3.Juli 2008 – Schwanengesang an die Vollgaszeiten mit der FZR1000LE3
Strecke: Waidhofen/Ybbs – Weyer – Ennstal – Altenmarkt – Buchauersattel – Weng – Gesäuse – Hieflau – Eisenerz – Präbichl – Vordernberg – Trofaiach – Kammern im Liesingtal – Trieben – Kaiserau – Admont – Liezen – Pyhrnpaß – Spital am Pyhrn – Kleinkersee – Roßleiten – Hinterstoder – Steyerbrücke – Klaus – Molln – Steyr – St.Peter – Aschbach – Mauer – Amstetten
Streckenlänge: 350km
Leck mich am Arsch, ich schwitze wie eine Sau.
Die Außentemperatur betrug geschätzte 35C°, die Temperatur im Leder gefühlte 87,4C° – mindestens!
Scheinbar ist meine Fitness die eines 100Jährigen, denn noch vor 2 Jahren bin ich bei so einer Hitze auf einen Berg rauf- und singend wieder runter gelaufen. Aber dazu ist ja keine Zeit mehr, weil ich in der Freizeit mehr oder weniger auf den Motorrädern, oder besser gesagt, auf der XJR wohne.
Seit ich die XJR1300 hab´, bin ich mit der 1000er nicht mehr so viel gefahren. Ich will sie schonen, sie soll mein Oldtimer werden. Am Anfang war noch alles palletie. Auch letztes Jahr hab ich sie noch herum gedroschen, als wäre ich nie etwas anderes gefahren, trotz weniger Jahreskilometer. Aber heute? Bei der Fahrt Richtung Waidhofen/Ybbs sind mir die Hände eingeschlafen, ich bin auf der Geraden beinahe Slalom gefahren. Völlig fremd bin ich mir vorgekommen auf diesem Motorrad. Drauf gesessen wie ein Affe auf´m Schleifstein. Die Stummel und der Vorderbau haben sich angefühlt wie ein klemmendes Steuerruder, nichts hat gepasst. Dabei ging es mir beim Kauf der „Elise“ genau umgekehrt!
Von Gaflenz bis Weyer führt ein herrlich kurvenreicher Streckenabschnitt, den ein Motorradfahrer gebaut haben muß. Die Kurven kann man in einem tollen Rhythmus fahren, bei einem Tempo, wo man in der Tat noch die Chance auf einen fairen Prozess hat, bevor man erschossen wird. Natürlich nur, falls man sich erwischen lässt. Auch heute wollte ich einfach durch glühen, aber schon nach der ersten Kurvenkombination wusste ich, das wird nix. Tempo mäßig hat sich das Sau schnell angefühlt, der Blick auf den Tacho sagte aber, daß da mindestens 30km/h für die erste Startreihe fehlen. Da bin ich ja an einem guten Tag schon mit der dicken XJR schneller!
Ich hab überhaupt nix gespürt. Weder was die Reifen machen, noch konnte ich durch die Verkleidung das Tempo richtig einschätzen, noch hat das Timing gestimmt. Es war, gelinde gesagt, ein einziger Topfen (Quark), den ich da zusammen fuhr. Natürlich mit den Maßstäben gerechnet, die ich sonst immer ans Motorradfahren mit der 1000er anlegte. Für die meisten Sonntagsfahrer hätte es auch so noch locker gereicht, davon bin ich überzeugt. Aber nur mein Maßstab zählt für mich. Die Latte liegt hoch.
Im Ennstal begann ich schon mit mir selber zu reden, weil das, was ich da aufgeführt hab, schon lebensgefährlich aussah, auch wenn noch alles unter Kontrolle war. Die Linie, wenn man diesen Scheiß als Linie bezeichnen kann, hat überhaupt nicht gestimmt. Sie hätte zumeist nicht in die nächste Kurvenkombination geführt, sondern ins Grab, wenn ich wirklich voll durchgezogen hätte! Da sagte ich mir, „Shit, ich habs Fahren mit der Kilo verlernt“. Im ersten Moment war ich ob dieser Erkenntnis wirklich sauer und enttäuscht.
Den Buchauersattel und das Gesäuse bis Hieflau mitsamt dem Präbichl bin ich dann ganz gemütlich gefahren, denn ich wollte ja am Abend wieder daheim sein, gemütlich was essen, ins FZR-Forum schauen, ob ich nicht irgendwo boshafterweise einen Thread verschieben oder löschen könnte (was ja angeblich die Lieblingsbeschäftigung eines Mod. ist), aber nicht in einer Holzkiste liegen. So beruhigte ich mich wieder und nahm den selbst auferlegten Druck weg.Die Fahrerei wurde dadurch gleich wesentlich runder und genüsslicher.
