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9. Mai 2015

Uhren aus Chistopol – Vostok Amphibia, Komandirskie und Co.

Filed under: СДЕЛАНО В CCCР - Made in USSR — Benzin @ 12:35

 

my_ruskie_blog_vostok_048 Zu den zweifellos bekanntesten Uhren aus der ehemaligen Sowjetunion gehören die Produkte aus der Chistopoler Uhrenfabrik namens Amphibia und Komandirskie. Die Amphibia ist eine wasserdichte Taucheruhr, die Komandirskie haben den Ruf, Militäruhren zu sein. Letzteres stimmt nur teilweise. Ihr militärischer Ruf stammt hauptsächlich aus der Annahme, sie wären an militärisches Personal ausgegeben worden oder aus der Tatsache, dass es Uhren mit der Aufschrift ЗАКАЗ МО СССР gibt, was zu deutsch “Auf Order des sowjetischen Verteidigungsministeriums” bedeutet. Was aber keineswegs heißt, dass diese Uhren an Angehörige der sowjetischen Armee ausgegeben wurden. Es bedeutet viel mehr, dass diese Uhren in speziellen Geschäften verkauft wurden, die nur von Angehörigen der sowjetischen Armee betreten werden durften. Es gab Ausweiskontrollen.

Der Hintergrund dürfte in der sowjetischen Mangelwirtschaft gelegen sein, in der Waren nicht immer oder überall erhältlich waren. Angehörige der Armee hatten das Privileg, diese speziellen Geschäfte betreten zu dürfen, um Produkte zu kaufen, die am “freien” Markt nicht, kaum oder in schlechterer Qualität erhältlich waren. Die Mehrzahl dieser Uhren gab es auch für Normalsterbliche zu kaufen. Wie gesagt, falls sie erhältlich waren. Das Hauptproblem der klassenlosen sowjetischen Gesellschaft bestand darin, dass sie alles, nur nicht klassenlos war. Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse bedeutete Privilegien, bedeutete etwas haben zu können, was andere nicht haben konnten. Das heißt aber auch, dass man seine „Klasse“ nutzen konnte. „Ich kann dir eine schöne Uhr besorgen, wenn du mir dafür Karten für’s Theater besorgst“. So ungefähr lief das. Auch in ganz großem Stil. Von besseren Nahrungsmitteln über Luxusgüter bis zu Wohnungen wurde Klasse für sich, für Angehörige und Freunde genutzt. Breschnew besaß trotz eines offiziellen Einkommens von rund 960 Rubel eine schöne Anzahl an Luxusautos. Er besaß Klasse. Er war die Nummer eins in der Sowjetunion. Er konnte Dinge haben, die man mit Geld alleine nicht haben konnte.my_ruskie_blog_vostok_042

Wer sich näher für das Leben in der vielschichtigen klassenlosen Klassengesellschaft der Sowjetunion interessiert, dem kann ich das Buch “KLASS – HOW RUSSIANS REALLY LIVE” von David K. Willis empfehlen. Willis lebte viereinhalb Jahre mit seiner Familie als Korrespondent des “Christian Science Monitor” in Moskau und reiste kreuz und quer durch die Sowjetunion. Seine Beobachtungen während seines Aufenthaltes werden in diesem Buch so unvoreingenommen und objektiv wie selten erzählt. Es ist in englisch geschrieben. Und nun zurück zu den Uhren.

Zu den Komandirskie gibts nicht all zu viel zu sagen. Es handelt sich durchwegs um recht robuste Zeitmesser mit relativ einfachem Staub und Feuchtigkeitsschutz, mit oder ohne Datumsanzeige. Die frühen Komandirskie mit dem Kaliber 2234 besaßen sowohl Datum wie auch Stopsekunde, was heißt, sobald man die Krone zum Stellen der Uhr zieht, bleibt der Sekundenzeiger stehen. So kann man diese Uhren sekundengenau richten, was für militärische Operationen durchaus von Wichtigkeit sein kann. Die Stopsekunde war und ist im Westen kein Merkmal billiger Uhren! Spätere Komandirskie besaßen die Kaliber 2409 oder 2414, das heißt, der Durchmesser des Uhrwerkes war um 2mm auf 24mm gestiegen, 09 deutet auf ein Uhrwerk ohne, 14 auf ein Uhrwerk mit Datum hin. Diese Werke hatten keine Stopsekunde mehr. Während es von den frühen Komandirskie keine all zu große Artenvielfalt gab, heißt, die Ziffernblätter waren sich in einer Modellserie durchwegs ähnlich, artete die Vielfalt modernerer Komandirskie ins fast Unübersichtliche aus. Praktisch für jede Waffengattung schien es eine Uhr zu geben, was über unterschiedliche Motive und Symbolen auf den Ziffernblättern ersichtlich war. Die bekanntesten Motive dürften Panzer und U-Boote sein, es gab aber auch Geschütze, Granatwerfen, Flugzeuge und weiß der Teufel was noch alles. Manche Sammler haben sich direkt drauf spezialisiert, wenn möglich alle erhältlichen Motive zu sammeln. Im Grunde ist es immer die selbe Uhr, nur mit unterschiedlichen Ziffernblättern.

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Ganz oben links und oben: Vostok Komandirskie Uhren Kaliber 2234 mit Stopsekunde mit originalen oder aufbereiteten Ziffernblättern.

