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26. Juni 2011

Paessetour 2011 – Zum Gardasee und in die Dolomiten – Paesse bis zum Abwinken

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2937km in neun Tagen

2011_paessetour_001 Nach der Tour ist vor der Tour, sagt ein Sprichwort. Dies war die vierte Auflage von Benzins Pässetour, die uns diesmal zum Gardasee führte. Treffpunkt war der Gasthof Ruetz in St.Sigmund im Sellrain, wo wir wieder wie Könige bewirtet wurden. Ganz reibungslos verlief diese Tour nicht, dafür sorgten technische Probleme und ein Sturz, der jedoch gottlob glimpflich verlief.
Trotzdem war es wiederum eine wunderschöne Tour, die ich nicht missen möchte. Es liegt gar nicht an der Strecke, es liegt an den Leuten, ob so eine Motorradtour schön ist oder nicht. Vor allem, wenn ungeplantes passiert. Erst dann stellt sich heraus, ob die Mannschaft was taugt, oder nicht. Es war wieder einmal die richtige Mischung, die den Ausschlag gab, um gemeinsam Spaß zu haben. Wir verstehen uns einfach gut.

Besonders leid tat mir Axel, der so viel Pech mit seiner Honda hatte, und dass manch Freund nicht dabei war. Aber wie schon am Anfang gesagt, nach der Tour ist vor der Tour, und ich denke, es wird auch nächstes Jahr wieder eine Pässetour geben. Vielleicht sehen wir uns dann ja alle wieder. Nun einige Erlebnisse und Anekdoten dieser ereignissreichen Tour.

Freitag, 10. Juni – Anreise nach Tirol:
Amstetten – B121 Waidhofen/Ybbs – Weyer – B115 Altenmarkt – B117 Admont – B146 Liezen – Radstadt – L163 Wagrain – St.Johann im Pongau – B311 Schüttdorf – B168 Mittersill – B165 Wald im Pinzgau – Alte Gerlos Bundesstraße – B165 Zillertal – B169 – A12 Inntalautobahn – A13 Brennerautobahn – Abfahrt Innsbruck Süd – Mutters – Götzens – Axams – Grinzens – Sellrain – L237 – St.Sigmund im Sellrain
Gasthof Ruetz
Streckenlänge:
412km

2011_paessetour_002 Die Anreise nach Tirol verlief unspektakulär. Auf der ganzen Strecke bis St.Sigmund war relativ wenig Verkehr, speziell für den Freitag vor Pfingsten. Ich Eumel hatte diesen Umstand bei der Planung gar nicht bedacht, und als ich es bemerkte, war es zu spät. „Pfingsten! Das kann was werden!“, dachte ich. Auch die Wettervorhersage hätte man entmutigend finden können. Nun, vielleicht haben wir sogar den Wetterfröschen zu verdanken, dass kaum etwas los war auf den Straßen Tirols, Vorarlbergs und Italiens, denn die hatten absolut mieses Wetter für die ganze Region angesagt, und zwar dauerhaft. Ganz sicher ließen sich viele abschrecken, fuhren woanders hin oder blieben daheim. Allerdings merkten wir nicht viel vom vorhergesagten Sauwetter. Verglichen mit den Verhältnissen der letzten Pässetouren war diese um nichts nasser.

Ich fuhr um 7:15Uhr los, einfach, weil ich nicht mehr schlafen konnte. Ein Jahr lang hatte ich mich auf diese Tour gefreut. Nun war es endlich soweit. Die erste Rast hielt ich aus Gewohnheit in Admont an der Tankstelle. Laut Google Maps hatte ich 410km vor mir, da kam der erste Kaffee nach knapp 80km gerade recht. Ich hatte es nicht eilig. „Wo fährst du hin?“, frug mich ein fremder Motorradfahrer. „Zuerst nach Tirol und dann zum Gardasee“. „Das hatten wir auch vor, aber wir haben jetzt umdisponiert auf Kroatien. Hast du den Wetterbericht für den Raum Gardasee gesehen?“ „Ja, hab ich“, antwortete ich, „Die ganze Woche absolut beschissen. Wir fahren aber trotzdem!“ „Na, dann viel Spaß“, rief er mir noch zu, dann brauste er ab. Ich trank gemütlich meinen Kaffee aus, dann fuhr auch ich weiter gen Westen. 2011_paessetour_004

In Reitdorf, gleich nach Altenmarkt im Pongau, genehmigte ich mir den nächsten Kaffee und ein Stück Erdbeertorte. Der kleine Gastgarten war einfach zu verlockend und die dunklen Wolken vor mir luden nicht gerade zum Weiterfahren ein. Was ich übersehen hatte war, dass St.Johann im Pongau in einer anderen Richtung liegt als die Schlechtwetterfront. Es blieb trocken.

Im Raum Zell am See dürfte es Freibier ab 8Zylinder und 300Ps gegeben haben, denn die Boliden aus Maranello waren dort eindeutig in der Überzahl. Vorletztes Jahr um diese Zeit wuselten hier Roller zuhauf herum. Nun, ehrlich gesagt weiß ich nicht recht, was hübscher anzuschauen ist, ein großer Haufen Roller oder ein kleiner Haufen Ferrari. Wobei sich mir die Frage stellt, wie viele Ferrari könnte man für alle Roller kaufen, die ich damals sah? Einen? Einen ganz kleinen vielleicht? Gibts überhaupt kleine Ferrari? Oder wäre es umgekehrt vielleicht interessanter? Wie viele Roller bekäme man für einen Ferrari? Für einen Maranello beispielsweise, weil die am häufigsten waren? So viele, dass Zell am See mitsamt dem Glockner in Roller erstickt?

2011_paessetour_010 Den nächsten Kaffee genoß ich dann bei der Abfahrt von der Gerlos, die ich über die alte Straße bezwang. Vom Rastplatz aus kann man einen wunderbaren Überblick über das Zillertal genießen, das allerdings fahrerisch überhaupt nichts hergibt. Die Höhenstraße natürlich ausgenommen. Ich war froh, die Inntalautobahn zu erreichen, steuerte den Brenner an und fuhr über Innsbruck Süd, Mutters und Axams ins Sellraingebiet, wo mich wenige Kilometer vorm Gasthof Ruetz der Regen erwischte. „Merde!“ Eines fällt mir in den letzten Jahren schon auf. Kaum denkt man an Ruetz oder Sellrain, beginnts zu regnen. Aber man gewöhnt sich dran, ja, man geht mit der Zeit richtig los drauf.

Als ich Axel sah, war der Regen jedoch schnell vergessen. Mensch, das Strahlen dieses Mannes macht das größte Sauwetter zum Sonnenschein. Wieder war er über 1000km aus Bremen angereist. Einmal im Jahr in die Berge, koste es, was es wolle. Das ist Enthusiasmus. Der Streich, den ihm die Technik an diesem Wochenende spielte, war grausam. Am späten Abend gesellte sich noch Horst aus München dazu, womit der Spaß, vorerst zu dritt, beginnen konnte.

 

Samstag, 11. Juni – Rundfahrt Tirol – Vorarlberg
St.Sigmund – Kühtai – Oetz – Imst – Hahntennjoch 1894m – L198 Warth – B200 Au – L193 Damüls – L51 – Furkajoch 1761m – Rankweil – L73 – Übersaxen – Düns – L54 Thüringerberg – Thüringen – Ludesch – Bludenz – B188 Tschagguns – Silvretta Hochalpenstraße – Bielerhöhe 2036m – Galtür – Ischgl – Landeck – B171 Imst – Haiming – Haimingerberg – L237 Sellrainstraße – St.Sigmund im Sellrain
Streckenlänge: 359km Strecke auf Google Maps

2011_paessetour_100 In den letzten Jahren meinten wir, eine Regelmäßigkeit festgestellt zu haben. Regen am Abend bedeutet im Sellraingebiet, dass es am nächsten Tag schön ist. Heuer kam eine neue Erfahrung dazu. Oder es regnet. Das kommt ganz auf´s Wetter an. Nach einem späten Frühstück zwängten wir uns in die Lederkombi und machten uns fertig. Eine kleine Rundfahrt durch Tirol und Vorarlberg war angesagt. Vielleicht, wenn wir Glück hatten, würden wir auf der Silvretta Hochalpenstraße mehr sehen als vor 4 Jahren. Damals hatte es wie aus Kübeln geschüttet. Es regnete zwar nicht direkt bei der Abfahrt, aber der Himmel war recht dunkel. „Wie lange würde es trocken bleiben?“, fragten wir uns. 2011_paessetour_105

Gleich bei der Auffahrt zum Hahntennjoch hätte es mich fast auf die Pfeife gehauen. Axel meinte später, da waren überall Ölflecken auf der regennassen Fahrbahn, aber ich hatte sie schlicht und einfach nicht gesehen. Beim Gasgeben schmierte dann der Hinterreifen recht brutal ab. Mit einigem Glück konnte ich die Kiste noch einfangen. Ab da sah ich nur mehr Öl auf der Straße. Meine Güte, ich kann mir gar nicht vorstellen, was da alles drüber fährt, so viel Öl gibts dort. Fast könnte man meinen, man ist in Saudi Arabien. Ich hatte Schiss wie schon lange nicht mehr. „Bloß nicht auf die Fresse fliegen“, dachte ich.

