Benzins Motorradseiten Erlebnisse mit dem Motorrad

16. Januar 2016

SEA-GULL 55th Anniversary Special Edition

Filed under: صنع في الصين - anihC ni edaM — Benzin @ 17:15

my_chinese_watchblog_seagull_55_001_3Im Jahre 1955 als Tianjin Uhrenfabrik gegründet, brachte die Tianjin Sea-Gull Watch Factory 2010 anlässlich des 55. Jahrestag der Firmengründung diese Sonderedition heraus. Meines bescheidenen Wissens nach gab es zum 50. Geburtstag keine Sonderausgabe einer Uhr. Warum? Ich hab keine Ahnung. An Stelle einer 11 befindet sich am Ziffernblatt eine rote 55. Jetzt kann man rätseln, wieso 55? Wieso feiert man den `fünfundfünfzigsten Geburtstag, und nicht den fünfzigsten? Vielleicht, weil die Zahl 5 in China für eine ganze Menge an Dingen steht? Mag sein. Wer jetzt daran interessiert ist, welche Bedeutungen die Zahl fünf in China hat, der möge bitte googeln. Ich hab mich nach dem Erhalt dieser Uhr ein wenig dafür zu interessieren begonnen, hab’s aber sehr schnell wieder sein lassen. Das ist nicht meines. Da wird einem schwindlig. Das mit den fünf heiligen Bergen hab ich ja noch verstanden. Eigentlich dachte ich, da gibt es mehr davon. Aber na ja, fünf ist auch gut. Auch das mit den fünf Geschmackssinnen fand ich noch in Ordnung, nur das mit dem umami hab ich eine Weile nicht kapiert. Ok, das ist fleischig. Das kenn ich. Also verstanden. Das mit den fünf Elementen – Wu Xing – die da sind Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser, fand ich eine Weile sogar recht interessant. Als ich dann aber auch noch auf die fünf Klassiker Chinas stieß und die, laut Konfuze auch noch studieren sollte, um mehr zu verstehen, warf ich das Handtuch. Es ist ja gut und schön, etwas mehr über China, Land und Leute kennen zu lernen. Drum war ich ja vor 18 Jahren etwas kreuz und quer durch China unterwegs. Ich will aber wirklich kein Sinologe werden, nur weil ich mich für chinesische Uhren begeistere!my_chinese_watchblog_seagull_55_002

my_chinese_watchblog_seagull_55_001_2Also, was gibt’s zu dieser Uhr zu sagen, ohne sich näher mit chinesischer Geschichte und Mythologie zu befassen? Diese Uhr ist in natura sehr, sehr schön. Und sie ist schwer zu fotografieren. Zumindest dann, wenn man ihre Schönheit wirklich zur Geltung bringen will. Vor allem ist es schwierig, das Farbenspiel des Ziffernblattes in Kombination mit dem rotvergoldeten Rand und den vergoldeten Ziffern und Zeigern zu zeigen oder gar zu beschreiben. Es spielt keine Rolle, wo man sich grade befindet, bei jeder Lichtveränderung verändert sich das Aussehen der Uhr. Von weiß über silbrig bis gülden glänzend verändert sich das Ziffernblatt, sobald man sich aus der Sonne in den Schatten oder von einem Raum mit Glühbirnenbeleuchtung in einen Raum mit Leuchtstoffröhren begibt, und je nach Blickwinkel verändern sich die Schatten im Bereich des Sonnenschliffes am Ziffernblatt.my_chinese_watchblog_seagull_55_002_2

Wem dieses Schauspiel der Farben und Schatten zu langweilig wird, kann die Uhr ja abnehmen und umdrehen. Ein Glasboden gibt den Blick aufs Automatikwerk frei. Dabei fallen einem zwei Dinge auf. Erstens ist das Uhrwerk, ein Sea-Gull ST6103K, offenbar ein kleines Uhrwerk. Die Beschreibung des Händlers spricht sogar davon, es handle sich dabei um ein Uhrwerk, dass ursprünglich als Damenuhrenwerk entwickelt wurde. Interessanter ist aber, dass es sich dabei um ein mit Gravuren verziertes und sogar skelettiertes Uhrwerk handelt. Allerdings, recht viel sieht man durch das kleine Fensterchen im Boden nicht. Vielleicht ist da auch gar nicht viel mehr vorhanden, weil das Uhrwerk tatsächlich so kleine ist. Bei einem Uhrdurchmesser von 41mm scheint das Uhrwerk jedenfalls sehr klein zu sein.

