Der Grafenwart ist ein schön geformter Berg mit einer Gipfelhöhe von unter eintausend Meter, der zwischen Kienberg und Gaming östlich der Erlauf liegt. Seine geringe Gipfelhöhe macht ihn zu einem wandermäßig eher einsamen Berg. Aufmerksam wurde ich auf ihn zuerst auf der Karte. Wenn man sich näher mit dem Gebiet in den Tormäuern beschäftigt, fällt einem auch der Grafenwart auf, der wie ein Wächter am Kienberger Eingang in die Tormäuer steht. Auch bei Wanderungen in den Bergen um Gaming wird man immer wieder mit dem Anblick dieses schönen Berges konfrontiert. Weil mir eigentlich egal ist, wie hoch ein Berg ist, um ihm auf’s Dach zu steigen, Hauptsache, er erweckt auf irgend eine Weise meine Aufmerksamkeit, stand auch der Grafenwart auf meiner gedanklichen To do-Liste. Da wir ja nun einen wunderschönen Frühling haben und damit auch die Motorradsaison wieder eröffnet ist, fuhr ich in den letzten Tagen mehrmals am Grafenwart vorbei und fasste dabei den Beschluß, “So, jetzt bist du fällig!”
Freitag Morgen, kurz nach sieben. Abfahrt in Richtung Gaming, in die Urmannsau und zur Erlaufbrücke zwischen Urmannsberg und Bockmauer, wo eine Forststraße in den Horeckgraben führt. Dann die nötigen Vorbereitungen treffen und los geht’s.
Streckenlänge: 15.5km
Niedrigster Punkt: etwa 390m
Höchster Punkt: 886m
Höhenunterschied gesamt: etwa 840m
Wetter: Leicht bewölkt, am Morgen kühl, im späteren Verlauf des Tages angenehm warm
Zeitaufwand mit allen Pausen: 6 Stunden 45 Minuten
Anmerkung: Im Bereich des Grafenwart gibt es nicht nur keine markierten Wege, sondern es gibt dort überhaupt keine präparierten Steige oder Wege, nur Forststraßen und viel Natur. Auf den Gipfel des Grafenwart sowie auf alle anderen Gipfel und Grate in seinem Bereich führt KEIN Weg! Es gibt Steigspuren, denen man allerdings nicht unbedingt bedenkenlos folgen sollte. Es könnte sich um einen Wildwechsel handeln. Ein Navi ist nicht unbedingt erforderlich, aber hilfreich. Auf Wanderer wird man dort kaum treffen, auf Zecken hingegen massenhaft.
Geländeübersicht mapy.cz mit GPS-Track
8:10 Uhr beim Ausgangspunkt an der Erlauf. Rucksäcke sind am Rücken, Eddie an der Leine, es kann losgehen. Wir werden zuerst einmal auf der Forststraße so weit aufsteigen, daß wir zu einem Punkt kommen, wo links (westlich) von uns ein Waldkamm mit der Höhe 730 liegen sollte. Diese Höhe wollen wir uns anschauen.
Die noch junge Erlauf, die bei Pöchlarn in die Donau mündet.
Wir gewinnen flott an Höhe und haben dabei sogar eine hübsche Aussicht.
Hier wird gearbeitet, aber wir stören nicht.
9:30 Uhr. Es wird baumfrei und wir sind gespannt, was man hier sieht.
Wunderschöner Ausblick zur Spitzmauer am Urmannsberg und zum Ostgrat, den wir am 14. August 2023 begangen haben.
Wir schauen hier zu Rainstock, Schlaglmäuer, Wieskogel, Naskogel und Gföhler Almspitze
Kehre im Horeckgraben mit Stichstraße ins Nirvana
8:50 Uhr. Wieder haben wir einen schönen Aussichtspunkt erreicht.
Hier hat sich jemand aus Baumstümpfen Tisch und Sessel als stationäre Essgarnitur gezimmert.
Wieder ein Blick zu Wieskogel, Naskogel, Schwarzenberg und Gföhler Almspitze aus einem anderen Winkel und von weiter oben.
Blick zum Rainstock
Es gefällt uns hier sehr und wir haben viel Spaß
9:22 Uhr. Wir haben eine Forststraßenkreuzung erreicht. Zum Grafenwart müssen wir dann leicht rechts weiter, links könnte man nach Norden in Richtung Erlauftaler Bundesstraße absteigen und scharf nach Westen weglos auf den Waldkamm und zur Höhe 730. Genau das machen wir jetzt.
