Seit unserer letzten Wanderung (Ysperklamm) war das Wetter ein bissl mau. Nachts um den Gefrierpunkt herum, am Tag sogar ein wenig regnerisch oder einfach stark verzogen. Dann änderte sich das wieder und es wurde nachts kalt und tags erträglich warm. Nachts kalt heißt, ständig bis zu -7 oder -8°C, gegen 9 Uhr erreichten wir regelmäßig um die 0°C und die Temperatur erhöhte sich bis zur Mittagszeit in der Sonne sogar auf 7, 8 oder gar 9°C. Aber nur in der Sonne und nur bei uns auf einer Höhe von 275m. Im Schatten stieg das Thermometer kaum auf über 5°C, in höheren Lagen praktisch nie über 0°C. Weil die Fernsicht aber durchwegs bescheiden war, konzentrierten wir uns mehr auf ein paar Runden mit dem Motorrad. Die Straßen sind wundersamerweise weitgehend salzfrei, der Rollsplitt, dort, wo damit gearbeitet wird, macht uns nichts aus, und man gewöhnt sich auch schnell dran, daß es nie richtig warm wird. So stell ich mir in etwa Motorradfahrer in Finnland, Norwegen oder in Sibirien vor. Harte Hunde, die weder Wind noch Wetter scheuen und die der Greta einfach den Hals umdrehen würden, wenn sie ihren Schwachsinn vom Klima erzählt. “I want you to panic!” sagt der kleine, verzogene Trampel. “I want you to shut up und fuck off!” sag ich, weil Du blöde Kuh lernst zuerst einmal was, bevor Du dich anschickst, erwachsenen Menschen zu sagen, was sie zu tun haben und selbst dann, wenn Du was gelernt haben solltest, ist es besser, die blöde Fresse zu halten, weil wir selber wissen, was gut für uns ist. Verpiss Dich, Du Fratz!
Und weil’s Wetter um die Wochenmitte grade so toll wurde, haben wir uns einen Berg vorgenommen. Zur Pyramide im Winter, und wenn es die Verhältnisse zulassen, noch ein Stück weiter. Mal sehen.
6:28 Uhr bei der Forststraße beim Walcherbauer am Anfang der Saurüsselstraße auf einer Seehöhe von ungefähr 440m unweit vor Hollenstein an der Ybbs. Strahlend blauer Himmel schon in aller Früh bei zarten -8°C. Ideale Bedingungen kündigten sich an.
Wir haben zuerst einmal rund fünf Kilometer Forstraße vor uns, die uns zu einem Winkel bringen wird, in dem der Aubodenbach seinen Anfang nimmt und bei dem wir sehr direkt zur Pyramide am Kühlhauskopf aufsteigen werden. Sofern es die Verhältnisse dort oben zulassen. Das ist etwas, was wir nicht wissen. Wir haben entschlossen, wir gehen, so weit wir es verantworten können. Vor allem haben wir Eddie dabei, meinen kleinen Schatz, auf den ich besonders aufpassen muß. Eddie ist nicht sonderlich groß. Abgesehen davon, daß er ein sehr großer Yorkshire Terrier ist.
Der Weg ist uns ja nicht neu. Am 27. August letzten Jahres waren wir erstmals hier und sind dem Kühlhauskopf auf’s Dach gestiegen. Damals hat mich ein Bild der alten Pyramide dazu veranlasst. Heute war es das selbe mit der Option, auch den Gipfel des Wasserkopf zu erreichen. Sofern die Verhältnisse es zulassen, war immer die Voraussetzung. Wir hatten den Gipfelbereich des Wasserkopf nur aus der Ferne von einem anderen Berggipfel gesehen und wussten nur das, was man im Internet unter Spezialisten lesen kann. Die Praxis vor Ort schaut dann oft ganz anders aus. Sehr oft positiv anders. Ich war aber immer der Meinung, wir werden den Tag erleben, wo es nagativ anders sein wird als gelesen. Noch ist dieser Tag nicht gekommen. Was mir sofort aufgefallen ist beim Anmarsch: Alles schaut im Winter irgendwie ganz anders aus als im Sommer. Von diesem Keller oder was das sein soll, ist im Sommer kaum was zu sehen, so verwachsen ist das.
Wir sind ja heute nicht dem Aubodenbach entlang bis zur Jagdhütte auf 720m aufgestiegen, sondern folgen gleich der Forststraße bis in den Bereich um 1000m herum, wo dann der Aubodenbach im hintesten Winkel entspringt.
6:50 Uhr. Die erste, wenn auch etwas verdeckte Aussicht zeigt und den Fortschritt unseres noch jungen Unternehmens.
Die erste Kehre vor einer langen Querung liegt an der Schneegrenze.
Hier sind auch noch die Spuren eines Fahrzeuges und eines Wanderers (oder Jägers) mit Hund (großer Hund, den Tatzen nach zu urteilen) zu sehen.
Der Graben des Aubodenbaches ist unser Wegweiser.
Eine Lawine hat die Forststraße verschüttet. Hier endet die Fahrzeugspur, nur die Spur des Wanderers und des Hundes führt weiter.
