„Das darf doch nicht wahr sein! Ich war doch erst vor 20 Minuten bei euch, um nach dem Helm zu fragen“, schnauzte ich heute Mittag die Dame am Telefon an, als sie mir mitteilte, dass mein neuer Helm abzuholen wäre. Sie konnte aber wirklich nichts dafür, denn genau in dieser Zeitspanne war der Karton mit meinem heiß begehrten Teil geliefert worden. Aber ich war inzwischen mit dem Motorrad weggefahren. Kurzerhand veränderte ich die geplante Tour dergestalt ab, dass ich gleich nach der Mittagspause beim Händler sein konnte, um den neuen Hut in Empfang zu nehmen. Es war, hoffentlich, dass letzt Mal, dass mich der Schuberth J1 zum Narren hielt.
Begonnen hatte alles letzten Mittwoch. Nach langem Ringen, ich hab nämlich schon einige Helme, pilgerte ich zum Händler ums Eck, um mir den J1 von Schubert in natura anzuschauen. Den Bildern in Prospekten kann man ja nicht trauen. Zu oft klafft zwischen Bild und Wirklichkeit ein riesiges Loch. Warum ich überhaupt, trotz dem Besitz mehrerer Helme, auf die Idee kam, schon wieder einen zu kaufen, ist recht einfach. Ich wollte schon lange einen Jet Helm, also einen offenen Helm, bei dessen Nutzung einem der Wind so richtig um die Nase weht. Daher kaufte ich vor zwei Jahren den Police2 von Uvex, aber in der Praxis stellte sich dieser Helm als nicht recht glückliche Wahl heraus. Das Kienband drückt am Unterkiefer, dass es schmerzt, der Windschild, der diesen Helm optisch so attraktiv macht, zieht bei Geschwindigkeiten höher als 80km/h den Hut beinahe vom Kopf und lässt einen ständig gegen die Kräfte des Fahrtwindes ankämpfen. Zu guter letzt braucht man eine Brille beim Fahren, was wiederum mehrere Probleme aufwirft, auf die ich lieber nicht genauer eingehe. Ich hab mich schon genug geärgert und Bares vernichtet mit Sonnenbrillen.
Der J1 ist mit dem Uvex weder im Preis, noch in der Qualität vergleichbar. Ihn kann man getrost als Premium Helm bezeichnen, wie es im beigepackten und sehr umfangreichen Betriebshandbuch auf der ersten Seite zu lesen ist. So nebenbei würde mich interessieren, wer, außer mir, ein Betriebshandbuch für einen Helm liest? Aber er hat die Bezeichnung „Premium“ tatsächlich verdient, obwohl sich beim am Samstag gelieferten Exemplar das Sonnenvisier nicht herunterklappen ließ. Aber jeder, der in einem Betrieb produktiv tätig ist, weiß, Fehler kommen überall vor, wo Menschen arbeiten. Ich musste nur auf den Ersatz warten. Den holte ich mir, wie schon gesagt, heute. Weil ich vorhin auf die Bedienungsanleitung zu sprechen kam, möchte ich gleich darauf hinweisen, dass es nicht richtig ist, dass der im Lieferumfang enthaltene, wahlweise montierbare Kinnbügel beim Tragen des Helmes kaum sichtbar ist. Dieser Bügel ist überhaupt nicht sichtbar! Ebenso wenig, wie sonst irgendetwas vom Helm im gesamten Gesichtsfeld, mit Ausnahme eines kleinen Schattens am oberen Rand, den ich aber nicht erwähnenswert finde. Bei einem Integral Helm ist das Gesichtsfeld zum Teil deutlich eingeschränkt, aber genau das war mein Beweggrund, einen Jet Helm anzuschaffen. Ich wollte gänzlich freie Sicht nach vorne genießen, so wenig wie nur irgendwie möglich vom Helm bemerken, ohne auf Schutz zu verzichten.
