Ich sag’s ganz ehrlich. Ich hatte nie etwas gegen chinesische Produkte. Chinesisches Essen zum Beispiel ist gut. Besonders chinesisches Essen in China. Hervorragend! Aber mit Vorsicht zu genießen. Je weiter man in den Süden kommt, desto würziger wird das ganze. Es kann schon passieren, dass du in Kanton nach einem einzigen Schluck Suppe zum feuerspeienden Drachen mutierst. Aber du lernst schnell. Ein oder zwei Portionen Reis in der Suppe lindern die Schärfe so weit, dass das Zeug tatsächlich genießbar wird. Also, einen Sack Reis aus China hätte ich jederzeit gekauft. Ein technisches Produkt? Eher nein. Ich will aber jetzt einmal alle Vorurteile beiseite lassen und komm einfach zur Sache. Uhren aus China? Ja. Wieso nicht? Die sind besser, als man mit all seinen Vorurteilen glaubt!
Welche Voraussetzungen muß eine Uhr für mich erfüllen, damit ich sie kaufe? Meine ganz persönliche Antwort darauf lautet: Eine Uhr muß zuerst einmal zuverlässig über eine längere Zeit hinweg ziemlich genau die Zeit anzeigen, sonst taugt das nichts. Und sie muß mir gefallen. Und wenn ich jetzt weiter drüber nachdenke, dann fällt mir nichts mehr ein, was eine Uhr, eine Uhr für den täglichen Gebrauch, sonst noch erfüllen müsste. Die Uhr, von der hier hauptsächlich die Rede ist, ist eine Alltagsuhr.
Zu den Chinesen kam ich durch’s Reden. Durch’s Reden kommen nicht nur die Leut zusammen. Man hört und erfährt auch manchmal Dinge, die man gar nicht hören wollte. Manchmal kam es vor, dass mich jemand fragte, welche Uhr ich da trage. “Och”, antwortete ich da meistens, “das ist eine Vostok/Raketa/Poljot/was immer”. “So?” Etwas ratloses Gesicht. “Woher kommt die?” “Aus Russland. Oder besser gesagt, die wurde in der ehemaligen Sowjetunion gebaut.” Manchmal ist das Gespräch hier beendet. Einer hat mich dann noch gefragt, “Gibt’s da überhaupt noch eine Batterie dafür?” Ich hab “nein” gesagt.
Manchmal verläuft das aber auch ganz anders. Er fragt – es sind immer nur Männer, die fragen – welche Uhr das ist. Ich sag, sie ist russisch. Er nickt, sagt “Aha”, schaut sie sich an und zeigt mir dann seine Uhr. Die, die so fragen, haben meist eine ziemlich ausgefallene Zwiebel am Handgelenk. Riesige Dinger, groß und schwer wie Kanaldeckel, aber meist mechanisch. Und meist aus China, Pakistan, Indien oder was weiß ich. Die fragen, weil sie selber so einen komischen Vogel haben und seltsame Zeitmesser mit sich herum schleppen. Die kenne auch die blöden Fragen wie oben erwähnt, und machen sich nichts draus. Wie ich. Und so wurde ich auf Uhren aus China aufmerksam. Ich bin nämlich ziemlich neugierig.
Wenn man keinen Markennamen kennt, ist es gar nicht einfach, nach einer chinesischen Uhr zu suchen. Also wonach suchen? Uhr aus China? Da kommen hauptsächlich Fragen wie “Sind €25.- nicht ein bisschen viel für eine China Uhr?” Oder das Ergebnis sind unglaublich verzierte Modeuhren. Vergiss es. Also nochmals. “Chinese Watches”. Meist kommt man zu gleichartigen Ergebnissen, nur auf englisch. Also nochmals. “Chinese Watch Wiki”. Bingo! Das ist ein Anfang. Damit kann ich was anfangen. Das interessiert mich. Und irgendwie, auf Gottes verschlungenen Wegen, fand ich ALPHA, und entdeckte die chinesischen Uhren aus Maos Zeit. Aber das ist eine andere Geschichte. Von den ALPHA haben mir ein paar auf Anhieb gefallen. Was mach ich, wenn mir was gefällt, worüber ich aber nicht die geringste Ahnung hab? Ich such nach Infos. Die findet man heutzutage genug, nur ist es schwer, aus diesen Informationen eine sinnvolle Schlussfolgerung zu ziehen.