Im ersten Moment fühlt sich diese Uhr am Handgelenk etwas dick an, man gewöhnt sich aber schnell daran. Es ist nicht unangenehm. Auch das auf Anhieb etwas sperrige Lederband wird sich eintragen, das weiß ich aus Erfahrung. Wirklich gut gefällt mir, dass Sea-Gull auch an Kleinigkeiten dachte, wie zum Beispiel die Schließe des Uhrbandes ebenfalls Rotgold zu plattieren. Und sonst? Sonst gibt’s nicht viel zu sagen. Wie zuverlässig sie ist, weiß ich nicht, weil ich sie zu selten trage. Aber was soll bei einem Uhrwerk von Sea-Gull schon passieren? Und Aussehen ist Geschmackssache. Über Geschmack kann man ja trefflich streiten. Mir gefällt sie.

 

Schönen Tag noch…………….

15. Januar 2016

Uhren aus Peking – BWAF/Beijing Watch Factory

Filed under: صنع في الصين - anihC ni edaM — Benzin @ 13:05

Die Geschichte der Beijing Watch Factory  oder chinesisch 北京手表厂,so der offizielle und international bekannte Name dieser Firma – reicht bis ins Gründungsjahr 1958 zurück. Damit gehört sie zu den ältesten Uhrenfabriken Chinas. Tiān’ānmén – das Tor des Himmlischen Friedens, der Haupteingang zur Verbotenen Stadt in Peking, ist das Markenzeichen.  Aus der anfangs 21 Mann starken Besatzung wurden inzwischen rund 600 Beschäftigte. Die Firma, seit 2004 in Privatbesitz, sieht sich zwar auch als Zulieferer mechanischer Uhrwerke für andere Uhrenhersteller, betätigt sich allerdings hauptsächlich als Hersteller hochwertiger mechanischer Uhren für den heimischen Markt und hofft auf Kundschaft aus der immer zahlreicher werdenden Schar wohlhabender Chinesen der Mittel- und Oberschicht, die langsam, aber doch, wieder einheimische, qualitativ hochwertige Produkte schätzen lernt. Chinesische Mentalität ist, wie in vielen anderen Ländern auch, dass ausländische Produkte, speziell Japanische oder Schweizer Uhren, wesentlich mehr geschätzt werden, als heimische. Was nicht an deren besserer Qualität liegt. Die Qualität der großen, heimischen Uhrenhersteller wie BWAF, Tianjin Sea-Gull oder Shanghai kann sich ohne weiteres mit jedem Uhrenhersteller dieser Welt messen. Es ist der Reiz des Fremden. Wie chinesisches Porzellan, chinesische Seide oder französische Mode für uns. Die BWAF erzeugt keine Quarz-Uhrwerke mehr. Der Quarzmarkt ist unattraktiv geworden, man kann damit nur mehr schwer Geld verdienen. 2 Bilder unten: Beijing SB5 18 000BPM produziert von 1967 – 74

my_chinese_watchblog_beijing_sb5_001Momentan verdienen sich die Schweizer Luxusuhrenhersteller, bedingt durch den Aufschwung der chinesischen Wirtschaft, in China eine goldene Nase. Mit einer Einwohnerzahl jenseits von (wahrscheinlich, genau weiß das keiner) 1.5 Milliarden ist das Potential enorm und der vorhandene Kuchen, von dem man sich ein Stück abschneiden kann, riesengroß. In absehbarer Zeit hat die BWAF jedenfalls nicht vor, zu exportieren, alleine schon aus Kapazitätsgründen, sondern will sich ausschließlich auf den heimischen Markt konzentrieren. Auch deshalb, weil man die Misserfolge der chinesischen Konkurrenz im Ausland vor Augen hat. Das Management lenkt den Betrieb sehr vorsichtig in die Zukunft.my_chinese_watchblog_beijing_sb5_002