Wir gewinnen stätig an Höhe.
Eddie führt wie immer. Beim letzten Abzweig, der zur Jagdhütte führt, über die wir im August aufgestiegen sind, haben wir die Spur des Wanderers und des Hundes verloren. Vermutlich sind die zur Jagdhütte gegangen und wir folgen unserer Foststraße ohne jeglicher Spur menschlichen Lebens. Hier ist seit langem keiner mehr gegangen. Der Schnee ist pulvrig, eiskalt und unter der knöcheldicken Schneeschicht ist teilweise blankes Eis.
8:05 Uhr. Hier befinden wir uns nach rund eineinhalb Stunden ungefähr auf der selben Höhe wie der höchste Punkt des Ertlthaler Kopf (903m) genau vor uns. Der ist ein Seitenast des Hauptkammes, den wir für eine spätere Wanderung vor haben.
Eine Wildspur begleitet unseren Aufstieg und ich stell mir vor, wie hier ein Hirsch (vermute ich aufgrund der Größe und Tritttiefe) müde seines Weges stapfte. Wildspuren werden auch später im steilen Wald unsere Begleiter sein und uns sogar teilweise schöne Aufstiegswege zeigen.
8:23 Uhr. Wir haben nach knapp zwei Stunden und rund 600m Aufstieg das Eck erreicht, in dem weiter oben der Aubodenbach entspringt. Dort vorne ist ein blauer Holzstecken eingeschlagen und genau dort steigen wir zuerst schnurgrade in den steilen Wald, schlagen uns durch die ersten, steilen Hänge hoch und queren dann langsam, aber stetig nach links, wo es Licht wird. Und genau dort, am oder in den Nähe des Abbruches, steigen wir dann bis zur Pyramide am Kühlhauskopf hoch. Auf geht’s! Rund 300 Höhenmeter verschneiter (und hoffentlich nicht vereister!) Wald warten auf uns.
Gleich die ersten paar Meter denk ich mir “Ach leck mich doch am Arsch!” Steil und hart gefroren, daß man Mühe hat, mit den Schuhen Halt zu finden. Aber man gewöhnt sich schnell dran.
Ein Blick in Sonjas Gesicht sagt alles. “Des is Cool!” Passieren kann da nicht all zu viel. Ständig ist ein Baum zum Bremsen in der Nähe. Nur am Anfang hat man, hab ich zumindest, ein wenig ein blödes Gefühl, das aber schnell verschwindet. Wie gesagt, man gewöhnt sich schnell wieder dran.
8:56 Uhr. Wir haben “das Licht” erreicht, den Rand eines Kahlschlages, bei dem wir ab jetzt was sehen und ab dem das Gelände auch nicht mehr so steil ist.
Auch Eddie hat schon herausgefunden, daß Wildspuren nie die steilste, blödeste Linie verfolgen sondern dort sind, wo man am besten gehen kann und so folgen auch wir den Wildspuren, sofern sie ungefähr in die gewünschte Richtung führen. Generell ist es für Eddie jetzt im Winter hier besser zu gehen als im Sommer, weil all das Kleinzeug, die Äste und all der Schmarrn, der sich normal im Fell verfängt, unter der Schneedecke begraben ist und man als großer Yorkie hier schön gehen kann. Und auch für uns ist es jetzt im Schnee nicht ganz so mühsam wie im Sommer. Dafür sieht man die längs liegenden Äste nicht, auf denen man schnell ausrutscht.
Ach, ist das herrlich! Das sind Plätze wie im Paradies.
Jetzt, wo man ständig was sieht, geht es sich fast von selber.
Dann lehnt sich der Berg zurück…………..
……. und mich schreckt es. Die Pyramide ist ganz nah vor mir. Wir sind wieder da!
Nicht nur mir, auch Sonja hüpft das Herz vor Freude. Wir haben einen Narren an dieser kleinen Pyramide, diesem Zeugen einer Zeit, die es so nicht mehr gibt, gefressen. Nächstes Jahr, am 30. August, werden wir hier bei der Pyramide sein, egal wie’s Wetter ist und egal, welche Narretei die Politik dann betreibt. Zum 180. Jahrestag werden wir hier sein, feiern und tanzen.
Zur Erinnerung an unseren 2. Besuch hier.
Eddie darf das ausnahmsweise. Höher war hier noch niemand.
9:40 Uhr. Wir begehen für uns Neuland. Zuerst ein kleiner Abstieg, dann rauf zum Aubodenkopf (das ist nur durch eine kleine Senke und leicht zu finden), und hier sehen wir erstmals unser nächstes Ziel, den Kamm, auf dem sich ziemlich genau gegenüber von uns der Gipfel des Wasserkopf (1442m) befindet. Die Verhältnisse sind soweit recht gut und wir stapfen frohen Mutes weiter. Wird schon schief gehen!
Seit dem Abzweig zur Jagdhütte weit unten keine menschlichen Spuren mehr. Hier wirkt das alles besonders unberührt. Es ist wunderschön, hier zu gehen.
Eine Märchenwelt tut sich vor uns auf.
