Die Bodenwies ist der höchste Berg des Dürrensteigkamm, steht bei Wikipedia. Da es sich um kein politisches Thema handelt, dürfte das der Wahrheit entsprechen. Irgendwie wussten wir gar nicht, was wir heute anfangen sollten. Wir hatten viele Dinge im Kopf, aber keine Plan. Sonnbergüberschreitung von Waidhofen bis hinter Gaflenz wäre eine Option gewesen, aber irgend etwas sagte mir, heute fahren wir ins Ennstal und zur Nigelalm. Das hatte einen Grund. Wir planen schon lange die Überschreitung des Dürrensteigkammes und wir hatten ja auch schon angefangen, den Plan in die Realität umzuwandeln. Wir sind am 30. Juni 2021 vom Übergang zum Almkogel aufgestiegen und dann zum Burgspitz gewandert, am 3. Mai 2022 wanderten wir vom Brunnbacher Gamsstein über die Blauluckn zur Ennser Hütte, weiter zum Almkogel und wieder zurück und am 11. und 12. Juli 2022 haben wir von der Ennser Hütte aus die Überschreitung probiert, sind aber am dichten Nebel gescheitert. Wir waren froh, das Gipfelkreuz am Wieser zu finden, an eine Überschreitung der uns unbekannten Langlackenmauer war nicht zu denken. Die Bodenwies haben wir bisher zweimal bestiegen. Einmal mit Ausgangspunkt Nigelalm am 30. Mai 2021 und nochmals am 23. Mai 2022 von der Enns aus über den Borsee. Was wir also definitiv nicht kennen sind die Langlackenmauer, der Ochsenkogel, das Reiflingeck, den Hochzöbel und den Leerensackriedel. Abgesehen davon waren wir noch nie am Katzenhirn, dem nördlichsten Ende des Dürrensteigkammes.
Wir haben uns vorgenommen, Ende Mai, Anfang Juni die Überschreitung zu wagen, wollten aber vorher einmal das Gelände erkunden, weil wir noch nicht wissen, in welche Richtung wir die Tour gehen wollen. Ich meine, es ist nicht so, daß diese Überschreitung ein riesiges Ding wäre das eine ausgeklügelte Vorbereitung und Logistik benötigt. Keineswegs. Wir haben aber vor, diese Tour bei schönem Wetter zu gehen, weil wir die Aussicht genießen wollen und wir wollen auf jeden Fall Eddie mitnehmen. Eddie ist kein riesiger Lackl, Eddie ist ein Yorkshire Terrier. Mein Schlumpfhund, der mich überall hin begleitet, wo es nur irgendwie möglich ist. Ohne Eddie keine Tour, so einfach ist das. Der Wetterbericht hat bewölkt, kühl, aber trocken angesagt, also ideale Bedingungen für so eine Erkundung. Um Halb sechs sind wir zur Tankstelle gefahren, einen Kaffee trinken und dann ab ins Ennstal.
7 Uhr bei der Nigelalm. Es ist bewölkt, mit rund 13°C angenehm kühl, aber sonst schön. Wir sind abmarschbereit, die Kühe auf der Weide warten schon auf uns.
Die Kuli unten waren, weil eingezäunt, kein Problem und auch der Stier war brav.
Auch die Kühe heroben haben sich artig verhalten. Kein Problem. Sollte eine Kuh neugierig werden, und die können sehr neugierig sein, nehm ich Eddie am Henkel und trag ihn. Wenn ich ihn herauf nehme und trage, bin ich draufgekommen, ist er für Kühe uninteressant und keine Gefahr.
Hier, oberhalb der Weide, ist ein kleiner, na, eine Art Park eingerichtet, in dem über das Leben auf den Almen berichtet wird. Die Tafel ist zum Gedenken an eine Anna Kerschbaumsteiner, Schwagerin auf dieser Alm irgendwann einmal vor langer Zeit. Ich hab mir das noch nie genau angeschaut und hatte daher, bis zur Rückkehr von der Tour, keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hat. Heute weiß ich mehr drüber, aber dazu später.
Wir folgen den Forststraßen über mehrere Kreuzungen hinweg, alles gut markiert und beschildert, bis zum Anfang des Gratweg zum Gipfel der Bodenwies.
Die Natur bringt wunderschöne Dinge hervor.