Als Uhrenhersteller kann die BWAF durchaus auf großartige Leistungen zurückblicken. Nicht nur, dass die Uhren auch zu Maos Zeit (sofern die politischen Wirren nicht all zu groß waren) ausgesprochen gute Qualität besaßen, entwickelte die BWAF 1995 unter der Leitung des alten Uhrmachermeisters Xu Yaonan den Prototyp ihres ersten, eigenständigen Tourbillon Werkes, womit sie auch die erste chinesische Firma war, die solche hochkomplexen Uhrwerke herstellen konnte.

Heute, nachdem man Tourbillons verschiedenster Machart zu produzieren imstande ist, ist man auch stolz darauf, diese hochkomplexen Uhrwerke NICHT an andere Uhrenbauer zu verkaufen. Diese Uhrwerke werden ausschließlich für Uhren aus dem eigenen Haus verwendet. Mit Fug und Recht kann sich die Pekinger Uhrenfabrik als “Manufaktur” bezeichnen, die alle Komponenten im eigenen Haus baut. Womit sie zu einer, selbst global gesehen, kleinen Uhrmacher-Elite zählen. 2008 brachte die BWAF zum 50. Geburtstag eine limitierte Auflage der BeiHai mit dem dekorierten Handaufzugskaliber SB18 als “Limited Edition 1958 – 2008” auf den Markt, die auch schnell bei ausländischen Käufern ihre Fan-Gemeinde fand. Die vorgesehenen 2008 Stück wurden nicht auf einmal produziert, sondern es werden jährlich kleine Stückzahlen hergestellt, wobei auch immer wieder neueste technische Verbesserungen mit einfließen. Mit dem neuen, verbesserten Kaliber B18 ist diese Uhr nach wie vor zu kaufen. Das ist eine Vorgangsweise, wie sie sich nur eine Manufaktur leisten kann. Da an alte Uhren der BWAF nicht so leicht ran zu kommen ist, aber gerade von dieser Firma sehr viele wunderschöne neue und auch leistbare Uhren zu haben sind, hab ich mich bei der Beijing Watch Factory hauptsächlich auf neue Modelle spezialisiert, was heißt, ich kauf die nicht unbedingt zu Sammlerzwecken, sondern weil sie mir außergewöhnlich gut gefallen und ich sie gerne trage. Vielleicht sind das ja in 30 Jahren begehrte Sammlerstücke. Ich wäre dann ja erst 86. Die “Oldtimer” trag ich schon aus Vorsichtsgründen nicht gerne im Alltag. Eine alte, kaputtgegangene Uhr ist unter Umständen nicht mehr ersetzbar, und dabei spielt es für mich keine Rolle, was sie rein materiell Wert ist.

Meine momentan älteste Uhr der BWAF ist die oben gezeigte Beijing SB5, die von 1967 – 74 erzeugt wurde. In den 70er und 80er Jahren exportierte dieser Hersteller auch noch in den asiatischen Raum, zum Teil auch nach außerhalb Asiens. Uhren für den asiatischen Raum trugen den Namen “Shuangling”, genau die gleichen Uhren, die außerhalb Asiens verkauft wurden, trugen zwar das selbe Markenzeichen, wurden aber “Double Rhomb” genannt, zu deutsch “Doppelte Raute”. Genau das war auch das Markenzeichen dieser Exportuhren, eine doppelte Raute.

my_chinese_watchblog_shuangling_20zuan_zb1_001 my_chinese_watchblog_shuangling_20zuan_zb1_002

