Es gibt ja einige sowjetische Uhren, um die sich Legenden ranken. Die “Dessert Shield” Uhren von Vostok sind solche Exemplare. Um die hier vorgestellte Слава Quartzuhr ranken sich keine Legenden. Sie ist, könnte man fast sagen, Teil einer Legende. Wenn auch nur in entferntem Sinne. Wobei hier das Wort Legende nicht für Märchen steht, sondern für eine legendäre, wahre Begebenheit, die mit half, die Welt zu verändern.
Am 2. und 3. Dezember 1989 trafen sich der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, George Herbert Walker Bush und der Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Michail Sergejewitsch Gorbatschow, zu einem Gipfeltreffen vor Malta, dem sogenannten Salzwassergipfel, bei dem zwar keine Verträge abgeschlossen wurden, dem man allerdings nachsagt, er habe den kalten Krieg ein für alle Mal beendet. Michail Gorbatschow wird später folgendermaßen sinngemäß zitiert: “Hätte dieser Malta Gipfel nicht stattgefunden, würden wir jetzt in einer ganz anderen Welt leben, als wir sie heute kennen”.
Sowohl George H.W.Bush als auch Michail Gorbatschow sollten mit ihrem Beraterstab während des zweitägigen Gipfels auf Kriegsschiffen ihrer Mittelmeerflotten untergebracht werden, wo auch die Gespräche stattfinden sollten. Auf amerikanischer Seite war dies der Raketenkreuzer Belknap, das Flaggschiff der 6. Flotte der US Navy im Mittelmeer, auf sowjetischer Seite der ebenfalls im Mittelmeer stationierte Raketenkreuzer “Projekt 1164 Atlant”, innerhalb der NATO besser als Слава oder Slawa/Slava bekannt, der einer ganzen Generation gleichartiger Schiffen den NATO Code “Slawa Klasse” gab.
Um das Umfeld dieser Gipfelgespräche ranken sich selbstverständlich Legenden. Fakt ist, dass genau zu dieser Zeit ein gewaltiger Sturm, es wird von einem Jahrhundertsturm gesprochen, übers Mittelmeer fegte, weshalb die Gespräche auf die an Land festgezurrte Maxim Gorki verlegt wurden, einem großen sowjetischen Ausflugsschiff. Angeblich, so die Legende, soll sich Michail Gorbatschow geweigert haben, bei diesem Seegang mit einem Motorboot zur Slawa zu fahren. Wieder angeblich, um die Moral der sowjetischen Schiffsbesatzung zu heben, sollen die sowjetischen Seestreitkräfte verlautbart haben, der amerikanische Präsident könne nicht zur Slawa kommen, da er seekrank sei. Wie auch immer es gewesen sein mag, die Gespräche der beiden zur damaligen Zeit mächtigsten Männer der Welt haben mitgeholfen, unsere Welt, in der wir heute leben, zu verändern und die Teilung in Ost und West, in gut und böse, zumindest für eine Zeit lang zu beenden. Der Rest ist Geschichte.
Ehrlich gesagt hab ich nicht die geringste Ahnung, warum die 2. Moskauer Uhrenfabrik, also Слава (Slava oder Slawa) auf die Idee kam, oder gar, wer dort, oder wo immer, auf die Idee kam, diese Uhr zu bauen. Fakt ist, dass es sie gibt und Fakt ist, dass sie sich auf dieses Gipfeltreffen bezieht. Offenbar war den Sowjets dieses Treffen, die Gespräche und die Ergebnisse derselben dermaßen wichtig, dass sie daraufhin zu diesem Anlass eine eigene Uhr kreierten.
Interessanterweise handelt es sich dabei nicht um eine herkömmliche mechanische Handaufzugsuhr oder um eine Uhr mit Automatikwerk, sondern um eine Uhr mit Quarzwerk. Ob es sich dabei in meiner Uhr um das Kaliber 3056 oder 3056A handelt, und welchen Unterschied es zwischen diesen Uhrwerken gibt, weiß ich nicht. Ich hab die Uhr nicht geöffnet und werde sie auch nicht öffnen, so lange die Batterie ihren Geist nicht aufgibt. Sie läuft hervorragend. Und ehrlich gesagt interessieren mich die Unterschiede, sofern vorhanden, dieser beiden Quarzwerke nicht wirklich. Gäbe es den oben kurz angesprochenen geschichtlichen Hintergrund nicht, ich hätte mir nie eine sowjetische Quarzuhr gekauft. Und auch sonst keine Quarzuhr. Aber diese Uhr hat es, trotz Quarz, sehr schnell in mein Herz geschafft, was nicht wirklich verwunderlich ist. Diese Uhr ist sehr schön verarbeitet und funktioniert sehr genau, abgesehen davon, dass sie sich sehr angenehm trägt.