2011_paessetour_106 Das Furkajoch in Vorarlberg war für mich und Axel Neuland. Eine relativ schmale Straße führt durch wunderschönes Gebiet, und der Regen, seit Warth unser Begleiter, hatte sie sauber gewaschen. Keine Angst mehr, nur mehr Spaß, trotz Regen. Die Dunlop haften wie Superkleber. Irgendwo zwischen Rankweil und Bludenz, also in der Gegend von Übersaxen und Thüringen (nein, nicht in Deutschland!), gibts einen Gasthof Krone mit einem Schotterparkplatz gegenüber. Aufmerksam wurde ich auf diesen Gasthof eigentlich durch die Traktor, die davor standen. Es waren Schweizer, scheinbar auf Ausflug. Ein großer Mc Cormick zog einen scheinbar verreckten kleineren Mc Cormick, als „Geleitschutz“ fungierten zwei dreirädrige Kastenwagen und ein „Bucher“ Traktor. Nein, ich bin kein Traktor Experte, ich weiß das nur, weil´s drauf stand und ich die Fotos hab. Muß auch ein einmaliges Erlebnis sein, mit einem Traktor ins Ausland zu reisen. Wobei Vorarlberg für die Schweizer ja nicht wirklich Ausland ist. Zumindest ist ihre Sprache der „Xibergischen“ ähnlicher als unserer, und sie wohnen auf der gleichen Seite des Arlberg, also der Österreich abgewandten Seite. 2011_paessetour_119

Der Kaffee und das Essen mundeten ausgezeichnet. Diese Gegend rund um den Gasthof, die sich einerseits Dünserberg, andererseits Thüringerberg nennt, ist landschaftlich und motorradfahrerisch ein kleines Paradies. Es ist bei Gott keine Raserstrecke, aber für´s Motorradwandern ein Geheimtip. Wenig Verkehr, unglaublich ruhig und wunderschön, sogar trotz Regen. Man sollte es vielleicht ja gar nicht erwähnen, sonst kommen wieder ein paar Deppen auf die Idee, es dort krachen zu lassen, und dann ist es auch dort vorbei mit der Idylle. Aber ich glaub fast, diese Gegend interessiert zu wenige. Fast ein wenig zu abgelegen und vor allem gibts hier keine „Bikertreff“.

2011_paessetour_127 Gott, was hasse ich diesen Ausdruck. Ich dachte immer, Biker sind Radfahrer, aber auf den Schildern sind immer Motorradfahrer abgebildet, ergo müssen sie uns meinen. Uns? Nein, uns drei sicher nicht. Diese Bikertreff haben ja oft, oder meistens, etwas ganz besonderes an sich. Sie haben nichts zu bieten, außer einem Parkplatz, aber sind gewillt, Motorradfahrer zu bewirten. Das ist ja schon was, denken sie wohl, und das soll die Tafel mit der Aufschrift „Bikertreff“ ja möglicherweise sagen. Fehlt nur mehr: „Home of warm beer, lousy food, and ugly waitresses. Biker welcome!„, dann kommt´s der Wahrheit schon recht nahe. Aber wie gesagt, sowas gibts dort nicht, die konzentrieren sich mehr auf die Hauptverkehrswege, und das ist gut so. 2011_paessetour_129

Ja, und dann kamen wir zur Silvretta. Das erste, was uns neben dem heftiger werdenden Regen ins Auge stach, war ein recht verbogenes Auto und eine tote Kuh. Eigentlich keine Kuh mit Euter, sondern eine Gummikuh, also eine BMW mit Boxermotor. Dem Fahrer, dem den Kampfspuren nach zu urteilen (man kann sich aber auch irren) die Vorfahrt genommen wurde, war offensichtlich nichts passiert. Er telefonierte mit etwas verdatterter Mine. „So kann ein Urlaub auch enden“, dachte ich, „aber gottlob erwischt es immer die Anderen“. Es war wie ein Gebot zur Vorsicht, denn unser Urlaub hatte eben erst begonnen. Doch trotz Regen war die Silvretta schön. Vor allem recht einsam, und das alleine ist schön.

Der Rest der Tour, vor allem die B171 von Landeck nach Haiming, war recht unspektakulär, wenn man von einem abermals abschmierenden Hinterreifen am Haiminger Berg absieht. Auch dort war Öl auf der Straße. Kein Wunder, dass Öl so teuer wurde. Nach der Rückkehr brauchten wir nur mehr Guido, der ebenfalls schon eingetroffen war, begrüßen und uns von Ruetz köstlich bewirten lassen, dann war der erste gemeinsame Urlaubstag fast schon wieder vorüber. Jetzt musste ich nur mehr die Dusche besiegen.


Sonntag, 12. Juni – Rundfahrt Timmelsjoch – Jaufenpaß – Brenner
St.Sigmund – Sellrainstraße – Oetz – B186 Sölden –
Timmelsjoch (Passo del Rombo) 2474m – St.Leonhard in Passeier – Jaufenpaß (Passo di Monte Giovo) 2094m – Sterzing – Brennerpaß (Passo del Brennero) 1374m – Alte Brennerstraße – Innsbruck – Mutters – Götzens – Axams – Sellrain – St.Sigmund
Streckenlänge: 239km Strecke auf Google Maps

2011_paessetour_200 Uuuaaaaa………….! Mann, was das Wasser kalt. Vor allem, wenn man am frühen Morgen unvorbereitet von einem breiten Strahl getroffen wird. Was denkt man sich dabei, wenn man so eine Dusche konstruiert? Nix wahrscheinlich. Ich hatte diesem Ding von Anfang an misstraut. Sicher, sie schaut auf Anhieb wie eine normale Duschkabine aus, nur dass in der Wand noch weitere Düsen herausragen und die Einfassung nicht eckig, sondern rund ist. „Wie eine Kabine zum Beamen“, dachte ich. Auch von einer Mischbatterie ist nichts zu sehen, nur zwei übereinander liegende, runde, undefinierbare Knöpfe. „Was passiert, wenn ich daran drehe oder drücke?“, fragte ich mich. „Kommt dann Wasser raus, oder stehe ich nackt in Innsbruck vorm Goldenen Dachl?“ 2011_paessetour_203

Versuch macht kluch, also drehte ich an einem der Knöpfe, und oh Wunder, aus dem Brausekopf, der auf und abschiebbar an einer Stange befestigt ist, kam Wasser. Kaltes Wasser natürlich. „Hmmm…, vielleicht sollte ich es eine Weile laufen lassen?“ Dann wurde es mir zu bunt. Ich drehte auch am zweiten Knopf, und ein eiskalter Strahl traf mich von senkrecht oben am Kopf. Auch dort war ein riesiger Brausekopf versteckt! „Uuuuaaaaaaaa……….“. Sofort drehte ich diesen Knopf in eine andere Position. „Uuuuuuaaaaaaaaaaaa………..!“ Jetzt spritzte auch aus den Düsen an der Wand eiskaltes Wasser heraus. Mein ganzer Körper wurde aus allen Richtungen von eiskaltem Wasser geduscht. Panik erfasste mich. „Das Ding will mich umbringen!“ Irgendwie schaffte ich es, dass Wasser abzudrehen, dann verließ ich fluchtartig diese Folterkabine, zog mich an und ging die Wirtin fragen, wie das Zeug funktioniert.

2011_paessetour_206 „Das ist doch ganz einfach! Da sind zwei Knöpfe, die…….“ „Ja, die kenn ich schon. Und wenn ich dran drehe, kommt von überall kaltes Wasser raus!“ knurrte ich missmutig. Axel oder Horst, ich weiß nicht mehr wer, erzählte mir später, er hätte zwei Jahre mit dieser Dusche gekämpft. Ich hab´s dann doch irgendwie geschafft. Ja, ich hab es sogar geschafft, dass dort, wo ich es wollte, warmes Wasser herauskam. Nur wie, das weiß ich bis heute nicht. Ich hab einfach mit der Hand durch den Spalt, den ich offen ließ, von außen natürlich, so lange probiert, bis es passte. Fragt mich bitte nicht, wieso es plötzlich passte!

