Benzins Motorradseiten Erlebnisse mit dem Motorrad

17. Oktober 2015

2015. 10. 17. Herbstliche Tour mit der XJR

Filed under: Touren und Ausflüge in Österreich — Benzin @ 17:08

20151017_mostviertel_xjr_01 Wenn ich meine Touren der letzten Jahre mit den Touren von heuer vergleiche, fallen mir gewaltige Unterschiede auf. Mit der XJR oder auch mit der Ace war ich regelmäßig auf Gewalttouren aus. Nicht, dass ich jemanden etwas beweisen wollte. Nicht einmal mir selber wollte ich etwas beweisen. Es war halt immer so, dass ich mir, sobald ich frei hatte, ein Tagesziel aussuchte, intuitiv, nicht von langer Hand geplant, und dann los fuhr. Und meistens hängte ich dann auch noch ein paar Sachen an, die ich eigentlich gar nicht im Sinn hatte. So wie zum Beispiel eine Tour zum Glockner, und weil’s nicht gar so einen großen Unterschied macht, wo ich zurück fahre, häng ich gleich die Nockalm dran, was am Tagesende über 700km Landstraßenfahrt ausmachte. Dann war ich zwar oft müde, aber ich fand das irgendwie geil. Und wenn’s der Teufel haben wollte, hängte ich gleich am nächsten Tag noch so eine Tour an. Beispielsweise Glockner/Nockalm an einem Tag und Waldviertel, Krumlov, Budweis, Böhmerwald am nächsten Tag. Und wenn Tags darauf schönes Wetter war, fuhr ich noch ein wenig, damit mir nicht langweilig wird, mit einer meiner FZR spazieren. Auch so 150 – 250km. Dann hatte ich wieder für eine Woche genug und dachte nach, wo ich in den nächsten freien Tagen hinfahren könnte. Das war bis vor zwei Jahren so.20151017_mostviertel_xjr_02

Letztes Jahr war das ja anders. Wegen dem Biss einer Zecke hätte mich fast der Teufel geholt. Oder der Herr zu sich gerufen. Das ist Ansichtssache. Da mich aber offenbar keiner der beiden haben wollte, oder noch nicht haben wollte, vielleicht war da oben und unten ja auch eine Völkerwanderung im Gange, hatte ich im letzten Herbst sogar noch etwas Gelegenheit, Motorrad zu fahren. Es war nicht mehr viel Zeit dazu, aber grade noch so viel Zeit, dass mir klar wurde, wie schön es ist, am Leben zu sein, wieder gesund zu sein und mit einem Motorrad sinnlos durch die Gegend zu fahren. Wobei es eigentlich gar nicht sinnlos ist, mit einem Motorrad durch die Gegend zu fahren. Wenn man es schön findet, hat es einen Sinn. Es macht glücklich und zufrieden. Ich war jedenfalls dem Klabautermann oder wem auch immer von der Schippe gehüpft und fuhr wieder.

Auch heuer im Frühling konnte ich es kaum mehr erwarten, wieder Motorrad zu fahren. Die erste Ausfahrt, oder eine der ersten, genau weiß ich das gar nicht mehr, war mit der schwarzen FZR. Nicht nur, weil ich damit letztes Jahr kaum zum Fahren kam, sondern auch, weil ich mit diesem Motorrad unheimlich gerne fahre. Heuer im Juni waren es 25 Jahre, dass ich sie hab. Das muß sowas wie Liebe sein. Ich hab jede einzelne Fahrt genossen, wenn diese Fahrten auch relativ kurz waren. Schnell einmal zum Zellerain, einen Kaffee trinken, schnell einmal über Wildalpen nach Mariazell und über den Josefsberg und die Ötscher Panorama Straße wieder Heim, oder einfach schnell einmal über die Höhenstraße nach Seitenstetten. Es waren keine sonderlich lange Touren, aber jede einzelne dieser Fahrten empfand ich wunderschön.

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Ganz genau so ging es mir mit der XJR. Keine großen Touren, keine schwachsinnigen Kilometer an einem Tag. Wenn ich die Pässetour ausklammere, war keine Tour länger als um die 250km. Sehr oft weniger. Sehr oft sogar viel weniger. Juni, Juli und August waren heuer ja glühend heiß, an Motorrad fahren wollte ich da tagsüber gar nicht denken. Aber um halb fünf oder fünf Uhr Morgens, wenn mein kleiner Wau Wau noch schlief und ich frei hatte, dann stand ich auf, ging in die Garage und wählte ein Motorrad. “Schwarze FZR, Foxi oder XJR?”, war die Frage. Und wenn ich gewählt hatte, ging ich wieder ins Haus, zog mir das passende Leder und die passenden Stiefel an und fuhr los. Eigentlich hatte ich nie ein Ziel. Immer nur der Nase nach. Oft die selbe Strecke wie die Woche davor, oft auch eine Andere. Und meistens war ich nur eineinhalb oder zwei Stunden unterwegs. Dann stellte ich das Motorrad wieder ein, zog mich um, weckte den Hund und ging mit Wauzi spazieren. Das war schön, erholsam und mir hat nie was gefehlt.

