirche und die Weihnachtskrippe.
Wir wollten schon losfahren, da sah ich auf der anderes Straßenseite diesen überdimensionalen Adventkalender. Also nochmals stehenbleiben und Bilder. Da war mir auch wieder eingefallen, daß ich diesen Kalender schon einmal vor Jahren gesehen hatte.
Die Rückfahrt in Richtung Heimat war gleich nach Haag zuerst nicht ganz so einfach. Ich hatte vor, über Wolfsbach zu fahren, wusste bei der Fahrt ab Zentrum aber nicht genau, auf welcher Straße wir uns befanden. Was ich jetzt nicht brauchen konnte, war ein Verhauer mit Fahrt in Richtung St.Valentin. Aus dieser Richtung kamen wir ja bei der Fahrt nach Haag. Schnell hatten wir allerdings die richtige Richtung erraten und über kaum befahrene Landstraßen erreichten wir zuerst Wolfsbach, dann Krenstetten und Biberbach. Bei obigem Anblick irgendwo auf der Strecke kam mir dann die Idee, auch noch den Sonntagberg zu besuchen.
Waldorf & Statler, im Hintergrund Wolfsbach
Abfahrt von Adersdorf nach Gleiß mit Blick zum Höhenzug Schnabelberg-Redtenberg-Spindeleben
Blick vor der Ybbsbrücke in Gleiß zum Sonntagberg.
Am Sonntagberg beim Brandtauer Brunnen
Blick in Richtung Westen. Unter uns Böhlerwerk.
Blick in Richtung Südosten zum Dürrenstein
Blick nach Norden in Richtung Wald- und Mühlviertel
Tiefblick bei der Abfahrt nach Baichberg in Richtung Norden
Von hier aus ist es nicht mehr weit und um 16:11 Uhr standen unsere Motorräder wieder in der Garage. Auch wenn man um dieser Jahreszeit nicht viel zum Fahren kommt und wenn es auch kalt ist, jeder kleine Tour, fast jeder Kilometer mit dem Motorrad ist Labsal für die Seele. Somit sagen wir pfüat Gott und bis zum nächsten Mal.
1) Das mit dem Ebner ist ein Insider, den keiner versteht, der die Umstände nicht kennt. Der Ebner ist ein Gasthof und eine Straussenfarm in Winklarn, unweit von Amstetten. Dort werden im Sommer auch Führungen gemacht. Eine Straussenfarm ist in unseren Breiten ja nicht so selbstverständlich. Sonja merkt sich den Namen Ebner nur schwer, warum auch immer, dafür fällt ihr Strauss ein und deshalb sagt sie immer, wenn vom Ebner die Rede ist, das ist der Strauss.
Unsere oben im Beitrag angesprochene Kleidung ist vom Strauss. Nein, nicht vom Vogel Strauss, sondern vom Engelbert Strauss. 100% Merino und 100% Qualität. Als Wortspiel hab ich dann einmal gesagt, wir ziehen die Leibchen vom Ebner an. Sonja sah mich fragend an, dann lachte sie. “Ah, ja, vom Strauss!” Und seitdem ist das ein Wortspiel, das wir gerne spielen.