Am 22. Februar 2021 war ich erstmals beim Weißen Kreuz, dem höchsten Punkt des Sonnberg auf 969m. Der Sonnberg hat mit knapp unter eintausend Meter wahrlich keine atemberaubende Höhe, dafür besitzt er einen wunderschönen, weitläufigen Kamm, der sich im stätigen auf und ab vom westlichen Gaflenz bis ins südliche Waidhofen zieht und schöne Aussichten bietet. Wir haben immer wieder verschiedene Abschnitte dieses Waldkammes erkundet, wobei uns der Sonnberg ans Herz gewachsen ist. Am 10. Juli 2023 erlaubten wir uns den Spaß und wanderten vom südwestlichsten Ende bis zum nordöstlichsten.
Wir waren im Frühjahr, im Sommer, im Herbst und im Winter am Sonnberg. Einige Wintertouren haben wir in ganz besonderer Erinnerung. Am 8. Dezember 2021 stiegen wir bei tief winterlichen Verhältnissen in einer wahren Märchenwelt über die Türkenschanze zum Weißen Kreuz auf, dann wanderten wir gen Südwesten zum Sonnbergspitzl und über den Kohlbachgrat stiegen wir ins Tal zurück.
Am 13. Dezember 2022 bin ich mit Fred die gleiche Strecke gewandert. Viel Schnee und -21°C haben den kleinen Sonnberg beinahe in eine Hochgebirgstour verwandelt. Am 6. Februar 2023 haben wir im oberen Teil des Aufstieg und vor allem in der Gipfelregion sehr viel Schnee vorgefunden und konnten, da wir natürlich auch Eddie mit hatten, die geplante Wanderung zum Sonnbergspitzl nicht fortsetzen, weil für Eddie an ein Weiterkommen bei diesen Schneemengen nicht mehr zu denke war.
Am 13. Juni waren wir letztmals am Weißen Kreuz. Hans, ein Arbeitskollege und Bergkumpel, hatte mir im Mai ein Foto vom Weißen Kreuz geschickt. Das Gipfelkreuz, dieses Weiße Kreuz aus Holz, daß dem Gipfel seinen Namen gibt, war vom Sturm zerstört worden. Traurig sahen wir noch Überreste und fragten uns, wie lange es wohl dauern würde, bis ein neues Kreuz den Gipfel ziert? Daß es erneuert wird, war gar keine Frage. Es war ein Zettel hinterlegt, der besagte, das Kreuz würde im Laufe der Zeit erneuert und wieder an seinen Platz gestellt.
Dieses “Weiße Kreuz” hat nämlich eine Hintergrundgeschichte, die nichts mit Religion und Glauben zu tun hat. Dieses Kreuz hat einen furchtbaren Hintergrund. David Hartlieb hat es 1943 zum Gedenken an die Gefallenen des Krieges aufgestellt. Unter diesen waren seine drei Söhne David, Herrmann und Rudi. Alleine beim Gedanken an den Wahnsinn, daß ein Vater in diesem verdammten Krieg drei Söhne verloren hat, bleibt einem (zumindest mir) die Luft weg. Jedes Mal, wenn wir beim Gipfelkreuz rasten, schau ich mir im Gipfelbuch sein Foto an und denke an ihn, denk an diesen Mann, dem ich nie begegnet bin und dessen Familie (seine Nachkommen) ich nicht kenne. Ich finde diesen Hintergrund zum Weißen Kreuz sehr berührend und darum wollten wir wissen, ob das Kreuz schon erneuert ist.
Knapp vor halb elf bei der Unterführung in Oberland. Auch bei uns hat es in den letzten paar Tagen mehrmals geschneit, aber jedes Mal sind die Temperaturen anschließend wieder auf 3°C oder 4°C gestiegen und der Schnee war wieder weg. Hier in Oberland, gleich nach der östlichen Grenze zu Oberösterreich, war das offenbar anders. Hier liegt recht viel Schnee und die Temperatur beträgt 0°C. Rucksäcke haben wir keine mit. Ich hänge mir eine bequeme Stofftasche um, in der ich Handschuhe, Stirnbänder und eine Flasche Mineralwasser sowie einen Napf für Eddie mit hab, dann hängt sich Sonja den Purzelbär an den Gürtel und wir stapfen los.