20151017_mostviertel_xjr_07 Irgendwann gegen Ende September saß ich letztmals am Motorrad. Seitdem hat das Wetter nicht mehr so wirklich mitgespielt, wenn ich frei hatte. Es ist mir ehrlich gesagt auch ohne Motorrad nichts abgegangen. Ich weiß ja, wo sie stehen, meine zweirädrigen Schlümpfe. Gewaschen und zugedeckt in der Garage. Gestern ging ich am frühen Morgen mit Hundi spazieren, und weils grade wieder einmal, sagen wir, gar nicht so kalt war, dachte ich, ich könnte mit der XJR eine Runde drehen. Nicht mit einer FZR, weil die wäre nachher dreckig. Es hatte die letzten Tage ja geregnet. Der XJR macht das nichts. Wenn die dreckig wird, ist sie schnell wieder gewaschen. Hat ja keine Verkleidung, in der sich der Dreck verstecken kann. Nach dem Spaziergang zog ich mir das Leder an, ging in die Garage und fuhr mit der XJR los. Ich kam nicht weit. Vielleicht waren es 300m oder so, dann begann es zu regnen. Ich war echt sauer. Aber ich fuhr auch nicht weiter, sondern drehte nur eine kleine Runde, sechs oder sieben Kilometer, grade so weit, dass der Motor wieder einmal warm wurde, aber doch so wenig weit, dass ich nicht naß wurde. Dann stellte ich die Lisl wieder in die Garage und zog mich um. Merde! Das war nix.

Heute fuhr ich mit Hundi zum Bachlerhof, trank einen Kaffee, drehte dann mit Hundi zu Fuß eine kleine Runde, und wurde nervös. Am Morgen war es noch naß, aber es trocknete schnell ab. Die Wolken verzogen sich, der Himmel wurde blau. Es wurde warm! Zurück zum Auto, Hundi rein, Heim fahren, umziehen, in die Garage, XJR starten und los ging’s. Ich war wieder einmal unterwegs, und es war schön. 20151017_mostviertel_xjr_08

Zuerst zum Bachlerhof, einen Kaffee trinken. Ja, da war ich grad vorhin mit Hundi. Aber jetzt war Hundi daheim, jetzt stand die XJR draußen, und ich hatte das Leder an. Ich war wieder mit dem Motorrad unterwegs! Nach dem Kaffee Richtung Biberbach, dann links den Berg hoch zur Höhenstraße und der folgend nach St. Georgen an der Klaus. Dort eine Rauchpause eingelegt und ins Ybbstal geschaut, dann weiter rüber zur Wieser Höhe und rauf zur Most-Höhenstraße und bis St.Michael am Bruckbach. Dann runter ins Dobratal und auf der anderen Seite wieder rauf nach Kürnberg. Von dort führt die Straße dem Hügelkamm entlang bis nach Behamberg. Überall schöne, weite Aussicht, überall Sonnenschein. Nur in den engen Tälern, in die man immer wieder runter muß, um am Gegenhang wieder hoch zu fahren, ist es schattig und kühl. Nein, nicht kühl. Ehrlich gesagt, kalt. Ich hatte ständig die Griffheizung eingeschaltet. Ohne Griffheizung wäre diese Tour wesentlich unlustiger geworden. Ich hab auf der XJR aber eine Griffheizung, und darum war’s nicht unlustig.

Vor Behamberg blieb ich für ein Foto stehen, paffte ein Zigarettchen, und schaute mir die Schilder an, die an der Weggabelung genau gegenüber der Posthaltestelle angebracht waren, an der ich stand. “Kleinraming” las ich da auf einem der Schilder. Es waren keine großen Wegweiser, sondern kleine Schilder, die Radstrecken beschildern. Ich befand mich ja nicht auf Hauptverkehrsstraßen, sondern auf drittrangigen Gemeindestraßen oder Güterwegen. “Oha”, dachte ich, “das passt”. Die Straße bei Kleinraming führt auch ungefähr nach Großraming. Das sind keine zwei Dörfer, die nebeneinander liegen, wie man vom Namen her meinen könnte, da sind schon einige Kilometer dazwischen. Über 20km glaub ich. Aber vorher mußte ich noch ins Tal hinunter. Also ausgeraucht und ab ins Tal.

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Da fährt man also so dahin, Hügel rauf, Hügel runter, im Tal entlang, Hügel rauf und wieder runter, legt 80 oder 90km zurück, und ist dabei praktisch  nie weiter als eine halbe Stunde von daheim entfernt. Genau so eine Tour war das heute, und genau solche Touren fuhr ich heuer am liebsten. Am besten, so auch heute, das Navi mitgenommen, und dann ungefähr der Nase nach. Und wenn mir unterwegs was einfällt, was schön sein könnte, dann werf ich das Navi an – obwohl ich die Strecken eigentlich kennen müsste wie meine Hosentaschen – und geb das nächste Ziel ein. Und immer wieder passiert es, dass mich das Navi, Dank “Kurvenreiche Strecken” Modus, auf Nebensträsschen leitet, die ich sonst nie im Leben gefahren wäre. So wie vor kurzem die Strecke vom Hengstpaß nach Spital am Pyhrn. Nie im Leben wäre ich auf die Idee gekommen, dieser schmalen Straße, diesem schmalen Weg muß man eigentlich sagen, auf den Hügel und in den Wald zu folgen. Und genau dieser schmale Pfad brachte mich über Hügel, die mir absolut fremd waren, direkt nach Spital am Pyhrn. Das war grandios.

