Amstetten – B121 Waidhofen/Ybbs – Gaflenz – Weyer – B115 Altenmarkt bei St.Gallen – B117 – Buchauersattel 861m – Admont – L713 Kaiserau – Trieben – B114 – Hohentauern 1274m – Möderbrugg – Pöls – B114a – St.Georgen ob Judenburg – Scheifling – B96 Murau – B97 Predlitz – B95 Turracherhöhe 1795m – Nockalmstraße – Kremsbrücke – B99 Gmünd – L10 Lieserhofen – L9 Lendorf – E66 Möllbrücke – B106 Mölltalstraße – Obervellach – Winklern – B107 Döllach – Heiligenblut – Großglockner Hochalpenstraße – Bruck an der Glocknerstraße – B311 St.Johann im Pongau – B163 Wagrain – Altenmarkt im Pongau – B99 Radstadt – B146 Schladming – Lietzen – Admont – B117 Altenmarkt – B115 Weyer – B121 Amstetten
Streckenlänge: 658km Zeit: ca. 10 Std.
Den Glockner verkehrt herum fahren oder Unverhofft kommt oft
Unverhofft kommt oft. Eine absolut richtige Aussage, wenn ich an viele meiner Touren denke. Immer und immer wieder war es so, dass ich, ohne es geplant zu haben, mit dem Motorrad los fuhr und am Abend eine tolle, lange und erlebnisreiche Tour hinter mich gebracht hatte. Und noch etwas haben solche Touren gemeinsam. Sie entstehen meist in einer Periode sehr unstabilen Wetters. Genau wie diesmal.
Seit tagen war das Wetter sehr unbeständig. Kaum dachte ich, ich hätte etwas Zeit, ich könnte etwas unternehmen, schon regnete es wieder. Nur letzten Samstag erwischten wir auch so ein tolles Wetter, der Hans, der Leo und ich. Wie vor über 30 Jahren zogen wir wieder mit den Motorrädern herum und hatten unseren Spaß. Dann gings wettermäßig bergab. Mich störte das nicht besonders, denn ich mußte ohnehin arbeiten, aber irgendwie zipfte mich das auch an, denn mir fehlte was. Jedes Jahr fahr ich zumindest einmal zum Glockner. Ich schau immer, dass ich gleich nach der Eröffnung fahren kann, weil da meist noch viel Schnee oben liegt, was sehr schön anzuschauen ist. Dieses Jahr hatte ich entweder keine Zeit, oder es regnete. Wie oft hatte ich mir heuer schon nach der Eröffnung vorgenommen „Am xxx fahr ich zum Glockner!“ Oder „Morgen fahr ich zum Glockner!“ Jedes einzelne Mal war das Wetter dermaßen beschissen, dass ich keine Lust hatte zu fahren. Ich hab wirklich kein Problem, bei Nässe Motorrad zu fahren, aber ich muß bei so einem Kackwetter nicht zum Glockner fahren. Wozu? Ich würde doch gar nichts sehen! Nein, so eine Tour möchte ich genießen, möchte richtig Spaß dran haben.
Sicher, auch Regentouren hab ich schon genossen. Nicht nur eine, wohlgemerkt. Mit den richtigen Leuten zusammen kann das unglaublich Spaß machen. Oder sogar alleine, wenn ich gut drauf bin und auf sowas Bock hab. Da fahr ich aber nicht auf 2500m hoch! Leute, die Großglockner Hochalpenstraße führt ins Hochgebirge, nicht auf einen Hügel irgendwo in den Voralpen. Regen am Glockner, auch Nebel und leichten Schneefall, hab ich schon erlebt. Nicht unbedingt lustig. Muß man nicht haben.
Als ich gegen 6 Uhr erwachte, dachte ich im ersten Moment, ich seh nicht recht. Es regnete nicht. Ja, es regnete nicht nur nicht, blauer Himmel kündigte einen schönen Tag an! „He, Alter, wo schreiben wir das den hin?“, dachte ich und hüpfte aus den Federn. Dann begann die Qual. „Was mach ich den jetzt?“ Damit hatte ich doch überhaupt nicht gerechnet. Ich wollte eigentlich lange liegen bleiben, dann irgendwann aufstehen, mir Motorradrennen im Fernsehen anschauen und dann lesen, oder was weiß ich. Aber wenn die Sonne scheint, was dann? Daheim herum hocken ist doch in so einem Fall pure Zeitverschwendung! „Ok, ich fahr jetzt eine kleine Runde, am besten mit der Ace. Die hat neue Reifen drauf, das Pickerl ist neu gemacht, ich muß mich sowieso an sie gewöhnen, weil die heurige Pässetour naht. Nur mehr zwei Wochen, dann gehts los“.