Karte Austria Map AEV mit GPS-Track
Übersicht auf Mapy.cz mit GPS Track. Ich hatte zum Spaß das Navi in der Tasche mitlaufen.
Der Zustieg zum Waldrand und zum eigentlichen Steig gestaltet sich einfach, weil am Traktorweg die Fahrspur frei war. Da haben wir schon schlimmeres (und mühseligeres) erlebt.
Blick nach Westen. Im Hintergrund etwas rechts der Bildmitte sind der Ennsberg mit dem Hühnerkogel 1474m und der Almkogel 1513m am Dürrensteigkamm zu erkennen.
Am Waldrand, Blick zurück zum Ausgangspunkt. Im Hintergrund die Forsteralm.
Genau hier beginnt der Steig zum Weißen Kreuz. Wider Erwarten, gestern war Sonntag, gibt es noch keine Spur nach oben. Wo die hingegangen sind, deren Spuren wir am Feldweg hierher und anschließend geradeaus in den Wald gesehen haben, wissen wir (noch) nicht.
Gleich am Anfang geht es einige Höhenmeter schnurgrade und steil, aber doch recht gut gehbar, nach oben.
Nach diesen ersten steilen Metern verflacht sich der Steig zusehens und wir queren gemütlich zum Grat hoch, dem wir dann bis unter den Gipfel folgen. Insgesamt haben wir vom Tal bis unters Gipfelkreuz drei Aufschwünge zu bewältigen, die in etwa gleich lang sind.
10:52 Uhr. Der Schnee ist nicht all zu tief, er ist relativ fest und wir kommen gut voran. Selbst Eddie hat hier mit seinen kurzen Beinchen wenig Probleme.
Trotzdem wir uns im Wald befinden, hat man immer wieder einen hübschen Ausblick in die umliegende Gegend.
Nur unsere Spuren und die einiger Wildtiere führen durch die Winterlandschaft.
10:58 Uhr. Ich hab bei diesen Verhältnissen und unter der Voraussetzung, daß wir eine Genußwanderung machen, rund eineinhalb Stunden für den Aufstieg kalkuliert. Hier haben wir die erste Verflachung nach dem ersten Drittel und damit den bewaldeten Grat erreicht und liegen gut in der Zeit. Dieser Grat führt uns nun zuverlässig nach oben.
Der Schnee wird allerdings zunehmend tiefer, was für Eddie langsam zum Problem wird. Seine lang behaarten Beinchen verpappen immer mehr mit Schnee. Richtige Kugeln, wie bei den Daltons im Knast, bilden sich und machen das Vorwärtskommen immer mühsamer.
Ungefähr beim halben Aufstieg kamen von links Fußspuren aus dem Wald direkt zu uns herauf. Zumindest zwei, ich denke aber, es waren drei Personen, müssen sich hier gut ausgekannt haben und sie sind irgendwie quer durch den Wald hier herauf gestiegen. Nun haben wir keine unberührte Landschaft mehr vor uns, sondern eine gespurte. Dafür ist es jetzt für Eddie etwas leichter, vorwärts zu kommen. Wir gehen nicht genau in den Fußstapfen, die wir vorfinden, sondern treten alles so gut wie möglich nieder, damit Eddie es einfacher hat.
Der ist inzwischen nämlich schon schwer in Mitleidenschaft gezogen und vereist. In immer kürzeren Abständen müssen wir ihn von seiner klumpigen Last befreien.
11:30 Uhr. Der zweite Aufschwung ist geschafft. Nach wie vor liegen wir gut in der Zeit.
Genau vor uns der steile, aber nicht sonderlich lange dritte Aufschwung zum Plateau unterm Gipfel. Der Schnee wird hier für Eddie schon unangenehm tief.
Wieder müssen wir meinen kleinen Spatz säubern. Die Eis- und Schneekugeln machen ihm nun schon schwer zu schaffen.
Im steilsten Teil des Schlußanstieg. Bei sehr hartem Schnee oder gar Firn ist es hier schön und einfach zu gehen. Wir haben hier allerdings eine etwas pappige Schneeauflage, der Boden ist noch nicht hart gefroren und das am Boden liegende Lauf rutscht wie Sau. Im Aufstieg ist das ja noch einfach, aber im Abstieg wird das eher unangenehm werden, fürchte ich (es haut mich dreimal auf die Fresse).
Der Übergang vom steilen zum flachen Teil ist recht abrupt.