Nach einem Kaffee in der Aussichtskurve am Präbichl merkte ich schon beim Runterfahren auf der Südseite, dass sich etwas geändert hatte. Die erste Rechtskehre war zwar noch versaut durch ein langsames Auto, bei der Links hat die Kilo dann doch wieder mal gerappelt beim Rausbeschleunigen. Von locker und lässig konnte aber noch immer bei weitem keine Rede sein, und wenn ich sie irrtümlich so weit umgelegt hätte, dass die Verkleidung streift, hätte ich mich sicher angeschissen.
Also ganz hab ich es scheinbar nicht verlernt, dachte ich, aber da fehlen noch Welten. Während der Fahrt durch das Liesingtal nach Trieben und dann gar durch die Kaiserau kam das alte Gefühl aber doch wieder mit Riesenschritten zurück. Endlich wusste ich wieder, was das Vorderrad macht, endlich eierte nix mehr. Ich war wieder entspannt und saß auch ganz anders am Bock. Fast wie früher, als ich noch in Übung war. Meine Güte, höchstens 2500km war ich seit Oktober 2004 mit der FZR gefahren. In dieser Zeit hab ich mit der XJR1300 ziemlich genau 41 000km herunter gedreht. Da ist es kein Wunder, wen sich alle Sinne und Gefühle auf die dicke Elise eingestellt haben und mir die 1000er etwas fremd wurde. Aber von der Charakteristik sind die beiden wie Tag und Nacht. Die FZR ist auch gemütlicher wirklich traumhaft zu fahren, die volle Leistung könnte ich momentan aber nicht mehr beinahe immer und überall einsetzen. Da fehlt einiges an Übung.
Weil´s so schön war, dieses Motorrad wieder besser zu spüren, hab ich nach der Kaiserau in Admont getankt und bin gleich weiter nach Liezen und über den Pyhrnpaß. Da war ich wieder ein wenig vorsichtiger, denn die Augen spielen bei höheren Geschwindigkeiten (ich meine natürlich im legalen Bereich, damit keine Missverständnisse aufkommen) noch nicht so richtig mit und das Timing beim Kurvenwechsel stimmte auch noch immer nicht so ganz. Aber es wurde von Kilometer zu Kilometer besser.
Beim Kleinkersee oberhalb von Windischgarsten hab ich gleich wieder umgedreht. Alles total überlaufen von Badegästen, da hätte ich den Kaffee wohl im stehen trinken müssen. Dafür war die Fahrt nach Hinterstoder eine Augenweide. Ab Vorderstoder ist die Aussicht auf die Berge des „Toten Gebirges“ prächtig. Noch jetzt liegt eine ganze Menge Schnee auf den Bergen, die dort über 2500m hochragen. Ein toller Anblick, die steile Spitzmauer und der Große Priel. Irgendwann werde ich da noch hinaufsteigen, denn das hatte ich mir einmal vorgenommen. Immer besser bin ich mit der FZR zurechtgekommen, immer mehr automatisierte sich der Bewegungsablauf wieder. Bei der Fahrt über Klaus und Steyr zurück musste ich doch wieder die Hufe so weit wie möglich einziehenm damit die Stiefel nicht reif zum Wegwerfen wurden.
Nur einige Kleinigkeiten passten mir noch nicht so recht. Durch die zumeist gemütliche Fahrerei mit der schweren blauen Elise fehlt mir total die Einschätzung bei höheren Tempi. Ich weiß manchmal nicht so recht, wie ich dran bin vor einer Kurve. Vom blinden einfach reinknallen und dann wird das schon irgendwie gerichtet, kann überhaupt keinen Rede mehr sein. Da fühlt sich das Motorrad einfach noch nicht vertraut genug an. Solange sich das anfühlt, als fahre ich MIT dem Motorrad, taugt das einfach nicht wirklich viel. Richtig ist es erst, wenn ich in jeder Situation nur mehr spüre, dass ICH fahre, das Motorrad nur mehr der nicht spürbare technische Teil ist. So wie ich es jetzt bei der XJR spüre. Ich fahre einfach und das Motorrad ist mein Werkzeug, das ich instinktiv bediene, um mich vorwärts zu bewegen. MIt jeder von mir gewünschten Geschwindigkeit, ohne dass ich das Motorrad ständig als vorhanden wahrnehme.
Aber genaugenommen spielt es keine Rolle mehr, wie schnell wir beide unterwegs sind, meine FZR und ich. Seit Juni 1990 sind wir nun zusammen, haben vieles gemeinsam erlebt, sind zusammen zweimal am Boden gelegen und mussten uns erst einmal einem anderen Fahrer mit seiner R1 beugen. Das hat uns zusammengeschweißt. Die Chancen, nun zusammen wirklich alt zu werden, sind vielleicht enorm gestiegen.