Es sollte ein traumhafter Tag werden. Zumindest, was das Wetter betraf. Für den Axel wurde es zum Albtraum. Es war für ihn der Anfang vom Ende der Tour. Die verdammte Technik dieser Honda hat wieder einmal zugeschlagen. 2011_paessetour_207

Bei Kaiserwetter erreichten wir das Timmelsjoch und anschließend St.Leonhard in Passeier, wo ich im Ort einen Gasthof suchen wollte für eine Kaffeepause. Wir waren schon so oft hier vorbeigefahren, aber noch nie stehengeblieben. Das kann´s doch nicht sein. Beim Kreisverkehr am Abzweig nach Meran verfranzte ich mich kurz, erwischte statt der Einfahrt in den Ort die Ausfahrt nach Meran, drehte aber sofort um und bog richtig ab. Beim Umdrehen meinte ich, „Verdammte Scheiße!“ gehört zu haben. Ich sah Axel hinter mir umdrehen und dacht noch „na mein Gott, wegen der fünf Meter so einen Aufstand!“ und fuhr weiter. Dann stand ich eine Weile alleine am engen Ortseingang. „Wo sind die den bloß?“ Als Horst kam und herumfuchtelte, schwant mir böses. Da war etwas passiert! Aber was? Dann die Hiobsbotschaft: „Axels Honda ist verreckt“.

Zurück beim Kreisverkehr traf ich auf den Rest der kleinen Mannschaft. Axel einigermaßen sauer, die Honda offensichtlich ohne Strom. Mäusekino tot, lässt sich nicht mehr starten, war die vorläufige Diagnose. „Wird doch nicht wieder, wie vor zwei Jahren, der Regler sein?“ Nach längerem Hin und Her kamen wir drauf, dass sie sich anschieben lässt und dann läuft. „Ok, dann darfst du ab sofort nur mehr bergab stehen bleiben“, war mein Kommentar. Dann fuhren wir zum Stroblhof einen Kaffee trinken.

2011_paessetour_214 Die Fahrt über den Jaufenpass war schön, und auch der Brenner zeigte sich von seiner besten Seite. In Österreich herüben lud wieder ein schöner Gastgarten zum Kaffee und zum späten Mittagessen ein. Das Naturschnitzel mit Beilagen war dermaßen gut und reichlich, dass man auch den Namen der Gaststätte, Gasthaus Wolf bei Steinach am Brenner, erwähnen kann. Da kehr´ ich jederzeit wieder ein.

Ab Matrei befuhren wir die „Alte Römerstraße“, die uns, wie jedes Jahr, muß man schon sagen, an der Skisprungschanze vorbei nach Innsbruck brachte. Schnell kommt man dort nicht voran, aber es ist ruhig (wenn nicht gerade das Postauto an einer Engstelle entgegen kommt). 2011_paessetour_219

Nach dem zweiten Kreisverkehr waren plötzlich nur mehr Guido und ich zusammen, Axel und Horst waren weg. „Ja mei, Horst kennt sich aus, was soll schon sein“, dachte ich, und wir fuhren weiter. In Innsbruck auf den stark befahrenen Straßen warten wäre nicht gerade lustig, und wozu auch? Wir fuhren eh nur zum Ruetz zurück. Bei der großen Linkskehre an der Auffahrt zur Brenner Bundesstraße hielten wir an, schauten auf Innsbruck hinab, rauchten und warteten. Es kam aber niemand. „Die werden sich doch nicht verfahren haben?“ Ich kontrollierte das Telefon, rief den Horst an, nichts. Keine Antwort ist gut. Sie fahren. Was könnten wir jetzt auch machen, wenn sie sich verfahren haben? Nichts! Hätte überhaupt keinen Sinn, sie zu suchen. Also fuhren wir weiter Richtung Sellrain. In der Gegend um Axams hielt ich nochmals und kontrollierte das Telefon. „Scheiße!“ Ein Anruf in Abwesenheit. Das bedeutet nichts gutes. Ich rief Horst an und höre: „Die Honda geht nicht mehr! Wir stehen in Innsbruck, gegenüber dem Tivoli Stadion.“ Na toll.

Also auf zum Ruetz, umgezogen, Guidos Auto mit Anhänger gestartet und ab nach Innsbruck, Axels Honda holen. Damit begann Axels Leidensweg, um den Urlaub zu retten. Inzwischen waren auch Andi und Uwe angekommen. Nächsten Tag wollten wir zum Gardasee starten. Aber nicht ohne Axel. Wir wollten es nicht wahrhaben.


Montag, 13. Juni – Rundfahrt Furkelsattel – Würzjoch – Kopfel Joch
St.Sigmund – Brenner – Brixen – SS49 Bruneck – Olang – SS43 – Furkelsattel (Passo Furcia) 1789m – St.Vigil – Zwischenwasser – SS244 St.Martin in Thurn – Würzjoch (Passi delle Erbe) 2006mKofeljoch (Passo di Eores) 1863m – Brixen – SS12 Brenner – Mutters – Götzens – Axams – Sellrain – St.Sigmund
Streckenlänge: 336km Strecke auf Google Maps

2011_paessetour_300 Was wir hatten, waren die Mobiltelefone und eine Internetverbindung aus dem Büro unserer Gastgeber, das sie uns zur Verfügung stellten. Dafür hatten wir absolut keine Ahnung, wo es hier einen Honda Händler gibt oder wo man hier Ersatzteile bekommen könnte. Noch dazu ein Ersatzteil für eine Honda Baujahr 2001, also nicht mehr ganz neu. Versuch einmal, an einem Sonntag Abend einen Händler zu erreichen, noch dazu am Pfingstwochenende! Keine Chance. Einer meinte etwas empört gegen 23:00 Uhr, „Und außerdem bin ich im Urlaub in Südtirol!“ Ach ja, da waren wir auch. Vielleicht ist er uns ja begegnet. Die Chancen, etwas zu erreichen, hatte sich seit dem Vortag nicht verbessert. Pfingstmontag ist ein Feiertag, also auch niemand erreichbar. Zumindest fast niemand. Ein paar Möglichkeiten gab es, und die wollte Axel mit dem Auto wahrnehmen. Angeblich gab es, so Axel, im Zillertal einen Laderegler. Möglicherweise war dieser die Ursache für den Kollaps der Honda. Viele Anzeichen sprachen dafür, aber nicht alle. Da es regnete, wollte Uwe Axel begleiten, der Rest, also Guido, Horst, Andi und ich wollten ein paar uns fremde kleinere Pässe in Südtirol erkunden. Um einen Tag die Abfahrt zum Gardasee verschieben, damit Axel die Möglichkeit hat, mitzufahren. Die Chance war da, und Axel wollte alles tun, um sie zu wahren. 2011_paessetour_301

Diesmal fuhren wir auf der Hauptstraße über den Brenner, an Sterzing vorbei bis zum Abzweig vor Brixen, dann Richtung Bruneck. Nach Bruneck sollte eine Ortschaft kommen, die Nieder-, Mitter- oder Ober Olang hieß, dort würde es, so Gott will, zum Furkelsattel gehen. Es war etwas kniffelig, aber wir fanden die Straße. Heraus kommt man bei einer Ortschaft namens St.Vigil. Weiter wollten wir, was laut Karte ganz einfach schien, nach Norden bis zur SS244 und nach Zwischenwasser fahren, und dann zum Würzjoch. Uwe hatte uns gewarnt. „Passt auf, man kann dort ganz leicht die schmale Straße erwischen, die ohne Abzweig nach Bruneck hoch führt. Keine Chance, da rauszukommen!“

2011_paessetour_302_2 Bei St.Vigil meinte ich, Daumen x Pi müssten wir die schmale Straße vor uns rechts abbiegen, dieser folgen und würden Zwischenwasser erreichen, aber nach ein paar hundert Meter hielt ich an. „Stop! Hier fahren wir nicht weiter! Das ist vermutlich diese schmale Strecke, aus der man nicht mehr rauskommt.“ Das war keine Straße, das war zu einem besseren Hohlweg geworden, und der führte nie zur Hauptstraße, ahnte ich, und wie die Tafel „Bruneck 16km“ weiter vorne zeigte, lag ich richtig. Das war die Falle, von der Uwe gesprochen hatte. Also zurück zur Kreuzung. 2011_paessetour_304

