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25. Januar 2016

Uhren aus Chistopol – Vostok Uhren des 21. Jahrhunderts

Filed under: СДЕЛАНО В CCCР - Made in USSR — Benzin @ 17:01

In den 70er Jahren war die Sowjetunion hinter der Schweiz der weltweit zweitgrößte Hersteller von Uhren. China war hier ausgenommen. Aus diesem damals gegen den Rest der Welt streng abgeschotteten Riesenreich  mit knapp unter einer Milliarde Einwohner gab es keine Zahlen. Was ist aus der einst großen und stolzen sowjetischen Uhrenindustrie geworden? Werden heute, im Jahre 2016, in diesem auch heute noch riesengroßen Land noch echte russische Uhren hergestellt? Realistisch gesehen schaut es heute mit der russischen Uhrenproduktion traurig aus. Ganze zwei Werke blieben übrig, und die nur in stark verkleinertem Rahmen. Fast wie durch ein Wunder haben Raketa in St.Petersburg und Vostok in Chistopol trotz Pleiten, Pech und Pannen überlebt. Von den anderen Herstellern existiert höchstens noch der Name.

my_ruskie_blog_vostok_new_001Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wie Vostok überlebt hat. Nach dem Zerfall der Sowjetunion soll die einst riesige Fabrik in einzelne, kleinere Produktionseinheiten zerfallen sein, die sich hauptsächlich durch staatliche Aufträge über Wasser hielt, bis um 2010 herum der Bankrott erklärt wurde. Wie zu Sowjetzeiten ist auch zu diesen Vorgängen keine klare Information zu finden. Fakt ist, Banktrott hin oder her, dass Vostok in Chistopol noch immer Uhren baut. Vostok Chistopol ist trotz allem noch immer eine der wenigen Uhrenfabriken weltweit, die eigene Uhrwerke bauen.

Ich will davon Abstand nehmen, Vostok Uhren aus der Zeit von etwa Mitte der 80er Jahre bis gegen 2010 zu kommentieren oder gar zu bewerten. Ich kenne diese Uhren nicht, hab keine Erfahrung damit. Die Uhren vor dieser Zeit waren von hoher Qualität. Da konnte man den Sowjets nichts nachsagen. Was man so liest, soll sich gegen Ende der Sowjetzeit die einstige Qualität der Uhren stark verschlechtert haben, und dieser Zustand soll eine ganze Weile angehalten haben. Die Fabriken wussten teilweise nicht, wo das Material, noch dazu in guter Qualität, her nehmen, Arbeitern wurden teilweise keine Löhne mehr ausbezahlt, sie sollen sich dafür nach Schichtschluss selbstständig Uhren gebaut haben, um sie als Lohnersatz zu verkaufen. Es muß für alle eine sehr schwere Zeit gewesen sein. Heute, oder sagen wir, im Moment, kann man, ohne sich viel dabei zu denken, wieder Uhren aus Chistopol kaufen. Ich zumindest hab es probiert, und keine schlechte Erfahrungen damit gemacht. Hier ein paar Eindrücke:my_ruskie_blog_vostok_new_006

Nachdem ich mich für sowjetische Uhren und für die Geschichte der sowjetischen Uhrenfabriken zu interessieren begann, war es irgendwie naheliegend, dass ich früher oder später neugierig wurde, wie es ist, eine der modernen Dinger zu besitzen. Wie schauen die aus? Wie ist die Qualität? Taugt das was? Man kann das ja relativ einfach ausprobieren, denn teuer sind diese Uhren nicht. Man riskiert nicht viel dabei. Die Antwort ist ein klares Ja. Das taugt was. Nur muß man sich im klaren sein, was man da kauft. Und man muß für das tragen so einer Uhr die richtige Einstellung haben, den Prestige besitzen die keines. Ein schwaches Ego wird durch so eine Russenuhr kaum gestärkt. Man bekommt für sein Geld aber sehr viel praktischen Wert geliefert.