Ein Besonderheit der frühen Komandirskie und Amphibia Modellen ist die dick und meist etwas unregelmäßig aufgetragene Leuchtmasse, die die Stundenmarken und Zeiger auch bei Dunkelheit sichtbar machen. Sie wurden mit freier Hand aufgetragen, daher die Unregelmäßigkeiten. Sehr oft hat diese Leuchtmasse ihre Fähigkeit, zu leuchten, längst verloren. Oft wurde diese Leuchtmasse auch durch neu aufgetragene ersetzt, was man auch als Sammler nicht unbedingt als Makel sehen muß. Es schaut ganz gut aus, wenn’s leuchtet, und zweckmäßig ist es auch. Eine weitere Besonderheit der späteren Komandirskie Modellen sowie aller Amphibia Modellen ist die verschraubbare Krone und die Aufzugswelle mit ihrem speziellen Kupplungsmechanismus. Darauf möchte ich später noch kurz eingehen. All diesen Modellen ist gemeinsam, dass die am Ziffernblatt in kyrillischer Schrift die Aufschrift “Komandirskie” tragen.

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Die Amphibia ist eine ganz andere Spezies. Diese Uhren sind nicht nur Spritzwassergeschützt sondern, je nach Modell, bis 200m oder gar bis 300m wasserdicht. Man kann davon ausgehen, dass 200m wasserdicht auch meinte, dass man damit 200m tief tauchen und dort auch arbeiten kann. Eine kommerzielle Notwendigkeit zur Übertreibung, wie im Westen üblich, bestand in der Sowjetunion nicht. Niemand kaufte eine bis 200m wasserdichte Uhr, weil sie mehr Prestige versprach. Bei den meisten Uhren westlicher Produktion kann man ruhig davon ausgehen, dass die sehr wohl bis 200m wasserdicht sind, wenn das drauf steht. Man kann aber auch davon ausgehen, dass man in dieser Tiefe nicht mehr damit arbeiten könnte. Eher darf man davon ausgehen, dass sie hält, was sie verspricht, wenn man sie an einer Angelschnur in diese Tiefe ablässt. Aber wir kennen das ja. “Bis zu……” ist ja auch oft ein gerne verwendetes Argument, um eine Besonderheit, die nicht vorhanden ist, hervor zu heben. Oder das Trockengewicht bei Motorrädern. Trocken heißt in diesen Fällen nicht nur, ohne Treibstoff, sondern auch ohne Öl und ohne Kühlwasser. Realitätsfern, aber liest sich gut.

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Vostok Amphibia aus der ersten Serie. Diese ist aus den 70er Jahren, mit sogenannten “Swivel Lugs”. Die Amphibia hatte im Gegensatz zu anderen Uhren, inklusive der Komandirskie, erstmals ein Stahl- statt einem Messinggehäuse. Die Bearbeitung dieser Stahlgehäuse machte der sowjetischen Uhrenindustrie am Anfang große Schwierigkeiten. Die Ansätze, an denen normal die Uhrbänder von den Federstege am Gehäuse gehalten werden, sollen ständig ausgebrochen sein. Bis man dies im Griff hatte, bediente man sich dieser “provisorischen” Art der Befestigung. Diese Uhr ist in einem im großen und ganzen recht gutem Zustand, allerdings ist sie nicht ganz Original. Am Sekundenzeiger fehlt die typische Kugel aus Leuchtmasse, vor allem ist das Uhrwerk vom Kaliber 2209 älter als die Uhr. Ich hab das, neben Dingen, die mir vielleicht gar nicht bewusst sind, mit Absicht in Kauf genommen, weil mir diese Uhr außergewöhnlich gut gefallen hat. Ich wurde nicht enttäuscht. Sie ist wirklich bezaubernd und läuft außergewöhnlich genau. Der Preis war für mich wie für den Verkäufer zufriedenstellend, denke ich.

Konstruktiv unterscheidet sich die Amphibia eklatant von westlichen Taucheruhren. Während westliche Uhren so gebaut sind, dass ihre Wasserdichte in einer Badewanne genau so hoch ist wie in tiefem Gewässer, sind diese sowjetischen Uhren völlig anders gebaut. Es beginnt am Rückdeckel und setzt sich an der Abdichtung des Uhrglases fort. Dicke Dichtungen wurden verbaut und konstruktive Maßnahmen getroffen, die die Dichtfähigkeit mit zunehmender Wassertiefe steigern. Ein weiterer Unterschied besteht auch in der Schraubkrone und der Verbindung von Aufzugswelle und Uhrwerk. Die Aufzugswelle der sowjetischen und auch neuer russischer Uhren des Typ Komandirskie und Amphibia besitzen eine Kupplung, die die Welle vom Werk entkoppeln und so Stöße auf die Krone nicht unmittelbar auf das Uhrwerk weiter leiten. Die dadurch etwas wobbelige Krone beziehungsweise die locker wirkende Aufzugswelle wird von Leuten, die keine Ahnung von der verwendeten Technik haben, gerne als Makel oder gar als Konstruktionsfehler verstanden, was es keineswegs ist! Das ist bauartbedingt. Wer sich näher für diese Technik interessiert, kann sich HIER ein Bild davon machen. In englischer Sprache wird hier recht anschaulich und leicht verständlich erklärt, wie die Abdichtung der Uhr und der Mechanismus der Krone bzw. Aufzugswelle funktioniert.

