Amstetten – Abetzdorf – Seitenstetten – St.Michael am Bruckbach – Wieserhöhe – St.Georgen in der Klaus – Böhlerwerk – Windhag – St.Leonhard am Wald – Gresten – Gaming – Grubberg – Zellerain 1121m – Erlaufsee – Mitterbach – Josefsberg 1012m – Wienerbruck – Wastl am Wald – Puchenstuben – St.Anton an der Jeßnitz – Scheibbs – Gresten – Randegg – Hochkogel – Amstetten
Streckenlänge: 200km Zeit: 5Std 30min
Die besten und schönsten Geschichten des Lebens schreibt nicht selten der Zufall. Ich dachte, witterungsbedingt, die letzten Wochen, ja sogar Monate nicht einmal ansatzweise an´s Motorrad fahren, doch gestern beendete ich gegen 18:00 Uhr eine wunderschöne Tour. Wie es dazu kam, davon erzähl ich hier. Bild links: Von St.Michael/Bruckbach Blick nach Norden
Am Dienstag, meinem ersten freien Tag, war ich mit dem Auto in die Gegend um Mürzzuschlag gefahren. Natürlich hatte ich auch da eine Kamera und ein paar Objektive in der Tasche. Ohne Kamera gibt´s mich praktisch im Privatleben nicht. Das Wetter war an diesem Tag wieder einmal sehr abwechslungsreich. Wenn ich in einer Schönwetterphase grade im Gedanke ans Motorrad fahren abschweifen wollte, so nach dem Motto „Mensch, wieso bist du nicht mit dem Motorrad gefahren?“, stürzte entweder ein wolkenbruchartiger Regenschauer auf mich herab oder es begann zu schneien. Besonders schlimm war es bei der Heimfahrt am Zellerain und am Hochkogel, kurz vor meiner Heimat. An der Steirisch-Niederösterreichischen Grenze regnete es, was das Zeug hielt, und am Hochkogel kamen mir die Graupel aus einer weißen Wand waagrecht entgegen. Da kommt beim besten Willen kein Wunsch nach Motorrad fahren auf. Dass ich genau einen Tag später mit der blauen Elise eine traumhafte Runde drehen würde, wäre mir niemals in den Sinn gekommen. Ich hätte jeden zum Deppen erklärt, der mir das prophezeit hätte. Bild rechts: Abfahrt zur Wieserhöhe
Gestern in der Früh kannte ich den Wetterbericht natürlich nicht, sah nur, dass es nicht geschneit hatte und dass es nicht sonderlich kalt war, also packte ich wieder eine Kamera und ein paar Objektive in die Tasche und zog mit dem Auto los. Irgendwo würde das Wetter schön sein, und wenn ich Glück hatte, würde ich wieder zu ein paar schönen Aufnahmen kommen. Fotografieren ist für mich einfach ein schöner Zeitvertreib, und selbst wenn ich kein schönes Motiv finde macht das nichts aus. Ich streune gerne durch die Gegend. Zur Not und wenn die Witterung unbeständig ist, auch mit dem Auto. Bild links: Blick von St.Georgen an der Klaus ins nördliche Ybbstal
Ich fuhr einfach in die Richtung, die mir der Bewölkung nach am schönsten schien, und so kam ich in die Gegend um Mauthausen und Pregarten im Mühlviertel. Das Wetter war ein Traum und die Sicht in den Süden, in die Steiermarkt ebenfalls. Ich verwarf meinen ursprünglichen Gedanken, in die Tschechei zu fahren und schaltete das mitgenommene Navi ein. Ziel: Grein – Kurvenreiche Strecke. Dann folgte ich einfach den Anweisungen und kam in eine Gegend, die ich 1. schon einmal mit dem Motorrad fuhr – ebenfalls mit dem Navi und ebenfalls auf´s grade Wohl „Kurvenreiche Strecken“ – und die mir 2. immer deutlicher machte, wie schön es an diesem Tag in der Steiermarkt sein müsste. Der Ausblick zum Ötscher war immer präsent und grandios. Immer größer wurde dabei der Drang, Heim zu fahren, die dicke Elise zu starten und in den Süden zu rollen, der Sonne und dem Ötscher entgegen. Oder wenigstens ungefähr in diese Richtung. War ja im Prinzip egal, dachte ich. „Ich will wieder Motorrad fahren!“ war plötzlich das Einzige, was mir durch den Schädel ging.
Da war es allerdings schon gegen Mittag. Überschlagsmäßig rechnete ich mir aus, wenn ich ohne Umweg nach Hause fahr, müsste ich gegen halb eins daheim sein und gegen eins am Motorrad sitzen. Ich hatte mich nur ein wenig verrechnet. Bild rechts: Basilika am Sonntagberg von St.Georgen an der Klaus gesehen.
