Benzins Motorradseiten Erlebnisse mit dem Motorrad

17. August 2009

2009. 02. – 05. Juli – Neulich in Friesland…….

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2009_friesland_jade_1 Warum um alles in der Welt setzt sich ein Österreicher im 4:00 Uhr morgens aufs Motorrad, um über 1000km nach Friesland hochzufahren? Österreich bietet doch einem Motorradfahrer alles, was das Herz höher schlagen lässt! Wenn schon über die Grenzen, warum dann nicht nach Italien, Slowenien, Kroatien oder in die Schweiz? Aber so weit hoch ins brettflache Friesland?

Nun, neben mehreren anderen Gründen, unter anderem, das Friesland ein bezaubernd schöner Landstrich ist, ist der wichtigste Grund, dass da oben Freunde wohnen! Unglaublich nette Menschen, für die ich auch locker doppelt so weit Anreisen würde, um sie zu besuchen.

Vor zwei Jahren war ich zum ersten Mal da oben. Damals kannte ich niemand persönlich, sondern nur aus dem Internet, genauer aus dem FZR Forum, der Internetgemeinschaft für die Liebhaber dieser sportlichen Yamaha. Damals war der Schnapsidee, an die Nordsee zu fahren, um einen Kaffee zu trinken, Michaels spontane Einladung zu sich und seiner Familie gefolgt, was ein für mich wunderbares Wochenende zur Folge hatte, an das ich immer wieder gerne zurückdenke.

Im letzten Sommer hatte Michael die Idee zum „Wochenende an der Jade“ mit Besichtigung eines Segelschiffes. Dieses „35. Wochenende an der Jade“ würde vom 2. – 5. Juli 2009 in Wilhelmshaven stattfinden, also wie immer am ersten Wochenende im Juli. Ohne viel nachzudenken sagte ich zu. Nur eine totale Urlaubssperre oder mein Tod würde mich verhindern können.

Donnerstag, 2. Juli – Fahrt nach Friesland

2009_friesland_jade_201Laut Google Maps liegt Schortens genau 1044km von Amstetten entfernt. Wenn mir jemand erzählt, dass diese Entfernung, auf der Autobahn heruntergespult, richtig Spaß macht, dann her er entweder keine Ahnung, wovon er redet, oder er ist wenigstens leicht masochistisch angehaucht, anders wäre mir das nicht zu erklären. Aber mit einer gewissen Routine lässt sich diese Ochsentour einigermaßen bequem überstehen. Bild links: Zusammentreffen mit Georg

Nicht der Tankinhalt, der bei gemütlichem Tempo leicht an die 350km reichen würde, beschränkt die Etappenlängen, sondern das Sitzfleisch und der psychische Zustand. Es ist nicht so einfach, ständig in gleicher Haltung am Motorrad sitzend unter der immer gleichen Geräuschkulisse des dumpf vor sich hinbrummenden Motors Kilometer für Kilometer abzuspulen, ständig im Gedanken die verbleibende Entfernung zum Ziel ausrechnend. 2009_friesland_jade2Bild rechts: Mit Axel (L) und Georg (R) an der Nordsee.

Die erste Rastpause auf Bayrischem Gebiet bei Passau, und nur noch 850km bis zum Ziel. Der nächste Stopp an der Raststätte Mitterteich, und wieder 230km weniger zu fahren. So ging es laufend dahin. Tanken, rauchen und Kaffee trinken, eine kleine Jause dann und wann, und weiter geht die Fahrt, bis sich Unmut regt.

Ab Hannover war ich wenigstens nicht mehr alleine. Georg hatte mich an einer Raststätte erwartet und begleitete mich nun in den Norden. In Varel, nahe der Nordsee, war auch noch Axel, aus Bremen kommend, zu uns gestoßen. Zu dritt fuhren wir nun zum Nordseestrand, den ich an diesem Tag noch so gerne sehen wollte, dann führte uns Axel auf Nebenstraßen und über die Brücke von Dykhausen zum Tagesziel, nach Schortens. Diese Brücke, die wir noch öfters überquerten, sollte mich später, als ich schon wieder daheim war, auf eine Idee bringen, auf deren Durchführung ich schon gespannt bin. Wenn es je etwas werden sollte. Bild rechts oben: Mit Axel (L) und Georg (R) an der Nordsee

Bild links: Besuch bei Freunden2009_friesland_jade_203 Bei Michaels Haus fuhr ich gleich in die Garage, als wäre ich hier daheim – und so ähnlich fühlte ich mich auch – und stellte den Motor der blauen Elise ab, um meine Gastgeber zu begrüßen. Ich war nach über 1000km Fahrt endlich angekommen und in einer mir vertraut erscheinenden Umgebung, in der ich mich wohl fühlte. Nun lernte ich nach Georg auch Sigi kennen, der schon am frühen Vormittag mit dem Auto hierher angereist war. Ein gemütlicher Abend ließ den langen Tag auf der Autobahn langsam ausklingen, dann schlief ich, wie vor zwei Jahren, in Laras Zimmer tief und fest ein.