Eine nicht wirklich gute Idee ist es, sich als deutschsprachig Interessierter nur auf Informationen aus deutschsprachigen Foren zu verlassen. Das ist zumindest meine Erfahrung. Selten findet man brauchbare Beschreibungen des Artikels, meistens wird lamentiert, wie schlecht Uhren aus China seien. Ist ja offenbar alles Schrott, was die Schlitzaugen produzieren. Oder es sind Fälschungen. Nur Schweizer und Deutsche können Uhren bauen! Das war schon immer so. Danke. Klick und weg. Aber nicht jede Info ist Schrott. Gibt auch brauchbares.
In englischsprachigen Foren tummeln sich genau die gleichen Spießer, aber nicht so zahlreich. Da geht’s durchwegs lockerer zu. Von “Fake” und “Ripoff” ist dann zwar auch die Rede. Doch dann meldet sich ein offenbar forumsweit bekannter Luxusuhren Besitzer und meint “Na, so übel ist die gar nicht. Ich hab mir eine gekauft, weil ich neugierig war”. Also offenbar einer, der Erfahrung aus erster Hand mehr schätzt als das Geschwätz anderer. Oder der eine Uhr zum Ruinieren braucht. Für die Gartenarbeit, oder so. Und der meint dann, sie ist gut verarbeitet, schaut insgesamt nicht übel aus, trägt sich angenehm und geht fast so genau wie seine Rolex. Und seine Omega stellt sie in den Schatten. Und dann meint der noch, es sei ja auch irgendwie kein Wunder, weil Seagull, der Hersteller des Werkes, modernste Werkzeugmaschinen im Einsatz habe und es damit alleine nicht mehr gar so schwierig sei, gute Qualität zu produzieren. Von einer ansprechenden Qualitätskontrolle könne man durchaus reden, denn Seagull sei bestrebt, die Leiter der Uhrenhersteller Hierarchie stetig hoch zu steigen. Die wollen und können sich Schrott nicht mehr leisten. Und dann setzt genau der noch eines drauf. “Fälscht oder fälschte Rolex eigentlich auch Uhren? Die Submariner sieht der Blancpain Fifty Fathom nämlich zum verwechseln ähnlich, und die Blancbain war über ein Jahr früher auf dem Markt! Wer hat da wen imitiert?”. In diesem Moment fielen mir ein paar Uhren von Sinn ein, die einer Breitling verblüffend ähnlich sind. Hat sich darüber schon einmal jemand aufgeregt?
Es stimmt schon, wenn man sich die beiden Alpha, die ich hab, anschaut, ist eine verblüffende Ähnlichkeit mit Rolex nicht zu übersehen. Das fällt einem aber erst auf, wenn man diese Modelle überhaupt kennt. Mir war diese Ähnlichkeit bei der Auswahl, also bevor ich sie kaufte, nicht bewusst. Ich kenn das Aussehen der Rolex nicht, weil sie mich nicht interessieren. Aber die Stoppuhr, die ich von Alpha gekauft hab, die sieht einer schwarzen Rolex Daytona aus den 60er Jahren mit dem Werkscode 6263 wirklich auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich. Aber Fälschung? Steht da Rolex drauf? Nein! Wird sie als Rolex angeboten? Nein, auch nicht.
Wird sie als Hommage einer Rolex angeboten? Ja. In der Tat, das wird sie. Nicht direkt einer Rolex, aber sie wird als “Paul Newman Homage” angeboten. Es gibt allerdings keine „Paul Newman“ Uhr. Es gibt nur eine Rolex Daytona, und darauf bezieht sich diese Homage ganz offensichtlich. Paul Newman trug halt, und das nur durch Zufall, eine Rolex und hat dem Uhrenhersteller damit offenbar einen großen Gefallen getan. Was hat es mit dieser „Newman Rolex“ überhaupt auf sich? Dazu muß man ein wenig ausholen.