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Heute fuhr ich in einem Graben, den ich eigentlich gut zu kennen glaubte, ebenfalls dem Navi nach. Bei einer Kreuzung folgte ich der Navi-Ansage scharf nach rechts einer Straße, einem Weg, von dem ich dachte, der führt höchstens zu einem Bauernhof oder in den Wald, und sonst nirgends hin. Denkste! Dieser Pfad führte mich über mehrere Hügel und Gräben von hinten herum nach Großraming. Eine Streckenführung, an die ich nicht im Traum gedacht hatte. Nicht denken konnte, weil ich nicht wusste, wo der Rechtsabzweig hin führt, dem ich heute, nach Navi Vorgabe, folgte. Nun kenn ich wieder ein Stück meiner Heimat etwas besser. Und weil’s so schön war, folgte ich dem Navi auch gleich bis Losenstein. Wieder irgendwie hinten rum, wieder keine Ahnung gehabt, dass es diese Strecke gibt. Das war echt ein Hammer.

In Losenstein hatte ich dann aber genug. Fast drei Stunden war ich jetzt unterwegs, hatte rund 130km hinter mir, die Wolken wurden wieder dichter und es wurde kalt. Ungefähr 50km trennten mich noch von daheim. Ich folgte einfach der Hauptstraße bis Steyr, bog am Wachtberg nach Seitenstetten ab und fuhr fast direkt Heim. Fast deshalb, weil ich nochmals beim Bachlerhof einkehrte und einen Kaffee trank. Wer weiß, wie’s Wetter wird. Vielleicht war das ja die letzte Tour des Jahres?

16. Oktober 2015

Uhren aus St.Petersburg – Von der Baltika zur Raketa 2609HA

Filed under: СДЕЛАНО В CCCР - Made in USSR — Benzin @ 13:49

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Uhren, in denen ein Raketa Werk der Serie 2609 werkelt. Dieses Uhrwerk war und ist das am weitesten verbreitete Uhrwerk von Raketa und wird seit dem Ende der 50er Jahre gebaut. Es gibt zahlreiche Versionen davon, die sich für den Laien vor allem in der Anzahl der Lagersteine und in der Anzahl der Stoßsicherungen unterscheiden. Man mag vielleicht auch noch unterscheiden, ob die Unruhe mittels Schrauben ausgewuchtet ist, oder auch nicht, das war’s dann im Allgemeinen auch schon. Und deshalb gehe ich hier nicht näher auf irgendwelche technischen Unterschiede dieser Werke ein. Ich bin Laie.

my_ruskie_blog_raketa_2609_baltika_002 Als Laie wandle ich aber, wegen der Neugierde, immer wieder durch alle möglichen Uhrenforen dieser Welt und muß feststellen, dass selbst die besessensten Fanatiker auf keinen grünen Zweig kommen. Weder scheint klar zu sein, in welcher Reihenfolge die unterschiedlichen Versionen dieses Kalibers auf den Markt kamen, noch welche Unterschiede es genau zwischen den einzelnen Versionen gibt, abgesehen von den oben erwähnten und auch für Laien leicht erkennbaren. Ich las zum Beispiel öfters die Frage, wie sich die Kaliber 2609 und 2609.1 genau unterscheiden. Eine befriedigende Antwort konnte darauf  noch niemand geben. Offenbar kann nicht einmal die Frage beantwortet werden, inwiefern sich das moderne Standardkaliber 2609.HA vom Präzisionskaliber 2609.НП (in Latein HP, für Präzision) unterscheiden. Mehr, als mehr oder weniger gesicherte Vermutungen hat niemand als Antwort zu bieten. Und darum lass ich es auch dabei bewenden. Mehr, als dass das Werk der originalen “Baltika” der Urahn aller 2609 Werke war und das 2609.HA die modernste Version ist, die eigens für die vollautomatische Fertigung ausgerichtet konstruiert wurde, scheint niemand wirklich zu wissen. Darum wenden wir uns jetzt den Uhren zu, die diese Werke beinhalten.

Die Baltika ist der Urahn und Namensgeber aller folgenden Versionen des Raketa Kaliber 2609. Baltika war einer der Namen, die Uhren aus Petrodworez (Peterhof bei St.Petersburg) trugen, bevor das Werk Anfang der 60er Jahre umbenannt wurde. Seitdem tragen sämtliche Produkte einheitlich den Namen Raketa. Der Name Baltika bezieht sich auf die geographische Lage von St.Petersburg und dem Umstand, dass das Baltikum mit den ehemals unabhängigen Staaten Estland, Lettland und Litauen zuerst vom Zarenreich an Russland und später von den Sowjets an die Sowjetunion angeschlossen wurde.

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Oben und unten haben wir verschiedene Vertreter des Kaliber 2609. Von links nach rechts: Original Baltika mit 21 Juwelen, 2609 mit Stempelung пчз für Petrodworez Uhrenfabrik mit 21 Juwelen, dann das Raketa Standartwerk 2609 mit 16 Lagersteinen und ein verziertes Kaliber 2609.1 mit 17 Lagersteinen.
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Wieder von links Kaliber 2609A, 2609A.1, 2609Б und 2609Н.A Man sieht anhand der Bilder, je neuer die Werke werden, desto weniger wurde auf Dekoration Wert gelegt. Was zählte, waren Stückzahlen.

Und nun Bilder meiner Uhren mit diesem Kaliber und vielleicht die eine oder andere Geschichte dazu

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Dies ist sozusagen der Stammvater des Kaliber Raketa 2609, die Baltika, die ungefähr von Ende der 50er Jahre bis Anfang der 60er Jahre, also bis zur Umbenennung des Werkes in Raketa, gebaut wurde. Das Werk besitzt 21 Lagersteine, eine einzelne Stoßsicherung und geht trotz ihres Alters noch erstaunlich genau.
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Hier oben und unten ein paar Modelle, die mir persönlich besonders gut gefallen. Das verchromte Modell oben mit weißem Ziffernblatt enthält ein 2609Б, die vergoldete Version rechts daneben ein 2609A.1
In der unteren Reihe finden wir von links nach rechts die Werke 2609A.1, 2609A und wieder 2609A.1 verbaut vor.