Freitag, 3. Juli – Glühende Hitze in Friesland, der Schweineeimer und das Grillfest

Mitten in der Nacht riss mich ein ohrenbetäubendes Getöse aus dem Schlaf. „Um Himmels Willen, jetzt ist der ICE ins Nachbarhaus geknallt“, durchfuhr es mich, und blitzartig saß ich mit weit aufgerissenen Augen keuchend in der Dunkelheit. Nur langsam dämmerte mir, dass das hanebüchener Quatsch war. Abgesehen davon, dass sich hier her bestimmt noch nie ein ICE verirrt hat, ist ein Zugunglück in dieser Strasse mangels Gleisen einfach unmöglich. Inzwischen war ich so weit wach, dass ich den Lärm als Nachbrenner einer startenden Alarmrotte der deutschen Luftwaffe identifiziert hatte. Der nahe Fliegerhorst Upjever, laut Wikipedia eigentlich mehr oder weniger stillgelegt, schien wieder richtig zum Leben erwacht zu sein. Wie am Vorabend, als ich dieses Getöse zum ersten Mal hörte. Die Jungs geben wirklich kräftig Gas in ihren fliegenden Kisten. Mir gefallen zwar Militärflugzeuge, vor allem in Friedenszeiten, aber so überraschend von einem Nachbrenner geweckt zu werden ist auch nicht jedermanns Sache. Für die Dunkelheit um 8:29 Uhr – so zeigte der Wecker am Nachtkästchen – hatte ich auch rasch eine Erklärung gefunden. Die Jalousien waren geschlossen! Beim Frühstückskaffee im Garten sorgte meine Geschichte vom ICE jedenfalls für Heiterkeit.

Ein wunderschöner Tag kündigte sich mit blauem Himmel an. Es war schon recht warm. Wie warm es noch werden sollte, davon ahnten wir noch nichts.

Bevor die Motorradtour losgehen konnte, hatte Michael noch etwas zu erledigen. Weil es gerade passte, fuhren wir gemeinsam mit der XJR ein Stück aus der Stadt hinaus zu einem Bekannten Michaels, der Probleme mit seinem Computer hatte. Wir kamen dort wie die schnelle Computer Eingreiftruppe an, das Notebook im Topcase, in Jeans, kurzärmeligem Leibchen und Halbschuhen, wie es sich gehört bei dieser Temperatur. Nur der Helm ließ ahnen, dass wir mit dem Motorrad da waren. Bild rechts: Ein idyllisches Häuschen.

2009_friesland_jade_202 Dieser Bekannte Michaels war eine recht interessante Begegnung für mich, denn dieser Mann, ein pensionierter leitender Angestellter der ehemaligen Olympia Büromaschinen Werke, lebt dort mit seiner Frau in einem Häuschen in geradezu paradiesischer Umgebung. Trotzdem ich absolut fremd war, erklärte er mir redegewandt und überaus interessant, wie er zu diesem Häuschen kam, welche Schwierigkeiten es beim Umbau dieses ehemaligen Wohnhauses des Vorarbeiters eines bäuerlichen Anwesens gab, technischer wie rechtlicher Natur (man glaubt gar nicht, wie erfinderisch Behörden werden, wenn man ein langsam verfallendes, altes Haus kauft, um es wohngerecht umzubauen. Plötzlich wird aus einer langsam verfallenden „Bruchbude“ ein kulturell wertvolles Gebäude und mühselige Auflagen sind die Folge!) und zeigte mir auch das Innere. Man kann dieses Häuschen, in Ständerbauweise gefertigt – wobei die alten, heute steinharten Holzständer im Inneren äußerst dekorativ wirken – nur mit „Kuschelig“ bezeichnen. In seiner Lage, von Weideland umgeben, wie gesagt ein kleines Paradies mit sehr netten Bewohnern.

