Die Geschichte der Shanghai Watch Factory, wie sie heute besteht, und wenn man ihre Entstehungsgeschichte in Betracht zieht, ist ein wenig kompliziert darzustellen. Uhren wurden in Shanghai seit den 50er Jahren gebaut. Die Uhrwerke wurde importiert und in eigenständig hergestellte Gehäuse verbaut. Das Ziel war aber, in China eine eigenständige, von Importen unabhängige Uhrenindustrie zu gründen. Deshalb wurde gegen Ende der 50er Jahre auch in Shanghai eine Uhrenfabrik gegründet, die darauf abzielte, eigenständig komplette Uhren herzustellen. Die Entwicklung dieser Uhrenindustrie in Shanghai kann man HIER nachlesen. Grob gesagt entwickelte sich im Raum Shanghai eine ganze Reihe von Uhrenfabriken, die bis in die Zeit der Quarzuhren hinein den Produktionsausstoß ständig vergrößerte. Bis 1990 betrug der Gesamtausstoß aller Produktionsstätten Shanghais weit mehr als 100 Millionen Uhrwerke und Uhren. Den Sowjets, die sich technologisch den Chinesen immer weit überlegen fühlten – über weite Zeiträume hinweg nicht zu unrecht – müssen bei diesen Zahlen die Augen übergegangen sein. Durch politische und wirtschaftliche Veränderungen in China fand aber auch die Pleite Einzug in die chinesische Wirtschaft. Um 1990 lag trotz der immensen Produktionszahlen die Shanghaier Uhrenindustrie am Boden. Ihre Art zu arbeiten rechnete sich nicht mehr, der Markt war weitgehend gesättigt, Chinesen kauften auch lieber ausländische Uhren. So kam es zum großen Umkrempeln. Weite Teile der Uhrenfabriken wurden zu neuen Firmen zusammengefasst, unprofitable Teile verkauft oder stillgelegt. Der direkte Nachfolger der ursprünglichen Shanghai Uhrenfabrik/en soll die heutige Shanghai Watch Industrie Co. sein. Offenbar gibt es im Raum Shanghai aber auch heute noch einige andere, private Uhrenfabriken. Wer genauer nachforschen will, dem wünsch ich viel Spaß und noch mehr Ausdauer dabei. Nun zu dieser Uhr.
Der Händler aus Shanghai, bei dem ich sie kaufte, schreibt zu dieser Uhr, die Uhrenfabrik hätte sie zur Erinnerung an das erste selbstständig in Shanghai gefertigte Uhrwerk “Shanghai A851” auf den Markt gebracht und deshalb das neueste 35 Steinige Shanghai Kaliber RK4 für diese Uhr in “Shanghai 851-5” umbenannt. Ob das zu einem bestimmten Zeitpunkt anlässlich eines Jubiläums statt fand, oder weil einfach grade Zeit dazu war, ist mir unbekannt. Ich hatte dieses Modell beim Stöbern gefunden und irgendwie sofort ins Herz geschlossen. Ich trag sie auch jetzt, während ich dies schreibe, und ich trag sie schon seit Tagen. Sie geht auch sehr genau. Was ich an dieser Uhr so reizvoll finde, ist eine Kombination aus mehreren Dingen.
Erstens die angenehme Größe. Ich mag keine riesigen Uhren, wie sie teilweise heute modern sind. Der Durchmesser beträgt, mit einem Maßband ohne Krone gemessen, 38mm. Die Dicke wird offiziell mit 13mm angegeben, beträgt mit der Schiebelehre gemessen aber 14.4mm. Rein Optisch, in der Hand gehalten, scheint das ein ziemlich dicker Brocken zu sein, auf den Arm geschnallt, was mit der Butterfly-Schließe sehr flott und bequem geht, schaut das ganz anders aus. Sie trägt sich bequem und wirkt dann durch ihre gestufte Bauweise – die untere Hälfte hat eine wesentlich geringeren Durchmesser als die obere Hälfte – sogar sehr flach. Was mir persönlich sehr gut gefällt, ist das Zusammenspiel aus der Gestaltung des Ziffernblattes, den langen, schlanken Zeigern für Stunde und Minuten, dem gepfeilten und gebläuten Sekundenzeiger, der bei richtigen Lichteinfall wunderschön blau aufleuchtet, dem kleinen, gewundenen Zeiger der 24 Stunden Anzeige und den römischen Ziffern, die zusammen mit dem fünften Zeiger für die Anzeige des Datum ein wunderbar abgerundetes Bild ergeben. Sicher, Aussehen ist Geschmackssache, und über Geschmack kann man wunderbar streiten. Mit gefällt’s jedenfalls.
Ob die 24 Stunden Anzeige sinnvoll ist oder nicht, auch darüber kann man streiten. Beim Einstellen des Datum macht sie sich jedenfalls angenehm bemerkbar, weil man weiß, wann der Zeiger springen wird und ob er springen wird, was hilfreich sein kann, wenn die Uhr länger gelegen ist. Hilfreich ist auch, dass es sich bei diesem Uhrwerk um ein Automatikwerk handelt, sonst müsste man sich eine andere, etwas größere Krone wünschen. Aber zum Ankurbeln des Uhrwerkes und zum Einstellen der Uhrzeit wie des Datum reicht die vorhandene Krone bei weitem aus. Wem wirklich langweilig ist, der nimmt die Uhr ab und dreht sie um. Durch den Glasboden kann man dem Werk beim Werkeln zusehen. Ob das zu sehende Uhrwerk schön genug verziert ist oder nicht, ist Ansichtssache, in der Hauptsache aber eine Preisfrage. Wie viel Aufwand darf man für $265.- erwarten? Wem das Gebotene zu schlecht ist, der kann ja einmal bei einem Schweizer oder Deutschen Hersteller nachfragen, was er für diese Summe bekommt. Ich finde, wenn man die knallrote, dick gepolsterte Kunstlederschatulle öffnet, in der sie geliefert wird, hat man schon ein Prachtstück vor Augen. Das liebevoll gestaltete User Manual, das zugleich Garantiekarte ist, rundet das Bild angenehm ab. Man sollte sich von dieser Bedienungsanleitung aber nicht zu viel erwarten. Neben den Worten “Shanghai” und “USER MANUAL” gibt es nur mehr ein paar Worte des Garantie-Teiles, die sich mit Englischkenntnissen lesen lassen, der Rest ist in Chinesisch gehalten. Viel Spaß beim Lesen und………..
Einen schönen Tag noch………………….