Ganz grob soll das so gewesen sein: Ende der 60er Jahren drehte Paul Newman einen Film über einen Rennfahrer, der das berühmte 500 Meilen Rennen in Daytona gewann. Ich kenn den Film nicht. Er hat auch grundsätzlich überhaupt nichts mit der Rolex zu tun, er trug in diesem Film offenbar eine Rolex Daytona. Oder mußte eine tragen. Und natürlich wurden Bilder mit Paul Newman veröffentlicht, auf denen diese Uhr zu sehen war. Das soll den Mythos dieser Uhr begründet haben. Andere Quellen bringen das wieder anders. Nach Fertigstellung dieses Films soll Newmans Frau Joanne Woodard ihrem Mann eine Rolex Daytona geschenkt haben, die er angeblich bis zu seinem Lebensende trug. In einem schönen Artikel von John E. Brozek wiederum liest man, Newman wäre sich nicht einmal bewusst gewesen, diese Uhr beim Filmdreh getragen zu haben.
Paul Newman und Rolex Daytona, das ist natürlich was. Besonders für Rolex. Das lässt sich ausschlachten. Diese Uhr, die Newman dann angeblich bis an sein Lebensende trug, soll nach bestimmten Quellen eine weiße Daytona mit verchromten Tachymeter Ring gewesen sein. Wenn man DIESEN (schönen) Artikel liest und sich vor allem die Bilder anschaut, sieht es wieder so aus, als hätte er, unter anderem, genau so oft den schwarzen „Rolex Daytona Cosmagraph“ getragen. Offenbar ist der Daytona Mythos irgendwann außer Kontrolle geraten. Von wem der in die Welt getragen wurde, ist mir unbekannt. Vielleicht von Rolex selbst. „Product placement“ ist ja heute selbstverständlich und war vielleicht auch damals nicht neu, nur aufgefallen ist es keinem. Spielt aber keine Rolle. Gerhard Berger und Aerton Senna trugen auch gerne Uhren von Tag Heuer. Zumindest, so lange sie dafür bezahlt wurden. Jahrzehnte später hat sich die Firma Alpha, so schaut’s aus, mit einer verblüffend ähnlichen Uhr an diesen Daytona-Mythos angehängt. Wen kümmerts?
Welchen Sinn macht es, über all diesen Unsinn zu diskutieren? Die Alpha kostet im Moment €165.-, die Rolex Daytona ein (sehr viel) Vielfaches! Nimmt Alpha Rolex Kunden weg? Ich würde jetzt eine Wette anbieten. €10.- auf die Hand. Ich wette, dass 99% aller Leute, die mir auf der Straße begegnen, keine Ahnung von der Existenz einer Uhr mit dem Namen Rolex Daytona haben. Und von diesem einen Prozent, das von der Existenz dieser Uhr weiß, haben sicher 90% nie eine in der Hand gehalten oder gar eine gekauft. Also vergiss es.
Was gibts zu dieser Uhr von ALPHA speziell zu sagen? Sie geht sehr genau, ist schön verarbeitet, besitzt einen Glasboden, durch den man dem Werk beim werkeln zuschauen kann, und alles funktioniert genau so, wie man es von einer modernen, oder überhaupt von einer Uhr, erwartet. Und sie trägt sich sehr angenehm. Ich trag sie oft.
Weil ich den Daytona Verschnitt so hübsch fand, hab ich mir auch noch eine Alpha GMT Master gekauft. Schaut auch – auf den ersten Blick zumindest – wie eine Rolex aus und ist vielleicht nicht so empfindlich wie die Stoppuhr. Glaub ich halt. Hat nur €98.- + Versand gekostet. Mann, bin ich stolz. Ich wollte nie eine Rolex haben. Jetzt hab ich zwei. Hihi……..
Einen schönen Tag noch.