Gegen 11 Uhr war es an der Zeit, aus Schortens Richtung Bremen aufzubrechen. Axel hatte zeitig in der Früh zu arbeiten begonnen, um zur Mittagszeit gemeinsam mit uns durch die Gegend zu brettern und uns, Sigi und mir, einige Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Ein unglaublicher Mann, dieser Axel. Nimmt sich kaum Zeit zum Schlafen, nur um mit uns herumzufahren!

So nebenbei, Sigi und Michael hatten sich über etwas unterhalten, bekam ich mit, dass von Schmerzen beim Motorradfahren die Rede war. Auf meine Nachfrage, was den los sei, meinte Sigi, er habe beim Motorradfahren starke Schmerzen im Nacken, daher sei er ja auch mit dem Auto angereist. Daher hatte ihm Michael auch die FZR1000 2LA zum Fahren angeboten. „Warum fährst du nicht mit der XJR und ich nehme die 1000er? Darauf sitzt du doch wesentlich aufrechter und entspannter. Eventuell ersparst du dir Schmerzen“. Nach kurzem Überlegen stimmt Sigi dem Vorschlag zu und Michael äußerte eine weitere Idee. „Wenn der Sigi mit deiner XJR fährt, dann nehme ich die FZR und du fährst mit der Suzuki“. „Ach herje, der Schweineeimer!“, durchfuhr es mich. Bild unten: Michaels Suzuki GSXR1000 und ich

2009_friesland_jade_2 Gleich vorweg, von mir hat die GSXR1000 diesen Namen nicht bekommen! Ich bin noch nie zuvor mit irgend einer Suzuki gefahren. Den hat sie bei der vorjährigen Pässetour vom Horst bekommen, der inzwischen selber zum begeisterten Fahrer eines „Schweineeimers“ wurde. Des Herrn Rindsviecher gehen oft seltsame Wege! Damals hatten Michael und Horst ihre Suzukis getauscht, und während Michael mit der GSXR750 das Hahntennjoch hurtig hinunterbrauste, zockelte Horst auf der blauen Kilogixxer mit sichtlich großem Respekt ganz sachte den Berg hinunter. „Viel zu viel Leistung, dieser Schweineeimer!“, war damals sein Urteil. Seither trägt Michaels Suzuki diesen seltsamen Namen.

Um mich über dieses Motorrad nicht all zu sehr auszulassen (in der Rohfassung dieses Berichtes füllte alleine die Lobhudelei über dieses Motorrad fast eine Seite!) will ich versuchen, mich kurz zu fassen. Ganz ohne Erklärung geht’s aber nicht.

Ich war nicht im gewohnten Leder nach Friesland angereist, sondern in Schnürlederhose, mit schweren Tourenstiefeln und einer britischen Belstaff Jacke bekleidet, einen Schuberth Klapphelm am Kopf.

Dies alles eignet sich nicht besonders zum Fahren mit einem 1000er Supersportler. Besonders die 2009_friesland_jade_3 schweren Stiefel, die kaum unter den Schalthebel passen würden, so fürchtete ich. Aber da es sowieso so heiß war, meinte ich zum Michael – es ist ja immerhin sein Motorrad – „wenn dir meine „Motorradkleidung, mit der ich fahren will, nichts ausmacht, dann fahre ich gerne mit der Suzuki“. Die Lösung der Probleme war recht einfach. Früher waren wir in Jeans um die Wette gefahren, warum sollte ich mich heute, bei dieser Hitze, ins Leder zwängen? Also zog ich Jeans, Halbschuhe und meine gewachste Baumwolljacke an, schnappte mir die Handschuhe und stülpte den Klapphelm über die Rübe.

2009_friesland_jade_4 Beim Revisieren in der Garage sollte man vorsichtig sein, besonders wenn man zuvor von einer XJR stieg, denn die Gixxer fühlt sich wie ein Moped an. Da spürt man kein Gewicht.