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Diese Uhren stammt aus einer Reihe von sechs Uhren, die zwar nicht unbedingt zur gleichen Zeit, aber im gleichen Stil gebaut wurden. Vergoldete Gehäuse, verchromte Gehause, schwarze oder weiße Ziffernblätter mit kurzen oder langen Stundenmarken. Die Uhr rechts unten besitzt zwar das selbe Ziffernblatt, das Gehäuse ist jedoch rund acht Jahre jünger, stammt also aus den 70er Jahren.

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Und wie so die Zeit vergeht, hab ich alle sechs Stück, die es zusammen HIER zu sehen gibt. Die hier gezeigte in Gold hat mir, aus eigener Schuld, ein wenig Ärger eingebracht. Die zweite von links (die ganz links ist nicht die selbe Uhr!) ist mir erst vor kurzem aus Ungarn zu einem unglaublich günstigen Preis über den Weg gelaufen, dabei ist sie wunderschön und läuft wie neu! Das nenne ich ausgleichende Gerechtigkeit, wenn es sowas geben sollte, denn die Uhr links außen war ein gewalteiger Schlag ins Wasser. Ich hab mich nicht nur vom Uhrband, sondern auch vom Preis blenden lassen, denn ich dachte, zu so einem Preis traut sich niemand eine schlechte Uhr verkaufen. Das war falsch gedacht. Sie schaut zwar wunderbar aus, aber das Uhrwerk ist Schrott. Klar, ich hätte sie reklamieren können, PayPal macht’s möglich. Andererseits wollte ich dieses Uhrband nicht mehr hergeben. Nachdem ich das Glück mit der Uhr aus Ungarn hatte, montierte ich das Band um, und jetzt ist es nicht nur optisch, sondern auch technisch ein Prachtstück. Und wenn man es sich schönrechnen will, hab ich auf die kaputte Uhr nur einen Pappenstiel drauf bezahlt, damit alles wieder gut wird. Man lernt halt nie aus. Herzlichen Dank nach Ungarn für diese wunderbare Uhr.Um die Dame aus Litauen werd ich in Zukunft lieber einen sehr großen Bogen machen. Obwohl ich glaub, das war von ihr gar keine Absicht. Die versteht nichts von Uhren und dachte wohl, die ist schön, die ist viel Wert. Welche Macke die Uhr hat, sieht man leider erst nach einer Weile. Meine Schuld.

my_ruskie_blog_raketa_2609_208 Mit dieser Uhr hatte ich ein besonderes Erlebnis. Ich sah diese Uhr, sie gefiel mir auf Anhieb und ich kaufte sie. Es war mein erster Einkauf bei diesem Händer aus der Ukraine. Ukrainische Händler seien ja alle Gauner, sagt man. Ich für meine Person kann diese Auffassung nicht teilen. Mit etwas Hausverstand und wachen Augen wird man bei Ukrainern genau so wenig oft beschissen wie von einem Briten, Deutschen oder Österreicher. Oder von allen anderen Händlern im Internet. Beschissen wird man früher oder später ganz bestimmt, da braucht man sich nichts vor machen, aber wie oft oder wie gravierend, das kann man durch Lernen und Vorsicht in verträglichen Grenzen halten. Bei genau dieser Uhr dachte ich allerdings, „Siehst du, jetzt bist du auch von einem Ukrainer reingelegt worden!“my_ruskie_blog_raketa_2609_208_3

Die Uhr war sehr schön, keine Frage, und auch das Uhrband war in einem tollen Zustand, was sehr wichtig ist. Diese Uhr besitzt einen zentralen Federsteg, das heißt, Uhrband wechseln spielen’s nicht oder ist mit Bastelarbeit verbunden. Ich zog sie auf, und sie lief sofort und seidenweich. Genau eine Umdrehung des Sekundenzeigers lang, dann blieb sie stehen. „Merde! Da hat’s was“, dachte ich. Manche Uhren waren nach der Ankunft aber so kalt, dass sie eine kleine Aufwärmphase brauchten, dann aber tadellos funktionierten, also ließ ich ihr eine Weile Zeit, sich aufzuwärmen, und legte sie neben mir auf den Tisch. Sie lief, nachdem ich sie ein wenig geschüttelt hatte, wieder. Genau eine Umdrehung des Sekundenzeigers lang, dann blieb sie wieder stehen. Dass sie immer nur genau eine einzige Umdrehung des Sekundenzeigers lief, fiel mir allerdings erst nach einer Weile auf.

