Wir haben wieder ein kleines Schönwetterfenster, das wir zu einer Tour nützen wollen. Fred wird uns begleiten. Wäre ja doch gelacht, wenn wir heuer keine gemeinsame Wanderung zustande brächten! Die geplante Tour von Lunz aus über den Scheiblingstein zum Taglesbachgraben lassen wir angesichts der Schneebedingungen auf der Lunzer Seite bleiben und entschließen uns, vom Taglesbachgraben aus über den alten Auftriebsweg, den ich letztmals vor zwanzig Jahren gegangen bin, zumindest bis zum Hochreiserkogel aufzusteigen. Letztendlich hängt im oberen Bereich alles von den Schneeverhältnissen ab.
Abfahrt um halb sieben von daheim nach Gaming, dort die traditionelle Kaffeepause an der Tankstelle mit anschließender Weiterfahrt über den Grubberg zum Ausgangspunkt, einem kleinen Wanderparkplatz an der B71 gegenüber dem Saurüssel. Apropos Saurüssel. Vor rund einem halben Jahr hat mir Fred erzählt, er geht mit einer Gruppe auf den Scheiblingstein. Auf meine Frage, von wo aus sie gehen, bekam ich “Vom Saurüssel aus” zur Antwort. “Was? Vom Saurüssel auf den Scheiblingstein?” war meine verdutzte Antwort. Ich kenn den Saurüssel. Das ist eine Straße, die Weyer mit dem Ybbstal (kurz vor Hollenstein a. d. Ybbs) verbindet. Von dort aus kann man nicht auf den Scheiblingstein gehen. Beim besten Willen nicht vorstellbar. Der Saurüssel, den Fred meinte, ist aber ganz etwas anderes als der, den ich meinte. Freds Saurüssel ist ein Berg mit 1348m, der beim Eingang zum Taglesbachgraben genau auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegt. Ich war unzählige Male dort, hab den Scheibi oft von dort aus bestiegen, aber daß der gegenüberliegende Mugel Saurüssel heißt, das wusste ich nicht. Inzwischen ist auch der Saurüssel, wie alle Berge neben der B71, auf unserer “To do” Liste. Nicht, weil er was besonderes wäre, sondern weil er da ist.
7:58 Uhr, Wanderparkplatz am Eingang zum Taglesbachgraben. Seehöhe rund 700m üNN, Temperatur 10°. Rucksäcke sind am Rücken, Eddie an der Leine. Es kann los gehen.
Karte Austria Map AEV mit GPS-Track
Wir gehen am Alpinweg auf der orographisch linken Seite des Taglesbachgraben in Richtung Herrenalm.
Gleich nach wenigen Minuten haben wir einen wunderschönen Ausblick auf den Bärenleitenkogel, der mit 1635m der höchste Punkt dieses nördlichen Ausläufers des Dürrensteigmassiv ist. Da oben liegt Schnee, was uns etwas zu Denken gibt, habe wir doch vor, den gesamten Höhenzug zu überschreiten und im Steilhang zwischen Scheiblingstein und Scheibe zum Ausgangspunkt zurück zu kehren. Was wir von herunten im Steilhang (nicht am Bild) sehen, gefällt uns nicht recht. Es scheint viel Schnee zu sein, der sich im Laufe des Tages vermutlich in rutschige Sülze verwandeln wird. Na, schau ma einmal.
Die Luft ist so klar, daß man meint, man könnte zu den Felsen da oben greifen.
8:23 Uhr. Rückblick aus dem Taglesbachgraben. Links der Kleine Ötscher, rechts der Saurüssel.
Herbst und Kaiserwetter, das ist ein Garant für wunderschöne Aus- und Anblicke.
Aus dem Pfad ist ein Waldweg geworden, aus dem eine Forststraße wird. Wir müssen aufpassen. Bei einer Rinne, “Böser Graben” auf der ÖK25V Blatt 72 Mariazell teilt sich diese Straße und bei der drauffolgenden Rinne sollte der alte Auftriebsweg, heute eher ein Steig als Weg, abzweigen.
8:47 Uhr. Wir sind bei dieser zweiten Rinne und tatsächlich, genau hier zweigt der Weg ab. Als ich diesen Steig zum letzten Mal, also vor gut zwanzig Jahren, beging, hab ich zwei Frauen, die sich am Scheiblingstein verschätzt hatten, hier herunter begleitet und nach Amstetten gebracht. Ich war schon gespannt, ob ich noch etwas erkennen kann, denn in zwanzig Jahren kann sich viel verändern. Selbst der großen Felsbrocken am Rauhen Kamm mit der Seilsicherung ist inzwischen abgestürzt. Berge verändern sich, zerbröseln.