Die damals noch verstaatlichte Beijing Watch Factory war eine der Fabriken, die an der Entwicklung der chinesischen Standard-Uhr teilnahmen, die im Falle dieser Fabrik ab 1972 das 17 Steinige ZB-1 beherbergten. Aus diesem Uhrwerk ging zwei Jahre später das mit 20 Lagersteinen ausgestattete ZB-1 hervor, das sich in den Uhren oben und unten befindet. Die Uhr unten besitzt nicht nur eine Datums-, sondern auch eine Tagesanzeige, wie sich das für eine chinesische Uhr gehört, in chinesischer Sprache. Damit gehört sie natürlich zu meinen Lieblingsstücken.

my_chinese_watchblog_shuangling_20zuan_daydate_001 my_chinese_watchblog_shuangling_20zuan_daydate_002_2

Eine weitere Version des ursprünglichen 17 Steinígen ZB-1 war das 40 Steinige Automatikuhrwerk SZB-1C, zugleich auch das erste Standard-Uhrwerk mit Automatikaufzug Chinas, und ist unten zu sehen.

my_chinese_watchblog_shuangling_40zuan_001 my_chinese_watchblog_shuangling_40zuan_002 my_chinese_watchblog_shuangling_40zuan_003

Und nun zu meiner kleinen Ansammlung moderner Uhren der Beijing Watch Factory

my_chinese_watchblog_beihai_ltd_002 my_chinese_watchblog_beihai_ltd_003 my_chinese_watchblog_beihai_ltd_001
Beijing Beihai 1958 – 2008 Limited Edition mit dekoriertem Handaufzugskaliber B18
my_chinese_watchblog_beijing_zhufeng_2_007 my_chinese_watchblog_beijing_zhufeng_2_002 my_chinese_watchblog_beijing_zhufeng_2_003
Beijing Zhufeng II „Everest“, ebenfalls mit dekoriertem Handaufzugskaliber B18 und mit Datum
my_chinese_watchblog_beijing_hong_ru_blue_001 my_chinese_watchblog_beijing_hong_ru_blue_003 my_chinese_watchblog_beijing_hong_ru_blue_002
Beijing Hong Ru Automatik mit Datum
my_chinese_watchblog_zunda_001 my_chinese_watchblog_zunda_002 my_chinese_watchblog_zunda_001_2
Beijing Zunda Automatik mit Gangreserve Anzeige und Datum
my_chinese_watchblog_beijing_zungu_6_001 my_chinese_watchblog_beijing_zungu_6_006 my_chinese_watchblog_beijing_zungu_6_003
Beijing Zungu-6 Automatik

In manchen Uhrenforen, ehrlich gesagt hauptsächlich in deutschsprachigen, liest man manchmal die Frage „Ich will mir eine chinesische Uhr kaufen, sie soll €25.- kosten. Ist das nicht etwas teuer?“ Nein. Kein Witz! Diese Frage war Ernst gemeint. Leider. Ja, stimmt. Es gibt im Internet Uhren, auch aus China, die kosten keine 10 Euro. Sogar mechanische. Wenn man Glück hat, läuft die sogar eine ganze Weile, und wenn sie kaputt ist, wirft man sie weg. Hat ja eh so gut wie nix gekostet. Das ist schon in Ordnung. Wenn jemand sowas kaufen will, dann soll er. Wenn das Ding aber nach kurzer Zeit kaputt ist, bitte nicht alles in einen Topf werfen und über den billigen Dreck aus China schimpfen. Es ist ein großer Unterschied, ob Gegenstände wie eine Uhr in China preisgünstig hergestellt werden, oder ob etwas in China billigst zusammengeschustert wird, weil Arbeitskräfte nichts kosten. Welcher Unterschied da besteht?