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Amphibia Kaliber 2209 aus den 70er Jahren

In der Amphibia Modellpalette gab es tatsächlich Uhren, die rein militärischen Ursprunges waren und nur vom Militär eingesetzt wurden. Das waren bis 300m wasserdichte Taucheruhren. Die wurden genau so gehandhabt wie andere, spezielle Armeeausrüstung, also nur für Übungszwecke oder für den Einsatz ausgegeben und danach wieder eingesammelt. Ob es davon in späterer Folge auch käufliche Modelle gab, gar für den Export, ist mir unbekannt. Für möglich halte ich es. Die Sowjetunion brauchte dringend Devisen. Heute sind diese Uhren begehrte Sammlerobjekte, die hohe Preise erzielen. Es ist aber, wie bei allem aus der ehemaligen Sowjetunion, sehr gutes Fachwissen von Nöten, um Fälschungen von Originalen unterscheiden zu können.

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Oben: Amphibia und Antimagnetik Modelle mit Gehäusen und Ziffernblätter in unterschiedlichen Ausführungen mit Handaufzug- und Automatikkalibern.

Apropos Fälschungen. Man soll es nicht für möglich halten. An und für sich sind Komandirskie und Amphibia Uhren, abgesehen von ein paar besonderen Modellen, keine teuren Uhren. Ihre Preise bewegen sich in gutem Zustand zumeist deutlich unter €100.-, für besonders schöne und schwerer zu findende bezahlt man vielleicht etwas mehr. Trotzdem gibt es Fälschungen! Die besonders kruden Fälschungen, angeblich chinesischen Ursprungs, erkennt man an unpassenden Zeigern und einer viel zu kleinen Krone. Es gibt aber auch Leute, die sich intensiv mit der Materie sowjetische Uhren beschäftigen, und da neigen einige eher zur Meinung, Fälschungen seihen eher russischen Ursprungs, weil die wesentlich leichter auf Gehäuse, Zeiger, Uhrwerke und Teile, die man für den Bau einer Fälschung braucht, Zugriff hätten. Vor allem Phantasieuhren, also Uhren in einer Zusammensetzung, wie sie nie vom Werk erhältlich waren, werden eher als russischen Ursprungs bewertet. Meiner Meinung nach muß man sich weniger vor Fälschungen, als vor Bastel Wastel hüten. Bastel Wastel sind Uhren, die aus Leichen zusammengezimmert wurden und alleine deshalb schon schwer zu erkennen sind. Ein Bastel Wastel muß nicht zwangsweise eine schlechte Uhr sein. Ein ernsthafter Sammler hingegen würde sich hüten, sowas zu kaufen. Da ich mich persönlich nicht als Sammler empfinde, schon gar nicht als ernsthaften, neige ich im Zweifelsfall aber eher zu Basteluhren als zu einer komplett heruntergekommen Leiche, nur weil sie komplett Original ist. In manchen Fällen ist mir eine nicht ganz originale oder gar eine aufbereitete Uhr als Muster lieber, als ein sehr teures “Original”, dessen Originalität ich mangels Fachkenntnis nie beweisen könnte. Das muß allerdings jeder für sich selber entscheiden. Wer unbedingt eine “Russenuhr” mit einem deutschen Panzer oder einem deutschen Flugzeug am Ziffernblatt kaufen möchte, soll das ruhig tun. Und wenn er sich dann fragt, ob das Original ist, oder nicht, könnte er ja seinen Geschichtslehrer fragen, ob das möglich ist. Caveat Emptor heißt auch hier die Devise. Käufer, du sollst wissen, was du tust!

Vostok hat allerdings nicht nur Komandirskie und Amphibia gebaut. Es gibt auch haufenweise hübsche Uhren, die mit Militär oder Tauchgängen gar nichts am Hut haben. Ja, es gibt sogar welche, die sehr gut zu einem schönen Anzug passen, ohne das man deswegen schief angeschaut wird. Ein paar solcher Uhren möchte ich hier zeigen, besondere Stücke wie die Vostok Präzision und dergleichen besitze ich allerdings nicht. Der Grund ist wieder, ich kenn mich damit zu wenig aus und das Minenfeld, in dem man sich bei diesem Thema bewegt, ist mir zu groß. Vielleicht später einmal, wenn ich in Pension bin.

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Immer wieder hab ich das Gefühl, in den russischen, oder wie hier, in den sowjetischen Uhren spiegelt sich ein wenig die russische Seele wider. Patriotismus, Heimatverbundenheit und eine gewisse Verspieltheit. Es spiegeln sich die Ereignisse wie der große Patriotische Krieg gegen Hitlerdeutschland wider oder die Größe der Völkergemeinschaft. Keine andere Nation hat so bunte, aber auch so themenbezogene Uhren erzeugt wie die Sowjetunion. Die Wahl der Motive schien schier unerschöpflich. Wenn da nur das liebe Geld nicht wäre.

Einen schönen Tag noch……….

