Benzins Motorradseiten Erlebnisse mit dem Motorrad

7. September 2016

Großglockner 2016

Filed under: Touren und Ausflüge in Österreich — Benzin @ 13:28

Auf den ersten Blick schaut es zwar so aus, als wäre ich zwei Jahre nicht beim Glockner gewesen, doch der Anschein täuscht. 2014 war ich am 4. Juli beim Glockner. Diese Tour vergesse ich bestimmt nie. Es war eine Tour des Schreckens. In Ferleiten angekommen, was ich so müde, dass ich nicht wusste, wie ich wieder Heim kommen soll. Trotzdem war ich stur genug, auf der Kärntner Seite auch noch bis zur Nockalm zu fahren. Die Nockalmstraße 20160902_glockner_xjr_001 fuhr ich zwar nicht, sondern die Abkürzung über Bundschuh, dann nach Tamsweg und über den Sölkpass wieder Heim. Drei Tage später war ich im Krankenstand, weitere drei Tage später im Krankenhaus. Diagnose Hirnhautentzündung. Ich hab’s überlebt. Trixi, mein kleiner Hund, war mir bei der Wiederherstellung, ich konnte nicht mehr gehen, sehr behilflich. Das war der Grund, warum ich 2015 nicht mit dem Motorrad, sondern mit Trixi im Auto zum Glockner fuhr. Trixi war da 17 Jahre alt, und ich dachte, “Wer weiß, wie lange meine kleine Maus noch lebt? Einmal in unserem gemeinsamen Leben möchte ich mit ihr zum Glockner fahren”. Es war ein wunderschöner Ausflug. Heuer, am Montag, den 29. August gegen 16 Uhr, also vor20160902_glockner_xjr_002 etwas mehr als einer Woche, ist Trixi gestorben. Ich war am Boden zerstört. Am Dienstag und Mittwoch hatte ich auf rein gar nichts Lust und versuchte nur zu verstehen, dass sie weder krank war noch einen Unfall hatte, sie war eines natürlichen Todes gestorben. Mehr oder weniger. Ich war noch nie beim Sterben eines Hundes dabei, hatte keine Ahnung, wie das ist und wollte ihr die letzten Meter bis zum Regenbogen ohne Qualen ermöglichen. Ehrlich gesagt, ich würde das unter den gegebenen Umständen nicht mehr tun. Für einen Hund ist sterben etwas normales, nur wir machen ein Drama draus. Ich wünschte, ich hätte sie in ihrem Bett sterben lassen.

Am Donnerstag hatte ich so weit begriffen, dass Trixis Tod etwas natürliches war, dass ich mich aufs Motorrad setzte und eine Runde drehte. Aus der kleinen, ursprünglich geplanten Rundfahrt wurde eine ausgewachsene Tour von 350km. Es war sogar so, dass mir Motorradfahren wieder Spaß machte. Ich konnte ohnehin nichts ändern. “Wenn es morgen auch wieder einigermaßen schön ist, fahr ich wieder”, dachte ich und ging schlafen.

20160902_glockner_xjr_003 Gegen fünf Uhr wurde ich wach, schaute aus dem Fenster, holte mir die Zeitung, las ein wenig, dann duschte ich, zog mir das Leder an, holte die XJR aus der Garage und fuhr los. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich das tun wollte, was mir insgeheim vorschwebte. “Ich könnte zum Glockner fahren”, schwebte mir tief im Inneren vor, aber ich war mir nicht sicher, ob ich das tatsächlich wollte. Seit dem letzten Sommer war ich nicht all zu viel am Motorrad gesessen. Nicht, weil ich keine Lust auf Motorradfahren gehabt hätte, sondern weil mir Trixi wichtiger war. Sie war alt, blind und dadurch extrem auf mich fixiert. Ohne mich wollte sie nicht fressen, es war im letzten halben Jahr sogar so schlimm, dass sie ohne mich nicht einmal trinken wollte. War ich aber bei ihr, war ihre Welt in Ordnung. Und meine auch. Sie hat mir alles bedeutet. Wenn ich aber eine kleine Runde fuhr, hatte ich spätestens nach 50km dermaßen Heimweh nach Trixi, dass ich regelmäßig umkehrte, wie der Teufel nach Hause fuhr und meine Trixi in die Arme schloss. Hatte ich das überwunden? Konnte ich wieder einfach drauf los fahren? Sie war ja tot, das war mir absolut klar, aber war ich wieder von Herzen bereit, einfach drauf20160902_glockner_xjr_004 los zu fahren, weg von daheim, einfach der Nase nach, und an nichts anderes zu denken als ans hier und jetzt? Ich wusste es nicht, aber am Vortag schien es so zu sein. Also fuhr ich los und wartete, was passiert.

