Benzins Motorradseiten Erlebnisse mit dem Motorrad

14. August 2008

Jugendfreunde

Filed under: Geschichten um´s Motorradfahren — Benzin @ 18:28

lindekaffeewerbung Was hatten wir doch für eine schöne Kindheit, wir Jungs aus unserer Siedlung. So weit ich mich zurückerinnern kann spielten wir fast täglich miteinander, irgendetwas fand sich immer was wir tun konnten. Meine Eltern hatten 1960 begonnen unser Haus zu bauen und da mein Vater damals ein eher kleines Einkommen hatte dauerte die Fertigstellung einige Jahre, wodurch wir vorm Haus immer einen Sandhaufen hatten auf den sich herrlich spielen ließ. Cowboy und Indianerfiguren, die damals dem Linde Kaffee beigepackt waren, besaßen wir haufenweise. Kaum eine Frau mit Kindern kaufte damals eine andere Kaffeesorte und wenn meine Mutter mit dem Einkaufskorb nach hause kam war es immer ein großer Augenblick den Kaffee aufzumachen und aus den Tiefen der Packung die Beigabe hervorzuholen, einen Indianer, einen Cowboy oder eine andere Figur. Einmal war ich bitter enttäuscht weil nur ein bedruckter Zettel zum Vorschein kam, dabei war dieser unscheinbare Zettel ein Gutschein den man beim Händler für eine kleine Eisenbahngarnitur inklusive Schienen eintauschen konnte. Diese Eisenbahn zum im Kreis schieben war so schön wie Weihnachten und Ostern zusammen.

Der Edi und ich waren besonders gute Freunde, wir spielten leidenschaftlich gerne mit Matchbox Autos. Strassen, Tunnels, Brücken, Seen, Wälder und Ortschaften legten wir am Sandhaufen an und bauten und konstruierten was das Zeug hielt. Kleine Holzstöcke stellten wir als Masten auf worauf wir dünne Schnüre befestigten, man darf ja auch die Energieversorgung nicht vergessen. Sogar ein großes Kraftwerk hatten wir einmal gebaut, das allerdings mit der Zeit den ganzen Sandhaufen für sich in Anspruch nahm. Alle Kabel die wir auf unserer Baustelle finden konnten hatten wir verlegt oder vergraben. Dann kam schlechtes Wetter, der Wind und der Regen ebnete wieder alles lindeindianer ein und wir begannen von vorne zu bauen. So wurde uns nie langweilig.

Später gingen wir in den Wald Baumhäuser bauen oder einfach nur um auf den Bäumen oder in weiter entfernten Schottergruben herumzukrabbeln, oder wir brausten mit den Fahrrädern in der Gegend herum, der Edi war fast immer dabei. Edis Eltern betrieben in Waldheim, einer kleinen Ortschaft 3km von unserem Wohnort entfernt, eine Pam Tankstelle, eine Firma die es ebenso wenig mehr gibt wie den Spielzeughändler in Hausmening oder den Linde Kaffee mit den Spielzeugen in der Packung. Auf der anderen Seite der Bundesstrasse, gegenüber der Tankstelle, war eine riesige Schottergrube in der wir gerne mit unseren Fahrrädern herumfuhren. Natürlich nur am Wochenende wenn wir schulfrei hatten und dort nicht gearbeitet wurde, die riesigen Bagger und Lastwagen still standen. Uns kam damals sowieso alles riesengroß vor, auch der Schotterhaufen der dort aufgeschüttet war und um den eine Strasse führte damit die LKW herumfahren konnten.
Auf dieser Schotterstrasse um den riesenhaften Schotterhaufen herum baute ich meinen ersten Autounfall, mit einem Auto das Edi von seinem Vater bekommen hatte. Es war ein kleiner Fiat 500, glaube ich, jedenfalls war es so ein kleines kugelförmiges Auto wie es auch der Puch 500 war, voll funktionsfähig zwar, nur Türen waren keine mehr drinnen. Öfters fuhren wir damit von der Tankstelle in die Schottergrube und dann volle Kanne um den Schotterhaufen herum. Der Edi war trotz seiner erst 13 Jahre ein recht guter Autofahrer, ich hingegen war mit meinen 15 Jahren noch nie mit einem Auto gefahren. Eines Tages fragte mich Edi ob ich nicht auch einmal fahren wolle. Klar wollte ich, was konnte den schon dabei sein. Oft genug hatte ich meinen Vater aufmerksam beobachtet und dem Edi hatte ich auch immer gut zugeschaut, also warum sollte ich das nicht können?
mercurycougar So tauschten wir die Plätze, der 12 Jährige Franz der auch dabei war blieb hinten sitzen, und so gings los. Den ersten Gang eingelegt, die Kupplung richtig schnalzen lassen (anders konnte ich das sowieso nicht) und irgendwie die immer schneller werdende Kiste auf Kurs haltend, in weitem Bogen um den riesigen Schotterhaufen herum. Dummerweise kam auf der anderen Seite des Haufens eine Gerade die zur zweiten Kurve um den Hügel herum führte, der Schotterhaufen hatte wirklich riesige Ausmaße! Aus mir heute unerfindlichen Gründen, vielleicht war ich einfach zu aufgeregt, vergaß ich das Lenkrad wieder in Geradeausrichtung zu drehen sodas wir den Hang zu unserer Linken hochfuhren, immer höher, wo er auch immer steiler wurde, bis wir zum Stillstand kamen und der kleine Fiat umkippte, zur Seite rollte um am Dach liegend den Hang hinunterzurutschen. Edi, Franz und ich krabbelten etwas bleich, aber unversehrt, aus der umgekippten Kiste und wussten nicht recht was wir tun sollten. Öl und Wasser, so glaube ich mich zu erinnern, tropfte aus dem Motor das es zischte und rauchte, es war ein trauriger Anblick. Von Edis Vater gab´s einen riesen Anschiss, dann fuhr er mit uns runter in die Schottergrube um das Auto zu bergen. Aber schnell hatten wir herausgefunden das seine Freude über unsere Unversehrtheit größer war als der Zorn über unsere, oder besser gesagt, meine Blödheit. Ich glaube aber dass er nie erfuhr wer gefahren war, Edi hatte es ihm jedenfalls nie verraten.