Dieses Platzerl gefällt mir besonders gut. Blick zum Hochbrand (1242m) gegenüber.
Blick am Hochbrand vorbei ins Ennstal und zu den Gesäusebergen.
Der Anfang des Gratsteig. Es handelt sich hier um keinen scharfen, felsigen Grat, sondern um einen dieser für bewaldete Berge typischen Waldgrate, etwas runder, mit Wurzeln und vereinzelt mit Felsen durchsetzt, die wunderschön, gemütlich und für jedermann problemlos zu begehen sind.
Wunderschöner Blick zum Kuhberg gegenüber.
Dieser Platz am Ende einer Forststraße wird einfach überquert und es geht schon wieder weiter im Wald aufwärts.
Bevor wir wieder im Wald verschwinden, drehen wir uns nochmals um und schauen in die Gegend.
8:34 Uhr. Da ist unser Wegteiler. Eineinhalb Stunden haben wir bis hierher gebraucht. Zum Bodenwiesgipfel sind es nach dem Schild noch eine halbe Stunde, aber heute haben wir etwas anderes vor. Wir zweigen hier nach rechts zum Leerensackriedel ab und folgen dem Steig, der hinüber bis zu Almkogel und Burgspitz im Norden des Dürrensteigkammes führt. Das ist jetzt Neuland für uns.
Ein klarer Fall für meine Steinesammlung. Grenzsteine aller Art, markiert, nummeriert, was auch immer, werden von mir fotografiert, wo immer ich sie finde.
In dieser Schneise steigen wir schier endlos ab und ich frag mich schon, wie weit unten wir da wohl wieder heraus kommen? Bahnhof Kleinreifling 30 Minuten? Nein, nur Spaß. Ich weiß, wie weit dieser Abstieg ungefähr runter geht. Hab ja eine gute topografische Karte. Ich finde es nur immer wieder lustig, wie weit einem in unbekanntem Gelände so ein Ab- oder Aufstieg vorkommt, obwohl die selbe Strecke dann in umgekehrter Richtung, wenn man das Gelände einmal kennt, wesentlich kürzer erscheint. So war da auch hier. Im Abstieg kam und das schier endlos vor, in umgekehrter Richtung im Aufstieg schien es gefühlt wesentlich kürzer.
Kaum aus dem Wald heraußen, wird die Sache schon wesentlich freundlicher und gleich drauf macht das richtigen Spaß.
Kuhberg, links dahinter Schrabachauerkogel
Wir sind jetzt schon so weit nach Nordwesten gewandert, daß wir im Süden am Kuhberg vorbei zu Voralpe und Gamsstein schauen können.
Unser Steiglein ist gut zu sehen und schön zu begehen. Man soll sich da aber nicht täuschen lassen. Ab Juli wird der Steig immer verwachsener, schwerer zu finden und unangenehmer zu begehen. Gras, Brennnessel und Dornen sollen einem das Leben dann wirklich schwer machen, haben uns Kenner auf der Ennser Hütter erzählt. Mai und Anfang Juni sind die beste Zeit für diese Tour.
Leerensackriedel 1216m mit Blickrichtung Bodenwies.
Dieser Felszahn da vorne ist das Markenzeichen des Leerensackriedel. Dahinter der Hochzöbel 1373m und rechts der Ochsenkogel 1444m
Blick nach Südwesten. Hier erkenne ich ohne Orientierungshilfe genau gar nix.
Bisher haben wir diesen Felszahn immer nur auf Bildern gesehen. Jetzt sind wir selber da.
Dieser felsige Waldgrat zwischen Leerensackriedel und Hochzöbel ist ein Traum. Erinnert mich sofort an den Schwarzenberg bei Gresten, nur das hier alles um einiges größer ist. Von uns aus könnte es so bis zur Ennser Hütte weiter gehen.
Diese fleißigen Waldbewohner verbauen langsam, aber sicher den Weg.
Blick zu Reiflingeck und/oder Ochsenkogel. Was hier genau was ist, muß erst die Realität zeigen, wenn wir dort sind.
Hier finden wir was komisches. Wüsste gerne, was das ist oder war.
Könnte hier vielleicht einmal ein Mast verankert gewesen sein?