my_ruskie_blog_vostok_new_005Meiner Erfahrung nach handeln Uhrenkäufer nicht viel anders als Käufer von Motorrädern. Es sind da viel Gemeinsamkeiten. Es gibt Leute, die sich ein Motorrad nur deshalb kaufen, weil sie damit von A nach B fahren wollen, und weil ein Motorrad eine billige Möglichkeit ist, von A nach B zu fahren. Und es gibt Leute, die sich eine Honda NR 750 oder eine Ducati aus der Desmosedici Serie kaufen, die nicht nur ein Vermögen kostet, sondern im Fall der Honda auch noch den Nachteil mit sich brachte, dass es keine Ersatzteile dafür gibt. Aber es ist geil, so ein rares Stück zu besitzen, wenn man es sich leisten kann. Und es ist sicher nicht weniger aufregend, eine Grande Complication zu besitzen, die alle technisch möglichen Stücke spielt. Man kann eine Uhr aber auch nur deshalb kaufen, weil man wissen will, wie spät es ist. Dazwischen gibt’s gottlob noch reichlich Schattierungen, um sich auf zwei Rädern auszutoben oder sich eine Uhr nach eigenem Geschmack zu kaufen. Vor allem muß man nicht von allem den Sinn hinterfragen.my_ruskie_blog_vostok_new_007

Ich rede hier nur über die Modelle, die ich selber besitze, also vor allem über Komandirskie und Amphibia mit Hand- und Automatikaufzug sowie über meine beiden dicken Brummer aus der Megapolice Serie, ebenfalls mit Automaitk-Aufzug. Also, was kann  ich über diese Uhren sagen?

Die Uhren der Komandirskie Serie entsprechen vom Design des Ziffernblattes und von der Größe her weitgehend den Uhren, wie sie in der Sowjetunion gebaut wurden. Es gibt sie mit dem Handaufzugskaliber 2414A ohne Datum und mit dem Automatikkaliber 2416B mit Datum, wobei die Uhren mit Handaufzug noch einfacher gestaltet und schon für unter $30.- zu haben sind. Die Automatik Uhren kosten je nach Modell um die $50.- bis zu rund $80.- plus Versand, sofern man sie bei “Chistopolcity.com” kauft. Ich hab auch mit zwei Händlern aus Moskau gute Erfahrungen gemacht, die die selben Uhren um ein paar Dollar teurer verkaufen.

my_ruskie_blog_vostok_new_009Bei den Ziffernblättern kann man auch heute noch unter zahlreichen Versionen wählen, die unterschiedliche Motive zeigen, die alle einen Bezug zu militärischen Waffengattungen haben. Wie früher. Den Komandirskies der Sowjetzeit sagte man ja nach, sie seien an die Soldaten der roten Armee ausgegeben worden, was allerdings nicht stimmt. Zu keiner Zeit wurden in der Sowjetunion Uhren an Truppen ausgegeben, aber kaufen konnte man sie. Entweder in besonderen Geschäften, in denen man sich als Armeemitglied ausweisen mußte, oder am “freien Markt”, sofern man Uhrengeschäfte der Sowjetunion als freien Markt bezeichnen konnte. Die Uhren der Sondergeschäfte trugen die Aufschrift ЗАКАЗ МО СССР, was übersetzt “Auf Bestellung des Verteidigungsministerium” bedeutet und wahrscheinlich zur oben erwähnten, fälschlichen Annahme führte, oder es stand Сделано в СССР drauf, Made in SSSR oder Made in UdSSR, was das gleiche ist. Beide Bezeichnungen gibt’s natürlich heute nicht mehr. Auf den russischen Uhren steht heute natürlich Сделано в России drauf. Made in Russia.my_ruskie_blog_vostok_new_003