Im heutigen China gibt es viele Millionäre. Es gibt auch zahlreiche Milliardäre in China. Die sind nicht einmal durch den Staat oder durch Korruption so reich geworden. Das sind Geschäftsleute, die ihr Geschäft verstehen und China wirtschaftlich auf die Sprünge halfen und helfen. China ist ein immens großes Land mit immens großen Möglichkeiten. Auch die wohlhabende Mittelschicht wird immer größer. Man verdient heute auch als Arbeiter nicht mehr unbedingt so schlecht in China. Aber es gibt auch heute noch viele Leute, die selbst für chinesische Verhältnisse wenig verdienen und wirklich arm sind. Auch für diese Leute werden im China von heute Uhren hergestellt. Die Beijing Watch Factory, vor allem aber die staatlich kontrollierten Shanghai Watch Factory und die Tianjin Sea-Gull Watch Group erzeugen für den Inlandsmarkt wirklich preisgünstige, aber nichts desto trotz recht gute Uhren, die sich auch wenig verdienende leisten können. Mit dem sogenannten „Billigen Schrott“ haben diese Uhren nichts zu tun.

Der billige Schrott wird in keinen großen, bekannten Fabriken hergestellt, ist hauptsächlich für den Export gedacht, zum Beispiel für die unbedarften Langnasen, die denken, Chinesen leben grundsätzlich noch von einer Hand voll Reis am Tag. Und nicht selten stecken hinter diesen Billigstuhren Europäer. Zahlreich sind die Uhren, die mit europäisch oder englisch klingenden Namen verkauft werden, in denen billige und billigste Uhrwerke in billigsten Gehäusen werkeln, die unter den unmöglichsten Umständen hergestellt werden. Die Uhrwerke kommen oft sogar von großen Herstellern wie Sea-Gull oder Shanghai, aber auch von Anderen, die solche Uhrwerke zu Millionen bauen.

Was nichtasiatische Kunden nicht wissen ist, dass es diese Uhrwerke in den unterschiedlichsten Spezifikationen gibt, ja, sie werden sogar nach speziellen Angaben gefertigt. Tianjin Sea-Gull erzeugt für Kunden Uhrwerke, die würden sie selber nie in eigene Uhren einbauen. Darum sind in Tianjin Sea-Gull Uhren auch nur Werke mit der höchsten Qualitätsstufe verbaut, und darum verkauft die Beijing Watch Factory ihre Tourbillon Uhrwerke an keine anderen Uhrenhersteller. Sie wollen sich ihren guten Ruf nicht ruinieren lassen!

Wer für minderwertige Uhrwerke bezahlt, wer sie in Auftrag gibt, der bekommt sie allerdings auch geliefert. Was dann damit passiert, liegt nicht mehr im Einflussbereich des Herstellers. Selbst die ETA-Gruppe engt heute ihren Kundenkreis immer weiter ein, vielleicht auch deshalb, weil auch Schrott aus Europa nicht mehr selten ist. Man kann sich nicht mehr sicher sein, was der Kunde mit den Uhrwerken treibt, unter welchen Umständen diese zusammen- und eingebaut werden, ob es Kundendienst und Garantie gibt, und das schädigt schlussendlich den Ruf. Also bitte aufpassen. Es ist ein großer Unterschied, ob eine Uhr von einer chinesischen Uhrenfabrik hergestellt wurde, oder ob eine Uhr nur billigst in China zusammengeschustert wurde. Wer für eine Uhrenmarke keine Herstelleradresse findet, oder wer gar liest, ein Journalist hätte 13 Monate gebraucht und auch noch Geld investiert, um hinter den Produktionsstandort eines „bekannten“ chinesischen Herstellers zu kommen, der sollte sich etwas dabei denken. Die Adressen und Telefonnummern der Beijing Watch Factory oder der Tianjin Sea-Gull Watch Group finden sich in wenigen Sekunden und mit etwas Glück ist dann auch sofort jemand am Telefon – sofern die Uhrzeit (wegen der Zeitverschiebung) keine Unverschämtheit ist. Aber Mythen haben offenbar auch ihren Reiz.

Ps.: Es gibt manchmal wirklich fehlerhafte Uhrwerke auch namhafter Hersteller aus China. Die Qualitätskontrolle wird allerdings immer besser und besser. Den größte Schaden, den ich selber mit einer Uhr je hatte, war eine gerissene Feder einer Automatik drei Jahr nach dem Neukauf. Es war jedoch keine chinesische Uhr, sondern ein Schweizer Chronometer, der damals 24 990.- Österreichische Schillinge kostete. Was ich damit sagen will: Jedem Hersteller kann etwas passieren. Niemand ist davor gefeit. Weder Chinesen, noch Schweizer. Überall arbeiten nur Menschen.