Viele tolle Touren beginnen beim Bachlerwirt in Abetzdorf. Ziemlich genau um 12:45 Uhr stieg ich dort von der blauen Elise und ging einen Kaffee trinken. Die Lisl hatte beim Starten etwas gezickt und brauchte Unterstützung von der Autobatterie. Aber dann sprang sie sofort an und brummte etwas unwillig vor sich dahin. Scheinbar hatte ich sie ein wenig überraschend aus dem Winterschlaf geweckt. Noch unwilliger wollte sie die ersten Meter fahren, als wäre sie böse, aus der warmen Garage gerissen zu werden. Als sie sich aber erwärmt hatte, lief sie so gleichmäßig und zuverlässig wie immer.
Plan hatte ich absolut keinen, nur eine ungefähre Vorstellung. Nach Seitenstetten wollte ich fahren, und dann über St.Michael am Bruckbach zur Most-Höhenstraße rauf, die ich im Winter so oft mit dem Auto fuhr, die Landschaftlich so ungemein reizvoll ist. Gesagt, getan. Nach der Kaffeepause trug mich meine Elise willig in die Hügellandschaft des Mostviertels und ließ mich die tolle Aussicht in die verschneiten Berge der südlichen und westlichen Umgebung genießen. Öfters hielt ich an, fotografierte und bewunderte die Schönheit der Natur. Dann ertappte ich mich bei einer Blödheit. Bild rechts: Die Ybbs bei Böhlerwerk
Wieder hatte ich für ein Foto angehalten, und wieder beeilte ich mich anschließend, die Kamera (ich hatte eine alte Canon FTb, ein Weitwinkel und ein Zoom mitgenommen) im Tankrucksack zu verstauen, um weiter zu kommen. Es war ja schon nach 13 Uhr, ich hatte nicht viel Zeit. „Keine Zeit? Ich? Heute? Wo ich doch frei hab?“ Ich wurde wütend. „Wenn ich an einem freien Tag keine Zeit hab, die Landschaft zu genießen, obwohl ich doch nur zum Zeitvertreib durch die Gegend fahre, wann hab ich dann Zeit, verdammt noch einmal? Wenn ich jetzt keine Zeit hab, einfach hier stehen zu bleiben und mir die Schönheit der Natur anzuschauen, dann mach ich was ganz gravierend falsch!“ Ich zog die Handschuhe wieder aus, nahm den Helm ab und zündete mir eine Zigarette an. Ja, im Prinzip rauche ich nicht mehr, aber in so einem Moment zünde ich mir eine an, weil ich es will und weil es schön ist, hier zu stehen und eine zu rauchen, auch wenn mir danach der Schädel brummt. Es genügt, wenn ich das so will, weil ich Zeit und Lust dazu hab!
Rechts: Waidhofen an der Ybbs von Nordosten gesehen – Mitte: Blick von Windhag zum Ötscher – Rechts: Enten bei der Turlmühle
Bei meiner gemütlichen Fahrt über die Höhenstraße begann ein Plan zu reifen. Nach Westen und über den Hengstpaß fahren müsste schön sein. Aber dort war die Bewölkung wesentlich dichter als gradewegs im Süden, beim Ötscher, drum dachte ich, „Was soll´s? Wieso fahr ich nicht einfach zum Zellerain, um bei der Gabi einen Kaffee zu trinken?“ Bild links unten: Erster Blick auf den Scheiblingstein, vom Grubberg kommend.
Gemütlich brummte die Elise hinunter nach Böhlerwerk, dann nach Windhaag hoch und auf der Südseite nach St.Leonhard am Wald. Mann, was für ein Ausblick sich mir überall bot! Die Hügel des Nordens, dort wo ich grade war, leuchteten alle in sattem Grün, während die Berge im Süden alle dick in gleißenden Schnee gehüllt waren. Eine Pracht sondergleichen. Mit einem breiten, ich möchte fast wetten dämlichen Grinsen im Gesicht – gottlob vom Helm verdeckt – fuhr ich in immer schneereichere Landschaft und erreichte nach Gaming den Grubberg und etwas später kurz unterm Zellerain die kleine, verlassene Holzfällersiedlung Neuhaus, wo ich noch am Vortag aus dem Auto heraus, im starkem Regen und stürmischem Wind, die Häuser nur schämenhaft wahrnehmen konnte. Keine 24 Stunden später hatte ich jetzt blauen Himmel über mir und es war angenehm warm. Rechts: Neuhaus
Na ja, sagen wir so, es war nicht kalt, das kommt der Wirklichkeit am nächsten. Jedenfalls hatte ich sicherheitshalber die Griffheizung eingeschaltet. Aber sonst war mir nicht kalt. In Neuhaus beginnt man ja schon an der tausend Meter Marke zu knabbern und hat sie beim Alpengasthaus am Zellrain um 121m überschritten. Da oben liegt auch noch reichlich Schnee.