Die Lünette lässt sich heute genauso noch ohne Rastung in beide Richtungen drehen wie früher. Diese Lünetten lassen sich auch ganz einfach mit Hilfe eines Messers austauschen. In einer Nut liegt ein gebogener Draht aus Federstahl, der die Drehung erleichtert. Zubehör-Lünetten gibts im Internet für Komandirskie und Amphibia. Ich hab mich selber schon damit gespielt, wie man an den beiden Amphibias sehen kann. Auch die Zeiger der modernen Komandirskie haben noch die gleiche Form wie früher. Der Augenfälligste Unterschied ist der fehlende Kronenschutz der modernen Uhren mit Automatikwerken, was früher ein Merkmal der Amphibia Modelle war. Bei den Komandirskie mit Handaufzug gibts diesen Kronenschutz heute auch noch. Die Wasserdichte wird mit 30m angegeben. Alle Automatikkaliber verfügen über eine Schraubkrone. Datum-Schnellverstellung im herkömmlichen Sinn gibt’s keine, es geht aber trotzdem einigermaßen flott. Man muß nur den Stundenzeiger über die 12 drehen, also über Mitternacht, damit das Datum wechselt, dann dreht man ungefähr bis 22:00 Uhr zurück und wieder über die 12 vor. Scheint ein wenig mühsam, ist es auch, aber es geht. Mir macht das nichts mehr aus, ich stell das Datum an nur wenigen Uhren genau ein, und nur dann, wenn ich vor hab, sie länger als einen oder zwei Tage zu tragen.

my_ruskie_blog_vostok_new_011Die Uhren der Amphibia Serie haben mit den alten Taucheruhren aus der Sowjetzeit nicht mehr viel gemeinsam, selbst wenn sie einigen Modellen auf den ersten, oberflächlichen Blick sehr ähnlich sind. Die modernen Uhren sind vor allem größer und schwerer. Eine moderne Amphibia mit dem 100er oder 110er Gehäuse ist ein ganz schöner Brocken. Auch hier gilt, einige Ziffernblätter haben mit den alten Ziffernblättern aus der Sowjetzeit eine gewisse Ähnlichkeit, vor allem die sogenannte “Radio Room”, also die Uhr für Schiffsfunker, mit den roten Markierungen, die anzeigten, wann und für wie lange der Funker auf die Notruffrequenz umschalten musste, um eventuell Schiffbrüchigen zu Hilfe zu kommen. Das war nach dem Unfall der Titanik international so eingeführt worden. Die Zeiger der neuen Amphibia entsprechen ebenfalls ziemlich genau denen der alten Serien. Auch diese Uhren besitzen eine Schraubkrone und eine in beide Richtungen ohne Rastung drehbare Lünette. Sie sind bis 200m wasserdicht und kosten, ja nach dem, wo man sie kauft, von rund $60.- bis um die $80.- ohne Versand.my_ruskie_blog_vostok_new_011_2

Die Uhren der Megapolice Serie scheinen generell ziemliche Brocken zu sein. Ich hab zwei davon. Beide beherbergen das Automatikkaliber 2416B mit 31 Lagersteinen, sind nicht nur optisch groß, sondern auch relativ hoch, lassen sich beide aber erstaunlich angenehm tragen! Besonders beim Modell mit Stahlband war ich angenehm überrascht, wie gut sie sich trägt. Dazu muß man aber das Uhrband an das Handgelenk anpassen, was sich mit einfachen, selbst geschnitzten Werkzeugen ganz leicht selber im Wohnzimmer machen lässt. Im Originalzustand war mir dieses Uhrband um einiges zu lang, was bei diesem Gewicht unangenehm ist. Besonders funktionell finde ich an der Uhr mit Stahlband die Faltschließe mit Sicherheitsbügel und Schnappverschluß, was heißt, selbst wenn man sich irrtümlich den Sicherheitsbügel aufklappt, fällt die Uhr nicht vom Handgelenk, weil man vorher eine beidseitige, gefederte Sicherung drücken muß. Irgendwie hab ich einen echten Narren an diesen beiden Uhren gefressen.