Einen schönen Tag noch………..

16. Dezember 2015

Tianjin – Dong Feng – Sea-Gull – Ein Riese erwacht

Filed under: صنع في الصين - anihC ni edaM — Benzin @ 11:35

Seit der Mensch mit Technik umgeht, war es offenbar auch sein Wunsch, irgendwie die Zeit zu messen. Das war im Reich der Mitte nicht anders, als im Rest der Welt. Erste technische Uhren, sogenannte Wasserauslauf-Uhren, gehen in China etwa (so Spekulationen) auf die Zeit bis 2000 vor Christus zurück, also etwa in die Zeit der Shang-Dynastie. Wasseruhren aller möglicher Konstruktionen wurden über die Jahrhunderte, fast möchte man sagen, über Jahrtausende hinweg, ausprobiert, aber irgendwo war immer ein Hacken. Bis zu mechanischen Uhren sollte es noch eine ganze Weile dauern. Selbst im Mittelalter musste man sich noch mit Wasser-, Sonnen- oder Kerzenuhren begnügen. Mechanische Uhren kamen erst nach der Erfindung der Hemmung langsam zum Vorschein, die schon zuvor bekannten Getriebe waren noch frei durchlaufend. Im 11. Jahrhundert finden mechanische Uhren immer wieder Erwähnung, was darauf hindeutet, dass sie weithin bekannt waren. In einem Schreiben Dante Alighieries aus dem 14. Jahrhundert findet sich erstmals die Erwähnung einer Uhr mit Stundenglockenwerk. Wir reden hier von Turmuhren und dergleichen. Armbanduhren waren unbekannt, ja unvorstellbar. Drei Bilder: Armbanduhr Tianjin mit ST5 Werk.

my_chinese_watchblog_vintage_001Erste Taschenuhren soll es etwa Mitte des 15. Jahrhunderts gegeben haben, 1810 baute Abraham Louis Breguet im Auftrag der Königin von Neapel die erste Armbanduhr der Welt und war damit der erste Schweizer Hersteller von Armbanduhren. Um die Wende zum 20. Jahrhundert wurde es offenbar Mode, kleine Taschenuhren an Ketten ums Handgelenk zu tragen. Schließlich erforderten die Umstände der Kriege eine Abkehr von den Taschenuhren. Man trug die Uhr am Handgelenk. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts ist die Herstellung von Uhren eine Schweizer Spezialität. Manche meinten, nur die Schweizer seien in der Lage, eine Uhr herzustellen. Manch einer scheint sogar heute noch der Meinung zu sein, nur die Schweizer, bestenfalls noch Deutsche, hätten das Recht, Uhren zu bauen. So überheblich dachten dereinst auch britische und deutsche Motorradhersteller. Heute rangieren diese mehr oder weniger unter “ferner liefen…”. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts setzten sich dann in einem fernen Land ein paar kleine, gelbe Männchen bei einer Schale Reis zusammen und fragten sich, ob sie das nicht auch könnten, eine Uhr zu bauen?my_chinese_watchblog_vintage_001_3

Im Jänner 1955 gab die chinesische Regierung den Auftrag, im Norden Chinas eine Uhrenfabrik zu errichten. Als Standpunkt wurde Tianjin, eine Stadt südöstlich Pekings, ausgewählt. Die Legende erzählt, dass sich vier Mann, ausgestattet mit einem Budget von 100 Rinmimbi, in einem kleinen Raum, mit einfachen Werkzeugen ausgerüstet, zusammensetzten, um eine Armbanduhr nach Schweizer Vorbild zu bauen. 100 Stunden werkten Jiang Zhengying, Sun Wenjin, Wang Cimin und Zhang Shuwen, um die einzelnen Bauteile zusammenzufügen. Am 24. März 1955 war es so weit. Um 17:45 Uhr zogen sie erstmals das eben fertiggestellte Uhrwerk auf, und der Sekundenzeiger der ersten in China gefertigten Uhr, Wu Xing genannt, begann sich zu bewegen.