Beim Wegfahren hab ich sie gleich abgewürgt, was an der sich recht fremd anfühlenden Kupplung lag. Es passierte mir noch öfters, da waren aber die Kumpels hinter mir schon gewarnt und dementsprechend vorsichtig an den Ampeln, Gottlob. Ansonsten fuhr sich das Ding nach wenigen Metern so, als würde sie schon länger mir gehören. Sitzposition, Fußrasten und Hebelei passt für meine Größe fast perfekt, alles ist dort, wo ich es suchte. Null Problemo, würde Alf sagen. Dass dieses Motorrad mit seinen 179Ps geht wie die Sau, das braucht man bestimmt nicht zu erwähnen, aber sie hängt millimetergenau am Gasgriff, bei jeder Drehzahl. Ich vermute, nach zwei oder drei Tagen Fahrt in den Bergen könnte ich dieses Motorrad recht ungestresst quer durch die Kurven feuern, so einfach scheint sie mir handhabbar. Das Geilste von allem ist aber der Klang des Auspuff kombiniert mit dem Gebrüll der Airbox unterm Tank. Einfach 2009_friesland_jade_5 martialisch, dieser Sound. Die CBR1000R, die ich zur Probe fuhr, war trotz des Leo Vince Auspuff dagegen ein Lärchenfurz! Außerdem frag ich mich, wozu das Ding eine Ganganzeige besitzt. Bis unter Stadtgeschwindigkeit ist es dem Motor scheinbar scheißegal, welcher Gang eingelegt ist, er zieht bei der kleinsten Bewegung am Gasgriff seidenweich an, ohne zucken, ohne ruckeln. Durch den gigantischen Klang fährt man praktisch immer in einem möglichst hohem Gang, alleine um bei nächst bester Gelegenheit mit kräftigem Zwischengas herunterzuschalten. Die Damen mögen mir verzeihen, aber bei so einem Schaltmanöver bekommt man einfach einen Steifen, so gewaltig klingt das!

Zuerst gings nach Westerstede, um Klaus abzuholen. Dann fuhren wir, der Michael, Sigi, Klaus, Georg und ich zu Axel nach Loxstedt bei Bremen. Ab dort übernahm Axel die Führung. Inzwischen war es schon so heiß, dass die Ärmel meiner Jacke naß waren vom Schweiß. Man 2009_friesland_jade_6konnte die Luft schon fast schneiden, so dick schien sie zu sein. An einem Strandbad erfrischten wir uns, so gut es ging, dann wieder ein Stück fahren, wieder Rasten, die Jacken im Schatten der Motorräder abgelegt, denn wo anders war kaum Schatten zu finden, dann wieder rasten, plaudern und fahren, damit es wenigstens ein wenig kühler würde. Was aber, je länger der Tag wurde, immer (ich weiß, dass man unmöglich nicht steigern kann!) unmöglicher schien. Da kühlte einfach nichts mehr ab während der Fahrt, es war nur mehr glühend heiß! Alle Planung wurde über den Haufen geworfen. Nach Wilhelmshaven oder Bremen (in die Stadt hinein) wollte niemand mehr. Wir wären gegrillt worden. Aber für die Hafenanlage in Bremerhaven reichte unser Durchhaltewille noch. Mein Fazit dieser Anlagen: Einfach gewaltig!

2009_friesland_jade_7 Dort stehen Schiffe zum Transport von Fahrzeugen, die so groß sind, dass man sie von weitem für große Bürogebäude halten könnte. Einer dieser riesigen Transporter kann bis zu 6200 PKW einladen! Die Garagen im Hafenbereich fassen 45 000 PKW, die Abstellflächen bieten Platz für unvorstellbare 120 000 PKW. Da kann man sich vielleicht vorstellen, was passiert, wenn die Wirtschaft tatsächlich total zusammenbrechen würde, diese Abstellflächen wurden ja nicht zum Spaß gebaut, sondern, weil sie auch belegt werden. Alleine die Summen, die durch den Autoabsatz fließen, sind nur mehr schwer vorstellbar. Beim Wendebecken des Osthafen befindet sich ein Countainerturm, der als Aussichtsplattform dient. Von diesem genießt man eine wunderbare Übersicht über die dortigen Hafenanlagen und kann wenigstens einigermaßen die Dimensionen erahnen. 2009_friesland_jade_8

Bei der Rückfahrt streikte die Brücke, die offenbar wegen eines Schiffes zur Seite gedreht werden sollte. Niemand konnte die Brücke passieren. Niemand, außer uns, sollte man sagen. Nach einer halben Stunde Wartezeit hob Axel einfach den Schlagbaum hoch und wir konnten unten durchschlüpfen. Auf der anderen Seite das gleiche Spiel, und weg waren wir. Sigi wollte eine recht laute Stimme durch die Lautsprecheranlage gehört haben, die sich scheinbar furchtbar über irgendetwas aufregte. Aber da die Airbox der Suzuki so einen Krach macht, kann ich diese Aussage nicht bestätigen. Vielleicht wünschte man uns auch nur eine gute Fahrt.