 

Uhren aus Moskau 1МЧЗ – Poljot

Filed under: СДЕЛАНО В CCCР - Made in USSR — Benzin @ 12:02

1930 wurde in Moskau auf Anordnung Stalins die 1. Staatliche Uhrenfabrik der Sowjetunion, cyrillisch Первый Государственный Часовой Завод – 1ГЧЗ gegründet und ist, was reine Uhrmacherei betrifft, die älteste Uhrenfabrik Russlands. Raketa aus St.Petersburg ist zwar um einiges älter, befasste sich anfangs aber nicht mit dem Bau von Uhren, sondern war eine Art Steinmetzbetrieb, der auch technische Präzisionssteine, zum Beispiel für die Lagerung von Uhrwerken, herstellte. Die ersten Uhrwerke für die eigene Uhrenproduktion bezog Raketa aus Moskau.

Über die in den USA ansässige sowjetische Handelsfirma Amtorg wurde die aufgelassene Uhrenfabrik “Ansonia Clock Company” aus Brooklyn und die Pleite gegangene “Dueber-Hampden Watch Company” aus Ohio aufgekauft und die Fertigungsanlagen in die Sowjetunion verfrachtet, in weiterer Folge halfen 21 Spezialisten der letztgenannten Firma in Russland bei der Einschulung des Personals. Am 20. Dezember 1935 erhielt die Fabrik zu Ehren des Revolutionärs Sergei Mironowitsch Kirow den Namenszusatz Kirow. 1941 mußte die Fabrik wegen der anrückenden Nazi-Armee evakuiert werden, nach dem zurückdrängen der Deutschen feierte sie 1943 als 1. Moskauer Uhrenfabrik oder Первый Московский Часовой Завод – 1МЧЗ ihre Wiederauferstehung. 1947 konnte mit der Fertigung von Armbanduhren der Marke  Победа oder Pobeda, zu deutsch Sieg (über Hitlerdeutschland) und von Schiffschronometern sowie Deckuhren wieder eine Zivile Produktion aufgenommen werden. Anlässlich des ersten bemannten Raumfluges von Juri Gagarin bekam die Fabrik den Namen полёт oder Poljot, zu deutsch “Flug”. Seitdem tragen sämtliche Uhren der 1. Moskauer Uhrenfabrik diesen Namen.

Weitere Informationen kann man sich bei Bedarf im Internet zusammengoogeln. Man wird dort, je nach dem, in welcher Sprache man sucht, auf unterschiedliche Informationen stoßen. Uhren, die heute die Aufschrift Poljot oder die heißbegehrte kyrillische Aufschrift полёт tragen, sind entweder alte Lagerbestände, Gebrauchtuhren, oder Uhren neuerer Produktion, die mit der 1. Moskauer Uhrenfabrik mit Ausnahme des Namens so gut wie nichts mehr zu tun haben, auch wenn auf eine jahrzehntelange Tradition hingewiesen wird. Die Restbestände der 1. Moskauer Uhrenfabrik, wie sie in der Sowjetunion gegründet wurde, ging 2004 Pleite. Das einzige originale Überbleibsel dieser berühmten Uhrenfabrik, dem noch eine kurze Gnadenfrist gegönnt war, die Fertigungslinie des Chronographen-Kaliber Poljot 3133, die von den Brüdern Makarov (MakTime) nach der Pleite 2005 gekauft wurde, stellte Ende 2011 die Produktion ein. Damit war Poljot endgültig Geschichte.

Trotz der bewegten Geschichte dieser Firma und der weit verbreiteten Ansicht, bei Poljot Uhren handle es sich um besonders hochwertige Uhren, konnte ich dieser Marke bis auf wenige Ausnahmen nie etwas besonderes abgewinnen. Die wenigen Ausnahmen sind beispielsweise die Wecker Uhren von Poljot, ein paar Automatik-Modelle, natürlich die Chronographen und ein paar frühe Uhren, die vor der Namensänderung gebaut wurden. Die paar Uhren, die ich von dieser Fabrik besitze, möchte ich hier vorstellen.

МОСКВА ЧН-184К

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Hier eine Uhr mit dem Namen МОСКВА, zu deutsch Moskau, Model ЧН-184К lt. Uhrenkatalog Sowjetunion 1960 komplett Original.

МОСКВА ЧН-181К

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Ein anderes Modell aus dem selben Katalog, ebenfalls komplett Original.

СПОРТИВНЫЕ

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Sportivnie Kaliber 2618 mit der in sowjetischen Uhren raren Stoppsekunde, wodurch die in den 50er Jahren angeblich als sportliche Uhr mit der Möglichkeit, Zeit zu stoppen, verkauft wurde. Mit dieser Funktion, englisch auch “Hacking Movement”, lässt sich behelfsmäßig tatsächlich stoppen. Zieht man beispielsweise die Krone, wenn sich der Sekundenzeiger exakt bei der Zwölf befindet und drückt man diese am Beginn des zu stoppenden Ereignisses wieder rein, braucht man sie am Ende nur mehr schnell wieder heraus zu ziehen, und schon kann man die verstrichene Zeit in Sekunden ablesen. Zur Not geht das mit jeder Uhr mit Stoppsekunde. Eigentlich gehört dieser Mechanismus aber zum exakten Einstellen der Zeit. Sportivnie sind eine Spezies, die mit großer Vorsicht zu genießen sind. Unglaublich viele Bastelwastel und Fälschungen befinden sich im Umlauf, bei denen am häufigsten selbstgedruckte Ziffernblätter und falsche Uhrwerke vorzufinden sind.