In Kematen tanken, einen Kaffee trinken, eine rauchen, dann um ziemlich genau Punkt sechs Uhr auf gen Süden. Im Ennstal zog leichter Nebel auf, bei der Fahrt über den Hengstpass war es sogar ziemlich kühl, aber was soll’s? Ich drehte einfach die Heizgriffe auf und fuhr weiter. Pyhrnpass, Ennstal bis Schladming, weiter bis Radstadt, dort einkehren, einen Kaffee trinken, eine warme Leberkäsesemmel essen, eine rauchen, und weiter ging’s über Wagrain nach St. Johann im Pongau und auf der B311 nach Bruck an der Glocknerstraße. Die Fahrt über die Glockner Hochalpenstraße war schön, genossen hab ich sie aber nicht. Ich ließ die Edelweißspitze links liegen, denn dort war mir zu viel  Nebel, fuhr stattdessen übers Fuschertörl weiter zur Fuscherlacke und zum Hochtor, wo ich einen Dänen trag, der mit dem Fahrrad quer durch ganz Europa unterwegs war. Ein halbes Jahr war er unterwegs, erzählte er mir. Alle Achtung! Ich meine, nicht nur die körperliche Leistung ist respektabel. Der Mann erlebt auch Dinge mit dem Fahrrad, die einem mit dem Auto, ja selbst mit dem Motorrad verborgen bleiben. Der Kontakt zu den Leuten und den Ländern ist mit dem Fahrrad sicher ein ganz anderer als mit einem Kraftfahrzeug. Ähnliche Erlebnisse könnte man höchsten noch mit einem Kleinkraftrad haben, denk ich mir. Sowas in der Richtung schwebt mir gedanklich auch schon länger vor. Mit einem Mofa zu Michael nach Friesland fahren, wäre eine Idee.

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Auch auf die Franz Josefs Höhe fuhr ich nicht. Das letzte Teilstück war schon in Sicht, aber ich hatte keine Lust. Viel Verkehr, viele Touristen, viele Motorräder. Zu viele. Ich wollte meine Ruhe haben. So drehte ich um und fuhr über Heiligenblut und Winklarn gen Spital an der Drau. Vor Spital, in der Gegend von Lendorf, gibts einen Abzweig, der auf Seitenstraßen,  die Stadt auf den nördlichen Hängen umfahrend, nach Trebesing und zur B99 führt, der ich dann weiter über Gmünd und Kremsbrücke folgte. Dieser Abzweig hat es in sich und hielt mich die letzten paar Jahre ziemlich zum Narren. Das Problem ist, dass Karten wie Navi-Infos für einen kleinen Teilbereich veraltet sind. Dort wurde eine Bundesstraße in eine Schnellstraße umgebaut, wobei einige, in den Karten auf Papier und am Navi noch existierende Streckenabschnitte nicht mehr existieren. Vor drei Jahren war ich zum ersten Mal herum auf der Suche nach dem Weg herum geirrt und hatte mich unglaublich geärgert. Du stehst an einem Abschnitt keine 20m von der Schnellstraße entfernt, kannst aber nicht hin, weil ein trennender und unüberwindlicher Graben dazwischen liegt. Ich hab’s vor drei Jahren geschafft, und ich hab es heuer wieder geschafft. Geärgert hab ich mich heuer genau so wie vor drei Jahren. Es ist ja lustig. Jedes Mal fuhr ich um etwa drei Kilometer zu früh in eine Seitenstraßen, jedes Jahr freute ich mich, den Weg so schnell gefunden zu haben, und jedes Jahr hätte ich vor Zorn fast platzen können, als ich das Lagerhaus und die Tankstelle sah, denn spätestens da wusste ich, ich war schon wieder in die Falle geraten. Aber ich hab dazu gelernt. Ich bog zwar wieder falsch ab, aber ich fand wesentlich schneller wieder aus dem Labyrinth heraus. Ich konnte mich noch erinnern, wie’s geht. Navi und Karten sind dort nutzlos, was zählt, ist der richtige Riecher.