my_chinese_watchblog_vintage_001_2“Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute”, könnte man sich jetzt denken. Ich finde diese Geschichte aber schön. Nicht nur erfährt man hier die Namen der vier tüchtigen Arbeiter und den Tag, an dem sie ihr Werk vollbrachten, man erfährt auch die genaue Uhrzeit, zu der sich das erste chinesische Uhrwerk zu drehen begann. Wie auch immer. Jedenfalls kann man nirgends nachlesen, wann sich der erste Motor von Honda, Kawasaki, Suzuki oder Yamaha zu drehen begann. Oder gar von KTM. Wäre doch schön zu lesen, dass sich der Hans, der Sepp und der Herbert in einer Hütte bei Mattighofen zusammensetzten, um den ersten Motor für KTM zu bauen, der am Freitag um 15:45 Uhr erstmals seine knatternden Geräusche von sich gab. Nach 16 Uhr wäre das ja nicht mehr möglich gewesen. Feierabend. Wochenende. Arbeitszeitgesetz. Die Gewerkschaft. Man kennt das ja. Geht nicht. “Furschrift is Furschrift”. Und darum gibt es in Österreich keine so schönen Firmengeschichten wie in China.

Damals, an diesem 24. März 1955 ahnte niemand, was diese Männer in Bewegung gesetzt hatten. Es war nicht nur ein Uhrwerk. Es war ein Imperium. 1956 investierte China 9 Millionen RMB in die neue Uhrenfabrik in Tianjin, es wurden 24 000 Uhren produziert. Am 23. März 1957 wurde die Produktion einer neuen “Wu Yi” Uhrenserie gestartet, 1958 die Firma als “Tianjin Wu Yi Uhrenfabrik” etabliert. 1966 startete eine neue Ära. Mit dem ST5 Uhrwerk in einer “Dong Feng”, Ostwind, genannten Uhr brachte die Tianjin Uhrenfabrik die erste komplett in China konstruierte und gebaute Uhr auf den Markt. Dieses Uhrwerk war nicht nur nach damaligen Gesichtspunkten modern, es ging auch überaus genau und ist noch heute ein begehrtes Sammlerobjekt, obwohl es vermutlich zu  Millionen gebaut wurde. Die in späteren Varianten per Hand angefertigten Streifenmuster haben sicher ihren Teil dazu beigetragen, denn dadurch gibt es praktisch keine zwei gleichartig verzierten Uhrwerke. Das ST5 ist nicht nur schön, sondern auch nach heutigen Gesichtspunkten eine Präzisionsmaschine.

my_chinese_watchblog_vintage_007 my_chinese_watchblog_vintage_007_3 my_chinese_watchblog_vintage_007_4 my_chinese_watchblog_vintage_007_2
DONGFENG mit unverziertem ST5 Uhrwerk.

Seiner außerordentlichen Präzision verdankte dieses Uhrwerk auch das Überleben, denn nachdem die chinesische Regierung beschlossen hatte, ein Standartuhrwerk für alle Uhren einzuführen, wurde dem ST5 der Tianjin Uhrenfabrik eine Sondergenehmigung erteilt, um es weiter produzieren zu dürfen. Diese Ehre erfuhren nur wenige Uhrwerke. China war zu dieser Zeit so eine Art kommunistisches Land. Chinesischer Kommunismus, wohlgemerkt. In China hatte immer die Landwirtschaft den Vorrang. Mao und der Mao-Kommunismus waren durch die Bauern an die Macht gekommen. Erst der große Sprung vorwärts sollte China in eine moderne Zeit mit Schwer- und Leichtindustrie führen, führte aber gradewegs an den Rand eines selbstmörderischen Abgrundes.

my_chinese_watchblog_vintage_dongfeng_st5a_001 my_chinese_watchblog__dongfeng_st5a_purple_001 my_chinese_watchblog__dongfeng_st5a_green_001
Neu aufgelegte Dongfeng mit verziertem ST5A Uhrwerk.