Was gibt es sonst noch zu sagen?
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Dass ich diese Uhren recht gerne trage, sagte ich schon. Die Amphibia Modelle trag ich gerne, wenn raue Bedingungen zu erwarten sind, das heißt, auch bei Motorradtouren und schlechtestem Wetter. Da fühlen sich die Ruskie offenbar am wohlsten, hab ich das Gefühl. Alle Uhren waren aus der Schachtel heraus ausgesprochen ganggenau. Das sie eine Einlaufzeit brauchen, um einigermaßen genau zu gehen, wie ich das schon las, konnte ich nicht beobachten. Ich weiß ehrlich gesagt auch gar nicht, wie genau sie wirklich gehen, weil ich das noch nie gemessen hab. Oder fast noch nie. Zum Spaß schon, ab und zu. Grade bei alten Zwiebeln. Eine rund 40 Jahre alte Raketa hat bei meinen alten “Russen” sicher den Vogel abgeschossen, indem sie in 5 Tagen um sage und schreibe 2 Sekunden vor ging. Genauer geht mein Schweizer Chronometer auch nicht. Ansonsten hab ich in meinem Leben noch nie eine Situation erlebt, wo die Uhr an einer Verspätung meinerseits Schuld gewesen wäre. In solchen Situationen wusste ich meistens gar nicht, wie spät es ist, weil ich nicht auf die Uhr geschaut hatte, oder ich hatte mich in der Planung verschätzt. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass ich Uhren tagelang auf ihre Ganggenauigkeit beobachte. Vielleicht auch noch in unterschiedlichen Lagen? Niemals. Ich fotografiere mit meinen Kameras und Objektiven auch keine Fliesen- oder Ziegelwände, um die Verzerrung der Objektive festzustellen, wie das offenbar andere gerne machen. Wer schaut sich schon Bilder mit Fliesen- oder Ziegelwände an? Diese Uhren gehen so genau, dass mir ein paar Sekunden mehr oder weniger innerhalb ein paar Tagen einfach nicht auffällt, und das reicht für mich. Wären sie wirklich ungenau, würde das auch mir auffallen. Uhren aus Chistopol kann ich ohne Bedenken jederzeit empfählen. Selbst im Anzug. Wer trägt schon eine Russin?

Ps.: Die Firma Vostok Europa hat mit den russischen Vostok Uhren aus Chistopol nichts zu tun!

Einen schönen Tag noch………………..

16. Januar 2016

SEA-GULL 55th Anniversary Special Edition

Filed under: صنع في الصين - anihC ni edaM — Benzin @ 17:15

my_chinese_watchblog_seagull_55_001_3Im Jahre 1955 als Tianjin Uhrenfabrik gegründet, brachte die Tianjin Sea-Gull Watch Factory 2010 anlässlich des 55. Jahrestag der Firmengründung diese Sonderedition heraus. Meines bescheidenen Wissens nach gab es zum 50. Geburtstag keine Sonderausgabe einer Uhr. Warum? Ich hab keine Ahnung. An Stelle einer 11 befindet sich am Ziffernblatt eine rote 55. Jetzt kann man rätseln, wieso 55? Wieso feiert man den `fünfundfünfzigsten Geburtstag, und nicht den fünfzigsten? Vielleicht, weil die Zahl 5 in China für eine ganze Menge an Dingen steht? Mag sein. Wer jetzt daran interessiert ist, welche Bedeutungen die Zahl fünf in China hat, der möge bitte googeln. Ich hab mich nach dem Erhalt dieser Uhr ein wenig dafür zu interessieren begonnen, hab’s aber sehr schnell wieder sein lassen. Das ist nicht meines. Da wird einem schwindlig. Das mit den fünf heiligen Bergen hab ich ja noch verstanden. Eigentlich dachte ich, da gibt es mehr davon. Aber na ja, fünf ist auch gut. Auch das mit den fünf Geschmackssinnen fand ich noch in Ordnung, nur das mit dem umami hab ich eine Weile nicht kapiert. Ok, das ist fleischig. Das kenn ich. Also verstanden. Das mit den fünf Elementen – Wu Xing – die da sind Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser, fand ich eine Weile sogar recht interessant. Als ich dann aber auch noch auf die fünf Klassiker Chinas stieß und die, laut Konfuze auch noch studieren sollte, um mehr zu verstehen, warf ich das Handtuch. Es ist ja gut und schön, etwas mehr über China, Land und Leute kennen zu lernen. Drum war ich ja vor 18 Jahren etwas kreuz und quer durch China unterwegs. Ich will aber wirklich kein Sinologe werden, nur weil ich mich für chinesische Uhren begeistere!my_chinese_watchblog_seagull_55_002