Dieser Weg ist insgesamt in einem recht guten Zustand, wenn man bedenkt, wie verwahrlost er vor zwanzig Jahren war. Selbst im hohen Gras zeichnet sich sein Verlauf deutlich ab.
Bald verwandelt sich die grasige Umgebung in Laub, das rostrot in der Morgensonne leuchtet.
Wir wandern in einer Märchenwelt
Je höher wir kommen, desto öfters gibt es eine nette Aussicht.
9:26 Uhr. Unser erster Kontakt mit Schnee.
Es gibt (bis auf eine Ausnahme) kleine, aber unschwierig zu überwindende Hindernisse, die Sonja zu Faxen animieren.
Hier wird man getestet, ob man noch fit ist.
Fast wären wir einem Wildwechsel nachgelaufen. Der richtige Weg geht vor dem Graben scharf rechts herum.
10 Uhr. 8°C sagt meine Wetterstation, die am Rucksack hängt.
10:03 Uhr. Das herbstliche Bunt wird jetzt um die Farbe weiß erweitert.
10:05 Uhr. Es zahlt sich aus, wenn man sich ab und zu einmal umdreht. Erster prachtvoller Blick zum Ötscher.
10:18 Uhr. Wir verlassen den Wald
Das ist zwar kein harter Firn, aber für Eddie gut begehbar. Im Nordosten sehen wir wieder den Ötscher.
Im Süden (rechts hinten) der Dürrenstein, der höchste Gipfel des Dürrensteinmassivs.
Wir umgehen den Hochreiserkogel ostseitig und nähern uns dem Bärenleitenkogel, den wir hier in der Ferne sehen. In gut einer Stunde werden wir dort sein.
Ziemlich genau östlich von uns (links der Bildmitte) die Gemeindealpe.
Ich kann mir nicht helfen, aber der Ötscher ist von hier aus unheimlich fotogen.
Unsere Laune ist genau so prächtig wie das Wetter.
Hart am Abbruch entlang geht’s höher hinauf.
Blick zu Scheiblingstein und Scheibe im Norden. Dort wollen wir eigentlich hin und zwischen diesen beiden Punkten absteigen. Eigentlich. Wir haben Mittag und der Schnee wird immer sulziger. Das schaut für einen steilen Abstieg nicht gut aus.
11:53 Uhr. Bärenleitenkogel 1635m
Beratung. Was machen wir? Gehen wir weiter und riskieren den Abstieg im sulzigen Schnee? Dieser Abstieg, von oben die ersten 150Hm sehr steil, wäre in der Ostflanke, die seit der Früh voll der Sonne ausgesetzt war. Wir brauchen rund eine weitere Stunde, bis wir drüben sind. Der Schnee ist aber jetzt schon so sulzig, daß man unheimlich aufpassen muß. Wir beschließen umzudrehen und zum Lehardi und zur Herrenalm zu gehen, um dann durch den Taglesbachgraben abzusteigen. Es gäbe zwischen Bärenleitenkogel und Scheiblingstein eine Querung, die den Scheiblingstein komplett im Osten umgeht und zu “Am Fleck” führt. Den Anfang dieser Querung kennen wir aber nicht. Ich hab diesen Anfang schon einmal im Sommer gesehen, kann mich aber leider nicht mehr erinnern. Das ist alles zu unsicher, drum kehren wir um. Wir haben ja noch fünf Stunden bis zur Dunkelheit, die können wir ohne unnötigem Risiko genießen. Sollte es nach der Herrenalm dunkel werden, macht das nichts mehr aus. Wir haben jeder Stirnlampen und Batterien mit.
Wir bleiben nur ein paar Minuten am Gipfel, dann geht’s bis zum Hochreiserkogel auf der selben Strecke retour. Ich hoffe, wir finden irgendwo weiter unten ein Platzerl, das von der Sonne freigeschmolzen wurde und auf dem wir eine schöne Rast einlegen können. Ich kenn das Gelände ganz gut und bin recht zuversichtlich.
Blick über den Saurüssel zum Ötscher.