Also in die alte Lederkombi geschlüpft, all meinen gewohnten Plunder eingesteckt, einen Helm gekrallt und auf in die Garage. Um halb acht stand ich in Kematen an der Tankstelle, machte den Tank voll und schlürfte einen Kaffee. Da wusste ich natürlich noch nicht, wo ich überhaupt hinfahren sollte.
Ich überlegte: „Wenn ich in die Wachau fahr, dann bin ich zum ersten Rennen locker wieder daheim. Ich kann aber auch ein Stück in die Steiermarkt fahren, sagen wir bis Großreifling, und dort über Gams und Göstling wieder zurück. Auch so würde ich locker bis zum ersten Rennen wieder daheim sein. Also trank ich aus, bezahlt hatte ich schon, und los ging die Fahrt.
Es machte von Anfang an Spaß, und von Anfang an war irgendwie klar, wenn das Wetter hält, dann pfeif ich auf die Rennen und fahr selber Motorrad. Weit vor Altenmarkt plante ich schon ganz anders als am Anfang. Während ich durch die Kurven der Ennstal Bundesstraße räuberte, überlegte ich den weiteren Verlauf der Tour. Ja, keine kleine Runde schwirrte mehr im Kopf herum, sondern eine Tour, und immer deutlicher machten sich Anzeichen einer ausgewachsenen Tour bemerkbar. „Zum Sölkpass?“, fragte ich mich. „Oder weiter? Noch viel weiter?“
Ich bog nach Admont ab, überwand den Buchauersattel und ließ in Admont die Tankstelle Tankstelle sein (normal kehre ich dort immer auf einen Kaffee ein), sondern drang in die Kaiserau vor und hatte schnell Trieben erreicht. Dort hing eine große Ankündigung: „Red Bull Ring 2. + 3. Juni DTM Läufe“
„Ach leckts mich doch am Arsch mit der DTM, wenn so ein schöner Tag ist und ich Motorrad fahren will!“ dachte ich und glühte gen Hohentauern hoch. Das macht Spaß, nicht zuschauen! Plötzlich war klar, was ich tun wollte. Ich würde mit Garantie nicht zu Mittag vorm Fernsehen sitzen. Ich wusste noch nicht, wo ich zu Mittag sein würde, aber sicher nicht daheim, das stand fest. Immer mehr geisterte ein Plan durch meinen Kopf, in dem die Nockalmstraße und der Glockner eine Rolle spielte. „Wenn das Wetter mitspielt, fahr ich zum Glockner, und zwar verkehrt herum!“ Verkehrt herum heißt, entgegen der Richtung, die ich sonst immer fahr. Erst einmal war ich „verkehrt herum“ gefahren, das war im Zuge einer Zweitagestour mit dem Werner, die uns ebenfalls über die Nockalmstraße und über den Glockner führte, aber auch runter in den Süden bis zum Lanzenpass, wo wir wegen einer Lawine umdrehen mussten. Lawine wird´s heute eher nicht geben, dachte ich, denn dazu war es in letzter Zeit zu warm, trotz Regen. Eigentlich sollte selbst am Glockner kaum mehr Schnee zu finden sein, dachte ich. Und lag falsch.
Bald hatte ich ein angenehmes Tempo gefunden, das mich rasch vorwärts bringen würde, das ich aber auch mit dem Bückeisen, der YZF1000R Thunderace, viele hundert Kilometer weit durchhalten konnte. Da war mir schon klar, ich würde mit den Kräften haushalten müssen, denn da kündigte sich eine sehr lange Tour an. Aber ich war so gut drauf, dass mir alles egal war. So, und genau so entstehen die geilsten Tagestouren. Scheißegal muß dir alles sein, dann läufts von selber.
Auf der Turracher Höhe wollte ich mir eigentlich einen Kaffee kaufen. Irgendwie hab ich das da oben anders in Erinnerung. Ich weiß nicht, was da anders war. Ich fahr jedes Jahr zumindest einmal drüber, entweder von oder zur Nockalm, aber heuer war da oben praktisch gar nix los. Keine Tische heraußen, nichts. Ja, ich wusste gar nicht, wo normal die Tische stehen, die zur Einkehr einladen. Da war irgendwie nichts. Keine Ahnung, was da los war, jedenfalls fuhr ich gleich wieder weiter, ohne Kaffee.
Die Nockalmstraße war recht einsam, wenn man von den germanischen Motorradfahrern absah, die mich schon seit der Anfahrt zur Turrach begleiteten. Einmal waren sie vorne, dann wieder ich hinten, und auch gleich wieder umgekehrt, je nach dem, wer grad´ anhielt oder wer weiter fuhr. Ich nahm mir nicht einmal die Zeit für zahlreiche Fotostops, nur auf der Eisentalhöhe kaufte ich mir den schon längst verdienten Kaffee.