Ich nahm sie, und schaute sie mir genauer an. Der Sekundenzeiger stand genau über dem Minutenzeiger. „Oha“, dachte ich, „interessant!“ Zuerst vermutete ich ein schadhaftes Zahnrädchen im Werk. Genau eine Umdrehung, was soll man da sonst denken? Erst langsam dämmerte mir der wahre Grund. Der Sekundenzeiger bleib genau über’m Minutenzeiger stehen, und zwar, egal wo der grade stand. my_ruskie_blog_raketa_2609_208_2„No clearence“ würde der Lateiner sagen. Aber wie gibts das? Na ja, wer weiß, wie das Paket beim Transport behandelt wurde, dachte ich und grübelte, was man da machen kann. Dann kam mir ein Geistesblitz. Wenn ich nur ein klein wenig schüttelte, bewegte sich der Sekundenzeiger über den Minutenzeiger und lief wieder problemlos eine weitere Umdrehung. So zog ich die Krone raus und bewegte den Minutenzeiger unter dem Sekundenzeiger hin und her, hin und her, immer wieder, und langsam, aber sicher verschwand das Problem. Der Sekundenzeiger drehte, nach ein paar weiteren kleinen Ruckelchen rund und stetig seine Kreise. Offenbar hatte mein Geistesblitz bewirkt, dass sich der dünne Sekundenzeiger um diese kleine Winzigkeit nach oben bog und nun den Minutenzeiger ungehindert passierte. my_ruskie_blog_raketa_2609_254

Um festzustellen, ob das nun von dauerhafter Wirkung war, ließ ich die Uhr am Handgelenk. Jetzt wollte ich es wissen. Beschiss, oder nicht Beschiss, das war jetzt die Frage. Ich stellte sie sekundengenau nach der Uhr am Computer und trug sie dann. Einen Tag, zwei Tage, fünf Tage. Diese Uhr trägt sich unglaublich angenehm! Nach genau fünf Tagen oder 120 Stunden verglich ich dann die Ganggenauigkeit wieder mit der Uhr am Computer. Zwei Sekunden Abweichung, nach 120 Stunden! Mein Tag Heuer 6000 Chronometer kann das nicht besser. Seitdem hab ich noch ein paar Uhren von diesem Händler gekauft, und alle waren wunderschön und sehr, sehr genau und zuverlässig. Da soll mir noch einmal jemand sagen, die Ukrainer wären alle Gauner! Da er aber in seinen Angeboten immer hervorhebt „Uhr von einem professionellen Uhrmacher gereinigt und geschmiert“ konnte ich mir bei der Bewertung nicht verkneifen zu schreiben „Uhr ist wunderschön und sehr präzise – But tell your watchmaker, he is blind!“ Das war wie gesagt unser erster Handel. Würde mich interessieren, was er sich dachte. Auf der rechten Seite sehen sie Bilder einer baugleichen Uhr mit anderer Aufschrift am Ziffernblatt. Am rechten oberen Bild ist auch die seltsame Struktur des Ziffernblattes zu erkennen, die offenbar rau ist wie Sandpapier.

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Die Uhr in der Mitte ist eine Ausgabe zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution 1917, rechts eine Version ohne Jahrestag. In beiden werkelt ein 16 steiniges 2609
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Die Uhr mit dem schwarzen Ziffernblatt stammt ebenfalls aus 1967, trägt ebenso die Inschrift zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution, ist allerdings restauriert und leuchtet bei Sonnenbestrahlung oder künstlicher Beleuchtung wunderschön, was die originale Uhr nie könnte, weil sie keine Leuchtmarkierungen besitzt. Das Bild rechts zeigt eine komplett originale Uhr dieser Baureihe mit einem etwas anderen, vergoldetem Gehäuse. Die Aufschrift ist allerdings schon sehr verblasst.

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Die Uhr links ist von 1967 und trägt ein recht auffälliges Ziffernblatt mit außermittiger Markenbezeichnung, rechts davon das gleiche Ziffernblatt in einem etwas anderem Gehäuse aus den 70er Jahren. Beide besitzen das gleiche 16 steinige Werk 2609 wie die Uhr rechts daneben.  Die rechte Uhr kaufte ich mit ziemlich zerkratztem Glas, aber nichts desto trotz läuft sie hervorragend. Sie trägt die Spuren ihres sicher nicht langweiligen Lebens recht stolz. Ich mag sie!

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Diese hier hat das verchromte Gehäuse der Baltika, am Ziffernblatt steht aber schon Raketa, das Werk ist allerdings kein originales Baltika mehr, sondern ein neueres 2609 mit zwar ebenfalls 21 Lagersteinen, allerdings dreifacher Stoßsicherung, das die alte Kennung ПЧЗ trägt. Es müsste sich hier um eine frühe Serie des 2609A vor der Einführung der nummerierten Kaliberbezeichnungen handeln.
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Ein vergoldetes Baltika Gehäuse mit Raketa Aufschrift und originalem Baltika Werk. Diese Uhr dürfte aus der Zeit stammen, wo die Fabrik zwar schon den Namen Raktea trug, wo allerdings auch noch reichlich alte Uhrwerke der Baltika auf Lager waren. Damals war das ja kein Grund zur Aufregung. Die Fabrik war die selbe, das Uhrwerk war das selbe, nur mußte die Uhr plötzlich einen anderen Namen tragen. Kurios erscheint uns das nur heute, 55 Jahre später, als Sammler oder Liebhaber,

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Hier wieder eine Uhr aus der Zeit vor 1961, also vor der Umbenennung in Raketa. Diese Uhr hieß „РОССИЯ“, also Russland und war mit einem 2609 mit 21 Lagersteinen ausgestattet. Werksbezeichnung wie damals üblich ПЧЗ für Uhrenfabrik Petrodworez. Die gehört auch zu meinen Lieblingsuhren.

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Links: Diese vergoldete Raketa (Raketa Katalog 1968 Produkt Nr.:653284) verbirgt unter ihrem Rückdeckel ein sehr schön verziertes Uhrwerk Kaliber 2609.1. Dieses Muster nennt sich Guillochierung und ist nur vereinzelt in Uhren dieser Jahrgänge zu finden. Nach welchen Kriterien diese verzierten Werke verbaut wurden, ist mir unbekannt. Rechts ist eine ebenfalls vergoldete Raketa mit gleichem Kaliber 2609.1 und gleichem Baujahre (Katalog 1968 Produkt Nr.:653237) zu sehen, deren Werk keine Verzierung trägt.