Kurz vorm bezahlen sagte ich noch auf die Frage eines Gastes, wo ich den jetzt noch hin fahren müsse, „Nach Amstetten, weil ich dort wohne. Vielleicht spiel ich aber blöder Hund und fahr über Puchenstuben? Ich will ohnehin den Erlaufsee fotografieren. Wenn ich schon da unten bin, kann ich auch gleich über den Josefsberg fahren“. Ich wusste noch nicht, ob ich wirklich so fahren wollte, aber es fiel mir grade so ein.
Rechts und Links: Anfahrt zum Zellrain und Alpengasthof Engleitner am Zellrain
„Das ist aber ein Umweg“, meinte der Gast. „Nein“, antwortete ich. „Ein Umweg wäre es, wenn ich schnurstracks von A nach B wollte, aber ich hab gar kein genaues Ziel, außer dass ich heute irgendwann wieder daheim sein will. Der Weg ist mein Ziel!“ „Aha“, meinte der Gast und schaute mich etwas merkwürdig an. Vielleicht hegte er den gleichen Gedanken, den ein bayrischer Polizist vor ein paar Jahren im Zuge einer Verkehrskontrolle – ich war auf der Bayrischen Alpenstraße mit dem Auto irgendwo in der Gegend um Reith im Winkel verdächtig langsam gefahren – aussprach? Der sagte mir damals, als ich seine Frage, wohin ich wolle mit „nirgends, ich fahr nur spazieren“ beantwortete, „na ja, wenn sie nichts besseres zu tun haben, als dem Herrgott seine Zeit zu stehlen, dann wünsch ich ihnen noch eine gute Fahrt“, und zog schmollend von dannen. Seine Kollegin konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen und nickte mir freundlich zu. Der Gast vom Zellerain sagte gar nichts drauf, und es war gut so. Bild links: Das Mariazeller Land vom Zellrain aus gesehen
Gemütlich rollte ich die Südrampe dieser jetzt (vor dem Umbau war das eine grauenhaft schlechte, extrem steile und im Winter nicht ungefährliche Straße) prachtvollen Straße hinunter, genoß die Aussicht auf die Zellerhüte (die ich alle schon bestieg) und hielt am Erlaufsee für ein paar Fotos. Grade als ich wieder die Kamera verstaute, kam eine Kutsche mit einem Haflinger als Vorspann des Weges. Ich zückte die Digi-Knipse und hielt diesen hübschen Anblick fest, was die Fahrgäste, vermutlich steirische Urlauber, der Aussprache nach, neugierig machte. „Ah, jetzt bekommen wir ein Foto“ meinte einer. „Ist es dir nicht zu kalt?“ ein anderer. „Da sieht man, dass auch ein PS Spaß machen kann“, meinte ich grinsend und fuhr fort „Nein, mir ist nicht kalt. Für mich ist das mit dem Motorrad genau so schön wie für euch mit der Kutsche“. Sie lachten zustimmend, hoben die Hände zum Gruß und zogen mit ihrem Einspänner weiter, so wie ich mit der Elise. Rechts: Die Gemeindealpe über dem vereisten Erlaufsee
Am Josefsberg, der etwa so hoch ist wie der Zellerain, liegt ebenfalls noch reichlich Schnee, dementsprechend „warm“ war´s auch dort oben, aber Dank der Griffheizung und der warmen Wäsche unter der Lederkombi fand ich das trotzdem recht angenehm. Ein bisschen kühl schadet nicht und ist in den Bergen, vor allem um diese Jahreszeit – wir haben ja nach dem Kalender noch Winter! – ganz normal. Da war mir am Glockner beispielsweise, so um 1980 und mitten im Sommer, schon wesenlich kälter. Oder bei der Fahrt zum Elefantentreffen am Salzburgring 1980. Mann, da war uns kalt. Dagegen war´s am Josefsberg direkt sommerlich warm. Allerdings bin ich jetzt über 30 Jahre später auch nicht mehr ganz so hart im nehmen.
