Der Ötscher ist mit seinen 1893m nicht nur der höchste Berg des Mostviertel, sondern auch sein Wahrzeichen. Erst im Mai 1999 war ich zum ersten Mal am Ötscher. Ich hab damals mein Auto bei der Nestelbergsäge abgestellt, bin zum Rauhen Kamm hochgestiegen und hab über diesen den Gipfel erreicht. Nach einer kurzen Rast bin ich dann wieder über die selbe Strecke abgestiegen. Fünf Stunden hab ich damals für rauf und wieder runter gebraucht. Kann ich mir heute kaum mehr vorstellen. Ich war hinterher noch einige Male am Rauhen Kamm unterwegs oder ich bin einfach zum Spaß in “Die Pfann” gegangen. Auf den Gipfel des Ötscher bin ich über diese Strecke bis heute kein zweites Mal mehr gestiegen.
Am 6. September 2022 war ich nach über zwanzig Jahren wieder am Gipfel des Ötscher. Eigentlich wollte ich der Sonja den Weg über die Kreuzplan zum Gipfel zeigen, weil ich den so schön in Erinnerung hatte, aber leider. Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit und in dieser ist diese Rinne, die damals noch als Nachwirkung eines massiven Lawinenabganges freigeputzt war, wieder verwildert und verwachsen. Zumindest im unteren Teil. Das war meinem kleinen Hund einfach nicht zumutbar und so haben wir am Brandkogel umgedreht, sind ins Weitental gefahren und haben von dort aus den Ötscher auf der Normalroute bestiegen. Es war ein wunderschönes Erlebnis, keine Frage, aber als wir auf der östlichen Seite beim Ausstieg aus dem Rauhen Kamm standen und ich Sonja erklärte, wie man von da unten herauf steigt und wie sie selber diese wunderschöne Strecke gesehen hat, da war klar, es wird nicht mehr lange dauern und wir werden zusammen über diesen wunderschönen Kamm den Ötscher besteigen. Was noch offen war, war der Zeitpunkt, und der war heute. Und das schönste daran war, daß Eddie mit dabei war. Der war bisher bei jeder Bergtour, die ich mit Sonja unternommen habe, dabei. Mir war nicht klar, ob ich das meinem Hund zumuten kann, aber nachdem ich ein Brustgeschirr mit drei Unterzügen gekauft hatte, aus dem er nicht heraus rutschen kann und wir das so getestet hatten, daß ich dem Ding auch vertrauen konnte, hab ich beschlossen, wir nehmen Eddie einfach mit. Sollten die Umstände so werden, daß ich es nicht mehr verantworten kann, mit Hund weiter zu steigen, drehen wir einfach um. Ich hab da kein Problem damit. Die Gesundheit und das Leben meines Hundes ist mir wichtiger als ein Gipfel.
Nachdem der Wetterbericht ja nicht so toll war, haben wir beschlossen, einfach zum Ötscher zu fahren, uns die Sache vor Ort anzuschauen und dann zu entscheiden, was wir machen. Rauher Kamm, Pfann oder keines von beiden. Je nach dem. Etwas vor sieben Uhr fuhren wir los, tranken in Gaming an der Tankstelle noch einen Kaffee und fuhren dann über die Tormäuerstraße zum Parkplatz bei der (ehemaligen) Nestelbergsäge. Das Wetter war schön, der Himmel nur leicht bewölkt, es schaute alles recht positiv aus.
6:44 Uhr. Blick vom Neuhofner Hochkogel zum Ötscher. Es ist zwar leicht dunstig, aber sonst tadellos.
7:54 Uhr. Parkplatz Nestelbergsäge auf 759m Seehöhe. Hoch über uns zeigt sich der Rauhe Kamm. Die Rucksäcke sind am Rücken, Eddie an der Leine, wir können los gehen.
Relativ flach steigen wir in Richtung Bärenlacken (948m) aufwärts und queren dabei zweimal eine Forststraße.
Wir kommen dem Ötscher langsam näher.
8:26 Uhr. Wir erreichen eine Forststraßenkreuzung. Von rechts kommen uns drei Wanderer entgegen, die ihr Fahrzeug in Raneck abgestellt haben.