Mit meinem 16. Geburtstag kam dann der Punkt wo beinahe alle Kinderfreundschaften verflogen. Hans zum Beispiel spielte schon lange nicht mehr mit uns, matchboxhonda er hatte schon ein eigenes Auto und wir restlichen fünf oder sechs Buben waren auch nicht genau gleich alt. Edi durfte mit mir nicht mitfahren, ich war schnell als Wildsau verschrien, dann kamen die Mädchen, die Wirtshäuser, andere Freunde die auch ein Moped hatten, alles wurde anders.
Viele Jahre später blieb der Edi wieder einmal bei unserer Garage stehen, er hatte sich eine große grüne Kawasaki gekauft, und wir fuhren eine gemeinsame Tour. Es war die erste und auch die letzte gemeinsame Rundfahrt, dann war auch der Edi der Meinung dass ich eine elende Wildsau sei, er nicht sterben wolle und daher nicht mehr mit mir fahren würde. Ich hatte das gar nicht bemerkt, ich fuhr ja nie anders. Ich konnte damals gar nicht anders. Die Kawasaki war allerdings sein erstes Motorrad während ich schon jahrelange Erfahrung mit Motorrädern hatte. Diesmal konnte ich schon fahren während er es erst lernen musste.

Wieder vergingen die Jahre, Edi hatte schon lange eine Familie, ich hingegen hing noch immer meinen Spinnereien nach, hatte ab und zu mal eine mehr oder weniger lange dauernde Beziehung, aber ich hatte mein Auto und mein Motorrad und damit zog ich gerne durch die Gegend, das war mein Leben. Obwohl wir nur drei Häuser auseinander wohnen trafen wir uns sehr selten, auch berufsbedingt, trotzdem hatte ich nie das Gefühl verloren das er mein Freund war. Seltsam, irgendwie war es als fehle uns nur der gemeinsame Spielplatz, das gemeinsame Spielzeug, so wie wir das früher als Kinder hatten.

P8100001 Vor 2 Wochen, ich stand gerade in der Garage, hatte eben die kleine Yamaha frisch gewaschen hineingeschoben, brummte es dumpf weiter hinten auf der Strasse und als ich mich umdrehte schob sich eine weiße XJR in unsere Einfahrt, der Edi saß drauf. Kopfschüttelnd und lachend fragte ich ihn wem den dieses Eisen gehöre, er fuhr ja normal eine Triumph Tiger. Da erzählte er mir das er seine 1200er XJR nie vergessen hatte die er vor Jahren besaß und sich nun die Gelegenheit ergab diese Maschine zu kaufen, die Engländerin werde er hergeben. Nach über einer Stunde tratschen und mehreren Anrufen seiner Frau wo er den bleibe verabschiedete er sich wieder, er war ja nur zu einer kurzen Testfahrt um den Häuserblock aufgebrochen, ohne Kennzeichen, ohne Schuhe und in kurzer Hose, aber wir hatten ausgemacht das wir zusammen wieder einmal eine Runde drehen wollten.
Einige Tage später, an einem Sonntag, brummte er mit der dicken XJR an der Garage vorbei, ich stand gerade bei meiner XJR und bereitete mich auf eine Ausfahrt vor. Aha, dachte ich, der Edi ist auch unterwegs, bestimmt dreht er mit Leuten die ich nicht kenne eine Runde. Ich wollte gerade zur Hauptstrasse abbiegen die mich aus dem Ort hinausführt als mir der Edi entgegenkommt, mit der Linken in der Luft herumfuchtelt, stehen bleibt und mich fragt wo ich den hinfahre. „Keine Ahnung, irgendwo da rein“ antwortete ich mit dem Kopf in die Steiermarkt deutend. „Ok, ich fahr dir nach“,  klappt das Visier zu und dreht um. So zogen wir rauf zur Sonntagberger Höhenstrasse, mit einigen Rauch- und Tratschpausen rein nach Gaming und über den Grubberg zum Gasthof am Zellerrain um einen Kaffee zu trinken. 80km waren wir von Zuhause entfernt, es war erst gegen elf und wir konnten leicht zum Mittagessen daheim sein wie es seine Frau von ihm erwartete. Allerdings fand Edi auch an der Version gefallen die ich für die Rückfahrt angedeutet hatte, über die Hochschwab Bundesstrasse, durch Wildalpen. „Warte mal, das haben wir gleich“ sagte er, griff zum Telefon und schwanerte seiner Angetrauten irgendetwas von „wir haben eh nicht mehr so weit, ich komme etwas später“ vor, dann stülpten wir wieder unsere Helme über die Rübe und zogen gen Süden. Zur Heimat wäre es allerdings in nördlicher Richtung gegangen.