Hier, kurz nach der Senke zwischen Bärenleitenkogel und Hochreiserkogel, muß ich stehenbleiben und den Rucksack abnehmen. Meine rechte Schulter, an der ich mir beim Sturz mit der Guzzi irgendwas gebrochen hatte, aber nicht beim Arzt war, schmerzt fürchterlich. Ich zieh mir ein frisches Leibchen an und eine Jacke. Ich hab seit dem Sturz regelmäßig Schmerzen in dieser Schulter, achte aber nicht drauf, weil sie mich nicht behindern. Wirklich schlimm war es nur in den ersten Wochen nach dem Unfall und im Winter, wenn es kalt wird, fühlt es sich unangenehm an. Ist aber nichts besonderes. Heute ist das anders. Seit 2019 hatte ich keine Schmerzen dieser Art verspürt. Möglicherweise auch, weil ich immer drauf achte, diese Schulter schön warm zu halten. Darauf hab ich heute vergessen. Aber schon nach kurzer Rast wird es besser und wir können die Wanderung fortsetzen.
Anfang des Weidegebietes der Herrenalm. Im November ist nicht mehr mit Kühen zu rechnen.
Neben Gämsen haben wir heute auch Pilze gesehen.
Hier im Weidegebiet muß man wieder auf tiefe Kuhtritte aufpassen, idealerweise unter der Schneedecke verborgen, die mit Dreckwasser gefüllt sind. Da zieht es dir die Schuhe aus!
Bis zum Lehardi haben wir noch ein paar leicht bewaldete Abschnitte zu queren.
Blick zum Dürrenstein im Süden.
13:12 Uhr. Wir haben das Platzerl, auf das ich gewartet hab, gefunden. Ein paar Quadratmeter Wiese sind nicht nur schneefrei, sondern trocken. Hier rasten wir eine halbe Stunde, essen etwas und genießen die Aussicht, die gar nicht schlecht ist. Was gibt es recht viel schöneres, als in so einer schönen Gegend sein Mittagessen einzunehmen?
13:39 Uhr. Weiter geht’s zum Lehardi
Jetzt müssen wir da noch rauf und dann rechts, dann sollen wir bald beim Lehardi sein.
Lehardi Kreuz (Kreuz zu Ehren des Viehpatron St. Leonhard) auf 1406m
Hier ginge es zum Dürrenstein weiter.
Nochmals ein Blick zum Ötscher (zumindest von hier heroben).
13:47 Uhr. Abstieg zur Herrenalm
14:11 Uhr. Herrenalm auf 1327m
14:15 Uhr. Es ist hier schattig und kalt, sodaß wir gleich weiter nach unten absteigen.
Laut einem Schild soll der Abstieg zwei Stunden dauern. Da kommen wir leicht vor Einbruch der Dunkelheit wieder runter.
Wasserfall am Herrenalmbach. Erst ab Beginn der Forststraße bei der Brücke (In der Schleichen) wird aus dem Herrenalmbach und einem Bach, der aus dem Rabenvieh kommt, der Taglesbach.
Links geht’s zur Kreuzigung. Jeder bitte nur einen Stein.
Der Bach ist teils sehr tief unter uns.
Das Moos wirkt heute so giftig grün, da haut es dir die Augen raus.
Bei der Kreuzung, bei der man entweder links am Alpinweg oder rechts über eine Brücke auf der Forststraße weiter nach unten steigt. Wir gehen links am Alpinweg weiter und …
… werden nach wenigen Metern erneut auf eine befristete Sperre aufmerksam gemacht. Die allerdings seit letzter Woche abgelaufen ist. Grundsätzlich ist man hier seit letztem Jahr (August 22) ja recht empfindlich, was Sicherheit betrifft, weil zwei Frauen beim Abstieg von der Herrenalm zum Parkplatz am Taglesbacheingang bei einem Unwetter von einem Baum erschlagen wurden.
15:20 Uhr. Wir sind wieder beim Anfang des alten Steig zum Hochreiserkogel. Nach sechseinhalb Stunden hat sich der Kreis geschlossen.
Alte, zusammengefallene Hütte am Wegrand.
Rückblick zum Bärenleitenkogel, jetzt wieder weit hinter und hoch über uns. War schön da oben!
Der Saurüssel steht schon wieder knapp vor uns, heißt, wir haben nicht mehr weit.
16:03 Uhr. Nach acht Stunden, mehr als 16km und rund 1200Hm sind wir wieder am Ausgangspunkt zurück.
Letzte Beratungen, wie ich jetzt am Ende der Tour mein neues Navi handhabe, damit es nicht den Weg bis nach Hause aufzeichnet, dann ziehen wir uns um und fahren Heim. Wieder einmal sind ein paar schöne Stunden in der Natur zu ENDE gegangen.