Ganz in der Nähe dieser Forststraßenkreuzung soll es tatsächlich eine Lacke geben, die dieser Stelle seinen Namen gab. Ich persönlich hab sie jedoch noch nie gesehen. Ich hab auch noch nie danach gesucht. Hier ist nicht nur (irgendwo) die Bärenlacke, sondern auch der richtige Anfang vom Aufstieg zum Rauhen Kamm, und zwar genau hier bei diesen Schildern. “Bei Frost, Vereisung, Schneedecke und Unwetter ist das Begehen lebensgefährlich und daher verboten!” steht am Schild. Ich gestehe, ich seh zum ersten Mal in meinem Leben ein Schild, daß die Besteigung eines Berges bei bestimmten Witterungsbedingungen untersagt, ja sogar verbietet! Irgend einer hat hier ganz offensichtlich gehörig seine Kompetenzen überschritten.
Hier ist eine Weggabelung und ich frag mich, ob das der Abzweig in die Pfann sein soll? Es ist schon lange her, aber irgendwie hab ich den Abzweig markanter in Erinnerung. Weiter oben gibt es nochmals eine Weggabelung, aber auch die hat mir nicht ausgeschaut wie die, die ich schwach in Erinnerung hab.
Jetzt kann man auch optisch erkennen, daß sich höhenmäßig was ändert. Wir gewinnen an Höhe.
Ich weiß nicht, ob mich meine Erinnerung trügt oder was auch immer, aber der Steig ist anders, als ich mir das aus der Erinnerung vorgestellt hatte. In meiner Erinnerung (und auch in den Aufzeichnungen) war der Steig zum Rauhen Kamm ein steiles, beschwerliches Trumm, daß man am liebsten schnell hinter sich bringt und nicht mehr dran denkt. In der Realität finden wir ein nettes Steiglein, daß zwar stückweise nicht grade flach ist, no na! Wir mäandern da aber eher gemächlich als bemüht aufwärts und finden den Steig recht angenehm. Ja, ja, es ist halt immer so steil, wie es sein muß. Das Gelände bestimmt, was Sache ist. Ich hatte das aber schrecklicher in Erinnerung, als es tatsächlich war.
Wir sind am Anfang vom Rauhen Kamm. Zumindest von dem Teil, der markiert ist. Hier beginnt das Ötscherparadies. Der echte Anfang vom Rauhen Kamm wäre allerdings am Teufelsriedel in Erlaufboden. Der wird aber bestimmt nicht all zu oft begangen, weil das recht mühsam sein soll. Werner Tippelt hat in seiner Ötscher Bibel den Aufstieg über den gesamten Kamm beschrieben.
Wir können hier schön in die steile Südseite des Ötscher schauen.
Zu diesem kleinen See in der Wanne unter uns führt aus dem Süden ein Steig. Das schaut da unten sehr einladend aus. Ich könnte mir vorstellen, hier herauf zu steigen und ein Nachtlager aufzuschlagen müsse schön sein. Als Ausgangspunkt so einer Wanderung kann ich mir das Schutzhaus Vorderötscher gut vorstellen.
Wir nähern uns dem felsigen Teil des Rauhen Kamm.
Die Gemeindealpe südöstlich von uns.
Blick nach vorne (Westen). Dort vorne mündet der Aufstiegsweg aus dem Süden.
Auch zu den Höhlen (Taubenloch und Geldloch) geht es hier runter.
Das ist alles noch einfaches Gehgelände. Soweit ich das in Erinnerung hatte, gab es am gesamten Rauhen Kamm nur eine Stelle, wo Kraxeln (1-) notwendig war, ansonsten erinnere ich mich nur an Gehgelände. Inzwischen sind allerdings 24 Jahre vergangen und die einzige Konstante an so einem Berg ist, daß er kontinuierlich zerbröselt.
Notunterstand, in dem man ein Unwetter aussitzen könnte.
Zu meiner (freudigen) Überraschung wird aus dem reinen Gehgelände eine Kombination aus gehen und kraxeln. Hollodiriiiiholodarooooo…..
Eddie folgt an der Leine im Nachstieg, als hätte er noch nie in seinem Leben etwas anderes getan (na gut, genau genommen hat er ja in seinem Leben noch nie was anderes getan. Der ist ja überall mit mit uns).
Man beachte Eddies Klettertechnik
Toller Rückblick auf unseren bisherigen Aufstiegsweg.
Der nächste Aufschwung vor uns.
Hier zahlt sich aus, daß Eddie inzwischen ein geübter Kraxel-Maxel geworden ist und wenn die Traktion nicht ganz reicht, helfe ich mit der Leine. Zur Not hätten wir dann noch einen Henkel für höhere Hindernisse. Nur zwei oder dreimal müssen wir ihn hoch heben, weil die Stufen zu hoch und steil für ihn sind, sonst erkraxelt er alles aus eigener Kraft. Ich bin stolz auf meinen Eddie.