„Wo geht´s hier nach Zwischenwasser?“, frug ich den Herrn, der sich eben anschickte, mit dem Auto wegzufahren. Ich hatte ihn einfach geschnitten, um ihn anzuhalten. „Oh, nach Zwischenwasser? Das ist nicht einfach zu erklären“, meinte er, sah mich an, sah uns an, dann ein freundliches „fahr mir nach“, setzte sich ins Auto und fuhr los. „Wo fährt der hin?“ dachte ich, als wir ihm folgten. Ich wäre nie an dieser Kreuzung links statt rechts abgebogen. „Hat mich der sicher verstanden?“ Und ob mich der verstanden hatte. Er sprach ja auch tirolerisch. Wir bogen ein paar Mal ab, rauschten eine wilde kurvenreiche Strecke dahin, er mit dem Auto voran, wir mit den Motorrädern hinterher, dann kam die Ortstafel „Zwischenwasser“ und eine Kreuzung. Er kurbelte die Scheibe runter, grüßte, ich grüßte zurück, bedankte mich, und weg war er. Wieder einmal hat uns ein Italiener aus der Scheiße geritten. Wie voriges Jahr in Domodossolo auf der Suche nach dem Valle Cannobina, als wir uns im strömenden Regen überhaupt nicht mehr auskannten und aussahend wie Sau. Nette Leute, die Spagetti. Immer hilfsbereit, wenn´s drauf ankommt.

2011_paessetour_307 Genau bei dieser Kreuzung befindet sich der Gasthof Gader, wo es guten Kaffee gibt, und genau hier stehen die Wegweiser ins Paradies. Grödnerjoch, Campolongo Pass, Valparolapass, die Strecke in die Dolomiten. Nur von einem Würzjoch oder gar Kofeljoch (oder Kopfel Joch, wie´s in der Karte steht) ist hier nichts zu sehen. Wer will dort schon hin, wenn die Dolos nicht mehr weit sind? Wir zum Beispiel!

Natürlich sind diese „kleinen“ Pässe beziehungsweise Übergänge, also Jöcher, nicht weltberühmt wie die Dolomiten, aber schön sind sie allemal. Vor allem fährt man hier nicht praktisch im Kreis, womit die Gegend immer gleich bleibt, wie in den Dolos. Und so viele saublöde Spitzkehren gibts hier auch nicht. Dafür ist die Straße viel schmäler, was ganz andere Reize hat. Vor allem, wenn es naß ist. Was mich heute noch wurmt, das ist, dass wir nicht zur Blosehütte raufgefahren sind. Sicher, gesehen hätten wir vermutlich nicht recht viel bei diesem Wetter, aber versuchen hätten wir es sollen. Wir standen genau am Abzweig. Grrrrr……..! 2011_paessetour_310

Mission erfüllt, könnte man sagen. Über Brixen und Sterzing ging´s retour zum Brenner und geradewegs auf dem kürzesten Weg zum Ruetz und zum Axel.
Der war allerdings bei unserer Ankunft noch immer nicht da. „Wie gibt´s das? Der ist doch nur ins Zillertal gefahren! Oder?“ Ein Anruf hin, ein Anruf her und die Info „Wir haben noch etwa 100km zu fahren, dann haben wir den Regler.“ „Was? Die sind noch nicht einmal dort? In welches Zillertal fahren die denn, verdammt noch einmal?“ Vom Ruetz ins Zillertal sind es knappe 90km! Um 20:09 Uhr dann die niederschmetternde SMS. „Vöcklarbruck heißt das Nest, wo wir jetzt sind.“ „Ja leck mich doch am Arsch, die sind in Oberösterreich!“

Axel hatte sich verhört, oder sonst wie vertan, als er uns sagte, er fahre ins Zillertal. Wie gesagt ist er aus Bremen, und der Anbieter des Ladereglers für die Honda war tatsächlich in Oberösterreich, nicht im nahen Zillertal. Noch 130km weiter nach Osten, und er wäre bei mir daheim gewesen. Also würden sie erst spät in der Nacht zurückkommen. Dann gute Nacht.


Dienstag, 14. Juni – Fahrt nach Edolo
St.Sigmund – Brenner – Sterzing – SS508 –
Penserjoch (Passo di Pennes) 2211m – Bozen – SS42 – Mendelpaß (Passo della Mendola) 1362m – Dermulo – SS43 – Lago di Santa Giustina – SS42 – Tonalepaß (Passo del Tonale) 1884m – Edolo – Euro Hotel
Streckenlänge:
281km Strecke auf Google Maps

2011_paessetour_400 Rien ne va plus – nichts geht mehr. Zeitig in der Früh baute Axel den Laderegler ein, startet den Motor, klemmt das Messgerät an – kein Ladestrom! Es war, wieder einmal, die Lichtmaschine. Niemand in vertretbarer Entfernung hatte eine Lichtmaschine für eine SC44.. Niemand mehr hatte eine Idee, wie es doch weitergehen könnte. In Bremen läge eine in Axels Garage, aber Bremen war über 1000km entfernt. Hätte es eine Chance gegeben, wir hätten sie genutzt. Andi wollte in St.Sigmund bleiben, um mit Axel, falls sich doch noch etwas ergeben sollte, nachzukommen. Wir könnten uns ja in Edolo treffen. Ich wollte nicht, dass er dem Rest möglicherweise alleine folgen muß und wäre ebenfalls geblieben. Hätte es an diesem Tag eben zwei Gruppen gegeben, Horst mit Guido und Uwe, und ich mit Axel und Andi. Aber es tat sich keine Möglichkeit mehr auf, dass stand gegen 10:00 Uhr fest. Aus, vorbei. Das war für Axel das Ende der Pässetour. 2011_paessetour_401

Wir stellten wie jedes Jahr die Motorräder für ein Gruppenfoto zusammen und nahmen Axel in die Mitte, aber ich denke, man sieht am Foto deutlich, dass in diesem Moment keine rechte Freude aufkommen wollte. Am wenigsten bei Axel. So sehr hatte er sich gefreut, so sehr hatte er gestrahlt, und jetzt das. Aber trotzdem erwähne ich es hier nochmals, wie schon in Tirol. Es war nur ein technischer Defekt und kein Unfall, keine Krankheit. Das wäre alles weit schlimmer. Eine Panne ist ärgerlich, aber sie ist sogar nur quasi vor der Haustür passiert. Es hätte in jeder Hinsicht schlimmer kommen können. Axel, mach dir nichts draus. Nächstes Jahr bist du wieder dabei.

2011_paessetour_404 Es war ein komischer Moment, als wir ohne Axel wegfuhren. Wir waren jetzt zwar nur mehr eine recht kleine Schar, fünf Mann, aber voller Tatendrang. Jetzt ging´s los. Auf zum Gardasee. Wie würde das Wetter werden? Bei der Abfahrt war die Straße naß, aber es regnete nicht. Als Optimist ließ ich die Regenkombi im Tankrucksack, und es war gut so. 2011_paessetour_406

Anfahrt zum Penserjoch. Beim „Polizeiparkplatz“, also an der Stelle, wo wir vor drei Jahren diese seltsame, lustige Kontrolle hatten, rauchten wir noch eine Zigarette, dann auf zum ersten Paß der offiziellen Tour. Die Strecke ist uns nicht unbekannt. Ich hatte gesagt, ich würde es ganz gemütlich angehen lassen, denn ich bin nicht auf der Flucht und wolle fotografieren: Also winkte ich Andi gleich ganz unten vorbei. Er würde es wohl krachen lassen mit der Gummikuh. Es dauerte keine 3 Kurven, und weg war er. „Ich hab Zeit, mich treibt nichts“, trällerte ich vor mich hin, bemerkte aber, dass ich das Tempo, ohne es eigentlich zu wollen, anzog. „Ich fahr einfach so, wie es mir Spaß macht. Brauch mir ja nicht extra eine Geschwindigkeitsbeschränkung auferlegen“, dachte ich, und fuhr so vor mich dahin. Da taucht etwas weiter vor mir eine schwarze Gummikuh auf und wird immer größer. „Ups, der Andi. Will er nicht, oder kann er nicht? Der muß stehengeblieben sein, sonst gibts das nicht“, denk ich und schleich mich langsam heran. Er sieht mich im Spiegel und macht flotter, aber mit der Ace ist dranbleiben ein Kinderspiel. „Hehe, heuer geht das nicht mehr so, wie mit der schweren XJR“, grinse ich sehr breit vor mich hin und folge ihm den Berg hoch. Ja, das macht Spaß. Und wie!