11:49 Uhr. Jetzt nur mehr ein Aufschwung, dann sind wir am Gipfel. Ich fotografiere grad …
… dieses Schild, daß dem Wanderer den Weg zum Weißen Kreuz weist.
Hier sehen wir auch zum ersten Mal zur Lindaumauer 1103m hinüber.
Ein paar hundert Meter gehen wir zuerst flach, dann sogar ein wenig abfallend, zum Kahlschlag am Gipfelanstieg. Der Schnee ist hier teilweise sehr tief, was für Eddie ungemein beschwerlich wäre. Daher …
… wird er teilweise, wenn es gar nicht mehr anders geht, von Sonja getragen. Ich hab ihm extra in (weiser?) Voraussicht das Sicherheitsgeschirr, das wir normal nur bei steilen Felstouren verwenden, angelegt, weil es mit seinen drei Unterzügen den Bauch vor Eis und Schnee schützt und weil es einen Tragegriff hat, mit dem man Eddie wie eine Aktentasche tragen kann.
Der kahlgeschlagene Gipfelanstieg kommt in Sicht. Hier haben wir eine etwas seltsame Begegnung. Am Gipfelhang fällt uns in etwa halber Höhe ein Wanderer auf, der irgendwie Mühe zu haben scheint, abwärts zu kommen. Wir müssen eh grade Eddie von den Schneekugeln befreien und so treffen wir mit dem einsamen Wanderer hier zusammen. Er mag zuerst kaum grüßen, was natürlich seine Sache ist. Ich frag ihn dann, weil mir auffällt, daß er nur einen Schneeschuh (am rechten Fuß) trägt, was mit dem anderen Schneeschuh passiert ist? “Riemen abgerissen” antwortet er und auf die Frage, wo er den aufgestiegen sei, antwortet er (ich hab erwähnt, wir hätten ungefähr bei halbem Aufstieg Spuren aus dem Wald zum Normalweg gesehen), er wäre unten am Traktorweg diesen Spuren in den Wald bis zum Ende der Straße gefolgt und dann, diesen Spuren folgend, wild durch den Wald in einem Tal bis zum Normalweg, weil er den richtigen Weg nicht kannte und ihn durch die Schneedecke auch nicht sah. Ich fand das alles, vor allem im Nachhinein, ein wenig kurios, muß ich sagen. Wir haben seine Spur im Abstieg bis unten gesehen. Er ist unserer Aufstiegsspur gefolgt. Seine Spur war leicht zu erkennen, weil er am linken Bein den Bergschuh trug und am rechten den Schneeschuh, den er hartnäckig, trotzdem er unnötig war, bis zum Traktorweg im Tal am Fuß gelassen hat. Das Kuriose daran ist nämlich, daß keine der Aufstiegsspuren, die wir fanden, eine Schneeschuhspur war. Der muß die Schneeschuhe kurz unterm Gipfel angezogen haben, weil es weiter oben und auch sonst nirgends irgendwelche andere Spuren menschlicher Aktivitäten gab. Irgendwie hatte ich, man möge es mir nachsehen, den Eindruck, der hat unterm Gipfel (bis zum Gipfelkreuz führte ja keine Spur) zur Feier des Tages einen ordentlichen Schluck aus dem Flachmann genommen.
… und die Aussicht, wenn man sich hier umdreht.
Rastbank kurz unterm Gipfel mit tollem Ausblick.
Blick über den Schlußanstieg hinunter
Das letzte Stück zum Weißen Kreuz ist unberührt. Keine Spuren.
Ich hab grade nichts besseres zu tun und trete eine schöne, breite Spur zum Gipfelkreuz aus.
Da steht es wieder, das Weiße Kreuz.
David Hartlieb und die berührende Geschichte vom Weißen Kreuz.
Wie schon eingangs gesagt, war unser heutiges Ziel das “Weiße Kreuz”. Es steht wieder. Wir werden bestimmt noch oft hier herauf steigen, vor allem im Winter, und die schöne Aussicht genießen. Und dabei werden wir sicher auch jedes Mal an die Hintergrundgeschichte dieses Gipfelkreuzes denken. Der Abstieg verlief ohne Komplikationen und um halb zwei waren wir wieder am Ausgangspunkt. Also dann bis zur nächsten Tour, irgendwann und irgendwo. Pfüat euch Gott.