my_chinese_watchblog_seagull_55_001_2Also, was gibt’s zu dieser Uhr zu sagen, ohne sich näher mit chinesischer Geschichte und Mythologie zu befassen? Diese Uhr ist in natura sehr, sehr schön. Und sie ist schwer zu fotografieren. Zumindest dann, wenn man ihre Schönheit wirklich zur Geltung bringen will. Vor allem ist es schwierig, das Farbenspiel des Ziffernblattes in Kombination mit dem rotvergoldeten Rand und den vergoldeten Ziffern und Zeigern zu zeigen oder gar zu beschreiben. Es spielt keine Rolle, wo man sich grade befindet, bei jeder Lichtveränderung verändert sich das Aussehen der Uhr. Von weiß über silbrig bis gülden glänzend verändert sich das Ziffernblatt, sobald man sich aus der Sonne in den Schatten oder von einem Raum mit Glühbirnenbeleuchtung in einen Raum mit Leuchtstoffröhren begibt, und je nach Blickwinkel verändern sich die Schatten im Bereich des Sonnenschliffes am Ziffernblatt.my_chinese_watchblog_seagull_55_002_2

Wem dieses Schauspiel der Farben und Schatten zu langweilig wird, kann die Uhr ja abnehmen und umdrehen. Ein Glasboden gibt den Blick aufs Automatikwerk frei. Dabei fallen einem zwei Dinge auf. Erstens ist das Uhrwerk, ein Sea-Gull ST6103K, offenbar ein kleines Uhrwerk. Die Beschreibung des Händlers spricht sogar davon, es handle sich dabei um ein Uhrwerk, dass ursprünglich als Damenuhrenwerk entwickelt wurde. Interessanter ist aber, dass es sich dabei um ein mit Gravuren verziertes und sogar skelettiertes Uhrwerk handelt. Allerdings, recht viel sieht man durch das kleine Fensterchen im Boden nicht. Vielleicht ist da auch gar nicht viel mehr vorhanden, weil das Uhrwerk tatsächlich so kleine ist. Bei einem Uhrdurchmesser von 41mm scheint das Uhrwerk jedenfalls sehr klein zu sein.

Im ersten Moment fühlt sich diese Uhr am Handgelenk etwas dick an, man gewöhnt sich aber schnell daran. Es ist nicht unangenehm. Auch das auf Anhieb etwas sperrige Lederband wird sich eintragen, das weiß ich aus Erfahrung. Wirklich gut gefällt mir, dass Sea-Gull auch an Kleinigkeiten dachte, wie zum Beispiel die Schließe des Uhrbandes ebenfalls Rotgold zu plattieren. Und sonst? Sonst gibt’s nicht viel zu sagen. Wie zuverlässig sie ist, weiß ich nicht, weil ich sie zu selten trage. Aber was soll bei einem Uhrwerk von Sea-Gull schon passieren? Und Aussehen ist Geschmackssache. Über Geschmack kann man ja trefflich streiten. Mir gefällt sie.

 

Schönen Tag noch…………….

15. Januar 2016

Uhren aus Peking – BWAF/Beijing Watch Factory

Filed under: صنع في الصين - anihC ni edaM — Benzin @ 13:05

Die Geschichte der Beijing Watch Factory  oder chinesisch 北京手表厂,so der offizielle und international bekannte Name dieser Firma – reicht bis ins Gründungsjahr 1958 zurück. Damit gehört sie zu den ältesten Uhrenfabriken Chinas. Tiān’ānmén – das Tor des Himmlischen Friedens, der Haupteingang zur Verbotenen Stadt in Peking, ist das Markenzeichen.  Aus der anfangs 21 Mann starken Besatzung wurden inzwischen rund 600 Beschäftigte. Die Firma, seit 2004 in Privatbesitz, sieht sich zwar auch als Zulieferer mechanischer Uhrwerke für andere Uhrenhersteller, betätigt sich allerdings hauptsächlich als Hersteller hochwertiger mechanischer Uhren für den heimischen Markt und hofft auf Kundschaft aus der immer zahlreicher werdenden Schar wohlhabender Chinesen der Mittel- und Oberschicht, die langsam, aber doch, wieder einheimische, qualitativ hochwertige Produkte schätzen lernt. Chinesische Mentalität ist, wie in vielen anderen Ländern auch, dass ausländische Produkte, speziell Japanische oder Schweizer Uhren, wesentlich mehr geschätzt werden, als heimische. Was nicht an deren besserer Qualität liegt. Die Qualität der großen, heimischen Uhrenhersteller wie BWAF, Tianjin Sea-Gull oder Shanghai kann sich ohne weiteres mit jedem Uhrenhersteller dieser Welt messen. Es ist der Reiz des Fremden. Wie chinesisches Porzellan, chinesische Seide oder französische Mode für uns. Die BWAF erzeugt keine Quarz-Uhrwerke mehr. Der Quarzmarkt ist unattraktiv geworden, man kann damit nur mehr schwer Geld verdienen. 2 Bilder unten: Beijing SB5 18 000BPM produziert von 1967 – 74