Ein kleines Geheimnis trägt die Schließe des Uhrbandes, das ich nur zu gerne lüften würde. Das Band war mit Garantie nicht Original bei der Uhr dabei, besteht aus gepresstem Blech, fühlt sich aber keineswegs billig oder gar unangenehm an. Im Gegenteil. Dieses Band ist sehr feingliedrig und so weich wie Seide. Es trägt sich unglaublich angenehm. Die Schließe, ebenfalls ein Blechprägeteil, ist nicht schlechter als die Schließe an irgend einer beliebigen, preisgünstigen japanischen Uhr. An der Innenseite der Schließe befindet sich allerdings, so glaube ich, eine Inschrift. Diese Innschrift, wenn es sich um eine solche handelt, besteht allerdings leider nicht aus Lateinischen Buchstaben, und ich denke, sie besteht auch nicht aus Kyrillischen Buchstaben, sondern aus so einer Art Arabischen Zeichen. Meine Vermutung tendiert sogar zu Indischen Zeichen, weil ich glaube, gelesen zu haben, dass es in der Sowjetunion durchaus üblich war, Uhrbänder aus Indien zu benützen. Sollte jemand diesen Beitrag lesen und gar eine Ahnung haben, was diese Inschrift bedeutet, würde es mich freuen, wenn mich diese Person an diesem Wissen teilhaben lässt. Danke schon einmal im Voraus.
Slava Quarz CCCP
Weil sie die gleiche Form und vermutlich auch das gleiche Werk hat, stell ich diese Uhr gleich hier dazu. In einschlägigen Uhrenforen werden sie meist ohnehin im Paar gezeigt. Diese Uhr hat keine Geschichte als Hintergrund, wenn man davon absieht, dass sie ein Kind ihrer Zeit ist. Sie ist, wie viele Uhren aus Michail Gorbatschows Zeit, mit patriotischen Symbolen versehen. Das waren oft die Inschriften „Glasnost und/oder Perestroikt, oder wie hier zu sehen mit Sowjetstern, Hammer und Sichel und der Inschrift CCCP – Союз Советских Социалистических Республик oder Sojus Sowjetskich Sozialistitscheskich Respublik, zu deutsch Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Russen waren und sind, Kommunismus hin, Propaganda her, immer ein sehr patriotisches Volk, was auch ihre Uhren widerspiegelten.
Auch diese, wie so manche meiner Uhren aus der Sowjetzeit, hat eine weite Reise hinter sich. In Moskau gebaut, kam sie auf heute unerfindlichen Wegen nach Florida und wurde dort zum Kauf angeboten. Der angegebene Preis war recht ambitioniert, wie mir schien, aber man konnte einen Preisvorschlag machen, was ich tat. Der Verkäufer ging drauf ein, und so fand die Uhr wieder zurück auf den europäischen Kontinent. Da sich auch diese Uhr in einem wirklich sehr guten Zustand befindet, ausgezeichnet läuft und sogar das originale Uhrband trägt, hab ich eine große Freude damit.
Slava Quarz
Vor kurzem hab ich noch eine schöne Slava Quarz im gleichen Gehäuse gefunden. Der Unterschied zu den oben gezeigten Uhren besteht im anderen Ziffernblatt und einer anderen Drehlünette. Auch sie befindet sich gottlob in ausgezeichnetem Zustand, was trotz ihrer “Jugend” heute schon etwas selten vor kommt. Vor allem ist mir bei diesen Uhren wichtig, dass sich noch das originale Stahlgliederband dran befindet, weil das meiner Auffassung nach am besten zu ihr passt.
Hannes, die Lösung für die Aufschrift Deines Armbandes ist relativ einfach:
https://translate.google.com/#nl/ar/made%20in%20china
Den Reim musst Du Dir selbst drauf machen.
Kommentar by Rocco — 4. September 2015 @ 21:29
Danke Rocco
Ich habs befürchtet. 🙂
Irgendwie hab ich eine Allergie gegen Wirtschaftsgüter aus dem Reich der Mitte. Mit Ausnahme von Reis.
Nichts desto Trotz trägt es sich sehr angenehm.
Ich hab schon in einem Ami-Forum gelesen, dass die Sowjets auch nicht ganz dumm waren, wenn es um Wirtschaft ging.
Chinesische Ware war (noch) billiger als Sowjetische. Auch die meisten sogenannten „Sowjetischen Lederbänder“ sind China Ware.
Schöne Grüße Hannes
Kommentar by Benzin — 5. September 2015 @ 7:29