Кировские – Kirovskie

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Kirovskie Kaliber 2408. In Uhrenforen wird diese Uhr ihrer Gehäuseform wegen gerne als “Spider Crab” bezeichnet. Es gibt sie in einigen unterschiedlichen Farben und Farbkombinationen, in schönem Zustand sind sie allerdings schwer zu finden. Lange hat es gedauert, bis mir dieses schöne Stück über den Weg lief. Einige hab ich, vielleicht aus übergroßer Vorsicht, vermisst, andere aus dem selben Grund mit Absicht sausen lassen. Auch bei diesen Modellen ist eine gesunde Vorsicht geboten, weil sie sehr beliebt sind und gute Preise erzielen. Dieses Exemplar schaut nicht nur erstklassig aus, es funktioniert auch erstklassig. Rechts außen ein gleichartiges Modell in einer anderen Farbkombination.

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Hier noch eine Kirovskie 2408 wie oben, nur hier mit türkisem Außenring im Ziffernblatt. Die helle Innenfläche ist schon ein wenig verwittert, ich hab sogar den Eindruck, es hat jemand versucht, diese Fläche zu reinigen, was Teile der ursprünglichen Beschriftung ablöste, aber insgesamt ist die Uhr sehr gut erhalten und vor allem, sie läuft sehr gut. Preisgünstig war sie noch dazu.

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Hier noch eine Kirovskie im Kaliber 2408, allerdings bin ich mir bei dieser nicht sicher, wie weit die tatsächlich Original ist. Leider läuft sie auch nicht gut.

полёт – Poljot

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Poljot Kaliber 2614 mit 17 Lagersteinen und Datum von 1966. Poljot Katalog 1966 Modell 231054

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Poljot 2616 Automatik mit Datum

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полёт Kaliber 2614-2H

Ich hab ehrlich gesagt nicht die geringste Ahnung, ob es diese Uhr in der Sowjetunion wirklich zu kaufen gab, oder ob die in einer sogenannten Ukrainischen Kellermanufaktur entstand. Sie soll an das 40. Jubiläum zum Sieg im großen Vaterländischen Krieg erinnern. Uhren, die an das Ende und an den Sieg in diesem furchtbaren Krieg erinnern, gab es in der Sowjetunion zahlreich und gibt es auch noch im heutigen Russland. Mit Recht wird an die entsetzlichen Opfer dieses Krieges und an den blutig errungenen Sieg erinnert. Ob diese tatsächlich ein Original ist, vermag ich allerdings nicht zu sagen. Bei meiner langwierigen Suche fand ich nur zwei Stück, die dieser ähnlich oder gleich sind, da diese Uhr aber für den Inlandsmarkt gebaut wurde, kann ich nicht sagen, ob diese hier deswegen echt ist, oder auch die anderen Beiden gefälscht. Die Quellen waren jedenfalls nicht die gleichen. Vielleicht finde ich ja einmal heraus, welche Bewandtnis es mit dieser Uhr hat, oder vielleicht weiß ja jemand Bescheid und kann Auskunft geben. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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Poljot 2612Б

Seltsam, von der Firma Poljot gibt es nicht viele Uhren, die mir wirklich gefallen. Irgendwie haben die meisten Uhren von Poljot ein für meinen Geschmack seltsames Design. Ich könnte nicht einmal sagen, was mich genau an ihnen stört, aber so, wie mir zahlreiche Modelle von Raketa ausgesprochen gut gefallen, tun genau das bei Poljot ausgesprochen viele Modelle nicht. Diese hier ist nicht nur eine Ausnahme, sie reizte mich immer ganz besonders. Nur ist sie schwer erhältlich. Ich weiß nicht, wieso, aber zu alte Uhr und Sowjetunion fällt mir punkto Design neben der ОКЕАН immer diese Uhr ein. Dieses markante Ziffernblatt wird immer wieder in zwei unterschiedlichen Gehäusen angeboten, einmal dieses hier und einmal in einem runden Gehäuse. Wie weit das runde Original ist, weiß ich nicht. Dieses Ziffernblatt in diesem viereckigen Gehäuse ist jedenfalls leicht als echt zu verifizieren, weil genau diese Uhr, allerdings in der sowjetischen Inlandsversion als ПОЛЕТ bezeichnet, die Titelseite des Uhrenkataloges von 1972 zierte. Das selbe Ziffernblatt im runden Gehäuse hab ich noch in keinem Katalog gesehen.

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Genau mit dem gleichen Uhrwerk ist dieses Modell ausgestattet. Sie war zwar auf keinem Titelblatt, kurioserweise war sie aber im Katalog genau neben der oben gezeigten abgebildet. Auch sie gehört zu den Uhr Typen von Poljot, die mir gefallen, ohne sagen zu können, wieso.

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Auch diese Uhr kam, wie die beiden oben, aus Omsk angereist. Es handelt sich hier um eine Poljot 2609H aus der Zeit um 1977, wie die Abbildung aus dem Katalog dieses Jahres zeigt. Dafür, dass sie 40 Jahre alt ist, befindet sie sich in einem nahezu makellosem Zustand. Wie die beiden oberen Uhren gehört auch sie zu den, zumindest in meinen Augen, schönsten Uhren, die Poljot je baute. Diese Uhren haben einen Scharm, den man mit Worten nicht beschreiben kann.