2011_paessetour_408 Nächster ausgibiger Stop, Schloß Runkelstein. Heuer waren wir von den Tunnels vor Bozen nicht mehr so überrascht wie vor zwei Jahren, aber schnell würde ich diesen Streckenabschnitt nicht fahren wollen. Rein in den Tunnel, die Kiste umlegen, in Schräglage raus aus dem Tunnel und gleich wieder rein in den nächsten. Wenn man Pech hat, ist der Ein- und Ausgang naß, dann fliegt man auf die Fresse, wenn man zu schnell ist. Ohne mich, ich hab nicht vor, unfreiwillig abzusteigen.

Wie durch ein Wunder, den Bozen ist nicht klein und schon gar nicht einfach, und mit Hilfe von Horsts Navi natürlich, fanden wir rasch den Weg zum Mendelpaß. 1362m ist dieses Pässchen bloß hoch, aber die Straße da hinauf gehört zum geilsten, was man sich als Motorradfahrer nur wünschen kann. Unten sind die Kehren lang, breit und flott, oben wird´s teilweise kriminell schnell für dieses Gelände, wenn man´s drauf anlegt, und auch recht eng, aber Spaß macht´s jederzeit. Die Reifen finden jederzeit genug Haftung auf diesem Asphalt – wenn nicht ein faustgroßer Stein auf der Ideallinie liegt. Genau das war in der ersten Rechtskehre der Fall. Aber durch die breite Fahrbahn und die geringe Geschwindigkeit, es ist immerhin öffentlicher Straßenverkehr, konnten wir alle diesem Hindernis problemlos, mehr oder weniger jedenfalls, ausweichen. Droben gab´s dafür Spagetti. Wie immer, könnte ich jetzt weltmännisch sagen. Aber ich war erst einmal vorher oben. Also, es gab auch dieses Mal Spagetti. Nicht, weil´s nichts anders gäbe, sondern weil sie gut sind. 2011_paessetour_410

Den Blick von der SS43dir zum Lago di Santa Giustina, einem Stausee, sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen, ebenso nicht den Blick von der Brücke der SS43, die über den Abfluß des Sees führt. Wie ein US-Canyon schaut der tiefe Einschnitt von dort aus.

2011_paessetour_411 Dann folgten wir der SS42 zum Tonale Paß, bretterten rechtschaffen hinauf, ich voraus, der Andi mit der Kamera hinterher, hielten Rast am Scheitel, und bei der Abfahrt hat es mich auf die Fresse gehauen. Wie ein Vollidiot lag ich da, den Gasgriff in der rechten Hand, den Gummi des rechten Spiegel in der Linken, den ich im liegen abmontiert hatte, weil das so Scheiße aussah, wie er sinnlos in der Gegend herumhing. Ich hatte nichts besseres zu tun, als liegen zu bleiben, denn das Motorrad lag auf meinem rechten Arm. Ich hatte die Ace nicht ausgelassen, damit ihr ja nichts passiert. Eigentlich hatte ich nur Angst, dass mich jetzt liegend einer über den Haufen fährt. Ich war absolut hilflos, aber völlig unverletzt. 2011_paessetour_415

Wir fuhren recht gemütlich dahin. Andi war voraus gefahren, weil er filmen wollte, hinter mir fuhr Guido. Wir hatten keine Eile. Vor mir tauchte eine langsame, aber zackige links-rechts Kombination auf, die ich auch zackig ansetzte. Dann rutschte ich in der Links von der rechten Fußraste. Keine Ahnung, wieso. Ich zog die Flosse ein, schmiss dabei die Ace nach rechts, und wollte den rechten Fuß wieder auf die Raste stellen, wobei ich entweder wieder abrutschte, oder die Raste war gebrochen. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, in diesem Moment eine Fußraste gespürt zu haben, aber ich kann mich genau erinnern, wie ich mit dem Fußballen plötzlich auf dem Bremshebel stand. Der Hinterreifen hat sich zwar heftig gewehrt und versuchte alles, um haften zu bleiben (hat sich echt geil angefühlt), aber ich zwang ihn ja mit der Fußbremse, abzuschmieren. Gemütlich legte ich mich hin, drehte mich mit der Ace in der rechten Hand um die Achse, peilte Daumen x Pi, ob ich noch vor der Leitschiene zum Liegen kommen oder einschlagen würde, beobachtete den Gegenverkehr aus Furcht, überfahren zu werden, und tröstete zu guter letzt Guido, als er mit großen Augen vor mir stand und nur ängstlich „Hannes?“ herausbrachte. Ja, es sah komisch aus, wie ich mit verdrehtem rechten Fuß neben der Ace lag, das hatte ich auch selber bemerkt. Aber das ging mit begrabenem rechten Unterarm nicht anders. „Ich bin ok, mir ist nichts passiert! Heb bitte das Motorrad auf.“ Vielleicht hab ich auch nicht bitte gesagt und war batzig, jedenfalls wollte ich die Kiste loswerden und aufstehen, bevor mich jemand überfährt.

2011_paessetour_416 Zuerst dachte ich, jetzt ist auch für mich der Urlaub vorbei. Der Lenker war abgebrochen, schien mir. War er nicht! Auch der Handbremshebel war nicht abgebrochen, nur der rechte Spiegel. Was nun? Den Spiegel braucht man ja nicht unbedingt. Was hätten wir den früher gemacht? Da hatte niemand einen rechten Spiegel, nicht einmal am Auto. Allerdings hatten und haben Motorräder, früher wie heute, links und rechts vorne, zumindest vorne jedenfalls, jeweils eine Fußraste. Meines hatte rechts vorne keine mehr, was schlecht war, wie ich für den Rest des Tonale runter feststellen mußte. Zwar hatte ich rasch einen Platz für den rechten Fuß gefunden, aber ebenso rasch hatte ich bemerkt, dass es das heiße Auspuffrohr vor dem Schalldämpfer war, was für die Stiefel in kürzester Zeit ein Desaster bedeutet hätte. Irgendwie ging es dann sogar, die Stiefelkante an den Überbleibseln der gebrochenen Fußraste abzustützen, aber für eine lange Urlaubsfahrt wäre das unmöglich gewesen. Ich hätte wohl oder übel so heimfahren können, mehr aber kaum. Unten an einer Tankstelle kam dann, wem weiß ich nicht mehr, der rettende Gedanke. „Schraub doch die Soziusraste vorne dran!“2011_paessetour_420

„Teufel, wieso nicht? Wenn die passt? Aber dann brauch ich unbedingt eine Flex, sonst bekomme ich die Überreste der kaputten Raste nicht herunter, denn die ist vernietet“. Da kamen die Rumänen zu Hilfe. In einem Graben unter der Tankstelle, also praktisch im Keller derselben, war ein kleiner Reifenhändler einquartiert. Es war ein Rumäne, der nicht deutsch sprach, wir dafür weder italienisch noch rumänisch. Oder nein, doch. Horst kann´s, der stammt von dort ab. Das war die Rettung. Horst geht runter, erklärt die Situation, deutet mir, ich soll außen herum fahren. Unten bringt man mir eine kleine Flex und ein Verlängerungskabel, und mit kräftigem Funkenflug schneid ich den Bolzen ab. Weg ist der Rest der Fußraste. Andi lieh mir sein Werkzeug, dass ich sogleich bei meinen Reperaturarbeiten ruinierte, dann war die Ace wieder voll einsatzfähig. Danke Andi. Tut mir leid. Danke für den Dolmetsch, Horst.

2011_paessetour_424 In Edolo hatten wir rasch Zimmer im Euro Hotel gefunden, dann drehte jeder für sich oder in Begleitung noch eine Runde. Horst mit Uwe am Motorrad, Guido und Andi auf der Suche nach etwas essbarem und ich, um diesen Ort, in dem oder in dessen Nähe ich schon vor 27 Jahren war, genauer kennen zu lernen. Ich kann mich gar nicht mehr richtig an die Gegend erinnern, aber es war im Zuge der Rally Valle Camonica 1985 mit meinem verstorbenen Freund Fritz Riegler. Der Pokal steht heute noch hier im Zimmer. Einiges an dieser Umgebung rund um Boario Terme und Edolo hat mich an damals erinnert, eine Stelle hab ich sogar wieder erkannt, selbst nach so langer Zeit. An Edolo konnte ich mich aber beim besten Willen nicht mehr erinnern, nur an den Namen. Komisch, vor zwei Jahren waren wir, vom Gavia Pass kommend, auch hier durchgefahren. Auch daran kann ich mich so gut wie nicht mehr erinnern. 2011_paessetour_430

Ich stieg in einer engen Gasse, die wie aus einem italienischen Mafia-Film aussah, zur Kirche hoch, dann weiter in einer Wiese am Friedhof vorbei höher, wo ich dieses Gotteshaus samt Gottesacker und Umgebung fotografieren konnte. Es war genau 20 Uhr. Die Kirchturmglocke schlug an. Zuerst registrierte ich dies gar nicht bewusst. Mein Gott, jede Kirche bimmelt zur vollen Stunde. Dann fiel es mir auf, dieses wunderschöne Glockenspiel. Ich stand da oben in der Wiese und hatte direkt Gänsehaut. Noch nie im Leben hatte ich ein so schönes Glockenspiel gehört. Ich lauschte, bis der letzte Ton verhallte, dann stieg ich wieder hinunter in den Ort. Seltsam, ich hab im Internet gesucht und auch verschiedenstes Geläut und Gebimmel aus Edolo gefunden, aber dieses wunderschöne Glockenspiel, das ich am 14. Juni um 20 Uhr hörte, fand ich nicht. Schade. Diesmal wird mir Edolo aber auf jeden Fall in Erinnerung bleiben.