Die Lage unserer Erkundung am Waldkamm
Auf geht’s! Was wir noch nicht wissen: Es wartet wunderschönes Gelände auf uns.
Wer Waldkämme mag, ist hier genau richtig.
Schöner Ausblick zu Kienberg und Runzelberg
Teilweise genau am Kamm treiben die Überreste eines alter Drahtzaun ihr Unwesen.
9:29 Uhr. Höhe 730 ist erreicht.
Weil es hier so schön ist, gehen wir in Richtung Westen weiter und verlieren dabei einiges an Höhe.
Am Kamm finden wir zahlreichte nummerierte Grenzsteine.
Der westlichste Punkt unserer Erkundung. Blick zum Industriepark in Kienberg. Hier führen Wegspuren steil nach unten ins Unterholz, die wahrscheinlich zu einem weiter unten liegenden Forstweg führen. Wir haben allerdings was anderes vor und drehen hier um.
Die bei unserem Ausflug verlorenen Höhenmeter müssen wir nun wieder zurückerobern.
Dieses stachelige Hindernis ist am Rückweg leichter zu überwinden.
Weglos ist es nicht immer leicht für Eddie
Nach fast 100 Minuten am Waldkamm bei der Höhe 730 haben wir wieder Kurs zum Grafenwart eingeschlagen.
10:48 Uhr. Blick zum Runzelberg
10:51 Uhr. Eine Schranke am Forstweg in der Gegend Grafenreut. Ein Blick auf Landschaft und Karte sagen mir, hier ist der richtige Punkt, um ins Gelände abzuzweigen für den direkten Anstieg auf den Grafenwart. Von hier aus sollte ein schöner, breiter Rücken hinauf führen. Schau ma einmal, ob das wahr ist.
Ja. Das ist ein wunderbar gangbares Gelände für unseren Aufstieg.
Blick von der selben Stelle zurück über die Wiese zur Forststraße, von der wir kommen.
Auch hier finden wir bis zum Grafenwart hinauf nummerierte Grenzsteine.
Meine Grenzsteinsammlung wird größer und größer
Jetzt noch durch diese Senke und dann der Endanstieg zum Gipfel
Waldorf & Statler. Es macht uns irrsinnigen Spaß.
So harmlos der Grafenwart auf unserer Strecke ist, so steil sind die Abgründe an seiner Westflanke.
Nach zehnminütiger Pause wandern wir genau am Abbruch entlang der Schallwaldschneid entgegen.
Der Ausblick ist hier teilweise sagenhaft. Sonja fotografiert einen …
Wir sind bei der Forststraße auf der Schallwaldschneid angekommen
Wie auf der anderen Seite ist auch hier eine Schranke
Die Forststraße ist genau auf der Schneid des Schallwaldes angelegt. Wir folgen ihr, bis sie nach rechts unten abkippt. Dort wollen wir gradeaus zumindest zum Punkt 886 weiter wandern, dem höchsten Punkt unserer heutigen Wanderung.
Kleine Rast, weil grade Zeit ist und weil sich Sitzmöbel anbieten.
11:58 Uhr. Das ist die Stelle, an der die Forststraße nach rechts unten wegkippt. Wir folgen jetzt der Schallwaldschneid direkt am Kamm weiter gen Osten. Am Anfang ist sogar ein guter Weg vorhanden.
Relativ rasch haben wir die Höhe 886 erreicht, die nur von einem kleinen Steinhaufen markiert wird.
Auch einen Grenzstein gibt es hier wieder.
Einmal schauen, was die Karte sagt
12:22 Uhr. Nachdem wir den Kamm bis zu dem Punkt erkundet haben, wo er im Osten nach unten kippt, kehren wir zum höchsten Punkt zurück und bauen ein provisorisches kleines Gipfelkreuz beim Steinhaufen.
Wir kehren zur Forststraße zurück und stiefeln nach unten
12:38 Uhr. Wir haben einen markanten und wichtigen Punkt erreicht, der uns ein wenig Kopfschmerzen bereitet.
Karte von Komoot mit unserem geplanten Track (blau). Die schwarzen Punkte am blauen Track stellen einen Steig dar, den es hier lt. Komoot geben soll und der zu einem Wegkreuz an einer Forststraße westlich vom Abstaller Kogel führen sollte.