Gedenkkreuz der Bergrettung, dahinter der Schlußanstieg.
Waldorf & Statler. In dieser Landschaft herumkraxeln is a Gaudi.
Nicht jeder kommt gesund rauf oder runter.
11:33 Uhr. Steigbuch am Ausstieg
Blick in den Süden zur Gemeindealpe
Wir wandern in Richtung Gipfel und kommen dabei am Taubenstein vorbei.
11:54 Uhr. Beim Gipfelkreuz ist grade eine Wandergruppe angekommen, darum gehen wir zuerst zum Steinhaufen ein kleines Stück nordöstlich davon, der den höchsten Punkt des Ötscher markiert.
Blick in den Norden. Dort, irgendwo im Nordwesten, wohnen wir.
Pause im schönsten Wohnzimmer des Mostviertel
Wunderschön liegt der Kamm von der Scheibe über den Scheiblingstein bis zum Dürrenstein vor uns und selbst der Gamsstein und die Voralpe sind im Hintergrund zu erkennen.
Blick in Richtung Südwesten zum Hochschwabgebiet. Rechts der Bildmitte im Hintergrund der Hochstadl und der Ebenstein.
12:13 Uhr. Zeit für den Abstieg und dabei kommen wir am Gipfelkreuz vorbei, das jetzt für ein Bild frei ist.
Hier steckt sich jeder einen Stein ein. Den Gedenkstein für Petra lassen wir allerdings liegen.
Ganz gemütlich stiefeln wir am Abbruch entlang hinunter. Unser nächstes Ziel ist der Hüttenkogel.
Blick nach Nordwesten. Die Ötscherwiese, Weitental und Lackenhof liegen unter uns.
Wir sind erst seit fünfzehn Minuten unterwegs und schon liegt der Gipfel so weit über uns.
Der Ötscher ist bezüglich Blumenpracht zwar nicht unbedingt mit Kuhberg oder Bodenwies vergleichbar, aber auch er hat einiges zu bieten.
Blick in die Südwand des Ötscher.
Blick zum Hüttenkogel. Im Juli und August ist auch unter der Woche der Sessellift eingeschaltet, der bis zum Ötscherschutzhaus (das ist nicht die Hütte am Hüttenkogel!) führt. Ab dort sind es laut Schildern nur mehr eineinhalb Stunden zum Gipfel. Das ist auch der Grund, warum man im Sommer und bei schönem Wetter zahlreiche Wanderer antrifft, die leicht bekleidet und ohne Rucksack unterwegs sind. Der Ötscher kann eine Herausforderung sein, muß aber nicht unbedingt. Er ist ein Wanderberg für die ganze Familie.
Entnahme einer Bodenprobe, zugegebenermaßen gut kaschiert.
Kurz oberhalb des Hüttenkogel, dahinter der Kleine Ötscher 1552m.
Hüttenkogel 1527m. Hier hab ich eine grandiose Idee. Als wir im letzten Jahr über den Riffelsattel zum Ötscher aufstiegen, sahen wir bei Kreuz und Bank östliche des Sattel eine Steigspur beginnen, die offenbar hier herauf zum Hüttenkogel führen sollte. Ergo, wenn wir jetzt am Hüttenkogel sind, müssten wir entlang dieses Steiges ohne Umweg über das Ötscher Schutzhaus direkt zum Riffelsattel absteigen können. Bei dieser Hütte da vorne, die dem Hüttenkogel seinen Namen gibt, fragen wir einen Wanderer, den wir heute schon einmal am Rauhen Kamm getroffen hatten, ob er diesen Steig kenne, ob es den wirklich gibt. “Ja”, meinte er sinngemäß, “diesen Steig gibt es. Der beginnt gleich hier hinter der Hütte”. Gut, waren wir uns gleich einig, dann gehen wir da hinunter. Der andere Wanderer wollte noch im Schutzhaus einkehren und machte sich alleine auf die Socken.
13:15 Uhr. Das Steiglein war auch wirklich leicht zu finden. Gleich hinter der Hütte war sein Anfang.
Ein massiver Latschensperrrigel versucht vergeblich, den Weg zu versperren, er ist aber gut ausgeschnitten. Hier wird also wirklich gegangen.
Die Vegetation wird immer üppiger und bunter.
Ein weiterer Latschengürtel nebst einem riesigen Ameisenhaufen versuchen, wieder erfolglos, den Weg zu versperren.
Endlich erreichen wir den Punkt, wo das Gelände in Richtung Riffelsattel abkippt. Gleich sind wir unten.