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Dies ist meine erste Raketa aus der schwer zu findenden “Atom” Serie. Das heißt, man findet eigentlich immer wieder eine, aber entweder in schlechtem Zustand, verbastelt oder zu Mondpreisen. Oder alles zusammen auf einmal. Diese hier befindet sich in einem erstaunlich gutem und schönem Zustand, läuft hervorragend, ist aber, mußte ich feststellen, nicht einfach einzustellen. So gut sie auch abzulesen ist, so schwierig finde ich es, sie minutengenau zu richten, was am ungewohnten Design des Ziffernblattes liegt.  Insgesamt aber eine wahrlich hübsche Uhr, die das bewährte Kaliber 2609Б enthält. Diese “Atom” gibt’s in zwei verschiedenen Gehäusen jeweils in den Ausführungen Chrome oder Gold und einer Ausführung mit Ziffernblatt in Champagne. Ausführungen mit Chromgehäuse und Goldzeigern oder umgekehrt sind nicht Original. Im Gehäuse mit 20mm Bandbreite befindet sich immer ein 21 Steiniges Werk, ins Gehäuse mit 18mm Anstoß gehört ein Werk mit 16 Steinen. Mehr Infos zum Auseinanderhalten einer echten “Atom” von einem Bastelwastel finden sie HIER

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In der Mitte eine RED 12 von Raketa. Die rechte Uhr ist offenbar sowas wie eine Hommage an die Sowjetzeiten und wurde nach 1991 gebaut. Etwas kurios dran ist, dass die Ziffern schief sind, wenn man die Uhr normal anschaut, was ein Mitglied eines großen internationalen Uhrenforums zur Aussage veranlasste „Das wird nach dem dritten Vodka eh wieder grade“. Alkoholismus war angeblich ja eine natürliche Zwischenstufe auf dem Weg vom Sozialismus zum Kommunismus.Rechts eine Raketa 2609HA vergoldet aus den 80er Jahren.

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Von links nach rechts: Olympia Moskau 1980, Russlschische Flagge, Hammer und Sichel, Big Zero Peterhof und ganz rechts “Glasnost & Perestroika” in kyrillischen und lateinischen Buchstaben geschrieben.

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Links sehen wir zwei Uhren aus meiner Big Zero Sammlung, die Uhr daneben, eine “Raketa СОЮЗ”  (Name steht in der stilisierten Rakete und bedeutet Vereinigung oder Union) ist etwas besonderes. Nach Aussagen eines ehemaligen Mitarbeiters der Firma Raketa wurden diese Uhren nach Feierabend zum Spaß nur für Mitarbeiter dieses Uhrenherstellers gebaut. Sie war in dieser Form also kein offizielles Produkt und sind deshalb natürlich auch in keinem Katalog zu finden. Diese Uhren stammen aus den späten 70er und frühen 80er Jahren und wurden von der Belegschaft nach Schichtende für sich selber und zum Spaß gebaut, die Basis für diese Kreationen waren offizielle Uhren aus der laufenden Produktion, daher gibt es sie auch in einigen unterschiedlichen Ausführungen, nur der farbliche Verlauf der Lackierung und die stilisierte Rakete sind ihnen gemeinsam. Offenbar waren solche “Schwarzproduktonen” damals schon recht einfach und ohne Aufmerksamkeit zu erregen durchzuführen. Vermutlich mit Wissen der Vorgesetzten, die dafür Uhren bekamen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war “Schwarzarbeit” gang und gäbe, weil oft mangels Gelder keine Löhne bezahlt wurden, und von irgend etwas mußten die Arbeiter ja leben. Also stellten sie nach Ende der offiziellen Arbeitszeit für den Privatverkauf Uhren her. Heute nennen sich solche Uhren in internationalen Uhrenforen “Flight by night production”. Die Uhr rechts außen ist eine sogenannte Windrose oder englisch “Raketa Wind Rose” (Raketa Katalog 1988 Modell 6661899) mit einer separaten Krone zum Drehen der äußeren Lünette, um mit Hilfe des Sonnenstandes die Himmelsrichtung bestimmen zu können. Dieses Modell findet sich auch noch im Katalog von 1992, wurde also zumindest bis in die 90er Jahre hinein gebaut.

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Zwei Mal Raketa Kopernikus, im Internet leichter unter dem englischen Namen “Raketa Copernic” zu finden, wurde schon in der Sowjet-Zeit gebaut und hielt sich bis weit in die 90er Jahre hinein. Es gibt sie mit einigen unterschiedlichen Ziffernblättern in weiß und schwarz mit den Zeigern ebenfalls in unterschiedlichen Farben und Formen. Genau die Zeiger sind das Besondere an dieser Uhr. Sie zeigen, wie sich die Erde um die Sonne und der Mond dabei um die Erde dreht, wie es Kopernikus im 16. Jahrhundert zum Mißfallen der Grünen, äh, der katholischen und evangelischen Kirche erklärt hatte. Die Grünen gab’s damals noch nicht.
Auf den ersten Blick scheint die Zeitanzeige durch diese Art von Zeiger etwas verwirrend, aber nach einer kurzen Gewöhnungsphase ist das dann nicht anders als bei jeder anderen Uhr auch. Gemeinsam ist diesen Uhren das Kaliber 2609HA, in zahlreiche Modelle, wie auch in diesen Beiden, wurde die Präzisionsversion 2609НП verbaut. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich diese Kopernikus in meiner kleinen Sammlung auch noch etwas vermehren werden.