Der Verbindungskamm zwischen Hochzöbel und Ochsenkogel
Jetzt rücken wir dem Hochzöbel auf den Pelz. Hier beim Aufstieg im Wald muß man ein wenig aufpassen, weil hier offenbar schon einige Male Bäume mit Markierungen umgerissen wurden und neue angebracht. Aber bergauf ist das nicht so schlimm. Abwärts muß man noch aufmerksamer sein.
Plötzlicher Szenenwechsel. Eine flache Wiese und vor uns wird es blau.
Der Kamm zum Ochsenkogel unter uns und in Bildmitte die Langlackenmauer.
10:30 Uhr. Wir stiefeln wieder los. Weiter in Richtung zum Ochsenkogel will ich nicht gehen, obwohl sich eine Besteigung desselben zeitmäßig noch locker ausgehen würde. Wenn ich da jetzt weiter gehe, dann sitzen wir in ein paar Stunden beim Kaffee in der Ennser Hütte, und das wäre ärgerlich. Hätten wir morgen Zeit, dann…. Wer weiß? Dem Schild nach sollen es von hier zum Gipfel der Bodenwies noch zwei Stunden sein. Schau ma einmal, um wieviel wir das überbieten können.
Schau, schau, dieses Schild haben wir beim Hinmarsch gar nicht gesehen.
Wir sind wieder beim Leerensackriedel
Hier gibt es so viel zu schauen, daß wir uns die Aufgaben teilen müssen. Ich schau auf die Landschaft und Sonja auf die Blumen, und so komm ich, danke dafür, auch zu diesen schönen Aufnahmen, die die Pracht der Bergwelt auf eine ganz andere Art zeigen.
11:46 Uhr. Zurück bei der Kreuzung. Wir kommen vom Leerensackriedel und gehen jetzt rechts (Süden) zum Gipfel der Bodenwies. In 30 Minuten sollten wir laut Schild oben sein. Links (in einem Bogen nach Norden) kämen wir wieder zum Aufstiegsweg.
Tamischbachturm, Tieflimauer, Kleiner Buchstein und Großer Buchstein im Dunst.
Hier käme man in 15 Minuten zur Schüttbauern Alm. Wir gehen grade weiter.
Jetzt, wo wir dabei sind, die Bodenwies der Länge nach von Süden nach Norden zu umgehen und hauptsächlich auf Forststraßen angewiesen sind, beginnt sich die Sache zu ziehen und die Füße schmerzen schon. Ich hab den linken Schuh vorm Abstieg zu fest geschnürt.
Endlich runter mit dem Schuh. Tut das gut!
Weiter, eine Abkürzung durch den Wald an einem Jagdhaus vorbei, wo offenbar grade der Kamin angeheizt wird. Freundlich werden wir gegrüßt und grüßen zurück.
Der Kuhberg als Indikator, wo wir uns befinden.
Wir sind wieder oberhalb der Nigelalm, wo einem in diesem kleinen Park vom Leben auf den Almen erzählt wird. Es ist nicht spät, wir haben Zeit, ich hab grad Lust und so setzt ich mich da hin und beginn zu lesen. Zuerst eine fiktive Geschichte über zwei Mädchen, die auf der Alm leben.
Das ist die fiktive Geschichte vom Almleben. Als ich dann umblätterte, begann ich zu schlucken. Anna Kerschbaumsteiner, an die hier gedacht wird, war keine alte Frau, die irgend etwas besonderes vollbracht hat, wie ich vermutete. Sie war ein 15 jähriges Mädchen, daß am 12. Juni 1924 auf der Reiflingbaueralm, in ihrem ersten Jahr auf einer Alm, von einem Salzburger Holzknecht ermordet wurde. Diese Tat soll laut den Niederschriften das ehemals unschuldige Leben auf den Almen dramatisch verändert haben. Ab diesem Zeitpunkt fühlte man sich sicherer, wenn man bewaffnet war.
Nachdem ich diese traurige Geschichte gelesen hatte, begannen wir mit dem Abstieg zur Nigelalm, die nur mehr wenige Minuten unter uns lag.
Die hatten schon sehnsüchtig auf uns gewartet und jetzt waren wir Rindsviecher wieder unter uns.
Wieder bei der Nigelalm. Wir haben viel gesehen und dazu gelernt. Nach fast auf die Minute genau neun Stunden war dieser wunderschöner Tag in der Natur wieder zu Ende gegangen.