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Poljot de Luxe Kaliber 2416 Automatik mit 29 Lagersteinen

Zierlich und elegant, eigenen sich diese Uhren hervorragend zu Anzug und Krawatte. Für manche offenbar der Inbegriff der sowjetischen Luxusuhr. Die Preisspannen, zu denen sie angeboten werden, sind atemberaubend. Selbst in sehr gutem Zustand findet man sie ab rund $40.- bis zu $200.- und mehr Dollar. Nicht wenige sind nicht Original, noch mehr sind in technisch schlechtem Zustand, aber wenn man Zeit hat, kann man ein sehr schönes Modell zu einem guten Preis kaufen.
Das war’s fürs erste von mir und Poljot
Wünsche noch einen schönen Tag…………………
Weitere Beiträgt zur 1. Moskauer Uhrenfabrik:
MakTime Kaliber 3133 Chronograph
Pobeda Red 12 und Rodina Automatik
Poljot Weckeruhren
Poljot Militärchronographen und ihre zivilen Ableger
Poljot Strela 3017

Uhren aus St.Petersburg – Raketa, Svet, МАЯК Kaliber 2602/03

Filed under: СДЕЛАНО В CCCР - Made in USSR — Benzin @ 11:07

 

my_ruskie_blog_raketa_2602_3_301 1949 wurden in Peterhof bei Leningrad, heute wieder St.Petersburg, die ersten Armbanduhren erzeugt und verkauft. Sie trugen die Namen Pobeda ( победа – Sieg) und Swesda ( звезда – Stern). Pobeda bezog sich natürlich auf den Sieg gegen Nazideutschland, der Millionen Opfer gefordert hatte. Diese ersten Uhren wurden aus angelieferten Einzelteilen gefertigt, die Uhrwerke stammten aus Moskau. Später trugen Uhren aus Peterhof auch noch die Namen Baltika, Leningrad, Majak, Newa, Swet und Rossia, da wurde schon alles, inklusive Uhrwerk, im eigenen Haus produziert. Was am Anfang reine Handarbeit war, jeder Arbeiter fertigte eine ganze Uhr, wurde ab 1954 zur Fließbandarbeit, weil sonst das hoch gesteckte Plansoll von 20 000 Uhren pro Jahr nicht erfüllbar gewesen wäre.

Gegründet wurde der Betrieb 1721 von Peter dem Großen als eine Art Steinmetz Betrieb zur Bearbeitung von Edelsteinen und Halbedelsteinen. Dieser Betrieb war praktisch in alle Bauvorhaben großen Stieles, in denen Marmor und anderes hochwertige Gestein eine Rolle spielte, in und um St.Petersburg oder Moskau eingebunden. Schmuck und Kunstwerke aus Peterhof sind heute in Museen in der ganzen Welt ausgestellt. 1932 folgte die Umbenennung in Первый государственный завод точных технических камней oder TTK-1, 1. Staatliche Fabrik zur Herstellung von technischen Präzisionssteinen (oder so in der Richtung). Es war dies auch die erste Fabrik ihrer Art und der Grundstein für die spätere Uhrenherstellung.

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Oben und unten: Raketa 2603 mit vergoldetem Gehäuse aus den 60er Jahren.
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1961 wurde die Firma zu Ehren des ersten Weltraumfluges von Juri Gagarin in ракета, also Rakete, umbenannt. Seit damals laufen in Peterhof nur mehr Uhren mit diesem Namen von den Bändern. Raketa war nicht nur die älteste Uhrenfabrik der Sowjetunion, sondern auch die einzige, die absolut unabhängig von Zulieferern war. Alleine Raketa war in der Lage, auch die Lagersteine für die Uhren selbst herzustellen, Peter dem Großen sei Dank. In ihrer Blütezeit beschäftigte diese Fabrik rund 8000 Menschen, die im Jahr rund 4.5 Millionen Uhren herstellten.

Nach der Auflösung der Sowjetunion stand die Uhrenfabrik praktisch vor dem Ende. Es gab Interessenten, vor allem ausländische Interessenten, die allerdings keinerlei Interesse an einer Uhrenproduktion oder an der Schaffung von Arbeitsplätzen hatten, sondern sich am Betriebsgelände eine goldene Nase zu verdienen. Irgendwie und schlussendlich auch doch mit Hilfe ausländischer Investoren schaffte es wenigstens ein kleiner Teil der ehemaligen Uhrenfabrik bis zum heutigen Tag, Uhren sogar mit eigenen Kalibern zu erzeugen. Auch ehemalige Mitarbeiter der Firma Rolex sollen fest mitmischen und ihr Fachwissen einbringen. Wie weit das langfristig hilft, Raketa am Leben zu erhalten, wird die Zukunft zeigen. Ich kann ihnen nur viel Glück und alles Gute wünschen.my_ruskie_blog_raketa_2602_3_351

Ganz langsam entwickelte sich im Laufe meiner, na sagen wir einmal Sammelleidenschaft für sowjetische Uhren, eine ganz besondere Liebe zu den Uhren aus Petrodvorets. Ich kann nicht sagen, warum. Ich könnte auch nicht sagen, warum ich mich zu Motorrädern der Firma Yamaha hingezogen fühle. Obwohl die Konkurrenz ebenfalls sehr gute Motorräder herstellt, finde ich an Motorrädern von Yamaha etwas besonderes, was der Konkurrenz fehlt. Die Stimmgabeln alleine sind es bestimmt nicht. Da ist noch irgend etwas. Motorräder haben nicht viel mit Vernunft zu tun. Aber mit Gefühl. Mit Emotionen.