Am anderen Ende dieser wunderschönen Ausflugsstraße überlegte ich kurz, wo ich weiter fahren sollte. Von Innerkrems kann man über die schmale, aber schöne L19 sehr schnell wieder raus nach Thomatal und nach Tamsweg gelangen, von wo aus es nicht mehr weit zum Sölkpass wäre. Diese Überlegung ging mir kurz durch den Kopf, weil die Wolken schon verdammt dicht den Himmel verdunkelten. Irgendwie schaute die Sache nach Regen aus. Irgendwie auch wieder nicht. Nach einem kurzen Fotostopp an der riesigen Autobahnbrücke, die der Ortschaft „Kremsbrücke“ seinen Namen gibt (scheint mir), bog ich nach links ab, Richtung Spital an der Drau, und somit stand fest, ich würde zum Glockner fahren.
Es hätte noch eine weitere Möglichkeit gegeben, nämlich hoch zur Kölnpreinsperre zu fahren, um dann entweder die gleiche Strecke zurück zu fahren oder über den Katschberg. Mehr wäre sich dann allerdings nicht ausgegangen, denn diese Fahrt zur Talsperre, die frisst den Rest des Tages. Aber erstens war mir bei diesen dunklen Wolken nicht nach Talsperre (die liegt auf 2000m Höhe) und zweitens lockte der Glockner!
Wäre es bei der Fahrt nach Obervellach zu einer dramatischen Wetterverschlechterung gekommen, hätte ich einfach nach Mallnitz fahren können, um die Gebirgskette der Hohen Tauern mittels der Tauernschleuse (Eisenbahntunnel) zu überwinden, und schon wäre ich in angenehmeren nördlichen Gefielden gewesen. Das war aber nur mehr Plan B. Plan A sah die Fahrt zum Glockner vor und genoss oberste Priorität. Wobei ich sagen muß, dass mich der Gedanke an einen mehrere hundert Kilometer langen Dauerregen schon beunruhigte. Regenkombi hatte ich selbstverständlich – KEINE – dabei. Wozu auch. Ich wollte ja Mittag wieder daheim sein, MotoGP im Fernsehen anschauen. Ja, ne, is klar. Ich befand mich inzwischen in Kärnten, mehrere hundert Kilometer von daheim und somit vom Fernseher entfernt. Daran war nicht mehr zu denken. Jetzt hieß es hart sein, egal was kommt.
Von Winklern bis Döllach dachte ich noch „na das kann ja heiter werden“. Ständig sah es nach Regen aus, der aber nicht kam. In Heiligenblut glaubte ich nicht mehr an Regen, und nach dem Hochtor strahlte die Sonne in ihrer ganzen Pracht vom blauen Himmel. Es war regelrecht heiß! Und einsam war´s auch. Das war der große Hammer an der Sache. Zumindest sah es aus dem Süden dermaßen wenig verlockend aus, zum Glockner zu fahren, dass bestimmt sehr viele drauf verzichtet hatten, und so fuhr ich recht einsam diese wunderschöne Hochgebirgsstraße dahin und genoß sie in vollen Zügen – ohne Helm. Scheiß drauf.
Nein, ich bin kein Outlaw, ein Gesetzloser. Aber man muß sich nicht immer und überall alles vorschreiben lassen. Es kann im Grunde nix passieren, wenn man ganz gemütlich dahin fährt. Was denn? Ich fuhr schon Motorrad, da gab´s noch gar keine Helmpflicht. Meine Birne ist noch immer ganz. Dafür, dass sich heute keiner mehr, oder nur mehr wenige Irre scheinbar, auf ein Fahrrad setzen ohne Helm, dafür kann ich nichts. Die schwersten Verletzungen meines Lebens holte ich mir, als ich beim Telefonieren eine Stiege vor der Haustür übersah, vor lauter Unachtsamkeit das Geländer nicht erwischte und die Treppen runter purzelte. Joch- und Schaum(nicht scham)bein sowie Oberkieferbruch. Ohne Helm, versteht sich. Pech gehabt. Scheiß drauf. Leben heißt sterben.
Nachdem ich wegen der dunklen Wolken nicht auf die Franz Josefshöhe gefahren war, kaufte ich mir den nächsten Kaffee in 2571m Seehöhe, also auf der Edelweißspitze. Immer wieder absolut sensationell sehenswert da oben. Ein traumhafter Ausblick, der sich ímmer wieder lohnt. Und da bemerkte ich auch, man könnte genau dort auch übernachten. Mann, das wäre was.
Gemütlich genoss ich noch die Abfahrt, dann stülpte ich mir an der Mautstelle wieder den Helm über die Rübe und fuhr Heim.
Drei Stunden später krachte und blitzte es, dass es nur so eine Freude war. Das Kackwetter hatte uns wieder erreicht. Mir war das schon egal. Ich lag mit schmerzenden Gliedern totmüde im Bett und war glücklich, denn ich hatte einen schönen Tag erlebt. Man muß nicht beknackt sein, aber es hilft manchmal.