 

Mittwoch, 15. Juni – Zum Gardasee
Edolo – SS42 Malonno – SS294 Valle Paisco –
Passo del Vivione 1828m – Angolo Terme – Boario Terme – Lago d´Iseo – SS42 – Esine – SS669 – Passo di Croce Domini 1892m – Bagolino – Passo del Maniva 1664m – SS237 – Anfo – Passo del Maré 1418m (Sackstraße) – Lago d´Idro – Idro – Lago di Valvestino – Lago di Garda – Hotel Mercedes Limone sul Garda
Streckenlänge:
258km Strecke auf Google Maps

2011_paessetour_501 Ein paar Kilometer südlich von Edolo, bei Malonno, zweigt die SS294 rechts ab und führt schmal und romantisch zu einer Art Almgebiet am Passo del Vivione. In der Nähe von Angolo Terme wird´s richtig schluchtartig. Genau dort bin ich schon 1985 gefahren. Ich erkannte diese Straße sofort wieder. Von Angolo Terme gehts dann nach Boário Terme, ebenfalls einem Kurort, wie der Name schon sagt. Die Strecke, die wir fuhren, war irgendwie nicht geplant. Das Navi führte uns hin. Eigentlich wollten wir in westlicher Richtung über kleine Dörfer runter zum Lago d´Iseo fahren, standen aber plötzlich vor einer Fahrverbotstafel. Keiner von uns kann Italienisch, aber ich glaubte aus dem Beitext eine Fahrerlaubnis für Moped und Motorräder herauslesen zu können. Ein Radfahrer bedeutete uns nach einer kleinen Diskussion mit Händen und Füßen ebenfalls, wir könnten hier ruhig weiterfahren. 2011_paessetour_503

Also wohlgemut weiter. Das Sträßchen wurde immer schmäler und kurvenreicher, noch dazu von einer hohen Steinmauer begrenzt. Ganz wohl war hier sicher keinem mehr. Wir fuhren durch den, nun, ich würde sagen, durch den Hof mehrerer Steinhäuser, in dem Kinder standen und uns neugierig ansahen, und weiter zwischen den Mauern dem Lago Moro entgegen. Irgendwie wurde dieses kurze Stück immer unheimlicher, und ich dachte schon „jetzt fehlt nur mehr eine steile Treppe, dann sind wir erledigt!“ Umdrehen hätten wir nicht können, dazu war es viel zu eng. Aber nein, es war gar nicht nötig, es kam keine Treppe. Wir verließen diesen steinernen Hohlweg und erreichten einen Parkplatz am romantisch gelegenen See. Nun ja, es war ein See, wenn man so will. Eine große Pfütze würde der Sache aber näher kommen, etwa von der Größe des Blindenmarkter See hier bei uns. Beide muß man nicht gesehen haben, aber die Straße war sehenswert.

2011_paessetour_503_3Nach einer Kaffeepause am Lago d´Iseo ging´s wieder ein Stück nach Norden bis vor Breno zur SS669, auf der wir den Passo di Croce Dómini überschritten und zum Lago d´Idro vordrangen. In Anfo bogen wir rechts zum Passo della Spina ab, wo wir allerdings wieder umkehren mussten, da die weitere Schotterstraße nur wieder zum Passo di Croce Dómini geführt hätte, auf dem wir doch vorhin schon waren.

Weiter ging die Fahrt über Idro, mit einem kleinen Verhauer, den ich verursachte (man soll nicht führen, wenn man sich gar nicht auskennt!) zum Lago di Valvestino und zum Gardasee, den man von der kehrenreichen Strecke nach Bogliaco runter wunderbar überblicken konnte. „Mensch, ist das Ding groß. Wie am Meer“, dachte ich da. 2011_paessetour_505

In Limone Sur Garda mussten wir tanken. An die (geschlossene) Tankstelle grenzte eine Pizzeria, die zwar ebenfalls geschlossen hatte (wegen Reichtum geschlossen, wie in Italien üblich), aber die Terasse am Ufer des See war offen. Dort hielten wir Rast und tankten bei einer Zigarette Urlaubsenergie. Nach einer Weile frug ich „und wie wär´s, wenn wir gleich hier übernachten? Ist doch schön hier!“ „Ja, schon, aber die Preise werden hier geschmalzen sein“ war anfangs der Kommentar. „Geh, Uwe, schau mal ins Hotel da hinten und frag, was das kosten soll“, meinte ich über die Schulter. Uwe ging, und kam nicht wieder! „Jetzt verschwindet der auch schon zu Fuß!“ dachte ich mir verärgert. Wobei man fairer weise sagen muß, dass er bis zu diesem Zeitpunkt noch kein einziges Mal, im Gegensatz zur letztjährigen Tour, verschwunden war! Es gibt doch sowas wie Wunder.

2011_paessetour_514 „Ich weiß auch nicht, aber wenn er nicht mehr kommt, dann fahren wir halt ohne den Uwe weiter“, meinte ich halbherzig. Was will man den machen, wenn er nicht mehr kommt. Sind ja schon Männer verschwunden, die abends nur Zigaretten holen gingen. Plötzlich hielt ein kleines Auto genau vor uns, und am Beifahrersitz saß breit grinsend? Genau, Uwe! Am Steuer eine Dame, die mich, so seltsam es klingen mag, sofort an Miß Piggy von der Muppet Show erinnerte. Langes, ehemals vermutlich blondes Haar, etwas rundlich mit einem eigenartig aufreizendem Grinsen im Gesicht, einfach wie Miß Piggy. Sie stellte sich als die Chefin und Eigentümerin des Hotel Mercedes heraus. „Fahrt uns nach, ich hab schon alles geregelt“, grinste Uwe.2011_paessetour_529

Wir stellten unsere Motorräder in die Garage und enterten mit Gepäck die Lobby des Hotels. Preis unter 50.- Euro mit Frühstück, Zimmer Nummer 105, 107 und 113. Eine bombastische Rothaarige begleitete uns zu den Räumlichkeiten, die sich, nein, nicht im ersten Stock des Hotels befanden, sondern in einem Nebengebäude. Geräumige Zimmer, Balkon mit Blick zum See, und Türschlösser, die schon 1960 aus der Mode waren. Hier hat wohl in besseren Zeiten das Gesinde gehaust, oder es ist ein Überbleibsel aus der Anfangszeit, das jetzt Motorradfahrern feilgeboten wird. Die sind ja alle arm wie Kirchenmäuse, sonst würden sie nicht mit Fahrzeugen fahren, wo man bei jedem Wetter im Freien sitzt.

