Benzins Motorradseiten Erlebnisse mit dem Motorrad

14. August 2008

Diembach – Der alte Heizer

Filed under: Geschichten um´s Motorradfahren — Benzin @ 21:42

 

nor-kessel Am Vormittag war das Wetter nicht besonders, also hab ich, wie fast täglich, in einem guten Buch gelesen. Als aber gegen Mittag die Sonne kräftig schien, packte mich wieder die innere Unruhe. Ich zog das Leder und die Stiefel an, langte nach einem Helm und machte die XJR startklar. Auf ging´s, über Ardagger zur Donau nach Grein und dann, nach Jahren wieder einmal, die kurvenreiche Strasse nach Diembach hinauf, die ich mit der Kilo früher manchmal dermaßen brutal fuhr, das die Verkleidung am Asphalt schrammte. Leider wurde der Belag über die Jahre dermaßen schlecht, dass man nur mehr Angst hatte, auf den Teerstreifen auszurutschen und in den Graben, oder schlimmer noch, in die Leitplanken zu fliegen.

Heute, welch Wunder, bemerkte ich, dass man die Strecke scheinbar neu Asphaltiert hat. Genial! Zwar nur den zweiten Teil nach dem Gasthof Aumühle, wo oft die Polizei lauert, aber der Grip auf diesem Streckenteil ist einfach ein Irrsinn und die längste Gerade ist dort um die 50m lang. Also mit Karacho am Tacho raufgerauscht. Droben, bei der Kreuzung vor Diembach, drehte eben ein „Supersportler“ um. Der Gedanke, „wieder einer, der 100mal rauf und runter brettert, bis er im Graben liegt. Wie so viele jedes Jahr“, ging mir durch den Kopf. Ich bog links ab nach Diembach, durch den Ort hindurch weiterfahrend nach St. Georgen am Walde, und von dort über Babneukirchen und Bad Kreuzen zurück nach Grein an der Donau. Droben, in St.Georgen, war ich plötzlich hinter einer grünen Kawa angekommen und wollte schon überholen, doch nach zwei Kurven dachte ich, „ok, der fährt ganz gut, ich bleib hinter ihm, denn wies scheint. kennt der die Strecke und langsam ist er ja nicht“. Mir war die Strecke fremd, oder ich war sie schon so lange nicht gefahren, das ich mich nicht mehr an sie erinnern konnte. Ob er mich bemerkte, weiß ich nicht, aber in einigen Kurven hinterließ er schwarze Striche beim Rausbeschleunigen. Also hatte er Spaß an der Fahrerei und ich folgte ihm in wenigen Metern Abstand. Flott kamen wir in Grein an, wo ich ihn überholte und grüßte, den ich vermutete, mit einem Linzer Kennzeichen würde er unten rechts abbiegen, um in die oberösterreichische Landeshauptstadt zurückzufahren. Denkste. Er bog hinter mir ebenfalls links ab, fuhr wie ich, wieder durch Grein durch und bog ebenfalls nochmals nach Diembach ab. Ich hab dann richtig Feuer gegeben mit dem Eisenschwein und oben an der Kreuzung vor Diembach schon eine geraucht, als er vorbeikam. Klar, hab ich mich beeilt, den Helm von der Birne zu bekommen und im Fluge war der Tschick angezündet. Ich wusste ja, das er gut fährt. Wir grüßten uns nochmals, dann verschwand er in der Ferne. Vielleicht meinte er aber nur, „ich fahre doch nicht hinter diesem Irren her. Der zerlegt sich und ich fliege mit!“ Wer weiß? Fahren konnte er!

Das war aber nicht der Grund für diese Geschichte. Der kam wenige Augenblicke später.

Ich hatte noch nicht ausgeraucht, da kam von unten, von der letzten scharfen Kurve, eine rote Honda RR- irgendwas, mit voller Beschleunigung brüllend angerauscht. Als würde Rossi, oder von mir aus Nicki Hayden drauf sitzen. Er bremste recht scharf, blieb neben mir stehen, öffnete das Visier und meinte kurz – Servus. Ich nickte und fragte ihn lächelnd, der etwas erschöpft schien vom Heizen, wie oft er den schon rauf und wieder runter fuhr. „Hast du mich leicht schon gesehen?“, fragte er, immer noch am Motorrad sitzend, den Hut am Kopf. „Ich glaube schon, als ich das erste Mal hoch fuhr. Ich fahre auch schon das zweite Mal rauf“. Dann quatschten wir noch über die schlechte Strasse der letzten Jahre, er kenne sie seit 1965, als er begann, Motorrad zu fahren, meinte er. Ich war mir sicher, dass ich mich verhört hatte, konnte mir aber nicht vorstellen, wo der Hörfehler gelegen sein könnte. 1965, da war ich fünf Jahre alt und der Typ hier vielleicht, wenn’s hoch her ging, 10. So wie er fuhr, war der Kerl nicht alt. Vielleicht durch mein fragendes Gesicht animiert, meinte er, er fahre ja jetzt nicht mehr so schnell, er – und nahm den Helm ab – sei ja schon seit 9 Jahren in der Pension. Ich stand wie angewurzelt da und konnte es einfach nicht glauben. Unterm Helm kam ein älterer Herr mit schlohweißen Haaren zum Vorschein. „Wieviel, sagtest du?“ fragte ich total verblüfft. „Ja, ich bin 69“ war seine Antwort. Ich hatte mich also nicht verhört.

Dann plauderten wir noch eine Weile, er erzählte mir, dass er mit seinen Freunden Sonntags am Großglockner war. Auch in Hohentauern und was weiß ich noch welche Tauern, jedenfalls waren sie vom Morgen bis zum Abend gut 800km gefahren und fast alles volle Kanne, wie er versicherte. „Ich wollte ja gar nicht so schnell fahren, aber was hätte ich den machen sollen, wenn die Gas geben wie die blöden und ich als letzter fahre? Die hätten mich ja sonst verloren“, meinte er, und es klang recht plausibel, irgendwie. Dieser Mann war gertenschlank, insgesamt voller Frische, sah überhaupt nicht wie 69 Jahre aus, besonders im Knieschleiferbewehrten Leder. Sofern man sich einen Mann in diesem Alter überhaupt bildlich vorstellen kann. Der eine ist ein Greis, der andere, wie dieser hier, wirkte eher wie ………ich weiß es nicht. Aber ich hab´ keinerlei Zweifel, das es stimmt. „Wie mag dieser Mann wohl vor 20 Jahren gefahren sein, als er so alt war wie ich, wenn er jetzt noch so Gas gibt“, waren meine Gedanken, als wir uns verabschiedet hatten und ich zur Aumühle runter fuhr, um einen Kaffee zu trinken.

Ich hab mir immer gewünscht, und ich wünsche mir immer noch, wenn ich alt werde und gesund bleibe, möchte ich noch viele, viele Jahre Motorrad fahren. Dieser Mann hat mir die Hoffnung gegeben, dass es auch in 20 Jahren noch richtig Spaß machen kann. Wenn der Herrgott, oder wer auch immer, mitspielt.

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