1973 wurde beschlossen, Uhren auch zu exportieren. Devisen waren Mangelware. Der Name Dong Feng wäre da allerdings eher hinderlich gewesen. Ostwind würde man im Westen als eher provokant empfunden haben ala “Der kommunistische Wind aus dem Osten wird euch alle hinwegfegen!” Das war der chinesischen Regierung offenbar sehr bewusst, und darum änderte man den Namen. Aus dem Ostwind wurde die politisch unverfänglichere Möwe, die sich majestätisch durch die Lüfte schwingt. Seagull, oder Sea-Gull, wurde geboren. Aber auch mit dem neuen Namen wurden chinesische Uhren außerhalb Chinas kein Erfolg. Noch nicht. Die Zeit war noch nicht reif dafür.

my_chinese_watchblog_vintage_003 my_chinese_watchblog_vintage_003_3 my_chinese_watchblog_vintage_003_2
Sea-Gull mit verziertem Uhrwerk und Datum

Nach dem Tod Maos übernahm Deng Xiaoping die Macht, und mit ihm kam frischer Wind in die chinesische Politik. Er führte das Land aus dem abgeschotteten Personenkult Maos in eine neue Zeit und öffnete China auf eine Art, wie das zu Maos Zeiten unvorstellbar war. Dengs Änderungen in Politik und Wirtschaft veränderte den Lauf der Chinesischen- wie der Weltgeschichte genau so stark, wie Gorbatschows Politik von Glasnost und Perestroika die Sowjetunion und deren Einflussbereich veränderte. Ein Riese erwachte zum Leben.

my_chinese_watchblog_05 my_chinese_watchblog_05_2 my_chinese_watchblog_05_3 my_chinese_watchblog_05_4
Sea-Gull M182SK Automatik skelettiert.
Mehr Schmuckstück als Uhr, weil nicht ganz einfach abzulesen. Aber man kann dem Werk schön beim Werkeln zuschauen.

1992 wurde die Tianjin Sea-Gull Corporation gegründet, 2000 ging die Sea_Gull Gruppe an die Börse. Heute erzeugt Sea-Gull nicht nur komplexe mechanische Uhrwerke, sondern produziert jährlich rund ein drittel aller auf der Welt erzeugten Uhrwerke. Sea-Gull produziert mit modernsten Produktionsmethoden und Maschinen und steht heute für Qualität und Präzision. Meistens zumindest. Eine gewisse Schludrigkeit punkto Qualitätskontrolle soll man den Chinesen auch heute noch nicht absprechen können, hört und liest man. Andererseits hört und liest man aber auch, dass selbst aus dem Hause nobler westlicher Uhrenschmieden Produkte entfleuchen, die man am besten vor der Auslieferung ausgesondert hätte. Wo Menschen werkeln, passieren Fehler. Auch wenn manche das nicht wahrhaben wollen. Und was manche auch nicht wahrhaben wollen ist, dass nicht nur die Schweizer gute Uhren bauen können. Schauen wir einmal, wie das in zwanzig Jahren ausschaut. Falls es die Schweizer Uhrenindustrie dann noch gibt. Die Chinesen haben 99 Jahre lang gewartet, bis Hong Kong wieder chinesisch wurde. Sie haben die Briten überdauert, Sie könnten auch die Schweizer überdauern. Die sind lernwillig und haben Zeit. Und Zeit wiederum hat mit Uhren zu tun. Auch mit Chinesischen.

Schönen Tag noch……….

HIER finden sie einen guten Artikel über die moderne Firma Sea-Gull.

Ps.: Die Bilder der alten Uhrwerke sind Bilder der Verkäufer.
Ich möchte diese alten Uhren nicht öfters als notwendig öffnen, da jedes einzelne Mal die Gefahr einer Beschädigung besteht.
Nichts desto trotz sind diese Uhren und Uhrwerke mein Eigentum!
« Newer PostsOlder Posts »

Powered by WordPress