Bei Uhren ist das ziemlich genau so. Auch bei Uhren aus der Sowjetunion. Raketa haben etwas an sich, was Uhren anderer Herstellern fehlt. Es muss etwas sehr persönliches sein, denn andere bevorzugen Poljot, Slava, Vostok oder was weiß ich. An der Firmenphilosophie kann es nicht gelegen sein. Die sowjetischen Hersteller standen untereinander nicht in Konkurrenz. Die hatten keine Philosophie. Die haben ihren Fünfjahresplan erfüllt, das war alles. Eigene, betriebsinterne Vorstellungen oder Entscheidungen waren undenkbar. Es war auch nicht ungewöhnlich, dass ein und die selbe Uhr, Majak und Pobeda zum Beispiel, von verschiedenen Herstellern produziert wurde. Nur der Firmenstempel am Uhrwerk wies auf die unterschiedlichen Fabrikationsorte hin. Teile waren untereinander austauschbar.

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Hier zwei Uhren mit dem Markennamen Svet. Die Gehäuse bzw. Zifferblätter sind authentisch, die Werke mit großer Wahrscheinlichkeit nicht.
Links sehen wir zwar die Bezeichnung 2603, es fehlt aber die Stoßsicherung. Recht handelt sich um ein authentisches Werk 2602. Beide Werke tragen den Stempel von Raketa und nicht ПЧЗ, was besonders bei der linken Uhr verwunderlich ist, weil am Zifferblatt richtigerweise die alte Bezeichnung steht, also ПЧЗ. Diese Werke gehören offenbar nicht in diese Gehäuse. Ob sie aufgrund von Altersschwäche ausgetauscht wurde, weiß ich nicht. Eine bewusste Täuschung aus Profitgier schließe ich aus. Diese Uhren sind zwar recht gut erhalten und schön anzuschauen, sie waren aber nicht teuer.
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НЕВА ЧН-349К (2603 mit Stoßsicherung) von 1960 komplett Original. Es gibt unterschiedliche Arten dieser Uhr, die sich oberflächlich betrachtet nicht unterscheiden. Am leichtesten unterscheidet man sie anhand der Anzahl der konzentrischen Kreise am Ziffernblatt. Das hier gezeigte Modell besitzt derer sieben Stück. Original im Katalog von 1960 abgebildet und beschrieben. Der einztige Glanz des Ziffernblattes hat wohl aufgrund von UV-Einstrahlung etwas gelitten, ansonsten ist es hervorragend erhalten. Die Krone scheint auf den ersten Blick etwas groß und unpassend, ist aber im Katalog genau die gleiche Knolle, ergo Original.

Bevor die Peterhofer Uhrenfabrik in Raketa umbenannt wurde, waren die Uhrwerke, manchmal auch die Zifferblätter, mit dem 1954 erhaltenen Firmennamen Петродворцовый часовой завод oder kurz ПЧЗ gekennzeichnet, Petrodvorets Uhrenfabrik. Dieser Stempel am Uhrwerk ist ein – fast – sicheres Zeichen, dass es sich um ein Uhrwerk aus der Zeit vor 1961 handelt. Uhrwerke produziert nach 1961 tragen einen anderen, leicht von den restlichen Herstellern unterscheidbaren Firmenstempel, der eine Rakete symbolisiert, wie oben auf den Werksbildern zu sehen ist. Fast sicher sagte ich, weil man möglicherweise Einzelteile alter und neuerer Produktion untereinander austauschen kann. Dieser Austausch von Teilen, alt gegen neu, vielleicht sogar umgekehrt, war in der Sowjetunion durchaus Praxis und diente dazu, das Uhrwerk am laufen zu halten. Damals dachte sich niemand was dabei. Uhren waren teuer, zum Reparieren nahm man das, was da war. Heute schaut das meist anders aus. Solche Manipulationen an einzelnen Bauteilen dienen oft dazu, ein höheres Alter vorzutäuschen, den Käufer in die Irre zu führen und einen höheren Preis zu erzielen!

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Bei diesen Uhren handelt es sich um eine Raketa 2602 ohne Stoßsicherung (links außen) sowie zwei 2603 mit Stoßsicherung (rechts neben dem Uhrwerk)
Die Zifferblätter aller drei Uhren wurden restauriert. Das Besondere an diesen Uhren ist die gelb/grüne Leuchtfarbe, die bei der Überarbeitung teilweise für die Markierungen oder Beschriftung verwendet wurde. Fällt Licht direkt aufs Zifferblatt, leuchten die Markierungen und/oder Ziffern wunderschön. Mir war bewusst, dass sich diese Uhren nicht im Originalzustand befinden, aber ich fand sie einfach hinreißend, was für mich Kaufgrund genug war. Da ich mich nicht als Sammler empfinde, müssen die Uhren nicht unbedingt 100% Original sein. Gefallen müssen sie mir. Wobei ich allerdings keine Freude habe, wenn man mich reinlegen will oder, was vor kommt, dies auch schafft. Eine ehrlich überarbeitete Uhr ist mir lieber als ein angeblich originaler Bastel Wastel.