In dieser Karte von 1960 (Historische Austria Map mit unserem gegangenen GPS-Track) ist dieser Steig auch tatsächlich noch eingezeichnet, an der Stelle des Wegkreuz stand damals lt. Karte eine Jagdhütte (und der Abstaller Kogel hieß noch Asteller Kg). In den folgenden Kartenversionen (ab 1980) gibt es diesen Steig allerdings nicht mehr und statt der Jagdhütte steht dort ein Kreuz. Schon vor zwanzig Jahren (etwa 2004) hab ich diesen Steig vom Westen her kommend nicht mehr gefunden. Heute stellten wir fest, daß von diesem Steig auch aus dem Osten kommend nichts mehr zu erkennen ist. Da führt nur eine Sackstraße ein Stück weit nach Westen, diese liegt aber zu weit nördlich und endet im unwegsamen Gelände.
Auf der Suche nach einem nicht existierenden Steig. Die Straße gradeaus führt auf den Abstallerkogel rauf und endet dort.
Wir folgen der Sackstraße, weil wir denken, vielleicht stimmen ja die Karten nicht und das ist der Weg, aber …
… dieser Weg endet hier. Anders wie in der Sackstraße am Schrabachauerkogel haben wir hier keinen Löffel als Andenken gefunden.
Nachdem es unseren geplanten Weg nicht gab, mußten wir uns was einfallen lassen und da wir weder Politiker sind noch aus einer Anstalt entsprungen, kommt das Wort alternativlos in unserem Sprachschatz nicht vor. Wir schauten uns Karten (ja, Mehrzahl!) und Navidaten an und stapften wohlgemut dem Dornreithgraben entgegen, der uns nach unten zur Erlauf bringen sollte. Dort schauen wir weiter.
Also landschaftlich war dieser Abstieg auf ungeplanten Wegen gar nicht so übel und auch der Umweg war, wie sich später herausstellte, nicht die Welt.
Hier standen haufenweise Maiglöckerl und weil ich die sowieso nicht scharf fotografieren kann, hab ich die Sonja fotografiert, wie sie die Maiglöckerl fotografiert. Aufgabenteilung nennen wir das. Jeder tut, was er kann.
13:57 Uhr. Wir haben Sommersberg (ein paar Häuser und Hütten) erreicht. Man könnte, der Forststraße folgend links herum, hier zur Erlauf gehen und sie über eine Brücke überqueren. Dann müssten wir allerdings auf der Tormäuerstraße drei Kilometer zum Ausgangspunkt zurück kehren. Das wäre zwar fast topfeben, aber fad und mühsam, weil Asphalt hart ist. Außerdem meine ich zu wissen, daß diese Brücke mit einem hohen Eisentor versperrt ist. Wir entscheiden deshalb, wir gehen, trotzdem es lt. Karten einige Steigungen geben soll, am Weg am orographisch rechten Ufer der Erlauf zurück. Da vorne in der Kurve ist der Feldweg zu erkennen, dem wir folgen werden.
14:00 Uhr. Wir sind am neuen Weg unterwegs. Rückblick.
Vom schönen Feldweg zweigen wir bald in einen…
… immer stärker verwachsenden Feldweg ab …
… der, je weiter wir vordringen, immer größere Verfallserscheinungen zeigt.
Trotzdem fühlen wir uns hier pudelwohl. Es ist ganz still und es hier schön zu gehen.
Das trockene Laub ist mehr als knöchelhoch. Richtig einladend für eine Rast.
Hier einfach herum zu liegen ist echter Reichtum.
Unter uns das weiche Laub, über uns der blaue Himmel und …
… neben uns der Burzelbär, Herz, was willst du mehr?
Ein Stück hama aber noch vor uns.
14:37 Uhr. Wir sehen zu Erlauf und Tormäuerstraße hinunter.
Jetzt noch um diesen Felsen herum, dann …
… mündet unser ungeplanter Abstiegsweg in den geplanten Abstiegsweg ein.
14:44 Uhr. Wir sind wieder im Erdgeschoss.
… bei dieser Brücke und kehren anschließend …
… auf der Tormäuerstraße ein paar hundert Meter weit zum Ausgangspunkt zurück. Dort vorne steht schon mein kleiner Opel.
14:54 Uhr. Wir sind zurück am Ausgangspunkt. Wieder einmal sind ein paar wunderschöne Stunden in der Natur zu ENDE gegangen.
Dann pfüat Gott und bis zum nächten Mal, irgendwann und irgenwo in den unendlichen Weiten des Universum.