Die Fahrt über Wastl am Wald und Puchenstuben nach Sankt Anton an der Jeßnitz war schön, aber mit Vorsicht zu genießen. Immer wieder lag Schnee auf der Straße, wie er von den tauenden Schneewänden, die die Fahrbahn zum größten Teil der ganzen Strecke bis zu über einen Meter hoch begrenzen, auf die Fahrbahn rutschte. Vor allem lag teilweise viel feiner Sand – kein Rollsplitt! – auf der Straße. Bei der letzten Linkskehre vor Wastl am Wald wurde es richtig unangenehm, weil Matsch teilweise die Straßen bedeckte. Gottlob war es sehr weicher Matsch, der die Reifen leicht auf die Asphaltdecke durchdringen ließ und ich so nicht rutschte. Mit den breiten Straßenreifen kann Schneematsch unheimlich unangenehm werden.
Links: Ötscher Südseite von der Klausbauernkurve – Ötscher Südostseite bei der Abfahrt vom Josefsberg – Ötscher mit rauem Kamm vom Parkplatz an der Abfahrt vom Josefsberg – Rechts außen: Seltener Anblick. Gemeindealpe (links) und Ötscher nebeneinander.
Ein ungemein witziges Erlebnis hatte ich am Ortsausgang von St.Anton an der Jeßnitz, wo man so schön auf das weit die Straße überspannende Aquädukt der II. Wiener Hochquellenwasserleitung sieht. Ich hielt an, bewunderte (vermutlich zum 1000ten Mal) dieses nun schon über hundert Jahre alte Bauwerk und genoß nach längerer Fahrt in der Kälte die spärlichen, aber doch noch wärmenden Sonnenstrahlen, als ich etwas seltsames bemerkte.
Szenen aus der kleinen Ortschaft Wastl am Wald
Da saß eine Ente schräg gegenüber auf der Leitschiene! Ja, kein Witz! Die saß schwankend, wie besoffen, auf der Leitschiene. Grade als ich lachend den Fotoapparat aus dem Tankrucksack holte, schwupp, flog sie über den Bach auf die Wiese und watschelte dort herum. Ich schoß ein paar Bilder, schüttelte lachend den Kopf und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die Gegend. Da kam die Ente wieder angeflogen. Diesmal von der Wiese über den Bach, und wieder landete sie auf der Leitschiene, wo sie schwankend sitzen blieb. Ich konnte mir – laut lachend – keinen Reim auf dieses Verhalten machen, bis mir so vor kam, als würde sie den Verkehr beobachten! Klar, die beobachtete den Straßenverkehr. Richtig abgebrüht und erfahren ließ sie Personen- wie Lastkraftwagen fast hautnah passieren, ohne in Panik zu verfallen. Manch Autofahrer stieg angesichts der schwankenden Ente auf der Leitschiene sogar voll in die Bremsen, aber die Ente schwankte ungerührt weiter und beobachtete. Und als weit und breit kein Fahrzeug zu sehen war, flog sie über die Straße und über den Gartenzaun ins Grundstück nebenan, wo sie sich watschelnd hinter die Hütten vertrollte. Die war das scheinbar gewöhnt und kannte den Straßenverkehr. Noch jetzt, einen Tag später, breche ich beim Gedanken an diese Ente in schallendes Gelächter aus. Ich wünsch´ ihr ein langes Leben und dass ihr nix passiert.
Links: Blick von Puchenstuben in die Ötschergräben – Rechts: Abfahrt nach St.Anton
Am Hochkogel, ungefähr 10km vor meiner Heimat, hielt ich nochmals an und erlebte einen sagenhaften Sonnenuntergang. Es war knapp vor 18 Uhr. Im Westen verdeckten immer dickere Wolken die Sonne, im Süden hingegen stand der Ötscher in seiner weißen Pracht fast zwei Kilometer hoch unter blauem Himmel, nur ganz leicht mit hellen, dünnen Wolken umrahmt. Ich schoß einige Fotos und wollte schon einpacken – für die FTb hatte ich auch keinen Film mehr – da öffnete sich die dicke Wolkendecke im Westen nochmals einen Spalt und ließ das Sonnenlicht genau auf den Ötscher fallen. Ich stand da und staunte. So schön hatte ich diesen Berg noch nie gesehen. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und gottlob hatte ich ja noch die Digitalknipse eingesteckt.
Szenen mit Ente aus St.Anton an der Jeßnitz
Heute, keine 24 Stunden später, reinigte ich meine treue XJR vom Dreck und Salz, dass sie zweifellos zuhauf abbekommen hatte, und war dabei in eine dicke, warme Jacke gehüllt. Dicke schwarze Wolken bedecken den Himmel, es ist kalt und im Süden, wo gestern am Abend der Ötscher leuchtete, ist es zappenduster. Kein Ötscher in Sicht.
Abenddämmerung in der Steiermarkt – vom Hochkogel aus gesehen. Zum Ötscher sind es von hier aus rund 40 Straßenkilometer.