my_chinese_watchblog_beijing_sb5_001Momentan verdienen sich die Schweizer Luxusuhrenhersteller, bedingt durch den Aufschwung der chinesischen Wirtschaft, in China eine goldene Nase. Mit einer Einwohnerzahl jenseits von (wahrscheinlich, genau weiß das keiner) 1.5 Milliarden ist das Potential enorm und der vorhandene Kuchen, von dem man sich ein Stück abschneiden kann, riesengroß. In absehbarer Zeit hat die BWAF jedenfalls nicht vor, zu exportieren, alleine schon aus Kapazitätsgründen, sondern will sich ausschließlich auf den heimischen Markt konzentrieren. Auch deshalb, weil man die Misserfolge der chinesischen Konkurrenz im Ausland vor Augen hat. Das Management lenkt den Betrieb sehr vorsichtig in die Zukunft.my_chinese_watchblog_beijing_sb5_002

Als Uhrenhersteller kann die BWAF durchaus auf großartige Leistungen zurückblicken. Nicht nur, dass die Uhren auch zu Maos Zeit (sofern die politischen Wirren nicht all zu groß waren) ausgesprochen gute Qualität besaßen, entwickelte die BWAF 1995 unter der Leitung des alten Uhrmachermeisters Xu Yaonan den Prototyp ihres ersten, eigenständigen Tourbillon Werkes, womit sie auch die erste chinesische Firma war, die solche hochkomplexen Uhrwerke herstellen konnte.

Heute, nachdem man Tourbillons verschiedenster Machart zu produzieren imstande ist, ist man auch stolz darauf, diese hochkomplexen Uhrwerke NICHT an andere Uhrenbauer zu verkaufen. Diese Uhrwerke werden ausschließlich für Uhren aus dem eigenen Haus verwendet. Mit Fug und Recht kann sich die Pekinger Uhrenfabrik als “Manufaktur” bezeichnen, die alle Komponenten im eigenen Haus baut. Womit sie zu einer, selbst global gesehen, kleinen Uhrmacher-Elite zählen. 2008 brachte die BWAF zum 50. Geburtstag eine limitierte Auflage der BeiHai mit dem dekorierten Handaufzugskaliber SB18 als “Limited Edition 1958 – 2008” auf den Markt, die auch schnell bei ausländischen Käufern ihre Fan-Gemeinde fand. Die vorgesehenen 2008 Stück wurden nicht auf einmal produziert, sondern es werden jährlich kleine Stückzahlen hergestellt, wobei auch immer wieder neueste technische Verbesserungen mit einfließen. Mit dem neuen, verbesserten Kaliber B18 ist diese Uhr nach wie vor zu kaufen. Das ist eine Vorgangsweise, wie sie sich nur eine Manufaktur leisten kann. Da an alte Uhren der BWAF nicht so leicht ran zu kommen ist, aber gerade von dieser Firma sehr viele wunderschöne neue und auch leistbare Uhren zu haben sind, hab ich mich bei der Beijing Watch Factory hauptsächlich auf neue Modelle spezialisiert, was heißt, ich kauf die nicht unbedingt zu Sammlerzwecken, sondern weil sie mir außergewöhnlich gut gefallen und ich sie gerne trage. Vielleicht sind das ja in 30 Jahren begehrte Sammlerstücke. Ich wäre dann ja erst 86. Die “Oldtimer” trag ich schon aus Vorsichtsgründen nicht gerne im Alltag. Eine alte, kaputtgegangene Uhr ist unter Umständen nicht mehr ersetzbar, und dabei spielt es für mich keine Rolle, was sie rein materiell Wert ist.