Das war’s vorerst einmal vom Kaliber 2609 aus Petordworez.

Ps: Manche Fotos von Uhrwerken in diesem Blog sind Foto der Verkäufer, und nicht von mir selber aufgenommen. Ich öffne zwar die Uhren nach Erhalt, um mich vom Inhalt zu überzeugen, mach das aber nicht gerne zu oft und hab dabei nicht jedes Mal gutes Fotolicht. Jede Öffnung birgt auch die Gefahr einer Beschädigung. Die hier im Blog gezeigten Uhrwerke sind nichts desto trotz allesamt Uhrwerke von meinen eigenen Uhren und deshalb ausnahmslos in meinem Besitz!

Beitrag zur Raketa Big Zero
Beitrag zur Raketa Big Zero Classic N019
Beitrag zu Raketa Kaliber 2602/03
Beitrag zu Raketa 2610, 2209, Automatik, 24 Stunden Uhren, Weltzeituhren und anderen Besonderheiten
Beitrag zu Raketa Baltika 2609 Kleinsammlung

13. Oktober 2015

Uhren aus St.Petersburg – Raketa Big Zero

Filed under: СДЕЛАНО В CCCР - Made in USSR — Benzin @ 13:57

Viele sowjetische Uhren sind eng mit Legenden verbunden. Legendäre Ereignisse wie zum Beispiel den sogenannte “Salzwassergipfel” vor Malta, der eine Sonderedition von Slava hervor brachte, oder legendäre Aussagen, von denen man nicht weiß, ob sie wahr oder doch nur Legende sind. Von so einer Legende und der damit verbundenen Uhr handelt dieser Beitrag.

my_ruskie_blog_raketa_2609_407Bei einem Italienbesuch wurde der Vorsitzende des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Michail Sergejewitsch Gorbatschow, angeblich gefragt, was genau er den mit dem Ausdruck “Perestroika” in Verbindung mit politischen Reformen in der Sowjetunion meine? Darauf habe Gorbatschow auf seine Raketa Uhr gezeigt und  geantwortet, “Perestroika heißt, dass Russland wieder bei Null beginnt!” Es hatte einen Grund, warum Michail Gorbatschow in dieser Legende auf seine Armbanduhr zeigt, den diese Uhr hat keine 12 an oberster Stelle, sondern eine große Null. Jede Stunde beginnt und endet bei Null, und nicht bei 12. Mit dieser Geschichte wurde wohl die Legende der Raketa “Big Zero” geboren.my_ruskie_blog_raketa_2609_409

Ehrlich gesagt hab ich noch kein Foto gesehen, das Michail Gorbatschow mit einer Big Zero zeigt. Es gibt Fotos, die Gorbatschow mit Uhren von Poljot, Slava oder Vostok zeigen, mir ist allerdings keines bekannt, auf dem er mit einer Raketa zu sehen wäre. Möglicherweise entstand diese Legende weniger bei einem Staatsbesuch in Italien, als in der Propaganda Abteilung einer Uhrenfabrik bei St.Petersburg. Was der Attraktivität dieser Raketa allerdings keineswegs schadet. Diese Uhr hat längst ihren Weg in die Herzen zahlloser Menschen gefunden, aus welchen Gründen auch immer.

my_ruskie_blog_raketa_2609_410Der Grund für die Null statt der Zwölf ist mir unbekannt. Es dürfte sich dabei einfach um eine Modeerscheinung gehandelt haben. Planwirtschaft hin, Mangelwirtschaft her, Mode spielte auch in der Sowjetunion keine kleine Rolle. Menschen mögen modische Sachen, was immer auch Mode bedeuten mag, und wer immer sie auch vorgibt. Die Big Zero dürfte neben Mode auch noch einen ganz anderen Entstehungsgrund gehabt haben. Weniger, was die große Null betrifft, sondern was die Gestaltung des Ziffernblattes generell betrifft. Bei dieser Uhr sind nicht nur die 0 sowie die 3, 6 und 9 extrem groß ausgebildet, sondern auch die Stundenmarken dazwischen, was darauf hindeuten könnte, dass es sich hier um eine speziell für Menschen mit einer Sehschwäche gestaltete Uhr handelt. Selbst wenn man nicht mehr so gut sieht, lässt sich diese Uhr wunderbar ablesen.my_ruskie_blog_raketa_2609_410_2

Es gibt diese Uhr, soweit mir bekannt ist, in zwei Größen. Da wäre die Standard Big Zero und die sogenannte Mini. Bei der “Normalgröße” handelt es sich mit einem Durchmesser von rund 41mm allerdings um eine ziemlich große Uhr. Die Mini ist mit rund 36mm Durchmesser am Handgelenk doch um einiges zierlicher. Wobei zierlich relativ ist. Gegen eine Pobeda von 1950 ist auch die Mini Zero groß. Auch die Größe von Uhren unterliegt Modeströmungen. Momentan zum Beispiel, im Jahre 2015, befinden wir uns in fast jeder Hinsicht, größenmäßig gesehen,  im Zeitalter der Saurier.

my_ruskie_blog_raketa_2609_410_4Bei meiner neuesten Big Zero hatte ich mich mit den Proportionen total verschätzt. Schon beim Kauf wusste ich, mit welchem Uhrband ich sie ausstatten wollte. Ein Stahlgliederband mit geprägten Faltschließe, die die Aufschrift “LENINGRAD” und die beiden gekreuzten Anker aus dem Wappen von St.Petersburg trägt. Eine Uhr aus Leningrad mit diesem Band, das wäre doch was? Dachte ich.