Die Rückfahrt nach Schortens führte uns wieder durch diese bezaubernde Friesische Landschaft, dann umziehen und mit dem Auto zu Klaus, der uns mit einem wunderbaren Grillabend verwöhnte.

Trotzdem ich normal keinerlei alkoholische Getränke mag, verdrückte ich neben den zahlreichen gegrillten Leckerbissen doch gut drei Bier, so dass ich bei der Heimfahrt halbwegs besoffen war. Zumindest fühlte ich mich so. Bleischwer plumpste ich ins Bett und schlief tief und fest ein. Ein herrlicher Tag mit Freunden war zu Ende.

Samstag, 4. Juli – Wir segeln mit der „Hendrika Bartelds“ gen Engelland

Oh Herr, wurde ich mit einer Birne wach. Ich werde wohl ausgeschlafen und zerknittert ausgeschaut haben wie ein Obdachloser unter der Brücke, und so ähnlich fühlte ich mich auch. Nach einer Kanne schwarzen Kaffee rüsteten wir, Michael, Sigi und ich, uns zur Abfahrt nach Wilhelmshaven. Am Bontekai würde unser Schiff auf uns warten.

Meine Erfahrungen mit der Schifffahrt beschränkt sich hauptsächlich auf die Seefahrt im wahrsten Sinne des Wortes (wie sich auch die Österreichische christliche Seefahrt seit dem Ende des 1. Weltkrieges auf die Schifffahrt auf Flüssen und Seen beschränkt) und auf die Flussschifffahrt. Die Seen im Salzkammergut befuhr ich ebenso schon mit Schiffen wie auch die Donau und den Jangtse, aber ein Meer hatte ich bisher noch nie unter Kiel genommen. In Friesland heißt es zwar „Die Nordsee“, für uns Österreicher ist es aber kein Unterschied, ob es Meer oder See heißt. Man kann von dort aus die Fahrt in den Atlantischen Ozean antreten, was aus dem Neusiedlersee heraus, beispielsweise, nicht möglich ist. Auch aus keinem anderen Gewässer in Österreich kann man ein Meer erreichen, wenn man von der langen Fahrt auf der Donau ins schwarze Meer absieht.

Der Dreimast-Toppsegelschoner „Hendrika Bartelds“

2009_friesland_jade_17 Der beeindruckende Dreimaster „Hendrika Bartelds” hat eine lange Geschichte. Er wurde 1918 in
Vlaardingen (NL) gebaut und war ursprünglich ein Heringlogger.
1950 wurde das Schiff um neun Meter erweitert, damit man mehr Fracht transportieren konnte. Im Laufe der Jahre wechselte es einige Male den Besitzer. Nach der Außerdienststellung wurde das Schiff zum Dreimastgaffeltopsegelschoner umgebaut und komfortabel eingerichtet. Nachdem es zwölf Jahre als Charterschiff auf der Ostsee gefahren war, wurde es Anfang 2000 von den jetzigen Schiffseigentümern Robert und Mirjam Postuma gekauft und erneut liebevoll restauriert.

Baujahr: 1917 (die Angaben differieren scheinbar erheblich, denn in anderen Quellen wird als Baujahr 1908 oder 1918 angegeben)

Ehemalige Namen: Johan Last, Dolfyn, Elise

Rufzeichen: PEQP2009_friesland_jade_103

Gesamtlänge über alles: 49m

Rumpflänge: 39m

Breite: 6.65m

Tiefgang: 2.8m

Segelfläche: 645m²

Motor: 408Ps

20 000Liter Frischwassertank

Kabinen: 4/2Bett und 7/4Bett Kabinen

Tagesgäste: 80

Der Tagesablauf im Zeitraffer:

2009_friesland_jade_9 Fahrt zum Bontekai, hektisches Suchen nach einem Geschäft mit Zigaretten, denn wir hatten keine Rauchwaren mit, einschiffen (so nennt man das, glaube ich, wenn man an Board geht), staunen und warten, bis es 11 Uhr wird und losgeht. Noch mehr staunen, das Schiff erkunden, sich beruhigen, einen gemütlichen Platz suchen und die Fahrt genießen. Einlaufen in den Hafen und sich wie Christoph Kolumbus fühlen. Bild links: Sigi und Michael

Da war tatsächlich weit mehr als nur ein wenig Neugier, als wir das Schiff, unser Schiff, sahen.