Das Gemüse wird immer höher, dafür verschwinden die Steigspuren und das Gelände wir immer steiler. Zusätzlich liegt hier haufenweise Totholz, Sturmriss herum, versperrt uns den Weg oder versucht es zumindest. Teilweise ist es so mühsam, daß mir der Schweiß in Bächen von der Stirn rinnt. Ich muß einen Weg finden, auf dem nicht nur wir hinunter kommen, sondern auch mein Hund, der bei Sonja am Gürtel hängt. Wir sehen den Boden unter den Füßen nicht und müssen deswegen immer sehr aufpassen, wo wir hin steigen. Es ist teilweise unglaublich mühsam. Ab und zu können wir auf umgefallenen Baumstämmen fast unwegsames Gelände queren, um wieder in gangbarere Passagen zu kommen. Aber das Wetter hält, wir sind frohen Mutes und kommen langsam, aber stetig vorwärts.
Gottlob ist die Sicht hervorragend und wir können den Riffelsattel als Navigationshilfe verwenden. Wäre ja wirklich blöd, wenn wir da am Riffel vorbei zum Spielbichler hinunter absteigen.
13:56 Uhr. Ich wate zwar noch immer bis zur Hüfte im Kraut, aber der Sattel kommt näher und das Gelände wird weniger steil.
Immer mit der Ruhe. Das wird schon.
14:01 Uhr. Wir sind nach einer Dreiviertelstunde auf einen halben Meter genau am Steiglein hinter der Bank des Riffelsattel angekommen. “Hast du Zeit? Ich kenne eine tolle Abkürzung!”
Jetzt haben wir noch den Abstieg über die Skipiste bis Weitental vor uns, dann zur Ötscherwiese, nach Raneck rauf und zurück zur Nestelbergsäge.
14:30 Uhr. Weitental in Sicht.
Wir sind fast unten. Rechts hinter diesem Gebäude (Talstation des Lift zum Großen Ötscher) da vorne führt ein Weg vorbei, der uns einen weiteren Abstieg und Umweg ersparen sollte und zur Ötscherwiese führt.
Hier ist sogar die Wiese ausgemäht, damit man den Weg findet.
Ötscherwiese mit wunderschönem Blick zum Taubenstein hinauf.
Eine entscheidende Weggabelung. Rechts eine Forststraße, die zur Bärenlacke auf 948m führt, fast 200 Höhenmeter und rund einen Kilometer zu weit östlich der Nästelbergsäge. Links die öffentlich befahrbare Schotterstraße, die um den Edelbachkogel herum direkt zum Parkplatz an der Nestelbergsäge führt. Am Schild steht zwar 50 Minuten, wir schaffen es langsam trödelnd und fotografierend locker in 40 Minuten. Das ist nicht weit.
Wunderschöner Blick zum Taubenstein.
Hat den Grünen eigentlich schon einmal jemand erzählt, zu wieviel Prozent Österreich aus Wald besteht? Und den würden diese kommunistischen Schwachköpfe gerne schlägern, um Windräder aufzustellen, die nur teilweise sehr teuren Strom erzeugen, dafür aber Beton und nicht recyclebare Kompositwerkstoffe hinterlassen. Es gab da einmal einen (bösen) Spruch, in dem Grüne und Bäume vorkommen. “… so lange es noch Bäume gibt” oder so endet er.
16:38 Uhr. Wir haben wieder den Ausgangspunkt erreicht
Nachdem wir umgezogen sind, schauen wir uns noch in der Umgebung um…..
… und fahren dann auf dieser Schotterstraße über Raneck nach Lackenhof. In Gaming kehren wir nochmals an der Tankstelle ein, um einen Kaffee zu trinken, dann fahren wir Heim. Wieder einmal ist ein wunderschöner Tag in der Natur zu ENDE gegangen. Toll war es und ich hab mich sehr gefreut, wieder einmal am Rauhen Kamm unterwegs zu sein!
Karte zur Tour
Falls sich jemand einmal einen Eindruck in bewegten Bildern machen möchte, bevor er zum Rauhen Kamm aufbricht, dem empfehle ich DIESEN Filmbeitrag auf Youtube. 30 Minuten Ötscher mit Ausgangspunkt Nestelbergsäge. Aufstieg zum Rauhen Kamm bis zum Gipfel. Sehr gute Kameraführung ohne Sensationsgehabe, sehr ruhiger, sachverständiger Kommentar (allerdings in englisch). Die mit Abstand beste Ötscher Doku (Rauher Kamm), die ich bisher gesehen hab.