Grenzstein der Niederösterreichisch/Oberösterreichischen Grenze.
Jetzt sehen wir ja erstmals auch auf die andere Seite rüber.
Erstmals sehen wir auch das Gipfelkreuz des Wasserkopf. Wir sind knapp dran, aber noch nicht dort und wir kennen den Weg nicht. Wer weiß, was uns noch in die Quere kommen kann?
Ja, was jetzt? Der Königsberg? Ich glaub eher, das sind Rotmauer (1330m) und Gitzenkopf (1328m). Sonderlich kenn ich mich hier seltsamerweise nicht aus, aber ich denke, wenn ich da so über den Kühlhauskopf, von dem wir ja grade kommen, rüber schau, dann muß daß der Höhenzug mit der Rotmauer sein. Mann, da gibt es noch so viele Mugel, auf denen ich noch nie war.
Wieder einer dieser Grenzsteine.
Waldorf & Statler
10:30 Uhr. Nach 50 Minuten vom Kühlhauskopf oder nach 4 Stunden vom Ausgangspunkt im Tal haben wir den Gipfel des Wasserkopf erreicht und die Freude steht uns ins Gesicht geschrieben, siehe oben. Wir haben wieder einen Teil dieses Berges kennen gelernt und wir werden noch mehr davon kennenlernen, wenn wir im Sommer von innen, von der Waldhütte aus, diesen Kamm beschreiten. Darauf freuen wir uns schon heute. Aber jetzt wird einmal gerastet und die Ruhe und Wärme genossen. Es ist hier so warm, daß mein kleiner, total vereister Eddie abtaut. Ein Stück weiter im Schatten ist es schon wieder eiskalt.
Wasserkopf 1442m
Hier entsteht ein Kunstwerk. Zeichnung von Sonja, Geschreibsel von mir.
Am 27. Jänner hat sich letztmals jemand ins Gipfelbuch eingetragen. Es sind auch weit und breit keine Anzeichen von Spuren zu sehen. Totale Einsamkeit hier heroben, und das bei Kaiserwetter.
11:00 Uhr. Ein letzter Blick zum Kamm, dann geht’s zurück zum Kühlhauskopf.
Aubodenkopf 1359m, Grenzstein von 1847
Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, alle Spuren, die wir sehen, stammen von uns. Sonst ist niemand hier.
Wir haben ganz einfach zum Wasserkopf gefunden und Dank unserer Spuren finden wir noch einfacher zurück zum Kühlhauskopf. Der schöne Kamm des Wasserkopf ist jetzt schon wieder so weit entfernt. Es ist immer so schwer, am Berg Abschied vom Gipfel zu nehmen.
11.31 Uhr. Zurück am Kühlhauskopf und bei unserer Pyramide.
Ich hinterlasse hier ein kleines Andenken, das niemandem schadet und ich würde mich freuen, wenn es bei meinem nächsten Besuch noch immer dort wäre. Ich hab immer ein Knäuel roter Wolle im Rucksack, für besondere Fälle. Hat auch etwas mit Markierung zu tun, für Notfälle. Wiegt nichts, schadet keinem und kann sehr hilfreich sein.
11.46 Uhr. Auch vom Kühlhauskopf können wir uns nur mühsam losreißen. Aber es muß sein. Auf geht’s, runter vom Berg!
Blick ins Ybbstal
Wir queren wieder nach links zum Eck des Aubodenbaches und der Wald wird wieder steil.
Bumstinazi und dann noch ein wenig steiler
Schön geht’s dahin, die Verhältnisse sind gut.
Jetzt sollte es eigentlich nochmals richtig steil und hart werden…………
…… aber Schmarrn, wir sind schon unten. Eine Stunde vom Wasserkopf zur Forststraße unterm Kühlhauskopf. Na bum, das ist schnell gegangen. Und den steilen Abschnitt unten haben sie auch gestohlen. Nix mehr da davon. Wie schnell man sich an alles gewöhnen kann.
Grade noch waren wir da oben. Schön sieht man das Eck, in dem der Aubodenbach entspringt.
Die letzte Kehre. Da unten an Anfang der Kehre kann man rechts zum Aubachboden anzweigen und einem alten, teilweise total verfallenem Weg mit verfallenen Holzbrücken folgen, wie wir das im letzten Jahr bei unserem ersten Besuch der Pyramide getan haben. Es ist eine wundervolle, abwechslungsreiche Tour, die sich für Liebhaber der Natur immer auszahlt. Der Weg, soweit noch vorhanden, ist halt nicht markiert und teilweise muß man ins Bachbett ausweichen.
Dafür wird man mit schöner Natur und Einsamkeit belohnt. Das sucht aber nicht jeder.
13:52 Uhr. Nach rund siebeneinhalb Stunden und über eintausend Höhenmetern geht unsere Tour am Ausgangspunkt zu Ende. Es war wieder wunderschön, die Bedingungen hätten nicht besser sein können und die Begleitung war wunderbar wie immer. Dann bis zur nächsten Tour, egal, wohin.
Karte zur Tour
Das Gelände um Kühlhauskopf und Wasserkopf in topographischer Ansicht.