Zuerst konnte ich mir nicht recht vorstellen, wie wir hier aus dem Hafen herauskommen würden, denn da war ja die Kaiser Wilhelm Brücke unseren hohen Masten im Weg. Aber schon vor zwei Jahren sah ich diese Brücke und erkundigte mich darüber. Sie ist geteilt, man kann beide Hälften zur Seite drehen. Das ist des Rätsels Lösung. Mit einem tiefen Blubbern erwachte der Motor zum Leben, dann die Leinen los und ab ging die Fahrt, vorbei an der zur Seite gedrehten Wilhelms Brücke und schnurstracks in die Falle. Unmittelbar nach der Brücke lauerte ein U-Boot auf uns, noch dazu in Begleitung eines Zerstörers! Was nun? 2009_friesland_jade_10

Halb so schlimm. Da steht tatsächlich ein Zerstörer. Allerdings wurde der Mölders schon vor einem Weilchen, wegen schwerer Trunksucht der Maschinen, aus dem Verkehr gezogen und steht nun, gemeinsam mit der U-10 und einem Minenräumer, am Gelände des Marine Museums festgemacht als Touristenattraktion bereit, für ein paar Euronen besichtigt zu werden. Ich besuchte mit Michael vor zwei Jahren dieses Museum und genoss einen Rundgang in und auf dem Mölders wie in der U-10. Wer kann schon von sich behaupten, einen echten Kapitän der Kriegsmarine als Führer zu haben? Ich schon! In Friedenszeiten herrlich interessant anzuschauen und auch etwas gruselig, im Kriegsfall kein Fall für mich. Wasser hat bekanntlich keine Balken.

2009_friesland_jade_11 Dieser Umstand machte mir auch bei der Fahrt auf der Hendrika Bartelds ein wenig Sorgen, denn im Gegensatz zu Flugzeugen, wo, wie man sagt, ja nichts passieren kann denn „Oben geblieben ist noch keiner!“ wünschte ich mir diesmal doch sehr, dass wir oben blieben. Nach den Sicherheitsinstruktionen, die wohl jeder Passagier über sich ergehen lassen muß, waren meine Bedenken aber zerstreut. Die Ausführungen des 1.Offiziers machten mir klar, dass es nichts lustigeres auf See geben könnte, als zu kentern und anschließend zu ertrinken.

Bald war die Schleuse des Hafenbeckens überwunden, dann wurde der Motor abgestellt und die Segel gehisst. Teufel, das war ein Spektakel. Jeder, der wollte, konnte sich an der Arbeit beteiligen und so zogen und hielten wahllos durcheinander Männlein und Weiblein die Seile und befolgten die Kommandos des Seemanns. Langsam konnte man sich etwas unter einem Segelschiff vorstelle. Immer mehr Segel wurden hochgezogen, bis auch das Letzte gehisst und unser Dreimast Toppsegelschoner in seiner ganzen Pracht aufgetakelt war. Herrlich!!!2009_friesland_jade_12

Lautlos glitt nun unser Schiff dahin, der offenen See entgegen. Sicher, wir würden bald wieder umdrehen müssen, denn gegen 17 Uhr sollten wir wieder im Hafen anlegen. Aber was wäre……….???

„Michael, sag einmal, wo würden wir hinfahren, wenn wir immer diese Richtung weiterfahren?“ Er überlegte kurz, dann meinte er „Nach England“. „Aha„ dann fahren wir jetzt praktisch wieder gegen Engelland!“ Jetzt traf mich von Sigi wie auch von Michael ein kurzer, fragender Blick, dann ein Grinsen und die Bestätigung. „Wenn man es so sieht, dann fahren wir jetzt tatsächlich wieder einmal gegen Engelland.“