Es war eine tolle Runde, nach der Hochschwab Bundesstrasse bogen wir in den Sandgraben und fuhren durch das Ybbstal heimwärts um anschließend bei meiner Garage noch eine beziehungsweise mehrere Zigaretten zu paffen und zu tratschen. Der Edi ist ein ausgezeichneter Motorradfahrer geworden stellte ich anerkennend fest. Gegen 14 Uhr läutete das Telefon, seine Holde erkundigte sich ob er auswärts zu nächtigen gedachte, sie glaube nicht mehr daran das er bald kommen werde, aber Edi versicherte ihr das sie nur zum Fenster rausschauen brauche um ihn zu sehen, den er stünde schon seit einer halben Stunde vor der Garage des Nachbarn. Dann verabschiedete er sich mit einem Grinsen und fuhr wieder heim. Ich denke unsere XJR könnten die gemeinsamen Spielzeuge sein die so viele Jahre gefehlt hatten.

Letzte Woche rief meine Mutter aus dem Erdgeschoß das jemand hier sei der mich sprechen wolle, hinten bei der Garage würde er auf mich warten. Neugierig, wer das den sein könnte der nicht hereinkommen will, ging ich nach hinten und sah eine weiße XJR in der Einfahrt stehen. Ich wollte schon rufen hansbenzin „Edi, du alte Haubitze, wo steckst du denn?“, da kam der Hans aus der Garage. Hans stammt aus Kematen, gut 15 Jahre hatten wir uns nicht gesehen und erst kürzlich trafen wir uns durch Zufall im Gasthof wo ich öfters einen Kaffee trinke. Da hatte ich keine Ahnung dass er wieder Motorrad fährt, wir hatten auch nicht darüber gesprochen. Nun stand er mit seiner funkelnagelneuen Maschine hier und erzählte mir einiges aus seinem Leben, das er nun wieder Zeit hätte um Motorrad zu fahren, niemand würde mehr nörgeln. Er hatte sein Lebe sozusagen bereinigt, sich auch beruflich verändert und sich eine XJR gekauft. Durch den Leopold, seinem Bruder, hatte er erfahren das ich noch immer Motorrad fahre und eine XJR besitzte, so kam er auf die Idee wieder einmal zu mir zu schauen, wie früher als er nicht in Wien lebte und arbeitete.
15 Jahre war er nicht Motorrad gefahren und hatte etwas bammel als ich meinte wir könnten doch mit den Schlachtschiffen zusammen eine Runde drehen. Letzten Samstag waren wir, wies der Teufel haben will, durch Zufall auf der Hochschwab Bundesstrasse zusammengetroffen, ich war mit der RD unterwegs. Ich wollte eben eine große weiße Maschine überholen als ich bemerkte das ich dieses Motorrad und den Typen darauf kennen sollte. Wir hatten anschließend eine schönen Runde gedreht wobei wir den Beschluss fassten am Dienstag gemeinsam zum Großglockner zu fahren. Ich mit der kleinen Yamaha, er mit seiner Honda XR500 die er seit 1989 besitzt. Sogar seine 900er Bol d´Or hat er noch mit der wir beim Langstreckenrennen in Zeltweg waren, irgendwann am Anfang der 80er Jahre. Am Glockner waren wir inzwischen schon, und es war wunderschön.

So bringt Yamahas XJR langsam meine alten Kumpel und Freunde zurück mit denen ich früher so schöne Zeiten erlebte. Ich bin schon neugierig wer als nächster mit seiner XJR bei mir auftaucht.

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