Nach einer warmen Dusche trafen wir uns auf der Terasse, speisten zu Abend und genossen anschließend die Ruhe und einige Getränke am Pool, mit grandiosem Blick zum See. Der einzige Wehrmutstropfen war dann nur mehr, dass ich das Zimmer nachts mit dem Horst teilen musste und nicht mit der rothaarigen Schönheit. Ach ja, der Kellner dürfte sowas wie der Sepp von Piggy gewesen sein, den irgendwie erinnerte das ganze an Gabi und Sepp in der Schweiz, nur ohne Fahne. (Vergesst es, wenn ihr die Treschs nicht kennt)

Donnerstag, 16. Juni – Ab in die Dolomiten
Limone sul Garda – SS45bis – Riva del Garda SS240 –
Passo San Giovanni 287m – Loppio – Manzano – Rovereto – SS46 Foxi – Passi Pian d´Fugazze 1162mPasso Xomo 1056m – Posina – Arsiero – Tonezza del Cimone – Passo d Vena 1546m – Fondo Grande – Passo del Sommo 1341m – Lavarone – Werk Gschwent (Forte Belvedere) – SS349 – Kaiserjägerstraße – Levico Terme – SS47 Borgo – Val Donega – Passo Brocon 1616mPasso di Gobbera 988m – Mezzano – SS50 – Passo di Rolle 1949mPasso di Valles 2031m – SS346 – Passo di San Pellegrino 1918m – SS48 Canazei Hotel Cristallo
Streckenlänge:
336km Strecke auf Google Maps

2011_paessetour_600 Nein, das ist kein Witz. Am Hügel bei Riva del Garda steht tatsächlich auf einer Tafel „Passo San Giovanni“, ganze 287m über dem Meeresspiegel. Es war der kleinste von so vielen Pässen und Bergstraßen an diesem Tag, dass ich mich ehrlich gesagt kaum mehr erinnern kann, wo was war. Nur an eines kann ich mich noch genau erinnern. Bei der Abfahrt vom Passo di San Pellegrino hatte ich irgendwie den Kanal voll von den Kehren. „Was mach ich hier eigentlich?“ fragte ich mich. Ich konnte diese Scheiße, die ich noch nie mochte und die mit Motorradfahren genau so viel oder wenig zu tun hat wie Federball mit Tennis, einfach nicht mehr sehen. Ja klar, die Landschaft war überall prächtig, idyllisch, märchenhaft, aber diese verdammten Kehren! Ich glaub, im Zuge dieser Tour fuhren wir ungefähr eine Million Kehren.2011_paessetour_602

Irgendwo in einem kleinen idyllischen Nest namens Parrocchia, in der „Wildnis“ hielten wir am Vormittag Rast. Ich finde so eine Rast in einem abgelegenen Dorf wesentlich schöner als Rasten in einem Touristenzentrum. Der Kaffee kostet etwa einen Euro, das alkoholfreie Getränk aus Österreich (die Flaschen waren alle deutsch beschriftet und stammten zum größten Teil aus Österreich), einem Fanta entsprechend, gar nur 80 Cent. Erzähl das einmal einem einheimischen Wirt in Österreich!

2011_paessetour_604 Bei Laverone, eigentlich gar nicht weit weg von Rovereto, wenn man die direkteste Strecke fahren würde, zeigte mir Horst das „Belvedere“, besser unter dem Namen „Werk Gschwent“ bekannt, einer Festungsanlage aus dem Ersten Weltkrieg. Meine Güte, wie dumm können Menschen nur sein. Es wimmelt in dieser Gegend nur so von Festungsanlagen aus diesem unseeligen Krieg, tausende und abertausende Tonnen Beton wurden verbaut, tausende Kubikmeter Fels und Erde beseitigt, um sich einzugraben, und alles für nichts, für absolut nichts! Sie haben sich gegenseitig beschossen, erschlagen und erstochen, für nichts und wieder nichts! Alles nur, weil ein paar Idioten ganz oben gerne Krieg spielen wollten, oder was auch immer. Ein Trauerspiel sondergleichen. Ich finde es unheimlich wichtig, dass solche Bauwerke als Mahnmale stehen bleiben, erhalten werden und der Öffentlichkeit zugänglich bleiben, zum Gedenken an die unzähligen Menschen, die diesem Wahnsinn zum Opfer fielen. Nichts zeugt mehr von menschlichem Wahnsinn und Dummheit als solche Bauwerke.2011_paessetour_608

Aus dieser Zeit stammt auch die sogenannte Kaiserjägerstraße, die in den 70er und 80er Jahren des 19.Jahrhunderts von den Österreichischen Kaiserjägern angelegt wurde, um die Festungen mit Material zu versorgen. Sie ist heute asphaltiert, mit Randsicherungen versehen und harmlos zu befahren. Sie führt etwa von Laverone nach Lévico Terme am Lago di Lévico und Lago di Caldonazzo hinunter und bietet schöne Ausblicke auf das Seenbegiet.

2011_paessetour_612 Von dort folgten wir einer eher uninteressanten Straße bis Borgo, wo es wieder in die Berge ging. Berge und Pässe bis zum Abwinken. Brocon und Gobbera waren die Ersten, dann folgte entlang der SS50 das unglaubliche Kurvengewimmel zum Passo di Rolle, das schon auf der Karte zum schwindlig werden anregt. Eigentlich war dieser Abschnitt, wie einiges bei dieser Tour, gar nicht geplant, aber der Blick auf die Karte machte uns neugierig, und so änderten wir den Plan eben. Wer etwas erleben will, muß flexibel sein, und genau das sind wir. 2011_paessetour_616

Irgendwo in diesem Abschnitt hielten wir noch, um eine Zigarette zu rauchen. Genau vor uns war der Himmel recht düster. Bisher hatten wir recht viel Glück mit dem Wetter, es hatte praktisch nie geregnet, was ganz im Gegensatz zur Vorhersage für diese Region stand. Als wir so rauchten, fragten wir uns, ob uns das Glück weiterhin hold bleiben würde. „Ach was, das wird nichts“, meinte ich noch, beobachtete die Wolken aber weiterhin mit Argusaugen. Dann entschloss ich mich, doch die Regenkombi anzuziehen. Irgend etwas sagte mir plötzlich, „zieh die Regenkombi an, sonst wirst du naß!“ Noch bei jeder Tour waren wir zumindest einmal in ein schweres Gewitter geraten. Der Rest der Truppe folgte meinem Beispiel, wenn auch etwas zögernd.

Als wir wieder abfuhren und um die nächste Kurve bogen, schüttete es wie aus Kübeln. Bis Carnacei hatte sich die Lage allerdings schon wieder beruhigt, die Leute saßen mit kurzärmigen Hemden in der Sonne und dösten. „Ganz schön was los in der Gegend“, dachte ich. Im Gegensatz zu vor drei Jahren war Hochbetrieb, das Hotel fast ausgebucht. Wir fünf fanden gerade noch Platz, dann war die Hütte, das Hotel Cristallo, in dem wir schon einmal übernachteten, voll.

Auf der Terasse eines Restaurants genau gegenüber des Hotel Dolomiti ließen wir bei einem köstlichen Abendessen mit schönem Ausblick auf die beleuchtete Stadt den erlebnisreichen Tag ausklingen. Am nächsten Tag würde es in die Dolomiten gehen.

 Freitag, 17. Juni – Sella Rundfahrt, Rückreise nach Tirol
Canazei –
Passo di Fedaia 2057mPordoijoch (Passo Pordio) 2239mSellajoch (Passo Sella) 2240mGrödnerjoch (Passo Gardena) 2121m – SS244 – Bruneck – SS49 Brixen – SS12 Sterzing – SS44 Jaufenpaß (Passo di Monte Giovo) 2094m – St.Leonhard in Passeier – Timmelsjoch (Passo del Rombo) 2474m – Sölden – Oetz – Kühtai 2017m – St.Sigmund im Sellrain
Streckenlänge: 322km
Strecke auf Google Maps

2011_paessetour_701 Das Wetter war am Morgen etwas seltsam. Es regnete nicht, aber die Berge vor uns waren in dicke dunkle Wolken gehüllt. Besonders schwarz schien es Richtung Passo di Fedaia zu sein. Zwischen Frühstück und tanken gleich nach der Abfahrt hatten sich die Wolken allerdings so weit gelichtet, dass die Bergspitzen zu sehen waren. Plötzlich ging alles unglaublich schnell. Der Dunst verzog sich, der Himmel war nur mehr teilweise bewölkt, ja sogar an vielen Stellen strahlend blau. Innerhalb eine halben Stunde hatte sich der gewitterschwangere Himmel zu beinahe Kaiserwetter gewandelt. Beim Verlassen der Dolomiten wurde es allerdings auch wieder genau umgekehrt, nämlich schwer bewölkt. Das gibt´s nur in den Bergen.2011_paessetour_702

Wie vor zwei Jahren fuhren wir zuerst von Carnazei zum Passo di Fedaia, denn allerdings bogen wir in die kleine Straße ein, die uns nicht an den Fuß des Falzarego brachte, sondern ein schönes Stück weiter westlich in die Sellarunde mündet. Dem Pordoijoch, wo eine wunderschöne Ducati 999 stand, folgte das Sellajoch, dem sich das Grödnerjoch anschloss. Ab Corvara führt die SS244 nach Norden, und schwups, waren wir wieder in Zwischenwasser, wie vor ein paar Tagen. Jetzt brauchten wir nur mehr bis Sterzing der gleichen Route wie am Montag folgen, dann konnte praktisch nichts passieren. Ab Sterzing wollten wir noch, wieso auch nicht, den Jaufenpass und das Timmelsjoch mitnehmen, denn in dieser Richtung waren wir das heuer noch nicht gefahren.