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Den richtigen Riecher hatte ich auch in Kremsbrücke. Dort wollte ich ohnehin tanken, neben der Tankstelle befindet sich aber auch ein Restaurant, und dort roch es nach Essen. “Hunger!” Mann, mit knurrte schon der Magen. Das Wetter war gut, so setzte ich mich in den Gastgarten, trank einen Kaffee und einen halben Liter Mineralwasser und verspeiste dabei einen riesigen Toast mit Käse. Frisch gestärkt ging’s weiter nach Innerkrems und zur  Nockalm. Ich war nicht zum Bummeln aufgelegt. Recht forsch ließ ich es krachen, überholte ein paar Holländer und hatte bei der Mautstelle auch schon die beiden Gummikuhfahrer eingeholt, die bei der Tankstelle zwar 20160902_glockner_xjr_014 Proviant fassten, es aber nicht einmal der Mühe Wert fanden, mit dem Kopf zu nicken. Spielt keine Rolle, ich grüß auch keine fremden Autofahrer mit dem Auto, also wieso sollten sich Motorradfahrer ständig grüßen? 20160902_glockner_xjr_015

Sehr flott und ohne anzuhalten, oder sagen wir so, ohne irgendwo einzukehren, fuhr ich rüber auf die andere Seite und erklomm die Turracher Höhe, um ebenso hurtig Predlitz an der Kreuzung zur B97 zu erreichen, die mich nach Murau brachte. Dort beim zweiten Kreisverkehr raus und weiter bis vor Tratten zum Abzweig nach Schöder, und von dort zum Solkpass rauf. Das war der sechste Pass dieser Tour. Nach der Abfahrt hielt ich nochmals in Stein an der Enns zum Tanken und stärken, dann ging’s ohne weitere Pause, ach ja, im Gesäuse schoss ich noch schnell ein Foto, zurück nach Amstetten. 673km in ziemlich genau 12 Stunden. Genau das hatte ich gebraucht.

Vier Tage später, also gestern, was ich wieder in der Gegend um Radstadt, in Eben im Pongau. Seit gestern hab ich wieder einen Yorkie. Es ist ein Bub und hört, auch erst seit gestern, auf den Namen Eddie, nach Eddie Lawson, einen meiner Superstars der Motorrad Weltmeisterschaft. Heute muß ich wirklich lachen, und ich kann auch wieder lachen. Nie hätte ich mir am Freitag träumen lassen, dass ich viert Tage später wieder in der Gegend bin, um mir einen kleinen Yorkie zu holen. Er liegt grade, während ich dies schreibe, hinter mir zwischen Rückenlehne und meinem Rücken eingeklemmt und fühlt sich offenbar genau so wohl dabei, wie das bei Trixi immer der Fall war. Auch die lag immer, während ich etwas schrieb, hinter mir im Sessel. Eddie wird es bei mir genau so schön haben wie Trixi, dafür werde ich sorgen.

 

Einen schönen Tag noch…………………..

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