Genau das bietet mir der J1. Ein unbeschreibliches Gefühl tat sich mir auf den ersten 200km Fahrt mit diesem Helm auf. Die Passform ist dermaßen perfekt, dass ich kurz nach dem Aufsetzen fast vergesse, einen Helm am Kopf zu tragen, trotz seiner 1485g. Der Blick durch ein Visier fällt mir nach Jahrzehnten des Motorrad fahrens ohnehin nicht mehr auf. Dieses vorhandene Visier wollte ich auf keinen Fall missen, es war mit ein entscheidender Kaufgrund für diesen Helm. Ein zerplatztes, großkalibriges Insekt auf einer Sonnenbrille, oder gar ein Volltreffer eines solchen im Gesicht, gehört nicht zu den erstrebenswerten Erlebnissen einer Ausfahrt. Das war eine der Lehren aus den Fahrten mir dem Uvex. Eine grandiose Sache ist ferner das integrierte Sonnenvisier, gleich den Helmen von Kampfflugzeugpiloten. Das Beste, das ich je sah. Es schlägt punkto Wirkung noch die Sonnenblende des Schuberth C2, den ich ebenfalls besitze. Der Abdunklungsfaktor ist gerade so hoch, dass die Sonne nicht blendet, aber klein genug, um auch im Schatten mehr als ausreichend zu sehen. Die Größe dieses Blendschutzes ist geradezu perfekt bemessen, wie ich finde. Besser kann man sich einen Jet Helm kaum vorstellen. Alles an ihm ist nahezu optimal, soweit ich das innerhalb 200km Fahrtstrecke beurteilen kann. Dass dieser Helm nicht zu den leisesten gehört, versteht sich bei einem offenen Helm allerdings von selber. Dass unter diesem Hut Windstille herrscht, wäre ebenfalls nur Wunschdenken. Als lästig kann man aber weder Geräuschkulisse noch Luftzug bezeichnen. Sogar mit Vollvisier Helmen hab ich da schon schlimmeres erlebt.
Ach ja, was ich noch zu erwähnen vergaß in meiner Begeisterung. Der Helm ist schwarz. Ich hab ihn extra in dieser Farbe bestellt. Schwarz war bisher nicht gerade meine Lieblingsfarbe, weder bei Kleidungsstücken noch bei Motorradkleidung und schon gar nicht bei Helmen. Ich liebe es eher sehr bunt. Es ergab sich durch Zufall, und dem Umstand, dass schwarz eine klassische Farbe ist. Was zur klassisch gebauten XJR und zur 32 Jahre alten RD400 hervorragend passt, meine ich.
Wenn ich über meine bisherigen Helme nachdenke, haben mich nicht alle so begeistert, wie dieser Neue.
Gar nicht klassisch und schon gar nicht Klasse war zum Beispiel mein erster Motorradhelm, ein weißer Boeri mit schwarzen Streifen, den ich 1976 vom Händler zur Herkules dazu bekam. Ich vermute, hinter diesem Naturalien Rabatt eine pure Verzweiflungsaktion, den diesen hässlichen, riesengroßen Pot, den ich, ohne mir die Nase zu verbiegen, am Kopf im Kreis drehen konnte, hätte bestimmt niemand im Tausch gegen Bargeld mitgenommen. Die wenigsten hätten ihn als Geschenk akzeptiert, nur als Rabatt konnte man ihn kaum ablehnen. Diese Gelegenheit wurde bei mir, wie´s schien, eiskalt ausgenützt.
Nach kurzer Zeit hasste ich dieses Ding wie die Pest. Aber es war der erste Sturzhelm meines Motorradfahrer Lebens. Woher hätte ich wissen sollen, dass er nichts taugt. Vor allem, weil er nicht einmal annähernd passte. Ich dachte anfangs, das gehört so, und mein Vater hatte keine Ahnung, wie verloren und lächerlich ich mich in diesem Kürbis fühlte. Ich konnte doch nicht auch noch kritisieren, was er mir großzügig kaufte. Bald hatte ich allerdings durch Probieren anderer Helme die Wahrheit herausgefunden. Nämlich, dass dieser Helm wohl zum Kartoffel holen oder Wasser schöpfen geeignet war, nicht aber zum Schutz meines Kopfes. Ich ersetzte ihn durch eine wunderschöne Replik des Agostini Helms von AGV. Sieben Jahre lang begleitete mich dieser durch mein Dasein als Motorradfahrer und hat bei einem Sturz den Unterkiefer vor der Zertrümmerung bewahrt. Der schwer beschädigte Kinnbügel blieb mir eine Weile als Mahnung im Gedächtnis.