Als die Uhr ankam, was meine erste Tat, dass ich dieses Uhrband montierte. Abgesehen davon, dass es trotz der Größe dieser Uhr sehr eng am Arm lag, war ich recht zufrieden und trug sie freudig  gleich den ganzen Tag. Jedoch, je länger ich diese Uhr trug, je öfters ich ihr bei der Arbeit zuschaute, desto unstimmiger schien mir das Verhältnis von Uhr und Uhrband zu sein. Obwohl sich an der Breite von 18mm im Verlauf des Tages nichts änderte, kam es mir doch immer schmäler und, um ehrlich zu sein, komischer vor. So eine große Uhr und so ein schmales Band, das passte irgendwie nicht zusammen. Sobald ich wieder zu Hause war, montierte ich das Band ab, legte mir ein paar andere Uhrbänder aus der Sowjetzeit zurecht und wählte ein passenderes aus. Jetzt bin ich zufrieden.my_ruskie_blog_raketa_2609_411

my_ruskie_blog_raketa_2609_412Die meisten Big Zero dürften ein Uhrwerk des Kaliber Raketa 2609 нд beinhalten, der letzten Entwicklungsstufe der 2609 Serie. Die Raketa Werke 2609 (26 =26mm Durchmesser, 09 heißt Zentralsekunde) sind in allen Variationen als sehr gut und zuverlässig bekannt, das 2609НД soll sich sogar recht einfach auf Chronometer Niveau regulieren lassen.

Meine hier gezeigte, weiße Big Zero trägt zwei Besonderheiten. Zum einen trägt sie das fünfeckige sowjetische Qualitätsiegel, das anscheinend auf besonders ausgesuchte Qualität hinweisen sollte. Dieses Gütesiegel wurde in zahlreichen Foren diskutiert, aber ich hab noch nie gelesen, dass jemals jemand  einen Unterschied zwischen Uhren mit und ohne Gütesigel festgestellt hätte. Vielleicht war dieses Siegel ähnlich gemeint wie bei uns das Bio Siegel. Bio Müsli, Bio Gemüse, Bio Eier, Bio Hazard. Alles, was besonders gut und gesund erscheinen soll, wird mit Bio bezeichnet, und schon kann man es teurer verkaufen. Es funktioniert.my_ruskie_blog_raketa_2609_413

my_ruskie_blog_raketa_2609_414Zum anderen trägt sie die englische Markenbezeichnung RAKETA in Verbindung mit der kyrillischen Aufschrift „Сделано в CCCP“, was im Regelfall auf eine Fälschung oder zumindest auf eine Bastelarbeit einer Kellermanufaktur hindeutet. In Kombination mit der lateinischen Schreibweise RAKETA sollte hier auch „Made in USSR“ stehen. Diese gemischt beschrifteten Big Zero sind allerdings authentisch! Wann genau diese Art der Beschriftung Einzug hielt, läßt sich nur schwer feststellen. Aus heutiger Sicht scheint es direkt so, als hätten die damals dafür Verantwortlichen geahnt, dass die kyrillische Aufschrift den – zumindest ideellen – Wert der Uhr gegenüber ihren rein lateinisch beschrifteten Artgenossen einmal kräftig steigern würde, obwohl die damals vom Zusammenbruch der Sowjetunion doch gar nichts ahnen konnten.my_ruskie_blog_raketa_2609_424

Abgesehen vom großen und kleinen Gehäuse gibt es eine Reihe unterschiedlicher Variationen dieser Uhr. Ziffernblätter mit unterschiedlicher Gestaltung und Aufschrift sind ebenso zu finden wie unterschiedliche Zeiger. Ja sogar andersartige Gehäuse sieht man da und dort. Was davon Original ist und was nicht, ist oft schwer zu sagen. Auch geben sich zahlreiche Bastelwastel ein fröhliches Stelldichein. Abhilfe schafft nur, die Uhren mit alten, noch existierenden Katalogen zu vergleichen oder eine Frage in einem einschlägigen Uhrenforum zu stellen. Aber selbst dann bleiben Fragen offen. Das lag auch  in der Natur der Sowjetunion, dem Land der großen Geheimniskrämerei, aus dem nur wenige zuverlässige Unterlagen existieren.

Zum Beitrag über die neue Big Zero Classic N019
Zum Beitrag über Raketa Kaliber 2609
Zum Beitrag über Raketa Kaliber 2602/03
Zum Beitrag über Raketa 2610, 2209, Automatik und anderen Besonderheiten
Zum Beitrag über Raketa Baltika 2609 Kleinsammlung – Sixpack

Wer sich gerne eine Vielzahl an Variationen dieser Uhr anschauen möchte, hat HIER Gelegenheit dazu.
Und hier eine kleine Hilfe von wegen Abkürzungs Wirr Warr bei sowjetischen Uhren:
CCCP = Сою́з Сове́тских Социалисти́ческих Респу́блик = SSSR = Sojuz Sovietskich Socialističeskich Respublik = USSR = Union of Soviet Socialist Republics = Union der Sowjetisch Sozialistischen Republiken.
Alles die selbe Wortfolge und selbe Bedeutung, nur einmal in kyrillischen und einmal in lateinischen Buchstaben geschrieben.

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