An diesem Tag hatten wir auch mit dem Wetter Glück. Der Himmel war bewölkt, es war relativ kühl und der Wind blies schön, gerade richtig zum Segeln. Was wir am Vortag getan hätten, dass wäre eine interessante Frage. Bei Hitze kann man wohl segeln, aber bestimmt nicht ganz ohne Wind, oder? Wind gabs am Vortag nicht die leichteste Brise. Vielleicht wären wir dann mit Motorkraft so lange auf der Suche nach Wind herumgefahren, bis der Treibstoff ausgeht. Keine Ahnung. Unser Segelwetter 2009_friesland_jade_13 war jedenfalls perfekt. Bei der Rückfahrt in den Hafen hatten wir uns schon einigermaßen satt gesehen und eine günstige Stellung am Dach des Speisesaales bezogen. Günstig schon deshalb, weil hier immer wieder eine nette Dame mit einem Tablett Butterkuchen vorbeikam, die uns auch immer wieder ein oder gar mehrere Teile davon abgab, bis wir dankend ablehnten. Selbst wir wurden einmal satt und ließen, in einem Seilhaufen (oder waren es Segel? Ich weiß es nicht mehr) liegend, den Herrgott einen guten Mann sein. Es war so herrlich ruhig, so entspannend. Ab jetzt hätte ich es noch ein paar Tage hier ausgehalten. Man lernt das Schiff ein wenig kennen, die erste Aufregung legt sich, dann kommt die Ruhe und Gelassenheit. Das ist pure Entspannung.

Aber leider hat jeder Tag, auch wenn er noch so schön ist, einmal ein Ende, so auch dieser. Einfahrt in den Hafen, Durchschleusung, Vorbeifahrt am Mölders mit seinen Begleitern und dann…………..?

Ein Empfang wurde uns bereitet, als kämen wir als Befreier, nicht als Eroberer….ähhh…… als Touristen, meine ich. Die lang gestreckte Kaimauer war vollgestopft mit Leuten, die uns, den Helden, beim Einlaufen zusahen. Wie Christoph Kolumbus vor New York stand ich am Dach des Speisesaales und nahm die Ovationen der Massen entgegen. Sogar Klaus, Mutze und Eva waren gekommen, um die Eroberer der Meere zu empfangen. 2009_friesland_jade_14

Tatsächlich war es schön, unter den vielen Leuten bekannte Gesichter zu sehen, und was mich am meisten freute, das war, dass ich Österreicher da heroben Leute kenne. Dieser Gedanke freut mich immer wieder. Ohne dieses Internet, das, da bin ich noch heute sicher, zum größten Teil nichts wirklich Brauchbares enthält, und vor allem ohne die Einladung vom Michael 2007, wäre ich gar nie dort oben gewesen. Nicht vor zwei Jahren und nicht dieses Mal. Höchstwahrscheinlich überhaupt nie in meinem Leben, denn wer fährt sonst schon freiwillig nach Friesland?

Heute denke ich anders über Friesland als vor einigen Jahren, wo ich außer den Friesenwitzen nichts über diesen Landstrich wusste. Heute weiß ich, wie schön es dort oben ist und vor allem weiß ich heute, dass dort oben wunderbare Menschen leben. Darunter sind sogar einige, die meine Freunde sind.

Sonntag, 5. Juli – Die Brücke von Dykhausen und die Heimfahrt

Obwohl wir schon seit gut ½ 6 Uhr wach waren und um 6 Uhr abfahren wollen, saßen Michael, Sigi und ich bis nach ½ 7 beim Frühstückstisch und unterhielten uns. Es trieb uns ja nichts an, niemand war auf der Flucht. Dann starteten Michael und ich die Motorräder, Sigi das Auto, und wir fuhren zusammen der Autobahn entgegen. Dabei überquerten wir wieder die Brücke von Dykhausen, wo Michael zu meiner Freude stehenblieb. Leichter Dunst schwebte über dem Wasser, hing über den Wiesen und mich ärgerte, dass ich immer noch nicht sicher wusste, was das war, wo die Brücke drüberführte. Ein Bach konnte es nicht sein, denn Bäche entspringen einem Berg, und so etwas gibt es hier nicht. Also ein Kanal. Aber wie heißt er? Ich hatte irgendetwas mit Ems im Kopf, wusste aber nicht, woher. „Die Ems“ schwebte mir im Kopf herum, aber warum? Ich lag aber gar nicht so falsch. Eines der ersten Dinge, die ich daheim tat nach der Rückkehr, war, nachzuschauen, was das ist, das man auf der Brücke von Dykhausen überquert.