Was bedeuten die Bezeichnungen 2602 und 2603? Sie bedeuten, dass der Durchmesser des Uhrwerkes 26mm beträgt, eine dezentrale kleine Sekunde besitzt – in diesen Fällen ist der Sekundenzeiger über der Sechs angeordnet – und das das Uhrwerk ohne oder mit einer Stoßsicherung ausgestattet ist. 02 ist ohne, 03 mit Stoßsicherung. Zu anderen Bezeichnungen später mehr, wenn ich die dazugehörigen Uhren vorstelle.

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Komplett originale vergoldete und verchromte Version Kaliber 2603 mit Stoßsicherung.

Uhren ohne Stoßsicherung sind sehr empfindliche Plänzchen! Uhren sind ja generell empfindlich gegen Schläge und Stöße, aber diese ganz besonders. Es gibt auch Uhrwerke mit zumindest einer Stoßsicherung, es gibt aber auch welche mit mehreren. Je aufwendiger ein Uhrwerk beziehungsweise dessen Wellen und Lager geschützt sind, desto sicherer halten diese Erschütterungen welcher Art auch immer stand. Wer je eine Uhr geöffnet hat, um sich das Werk anzuschauen, kann sich vorstellen, dass diese kleinen Bauteilchen großen Belastungen sicher nicht lange standhalten können. Zu fein und zerbrechlich ist diese Mechanik. Durch die dezentrale Sekunde sind diese Werke und damit die Uhren sehr flach gebaut und tragen sich wunderbar!

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Und weil sie so schön sind, hier nochmals zwei Versionen der Kaliber 2603 in Chrom und vergoldet .

Diese Uhren sind nicht wasserdicht! Mit nicht wasserdicht meine ich nicht nur, dass da nirgends eine Dichtung drinnen ist, die die Uhr vor dem Eindringen von Wasser schützt. Auch Luftfeuchtigkeit hat ungehindert Zutritt.  Es gab für diese Uhren nie Dichtungen. Bei feuchtem Wetter kann ohne weiteres passieren, dass das Uhrglas beschlägt. Dafür war Raketa aber auch, vielleicht ist das ein Trost, immer für robuste und zuverlässige Uhren bekannt, die den meisten Unbilden eines Uhrenlebens, etwas Rücksicht vorausgesetzt, trotzen können. Zu ihrer aktuellen Zeit trug man sie bestimmt auch bei jedem Wetter. Man hatte ja nichts anderes. Heute ist es nicht mehr notwendig, so eine Uhr allen Widerwärtigkeiten des Lebens auszusetzen. Dazu sind sie zu schade, finde ich, denn sie sind nicht nur recht hübsch und sie tragen sich nicht nur recht angenehm, sie gehen auch recht genau. Gangabweichungen unter einer Minute am Tag sind kein Problem. Für den normalen Alltag reicht das allemal.

Raketa Neva

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Die Newa, kyrillisch Нева geschrieben, ist ein Fluß, der durch St.Petersburg führt. Нева ist auch der Name einer Uhr, die in Peterhof gebaut wurde. Eine dieser Uhren will ich hier zeigen. Es handelt sich dabei um eine nach heutigen Maßstäben relativ kleine Uhr mit stoßgesichertem Uhrwerk und dezentraler, kleiner Sekunde. Die Federstegbreite beträgt 16mm. An und für sich wäre die Uhrzeit nicht ganz einfach abzulesen, weil die Zahlen am Zifferblatt etwas blass sind und sich trotz ihrer gelbgoldenen Farbe nicht mehr wirklich deutlich vom schwarzen Ziffernblatt abheben, die vergoldeten und wunderschön verschnörkelten Zeiger machen die Sache dann aber doch wieder relativ einfach. Der winzige, ebenfalls vergoldete Sekundenzeiger spielt aber wirklich nur eine untergeordnete Rolle. Die Aufzugskrone, es dürfte sich dabei nach meinen Nachforschungen in der Tat noch um die originale Krone handeln, ist im Verhältnis zur Uhr ungewöhnlich groß und läßt sich sehr einfach bedienen, das mit Genfer Streifen verzierte Uhrwerk trägt noch die Bezeichnung ПЧЗ – Uhrenfabrik Petrodvoreds – und läuft trotz seines Alters sehr genau. Ich hab wirklich eine große Freude mit dieser Uhr.

МАЯК» 221ЧН Model ЧН-1117К
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Es hat lange gedauert, bis ich diese Mayak (Leuchtturm) in vergoldeter Ausführung und in schönem Zustand fand. Sie wird in einem sowjetischen Uhrenkatalog von 1960 gezeigt und ist absolut Original. Das Model 20 Mikron vergoldet trägt den Produktcode ЧН-1117К, die verchromte Ausführung ЧН-1116К. Sie hat nur einen Fehler. Sie ist viel zu schön zum Tragen.

Das war’s für heute.

Zu Raketa Kaliber 2609
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Zu Raketa Big Zero Classic N019

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