2011_paessetour_707 In Mühlbach hielten wir an der Klause eine kleine Pause. Fotos, ein wenig herumalbern, das Übliche eben. Guido und ich zogen bei der Weiterfahrt mit einem kräftigen Spurt weg, Andi folgte etwas gemütlicher mit der Gummikuh. Zuletzt sollten auch Horst und Uwe nachkommen, den die hatten am längsten getrödelt. Es spielte überhaupt keine Rolle, wer wann wegfährt, denn wir wussten alle, wie wir fahren wollten, wir kannten die Strecken und das Ziel, St.Leonhard in Passeier, wo wir essen wollten. Irgendwo zwischen Brixen und Sterzing hielt ich an und fragte mich, wo die Zwei wohl geblieben waren? Wir waren absolut gesetzeskonform unterwegs, sogar langsamer, denn wir hatten ja nichts gestohlen, aber Host und Uwe hatten uns weder eingeholt noch waren sie überhaupt in Sicht. „Wo sind die den?“, fragte ich mich, denn hier kann man sich nicht verfahren. Es gibt nur diese eine Strecke nach Sterzing, also wie bitte soll man sich da verfahren? „Wo sind die?“2011_paessetour_708

Wir hatten eine Zigarette geraucht, eine Zweite, aber noch immer keine Spur von den Beiden. Natürlich könnte auch etwas passiert sein. Ein technischer Defekt war unwahrscheinlich, denn Honda war keine mehr dabei. Ich rief den Horst an, aber niemand meldete sich. „Also fahren sie“, dachte ich. „Wo fahren die hin?“ Als wir schon nicht mehr dran glaubten, schon dachten, sie wurden von einem schwarzen Loch verschluckt, hörten wir ein Gebrüll, dass sich nach Akrapovic anhörte. „Wetten, da gehört ein schwarzer KiloGixxer dazu?“, meinte ich. Horst kam angerauscht.

2011_paessetour_710 Er hielt, öffnete das Visier und maulte „So schaut das also aus mit dem Warten? Zuerst eine Predigt halten, und dann das Gleiche selber machen! Wieso habt ihr bei der Kreuzung nicht gewartet?“ „Du willst doch nicht sagen, du hast dich auf dieser Strecke verfahren?“ antwortete ich etwas verdattert. „Du hast doch gesagt, wir warten an Kreuzungen zusammen! Da predigt er von gesetzeskonform, von Warten, und dann brettert er selber wie irre durch die Gegend und wartet nicht!“ fuhr Horst noch aufgebrachter als zuvor fort. „Aber Horst, wir sind ganz gemütlich gefahren, und außerdem, hier kann man sich doch gar nicht verfahren!“ „Ja, ja. Zuerst predigen, dann selber fahren wie die Sau!“ ließ er sich nicht abhalten.2011_paessetour_720

Ja, ich hatte gepredigt. Es war nach dem Gardasee, wo Uwe von einem Auto abgeklemmt wurde. Ich hatte das im Spiegel gesehen, auf ihn gewartet und war dann mit ihm hinterher gezockelt, bis wir die Drei eingeholt hatten. Keiner hatte in den Spiegel geschaut, keiner gewartet. Das hatte mir gestunken. Dann hielt ich eine Predigt, das stimmt. Aber hier waren wir doch fast daheim! Hier, zwischen Bruneck und Sterzing kann man sich nicht verfahren! Da stehen überall riesige Tafeln, wo der Brenner angeschrieben ist. Besser kann man das nicht beschildern!

2011_paessetour_721 „Horst, jetzt hör mal….“, weiter kam ich nicht. „Wißst´s was? Habts mich gern!“ meinte Horst (was bei einem Bayern so viel wie „Leckts mich am Arsch“ heißt), schloss das Visier, öffnete den Gashahn und bretterte wie eine gesengte Sau weg, dass sich das Vorderrad nur mehr stückweise am Boden halten konnte. „180Ps sind 180Ps“ dachte ich, als ich ihm verdutzt nachschaute. „Der Gixxer geht echt wie Sau“.

Horst hat uns in den letzten Tagen durch Gegenden geführt, aus denen ich vermutlich nur mit größerer Verspätung wieder herausgefunden hätte. Er hat uns Straßen gezeigt, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte. Kein einziges Mal hat er sich auch nur einen Meter verfahren. Aber zwischen Bruneck und Sterzing, wo man sich gar nicht verfahren kann, da hat er sich verfahren und ist falsch abgebogen. Sachen gibts, die gibts gar nicht. Uwe trug es mit Fassung, grinste nur und zockelte dem Horst hinterher. Wir würden uns in St.Leonhard wieder treffen.2011_paessetour_627

Am Jaufenpass fühlte ich mich nicht besonders wohl. Überall im Schatten war es naß, vor allem durch den Wald. „Jetzt, so kurz vor Schluß der Tour möchte ich aber wirklich nicht nochmals auf der Fresse liegen“, dachte ich und fuhr recht bedächtig. Ich hatte ja auch nur mehr eine Sozius-Fußraste in Reserve. Aufs Timmelsjoch fuhren wir nach dem Essen nicht mehr ganz so bedächtig, sondern recht flott. Es sah düster aus da oben. „Hoffentlich regnet´s oben nicht. Das wäre sicher unlustig“, ging mir wieder durch den Kopf. Letztes Jahr war´s am Timmelsjoch sehr unlustig. Dann kam, relativ weit oben, der Nebel. Richtig dichter Nebel!

2011_paessetour_725 „Ein Königreich für 50m Sicht“ wünschte ich mir. Ich sah fast gar nichts mehr. Kurz vor der Paßhöhe sind urplötzlich zwei rote Lichter unmittelbar vor mir. „Scheiße!!!“, durchzuckte es mich erschrocken. Ich dachte kurz, da steht ein Auto vor mir. Vermutlich hatte der Fahrer dieses Autos aber nur genau in diesem Augenblick die Nebelschlußleuchten eingeschaltet. Ohne hatte ich ihn einfach gar nicht gesehen, so düster war´s da oben. Ohne Halt fuhren wir gleich wieder abwärts und waren alsbald auch wieder aus der Nebelsuppe entkommen. Das war zuerst etwas gespenstisch, und dann märchenhaft.2011_paessetour_726

„Spinn ich? Hab ich was gestohlen?“ dachte ich jetzt, und Horst dachte sich vermutlich genau das Gleiche, denn wir fuhren gemütlich zusammen den anderen hinterher, die offenbar ohne weiteren Halt zum Ruetz brausten. Immer wieder hielten wir an, fotografierten, schauten, beobachteten das Nebelspiel in den Bergen und fuhren wieder ein Stück. War doch egal, wie lange wir bis runter brauchen würden, es waren ohnehin die letzten Kilometer für heuer. Noch vielleicht 50km, dann war die Pässetour 2011 vorbei. Die haben wir beide noch richtig genossen, der Horst und ich. Ja, wir sind beide Sturschädeln, wenn´s passt. Wir sind auch beide am 13. Februar geboren. Ich allerdings mit 16 Jahren Vorsprung. „Horst, das holst du mit deinen ganzen Gixxer Ps nicht mehr ein“.

Am Abend ließen wir dann bei einer deftigen Mahlzeit, einem Bier und einem Haufen Gemurkse am Computer im und vor dem Gastzimmer den Tag ausklingen. Nur gut, dass uns da keiner gesehen hat.

Andi, Guido, Horst, Uwe, es war mir wieder eine Freude, mit euch zu fahren. Axel, die nächste Pässetour kommt bestimmt. Aber bitte, vergiss diese Honda.

Hiermit bedanke ich mich beim Horst für die Ausarbeitung dieser schönen Tour und bei der Familie Ruetz aus St.Sigmund im Sellrain nicht nur recht herzlich für ihre Gastfreundschaft, sondern auch für all die Unterstützung, die sie uns gegeben hat. So selbstverständlich ist das gar nicht, Fremden das Büro und die technischen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Bis nächstes Jahr.


Samstag, 18. Juni 2011 – Tag der Heimreise – Ein letzter Blick auf St.Sigmund.

Noch 380km Autobahn, dann war ich wieder daheim.
Meine YZF1000R Thunderace, das blaue Luder, hat sich bestens bewährt, die Dunlop Sportsmart ebenso.
Inzwischen sind die Kampfspuren wieder (fast) beseitigt, was übrig blieb, gehört zum Leben eines Motorrades wie die grauen Haare zum Fahrer.

 

 

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