Meine momentan älteste Uhr der BWAF ist die oben gezeigte Beijing SB5, die von 1967 – 74 erzeugt wurde. In den 70er und 80er Jahren exportierte dieser Hersteller auch noch in den asiatischen Raum, zum Teil auch nach außerhalb Asiens. Uhren für den asiatischen Raum trugen den Namen “Shuangling”, genau die gleichen Uhren, die außerhalb Asiens verkauft wurden, trugen zwar das selbe Markenzeichen, wurden aber “Double Rhomb” genannt, zu deutsch “Doppelte Raute”. Genau das war auch das Markenzeichen dieser Exportuhren, eine doppelte Raute.

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Die damals noch verstaatlichte Beijing Watch Factory war eine der Fabriken, die an der Entwicklung der chinesischen Standard-Uhr teilnahmen, die im Falle dieser Fabrik ab 1972 das 17 Steinige ZB-1 beherbergten. Aus diesem Uhrwerk ging zwei Jahre später das mit 20 Lagersteinen ausgestattete ZB-1 hervor, das sich in den Uhren oben und unten befindet. Die Uhr unten besitzt nicht nur eine Datums-, sondern auch eine Tagesanzeige, wie sich das für eine chinesische Uhr gehört, in chinesischer Sprache. Damit gehört sie natürlich zu meinen Lieblingsstücken.

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Eine weitere Version des ursprünglichen 17 Steinígen ZB-1 war das 40 Steinige Automatikuhrwerk SZB-1C, zugleich auch das erste Standard-Uhrwerk mit Automatikaufzug Chinas, und ist unten zu sehen.

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Und nun zu meiner kleinen Ansammlung moderner Uhren der Beijing Watch Factory

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Beijing Beihai 1958 – 2008 Limited Edition mit dekoriertem Handaufzugskaliber B18
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Beijing Zhufeng II „Everest“, ebenfalls mit dekoriertem Handaufzugskaliber B18 und mit Datum
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Beijing Hong Ru Automatik mit Datum
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Beijing Zunda Automatik mit Gangreserve Anzeige und Datum
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Beijing Zungu-6 Automatik

In manchen Uhrenforen, ehrlich gesagt hauptsächlich in deutschsprachigen, liest man manchmal die Frage „Ich will mir eine chinesische Uhr kaufen, sie soll €25.- kosten. Ist das nicht etwas teuer?“ Nein. Kein Witz! Diese Frage war Ernst gemeint. Leider. Ja, stimmt. Es gibt im Internet Uhren, auch aus China, die kosten keine 10 Euro. Sogar mechanische. Wenn man Glück hat, läuft die sogar eine ganze Weile, und wenn sie kaputt ist, wirft man sie weg. Hat ja eh so gut wie nix gekostet. Das ist schon in Ordnung. Wenn jemand sowas kaufen will, dann soll er. Wenn das Ding aber nach kurzer Zeit kaputt ist, bitte nicht alles in einen Topf werfen und über den billigen Dreck aus China schimpfen. Es ist ein großer Unterschied, ob Gegenstände wie eine Uhr in China preisgünstig hergestellt werden, oder ob etwas in China billigst zusammengeschustert wird, weil Arbeitskräfte nichts kosten. Welcher Unterschied da besteht?

Im heutigen China gibt es viele Millionäre. Es gibt auch zahlreiche Milliardäre in China. Die sind nicht einmal durch den Staat oder durch Korruption so reich geworden. Das sind Geschäftsleute, die ihr Geschäft verstehen und China wirtschaftlich auf die Sprünge halfen und helfen. China ist ein immens großes Land mit immens großen Möglichkeiten. Auch die wohlhabende Mittelschicht wird immer größer. Man verdient heute auch als Arbeiter nicht mehr unbedingt so schlecht in China. Aber es gibt auch heute noch viele Leute, die selbst für chinesische Verhältnisse wenig verdienen und wirklich arm sind. Auch für diese Leute werden im China von heute Uhren hergestellt. Die Beijing Watch Factory, vor allem aber die staatlich kontrollierten Shanghai Watch Factory und die Tianjin Sea-Gull Watch Group erzeugen für den Inlandsmarkt wirklich preisgünstige, aber nichts desto trotz recht gute Uhren, die sich auch wenig verdienende leisten können. Mit dem sogenannten „Billigen Schrott“ haben diese Uhren nichts zu tun.