2009_friesland_jade_15 Es ist der Ems-Jade Kanal. Mit einer Länge von 72.3km verbindet er Emden mit Aurich und Wilhelmshaven. Er wurde von 1880 bis 1888 gebaut. Eine Geschichte erzählt, dass, als Reichskanzler Otto von Bismark zur Eröffnung dieses Kanals eingeladen wurde, der ablehnende Bescheid mit folgenden Worten Bismarks begründet wurde: „Wegen dieser Kuhrinne begebe ich mich nicht ins unwirtliche Ostfriesland!“

Diese Kuhrinne geht mir seit der Rückfahrt nicht aus dem Kopf und ich frage mich, ob man sie nicht einfach mit einem Boot befahren könnte? Einfach mit einem Boot den ganzen Kanal abfahren, ohne Streß und Eile Friesland erkunden, wie ein Pfadfinder! 72km, das ist doch nicht die Welt! Die Brücke von Dykhausen hat mir diesen Floh in den Kopf gesetzt. Die Frage ist nur, will jemand mitkommen?

Dieser kleinen Pause folgte bei der zweiten Abfahrt, wie vor zwei Jahren, eine weitere Pause, dann der Abschied. Michael fuhr zurück nach Schortens, Sigi und ich begaben uns auf die lange Heimfahrt nach Heilbronn beziehungsweise nach Österreich. Durch Sigi verlief die Fahrt auch auf weiten Strecken anders als alleine, denn mit zunehmender Strecke gewöhnte ich mich an den blauen Fiat vor oder hinter mir, je nach Verkehrslage. Nach zwei Stopps unterwegs wollten wir eigentlich vor Würzburg nochmals halten und ein wenig plaudern, aber die aufleuchtende Ölkontrolle und ein rascher Stopp zum Nachfüllen an einem Parkplatz brachte etwas Konfusion ins Spiel. Ich hatte einfach nicht damit gerechnet, dass Sigi trotzdem auf mich warten würde, ich dachte, da ich ja vor ihm war und er nicht wissen konnte, dass ich kurz stehenblieb, würde er an der Raststätte niemand sehen und glauben, ich sei einfach weitergefahren. Das war leider ein Irrtum. Er hatte tatsächlich trotzdem gewartet. Wir hätten uns noch einmal zusammensetzen können. Schade, aber so spielt das Leben manchmal. Wir werden uns aber bestimmt wieder irgendwo treffen, und sei es nächstes Jahr wieder an der Jade.

Durch diesen ungeplanten Halt war ich wieder alleine und zog ohne blauen Punkt im Spiegel weiter, Österreich entgegen. Das alles wäre nicht mehr erwähnenswert, wenn mich nicht bei Straubing ein Gewitter erwischt hätte, dass mich fast von der Autobahn spülte. Schreck laß nach, das war ein Unwetter! Es war ja noch gar nicht spät, gerade früher Nachmittag, da wurde es dunkel, als würde man in einen Tunnel hineinfahren. Dieser Zustand blieb aber blöderweise über eine längere Strecke so, ohne dass der Himmel seine Schleusen öffnete. Sicherheitshalber hatte ich aber schon die Regenkleider angezogen, und das war nicht verkehrt, denn bei Straubing ging die Welt fast unter. 2009_friesland_jade_16

Es schüttete, dass man die Hand fast nicht mehr vor den Augen sah. Es schüttete dermaßen, dass mir echt der Arsch ging, denn ich befand mich doch immerhin auf einer gut befahrenen Autobahn! Im Dunkeln des Nachmittages erhellten immer wieder Blitze den Himmel, dann folge ein mörderischer Donnerschlag. So stellt man sich ein Gewitter in einem Gruselfilm vor, aber ich war Live mitten drinnen, statt nur dabei (oder wie dieser blöde Werbespot heißt). Bis Ried regnete es gehörig, dann ließ der Regen dankenswerter Weise nach und hatte bei Ansfelden ganz aufgehört. An einem Parkplatz noch eine Zigarette, dann ein paar Kilometer fahren und ich war nach rund 2300km Fahrt wieder daheim.

So eine Reise kann nie ein Erlebnis sein, wenn nicht wunderbare Leute dahinterstecken, die Zeit und Mühe in Kauf nehmen, damit das Erlebnis auch tatsächlich stattfindet.

Herzlichen Dank an meine Gastgeber Lara, Karen und Michael.

Herzlichen Dank an Klaus und Anke für den wunderbaren Grillabend.

Herzlichen Dank an Axel und Georg für die Begleitung und die schöne Tour.

Danke an Sigi. Du warst ein prima Kumpel.

Danke an Mutze, Eva und Sonja, dass ich euch kennenlernen durfte.

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