Den nächsten, erwähnenswerten, Helm legte ich mir Mitte 1989 als Ersatz für einen Rübenschoner zu, der sich im Automotodrom Grobnik bei Rijeka als funktionell missraten herausstellte. Er war mein erster Shoei, die Replik des Kenny Roberts Design. Dieser musste erst weichen, als vom selben Hersteller ein Hut in John Kocinskis Lackierung auf den Markt kam. Ich könnte mich noch heute vor Wut in den Arsch beißen, dass ich diese beiden schönen Helme nicht zur Erinnerung aufhob. Als Geschenke an die Söhne eines Freundes wurden sie aber wenigstens bis zum ersten Sturz in Ehren gehalten, danach allerdings respektlos im Mülleimer entsorgt.
Mein Lieblingshelm, ein amerikanischer Shoei, Modell Joker im Troy Lee Design, zeigt an den Seiten ein böses Gesicht mit sehr großen Zähnen, wurde von mir ziemlich am Ende des letzten Jahrtausends erstanden und wird nicht nur aufgrund seiner prächtigen Optik von mir noch heute in Ehren gehalten. Er besitzt praktisch die perfekte Passform und wurde in dieser Hinsicht noch von keinem anderen Helm übertroffen. Auch nicht vom J1. Selbst Geräuschpegel und gefühlte Leichtigkeit betreffend, ist er ungeschlagen. Was bei dieser Marke selten vorkommt, den sie ist als eher laut und schwer bekannt. Was hier objektiv oder subjektiv ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich hab´ weder nachgemessen, noch nachgewogen. Ich empfinde es eben so.
Ungeschlagen in mancherlei Hinsicht ist auch der Schuberth C2, den ich mir extra zum Tourenfahren mit der blauen Elise anschaffte. Seine äußeren Abmessungen bleiben wohl auch für die Zukunft unerreicht, ebenso wie die Beschlagsfreiheit seines Visiers, sein Kälteschutz aufgrund des seltsamen Kragens im Halsbereich, sowie der Komfort, den die integrierte Sonnenblende auf langen Touren bietet. Nur die J1 Sonnenblende empfinde ich noch besser. Nahezu unerreicht ist auch die komische Figur, die man beim Herumlaufen mit hochgeklapptem Vorderteil an einer Tankstelle abgibt. Eine Vorliebe von BMW Fahrern, wie mir scheint.
Den vermutlich lautesten Helm am Markt, zumindest bei hohen Geschwindigkeiten auf einem unverkleideten Motorrad, hab ich auch im Kasten liegen. Die Alex DeAngelis Replik von Nolan mit der grimmigen Gelse am Hinterkopf ist dermaßen laut, dass mir nach über 1000km Nonstopfahrt von der Nordsee heim einige Stunden die Ohren sangen. Ich hatte wirklich Angst, einen schweren Gehörschaden davonzutragen! Hinter der Verkleidung der FZR1000 verrichtet er aber tadellos seine Dienst! Und, er gefällt mir.
So hab ich im laufe der Zeit doch einige Erfahrung in Sachen Helme gesammelt und vor allem den Drang entwickelt, zu jedem Motorrad einen passenden Helm zu besitzen. Zur FZR passen meiner Meinung nach am besten die Rennfahrer Replikate, zur blauen Elise Tourenrtaugliche Helme wie der C2 und der J1. Seit ich diesen Dampfer auch richtig flott bewegen kann, darf es auch einmal der bunte Shoei sein. Diesen Helm musste sich die dicke Elise allerdings erst verdienen. Zum kleinen Zweitakter passt am besten schwarz, hab ich entschieden. Der Schuberth J1 ist schwarz, und auch der Dainese Helm, bei dem ich nicht mehr weiß, warum ich ihn kaufte, ist sehr dunkel. Eine Rennsport Replik, vielleicht noch in Kombination mit einer bunten Knieschleifer Kombi, fände ich auf diesem Motorrad lächerlich.