Der billige Schrott wird in keinen großen, bekannten Fabriken hergestellt, ist hauptsächlich für den Export gedacht, zum Beispiel für die unbedarften Langnasen, die denken, Chinesen leben grundsätzlich noch von einer Hand voll Reis am Tag. Und nicht selten stecken hinter diesen Billigstuhren Europäer. Zahlreich sind die Uhren, die mit europäisch oder englisch klingenden Namen verkauft werden, in denen billige und billigste Uhrwerke in billigsten Gehäusen werkeln, die unter den unmöglichsten Umständen hergestellt werden. Die Uhrwerke kommen oft sogar von großen Herstellern wie Sea-Gull oder Shanghai, aber auch von Anderen, die solche Uhrwerke zu Millionen bauen.

Was nichtasiatische Kunden nicht wissen ist, dass es diese Uhrwerke in den unterschiedlichsten Spezifikationen gibt, ja, sie werden sogar nach speziellen Angaben gefertigt. Tianjin Sea-Gull erzeugt für Kunden Uhrwerke, die würden sie selber nie in eigene Uhren einbauen. Darum sind in Tianjin Sea-Gull Uhren auch nur Werke mit der höchsten Qualitätsstufe verbaut, und darum verkauft die Beijing Watch Factory ihre Tourbillon Uhrwerke an keine anderen Uhrenhersteller. Sie wollen sich ihren guten Ruf nicht ruinieren lassen!

Wer für minderwertige Uhrwerke bezahlt, wer sie in Auftrag gibt, der bekommt sie allerdings auch geliefert. Was dann damit passiert, liegt nicht mehr im Einflussbereich des Herstellers. Selbst die ETA-Gruppe engt heute ihren Kundenkreis immer weiter ein, vielleicht auch deshalb, weil auch Schrott aus Europa nicht mehr selten ist. Man kann sich nicht mehr sicher sein, was der Kunde mit den Uhrwerken treibt, unter welchen Umständen diese zusammen- und eingebaut werden, ob es Kundendienst und Garantie gibt, und das schädigt schlussendlich den Ruf. Also bitte aufpassen. Es ist ein großer Unterschied, ob eine Uhr von einer chinesischen Uhrenfabrik hergestellt wurde, oder ob eine Uhr nur billigst in China zusammengeschustert wurde. Wer für eine Uhrenmarke keine Herstelleradresse findet, oder wer gar liest, ein Journalist hätte 13 Monate gebraucht und auch noch Geld investiert, um hinter den Produktionsstandort eines „bekannten“ chinesischen Herstellers zu kommen, der sollte sich etwas dabei denken. Die Adressen und Telefonnummern der Beijing Watch Factory oder der Tianjin Sea-Gull Watch Group finden sich in wenigen Sekunden und mit etwas Glück ist dann auch sofort jemand am Telefon – sofern die Uhrzeit (wegen der Zeitverschiebung) keine Unverschämtheit ist. Aber Mythen haben offenbar auch ihren Reiz.

Ps.: Es gibt manchmal wirklich fehlerhafte Uhrwerke auch namhafter Hersteller aus China. Die Qualitätskontrolle wird allerdings immer besser und besser. Den größte Schaden, den ich selber mit einer Uhr je hatte, war eine gerissene Feder einer Automatik drei Jahr nach dem Neukauf. Es war jedoch keine chinesische Uhr, sondern ein Schweizer Chronometer, der damals 24 990.- Österreichische Schillinge kostete. Was ich damit sagen will: Jedem Hersteller kann etwas passieren. Niemand ist davor gefeit. Weder Chinesen, noch Schweizer. Überall arbeiten nur Menschen.

Einen schönen Tag noch………..

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